Frei Lesen: Die Grabesspenderinnen

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Aischylos

Die Grabesspenderinnen

Anfang

eingestellt: 28.6.2007



(Königspalast zu Argos. In der Mitte der Bühne Agamemnons Grab. Orestes und Pylades kommen in Wandrerstracht und gehn zum Grabe; Orestes steigt die Stufen hinauf)

ORESTES:
O Grabeshermes, der dir beschiednen Macht gedenk,
Sei Retter, sei Mitkämpfer mir, dem Flehenden!
In dieses Land gekommen bin ich, heimgekehrt,
Und ruf meinen Vater hier an Grabesrand,
Daß er mich anhört, meinen heilgen Schwur vernimmt!
(Denn dich zu rächen, Vater, bin ich heimgekehrt,
Dein Sohn Orestes, der ich im fernen Phokerland,
Verwaist der Heimat, durch der Mutter arge List
Verstoßen, aufwuchs, daß ich dir einst Rächer sei;
Mich aber sendet Loxias trugloser Spruch,
Daß dir der Mörder wieder, dir die Mörderin,
Dein Blut zu sühnen, fallen muß durch diese Hand.
So hör mich, Vater, schaue gnädig auf mich her,
Daß ich erfülle deines Blutes heilig Recht,
Wie mir der Gott es, Loxias es mir gebeut!
Ich aber weih dir ärmlich, trauerreich Geschenk,
Des eignen Grames treuen Gruß auf deine Gruft;
Zum ersten Male schnitt ich mir als Pflegedank)
Die Scheitellocke für des Inachos Fluten ab,
Zum zweitenmal jetzt meine Trauerlocke dir,
(Daß dir sie Zeugnis gebe, deines Blutes Sohn
Sei heimgekommen, Vater, in dein teures Haus,
Die Missetat zu rächen, zu erwerben sein
Und seiner Schwester lang entwöhntes Erb und Recht!)
(Aus der Tür der Frauenwohnung kommt der Chor, in schwarzen Kleidern und Trauerschleiern; in gleicher Mägdetracht Elektra)
Was dort erblick ich? Was bedeutet jene Schar
Von Weibern, schwarzverhüllten, die sich trauernd nahn?
Auf welch Ereignis rat ich oder deut ich dies?
Betraf ein neuer Todesfall vielleicht das Haus?
Könnt ich vermuten, ihre Spenden brächten sie
Für meinen Vater, für die Toten fromme Pflicht?
Nicht anders ist es; denn Elektra, glaub ich, selbst
Geht dort mit ihnen, meine Schwester, tief gebeugt
Vor Kummer. O Zeus! gib zu sühnen mir den Tod
Des Vaters, sei mir gern ein Helfer meiner Tat! -
Laß uns zurückgehn, Pylades, damit ich klar
Erkennen könne, was bedeute dieser Zug!
(Beide verbergen sich)

Erste Strophe



CHOR:
    Entsandt dem Hause kam ich her,
    Geleit der Spende mit der Hände wildem Schlag!
    Die Wange blutet heiß in tiefen Rissen,
    Wiedergerissenen Nägelfurchen mir!
    Und rastlos, weh, an Wehklage weid ich meinen Sinn!
    Zu Fetzen reißt mein Kleid entzwei,
    Zu linnezerrißnen in meinem Gram!
    Mein schwarz Brusttuch, mein weitfaltiges Kleid
    Zerfetzt der ungewehrte Schmerz!

Erste Gegenstrophe

    Denn furchtberedt, gesträubten Haars,
    Des Hauses Träumedeuter, aufgeschreckt im Schlaf
    Zu neuem Graun, hat mitternächtgen Angstschrei,
    Mordesgeschrei an dem Herde geschrien,
    Zu uns ins Fraungemach taumelwild sich hineingestürzt.
    Des Traumes Deuter sprachen dann
    Und riefen zu Zeugen die Götter an:
    Sehr voll Ingrimm sein, sehr zornig die Toten,
    Ihren Mördern wildempört!

Zweite Strophe

    Und diese Liebe liebelos, die sühnen soll die Schuld,
    Io, Erde, Erde!
    Spendet, sendet her das gottvergeßne Weib!
    Mich bangts, auszustoßen dieses Wort!
    Denn welche Sühne gibt es für vergossen Blut?
    Io, du allbeweinter Herd!
    Io, du untergrabnes Haus!
    Ja, graungemieden, sonnenlos umhüllt tiefes Dunkel das Haus,
    Drin erschlagen der Herr ward!

Zweite Gegenstrophe

    Ehrfurcht, versagt, verargt, gefährdet nimmer sonst,
    Dem Volk eingewohnt sonst
    Tief in Ohr und Herzen - jetzt empört sie sich!
    Voll Angst weiß ich eine! - Glücklich sein,
    Das gilt als Gott den Menschen und gilt mehr als Gott!
    Ein letzter Schlag versieht das Recht
    Urplötzlich dem am Tage noch,
    Dem stürzt er lauernd im streitgen Licht der Dämmrung heimtückisch hervor,
    Nacht fängt andre, die nie tagt!

Dritte Strophe

    Das Blut, von seiner Amme, Erde, aufgefahn,
    Gerann zum Racheblutmahl, nie verfließt es mehr;
    Voll Tücke verschiebt Ata sie noch, daß, wer es tat,
    Seh seines Jammers Blütenpracht!

Dritte Gegenstrophe

    Wer frech sich fremdes Brautgemach erbrach, gesühnt
    Wird nimmer der; und strömte aller Ströme Flut
    Allseits her, bluttriefenden Mord
    Hinwegzuspülen, doch umsonst strömten sie!

