Frei Lesen: Walhall - Germanische Götter- und Heldensagen, Zweites Buch

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Kapitelübersicht

I. Odin-Wotan. | II. Thor-Donar. | III. Tyr-Ziu. | IV. Freyr-Frô. | V. Baldur-Forseti. | VI. Loki-Loge. | VII. Hel-Nerthus | VIII. Freya und Frigg. | IX. Die Nornen. | X. Die Walküren. | XI. Andre Götter und Göttinnen. | XII. Mittelwesen: Elben, Zwerge, Riesen. |

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Felix Dahn

Walhall - Germanische Götter- und Heldensagen, Zweites Buch

XI. Andre Götter und Göttinnen.

eingestellt: 6.7.2007





Von zahlreichen andern Göttern und Göttinnen sind uns Spuren erhalten, kaum hinreichend, lebendige Anschauung von ihren Gestalten zu gewähren, aber genügend, unsre Klage zu verstärken, dass uns von all dem Grossartigen und Heldenhaften, Tiefsinnigen und Feinsinnigen, Ahnungsvollen und fröhlich Schalkhaften, was die Seele unsres Volkes in diesen Gebilden geschaffen hatte, nur so dürftige Trümmer und Andeutungen geblieben sind.



Unzweifelhaft ist von Heimdall, dem Sohne Odins, und von neun (riesischen) Schwertern (welche ihn aufgenährt haben mit der Kraft der Erde, mit kühler Flut und mit dem Strom des Sonnenlichtes), nur bezeugt, dass er der treue Wächter1) der Regenbogenbrücke Bif-röst ist; er trägt das gellende Wächterhorn, Giallarhorn, in das er stösst, wann die Riesen heranreiten zum letzten Sturm auf Asgards goldene Höhen2). Man hat ihn unter anderm Namen wiedergefunden als Rigr; als solcher wandert er über die Erde hin und wird der Vater der verschiedenen Stände3).



Auch Iring soll er heissen und nach ihm die Milchstrasse "Iringstrasse4)" benannt sein. Er ist also ein Gott des Himmels, der Luftregion, als solcher eine Seite (ein Sohn) Odins; als seine Mutter wird anderwärts die Erde bezeichnet. Auch der "Schwert-As" heisst er und mit dem Schwertgott Eru wird er zusammengehalten. Seinen Namen hat man gedeutet als "Dolde (d. h. Spitze) des Heims", d. h. der Erde, des Weltbaumes; daher heisst seine Wohnung Himinbiörg, Himmelsburg; daher, als ein Gott des lichten Äthers, mag er der "weisse" heissen; daher führt er, hoch da oben wachend, das krumme Horn, d. h. die Mondsichel. Sein Ross heisst Gulltopr (Goldwipfel) und er hat goldene Zähne, also ein Gott des himmlischen Sonnenlichts. Daher heisst er auch "der sich Neigende", da ihm der Monat, in dem die Sonne sich neigt, vom einundzwanzigsten Juni bis einundzwanzigsten Juli, geweiht war. Jedoch auch (wohltätigen) Regen spendet dieser Himmelsgott; als Loki, der heisse, sengende Sommergluthauch, Freyas (der jungen Erde) Halsgeschmeide Brisingamen (das frische Grün des Rasens) geraubt (d. h. versengt) hatte, da brachte es ihr Heimdall nach siegreichem Kampfe mit Loki wieder zurück; der erfrischende Regen belebt das versengte Grün aufs neue.



Hödur, der schuldlose Töter Baldurs, und Odins wie Baldurs Rächer; Hermôdr, Widar und Wali, sind uns fast nur aus der Geschichte von des Lichtgottes Ermordung und der Erneuerung der Welt bekannt; ihre Hauptbedeutung liegt auf den Gebieten jener beiden grossen Sagen und ist dort zu würdigen. Aber einiges ist doch auch hier schon hervorzuheben.



Wali ist das wiederkehrende Licht, welches zur Zeit der Wintersonnenwende die Tötung Baldurs, der in der Sommersonnenwende stirbt, an dem blinden Hödur rächt; er ist der Sohn Odins und der Rinda (d. h. der winterlichen Erdrinde). Sie war die Tochter eines Ruthenen-(Russen-)Königs. Odin war nach Baldurs Tod geweissagt, nur diese könne ihm einen Sohn gebären, der Baldur rächen werde. Odin naht nun in seiner Wandergestalt mit Schlapphut und Mantel jenem König, gewinnt dessen Gunst, schlägt als dessen Feldherr die Feinde und verlangt als Lohn der Tochter Hand. Der König will sie ihm geben, aber die spröde, herbe, stolze Jungfrau gibt ihm statt des Brautkusses - eine Ohrfeige. (Die Erzählung stammt aus Saxos Bericht, mit zahlreichen Vergröberungen der Götter, welche wir fast sämtlich übergehen.)



