Felix Dahn
Die Wahrhaftige
eingestellt: 11.7.2007
Unbefleckt, gleichwie der weiße
Mantel seiner Schuppen-Brünne,
Deckte Namen ihm und Seele
Unbefleckter Ehre Glanz.
Und da Treuepflicht des Ritters,
Treuepflicht des Templereides,
Des Gesandten Treuepflicht ihn
Dreifach band mit stärkstem Band,
Schenkte Saladin ihm volles,
Beispielloses Zutraun, daß er
In den Wochen der Verhandlung,
Die der Gast bei ihm
verbracht,
Seines Frauenhauses Perle,
Seine wunderschöne Tochter,
Fatme mit den klaren Augen,
Oft zum Mahl mit ihm beschied.
Denn er traute sehr dem Deutschen,
Und er traute mehr der Tochter,
Der noch nie, so lang sie lebte,
Auf die Lippe Lüge trat.
»Ja, sie kann mir gar nicht lügen,
Fatme mit den klaren Augen!«
Sprach der stolze Vater zärtlich,
Und er strich ihr golden Har.
II.
Und des Templers und Gesandten
Dreifach starke Pflicht der Treue, –
Stärker war der Liebe Macht,
Welche Sigiswalt und Fatme
Zu einander zwang mit Blicken,
Dann mit Worten, dann mit Küssen
Und mit Sehnen bis zum Tod.
Klug geplant ist die Entführung:
Um die Mitternacht am Garten-
Pförtlein wird sein Schwarzroß harren
Und ein Kahn im nahen Strom.
Alles günstig! Keine Merker!
Keine Möglichkeit der Hemmnis. –
Nach dem Nachtmahl, wie allnächtig,
Naht dem Vater sich das Kind.
Seinen Schlummersegen heischend
Kniet sie vor ihm auf den Teppich.
Aber während sonst ihr Auge
Nach des Vaters Auge sucht, –
Nieder beugt sie heut das Köpfchen,
Und des dichten Schleiers Falten
Zieht sie vor die klaren Augen,
Und der zarte Busen wogt. –
An dem Kinn – mit Einem Finger –
Hebt der Vater das Gesicht ihr
Aufwärts: »Sage, liebe Tochter,
Warum senkst die Wimpern Du?«
Gluthen schießen ihr ins Antlitz,
Und das Pochen ihres Herzens
Hebt empor ihr seidnes Brusttuch:
»Tochter, sag die Wahrheit mir!
Was erschüttert so die Brust Dir?
Sollt es wahr sein, was sie zischeln?
Sigiswalt? – Ich frage Fatme,
– Fatme, die noch niemals log: –
Liebst du diesen Tempelritter?
Sprich die Wahrheit, Du Wahrhaftge!«
Seufzend schlug da, schmerzlich stöhnend,
Schlug sie da die Augen auf:
»Lügen kann ich nicht, ich lieb ihn!«
»Und er liebt Dich?« »Und er liebt mich.«
»Und Ihr sagtets Euch?« »Wir sagtens«
»Und er küßte Dich?« »Er thats.«
»Und ihr wolltet fliehn? Lüg nicht!«
»Und wir wollten fliehen.« »Heut noch?«
»Heute noch.« »Um Mitternacht?« »Ja!«
»Aus der Gartenpforte?« »Ja.«
»An der Pforte harrt sein Schwarzroß?«
»An der Pforte harrt sein Schwarzroß.«
»Und im Jordan harrt sein Nachen?«
»Und im Jordan harrt sein Kahn.«
»Dreimal schlägt er in die Hände?«
»Dreimal schlägt er in die Hände: –
Und nun hab ich ihn vernichtet,
Weh, weil ich nicht lügen kann.«
III.
Pförtlein harrt des Deutschen Schwarzroß:
Dreimal schlägt er in die Hände,
Wies genau beredet war.
Und es thut sich auf die Pforte,
Und er breitet aus die Arme,
Seine Fatme zu umfangen: – –
Und er taumelt jäh zurück.
Denn ein Troß von zwanzig Kriegern
Bricht hervor und zwingt dem Starken
Fesseln auf. »O Fatme!« seufzt er,
»Wer verriet uns?« – »Fatme selbst!
Fatme selbst hat Dich verraten,«
Rief der Sultan, »denn sie lügt nicht.«
»Fatme selbst hat mich verraten!«
Stöhnt er – »Fatme! Fatme selbst!«
Und sie reißen ihm den weißen
Templermantel von den Schultern,
Und sie brechen ihm das tapfre,
Heißgeliebte Ritterschwert.
Und ins Antlitz schlägt der Fürst ihm:
»Dies für des Gesandten Treubruch!
Dreifach brachest Du die Ehre: – –
Dreifach ehrlos bist Du nun.«
IV.
In den Hof sie den Gefangnen,
An dem Frauenhaus vorüber,
Ragendem Schafotte zu.
Da durchs goldne Ladengitter
Ruft es laut hernieder: »Theurer!
O, vergieb mir! Denn nicht leben,
Auch nicht sterben kann ich sonst.
Für Dich sterben: – doch nicht lügen!
Sigiswalt, kannst Dus begreifen?«
In die klaren Augen sah er,
Und er sprach: »Die Schande brennt!
Aber Dank Dir, daß die Schande
Du auf mich allein gehäuft hast,
Daß mein Mantel nur befleckt ward,
Deine reine Lippe nicht.
Alles, was Du mir verschuldet,
Alles, was ich hab erduldet,
Alles, Alles sei vergeben: –
Heil Dir, mein wahrhaftig Lieb!«
Und sie schlugen ihm das Haupt ab,
Daß sein rothes Blut emporsprang.
Fatme sahs und schrie: »Mein Werk! – Doch
– Wehe mir! – ich thäts nochmal!« –
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