Epode

    Doch ich - denn mir wiesen hier Magd zu sein
    Die Götter zu; fortgeschleppt vom Herd meiner Heimat
    Ward ich früh ins Los der Knechtschaft -,
    Ich muß, was recht, muß, was schlecht meine Herrschaft hat getan,
    Ich muß, da mich Gewalt zwingt, es preisen,
    Muß meines Herzens Haß vergessen! -
    Ins Gewand verhüllt, umsonst bewein ich
    Meines Königs Los, verstein ich
    Im verhaltnen Herzensgram!

ELEKTRA:
Ihr teuren Wärterinnen, vielgetreue Fraun,
Mit mir gekommen seid ihr, dieses heilgen Zugs
Geleiterinnen; drum so sagt mir euren Rat:
Wenn auf das Grab ich gieße diesen Trauerguß,
Wie soll ich freundlich sprechen? Wie zum Vater flehn?
Sag ich, von seiner lieben Gattin sei ich ihm,
Dem lieben Mann, von meiner Mutter ich gesandt?
Dazu gebrichts an Mut mir; und nicht weiß ich, wie
Ich beten könnte, wenn ich auf des Vaters Grab
Dies spende. Oder sag ich nach dem heilgen Brauch:
Vergelten mög er denen, die ihm diesen Kranz
Gesandt, vergelten auch der Bösen bös Geschenk?
Soll schweigend, schmachvoll, so wie einst mein Vater fiel,
Ich gießen dieser Spende grabgetrunknen Guß,
Die Schale dann, als wär sie unrein, gottverflucht,
Wegschleudern abgewandten Blicks und wieder gehn?
So wollt mir raten, Teure, was ich möge tun;
Ist uns gemeinsam doch der Haß in jenem Haus!
Nicht bergts in eurem Herzen, irgendwie besorgt;
Denn sein Verhängnis harrt des Freien ebenso
Wie des von fremden Siegers Hand geknechteten.
So sprich, wenn du mir Beßres weißt, als ich gesagt!

CHORFÜHRERIN:
Gleich einem Altar ehrend dir des Vaters Grab,
Sag ich, du willst es, was ich im tiefsten Herzen denk.

ELEKTRA:
So sag mir, wie wohl ehrtest du des Vaters Gruft?

CHOR:
Zur Spende segne, die ihm treu gesinnet sind.

ELEKTRA:
Wen aber von den Seinen darf ich nennen so?

CHOR:
Zuerst dich selbst und jeden, der Aigisthos haßt.

ELEKTRA:
Für mich und dich denn sag den Segen ich zuerst?

CHOR:
Vergiß Orest nicht, weilt er auch im fremden Land.

ELEKTRA:
Vor allem; du gemahnst mich an das Teuerste!

CHOR:
Und dann den Tätern, wann du an den Mord gedenkst -

ELEKTRA:
Was dann? Belehr mich, sag es mir, ich weiß es nicht!

CHOR:
Sag, ihnen kommen werd ein Gott einst oder Mensch -

ELEKTRA:
Meinst du, der sie richten oder der ihn rächen wird?

CHOR:
Du sprichst es einfach: der den Mord mit Mord vergilt!

ELEKTRA:
Doch ist es fromm auch, von den Göttern das zu flehn?

CHOR:
Warum denn nicht soll büßen seine Schuld der Feind?

ELEKTRA:
Du höchster Herold hier im Licht, im Hades dort,
O Grabeshermes, hör mich und erwecke mir
Des Schattenreichs Gottheiten, daß sie hören mein
Gebet, die Hüter über meines Vaters Blick,
Und auch die Erde, die gebieret alles Ding,
Und was sie aufzog, wieder dessen Keim empfängt;
Ich gieße diese Spenden für die Toten aus
Und rufe dich, mein Vater, mein erbarme dich
Und deines Sohns Orestes. Herrschten wir im Haus!
Denn sieh, verstoßen leben wir und wie verkauft
Von unsrer Mutter; den Aigisthos hat sie sich
Zum Mann erlesen, der dich mit erschlagen hat;
Und einer Magd gleich hält sie mich; Orestes ist
Verjagt aus seinem Erbe, während sie in Prunk
Und eitler Wollust deines Schweißes Frucht vertun!
Daß heim Orestes gottgeleitet kehren mag,
Drum fleh ich dich an, Vater, du erhöre mich!
Mir aber gib du, daß ich tugendhafter sei
Denn meine Mutter, reinen Wandels, reiner Hand!
Für uns gebetet hab ich dies; den Feinden nun
Erscheint, ich weiß es, einer, der dich, Vater, rächt,
Auf daß die Mörder wieder morde ihr Gericht;
Und sei mir laut bezeuget, wie für bösen Fluch
Ich ihnen wiederfluche diesen bösen Fluch!
Du aber send uns alles Heil empor, mit dir
Die Götter und die Erd und Dike Siegerin!
Für diese Bitte spend ich diesen heilgen Guß;
Ihr aber flechtet eurer Klage Totenkranz
Und weihet meinem Vater frommen Grabesgruß!

CHOR:
    Weinet die Träne, die rieselnde, sterbende,
    Ihm, der starb, unsrem Herrn,
    Zu dieser Spende Born,
    Der Bösen nichtiger, schnöder Beschwichtigung
    Wider der Edlen Zorn!
    Höre du, mich höre du,
    O Herr und Fürst, in deiner grabstillen Ruh!

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