Nun erscheint Odin als Goldschmied verkleidet und wirbt um die Maid mit künstlichen Spangen. Abermals mit einem Schlag abgewiesen, naht er als junger, blühender Krieger zu Ross und zeigt ihr seine Reiterkünste. Aber sie stösst den Werbenden so rauh zurück, dass er strauchelt und sein Knie die Erde rührt. Da berührt er sie zornig mit seinem Zauberstabe (gambantein, den Skirnir gegen Gerda brauchte) und beraubt sie so des Verstandes. Aber die Werbung gibt er nicht auf; kann doch nur Rinda Baldurs Rächer gebären. Er verkleidet sich in Frauengewand, nimmt unter dem Namen Wecha Dienst bei dem Mädchen und wäscht ihr die weissen Füsse. Da sie immer schwerer erkrankt, verheisst er, sie zu heilen, aber mit so harter Kur, dass die Kranke sie nur gezwungen ertragen werde. So wird ihm von dem Vater das Mädchen gebunden übergeben; er führt sie fort, vermählt sich nun mit der Widerstrebenden, und sie wird die Mutter Walis. Während seiner Abwesenheit und wegen des verübten Betruges5) entsetzt aber ein Teil der Götter Odin der obersten Gewalt; ein andrer, Ullr, erhält Odins Thron und Namen; aber bald gewinnt Odin die Götter wieder für sich; Ullr muss flüchten und wird im fernen Norden erschlagen.



Die Deutung ist nicht schwer. Rinda ist die winterliche Erdrinde; nach des Lichtgottes Baldur Tod ist die Erde dem wohltätigen Himmelsgott Odin entrückt. Vergebens bemüht dieser sich, sie für sich zu gewinnen; vergeblich bekämpft er tapfer die Winterriesen; vergeblich wirbt er um sie mit den goldenen Gaben des Sommers; vergebens zeigt er ihr die Lust kriegerischer Spiele, der schönsten Gabe der Sommerzeit; die Erde, die dem Liebesleben abgesagt, weist dreimal heftig den Freier zurück; die Versuche, des Winters Herrschaft zu brechen, scheitern. Da verflucht sie der Lebensgott für immer, dem Wintertode verfallen zu sein, falls sie ihn nicht erhöre; er wirbt um die erstarrte, indem er ihr die Füsse bespült (es ist wohl allzu kühn, hier an den Tauwind zu denken, der die Erdrinde in Tauwasser schmelzt; aber irgend ein ähnlicher Vorgang in täuschender Hülle und scheinbar ungefährlicher Gestalt liegt hier zu Grunde) und zwingt die immer noch Widerstrebende zuletzt mit Gewalt, sich dem Sieger zu ergeben und die Mutter zu werden des neuen Frühlings, der den im Vorjahr getöteten an dem Winter- und Nachtgott Hödur rächt. Ursprünglich bezog sich Baldurs Tod nur auf den jährlichen Untergang des Lichtes; erst später ward dies auf die Götterdämmerung bezogen, und nun konnte nicht mehr Baldur selbst jeden Frühling wiederkehren, - vielmehr erst in der erneuten Welt - sondern statt seiner ein Bruder, ein andrer Sohn Odins6).



Wali war der Monat Liosberi (Lichtbringer; vom neunzehnten Januar bis achtzehnten Februar) geweiht, was die Grundauffassung voll bekräftigt. In diese Zeit fällt nicht nur Mariä Lichtmess (zweiter Februar), auch der Valentinstag (vierter Februar), der in England (Ophelia in Shakespeares Hamlet führt ein Volkslied darüber an), Nordfrankreich, Brabant ein Fest der Liebenden ist. An diesem Tage paaren sich nach dem Volksglauben die Vögelein, und auch die jungen Leute wählten oder erlosten für das kommende Jahr, halb im Scherz, halb im Ernst, ihren Schatz. Man hat nun Sankt Valentin als an Walis Stelle getreten gedacht, auch dieses Heiligen Namen auf einen zweiten Namen desselben Gottes: Ali, der Nährer, und einen dritten: Bui, der Bebauer, d. h. Erdbebauer, Ackerbebauer, auf Welo, Wolo (unsern neuhochdeutschen "Wohl") zurückgeführt, d. h. einen Gott des Wohlergehens, Glückes, eines Liebesfrühlings. - Auch als guter Schütze wird Wali gerühmt; der Frühlingssonnengott entsendet die fernhintreffenden Pfeile wie Phöbus Apollon.



Ullr ist nach der echten alten Sage durchaus nicht ein von den empörten Göttern eingesetzter Gegenkönig Odins, sondern lediglich Odin selbst; nur ein winterlicher, statt des sommerlichen Odins. Nur der Sommer ist die Zeit für die Kriegsfahrten des Siegesgottes - ist er doch zugleich der allbelebende Allvater der sommerlichen Lebensfreude; im Winter ruhen wie der Krieg, so jenes warme Freudeleben; Odin ist fern, so scheint es. Aber er ist doch da; nur unter dem Namen "Ullr" und in winterlicher Vermummung. Jetzt gewährt der Schnee die Fährte des Wildes dem Weidmann; nun beginnt die Jagd; Ullr führt sie an, zum Schutz gegen die Kälte in Tierfelle gehüllt, seines Birschgangs Beute liefert ihm ja reichlich Pelzwerk, - mit Bogen7) und Pfeil, Schrittschuhe unter den Sohlen; - so verfolgt er behend über Schnee und Eis des Wildes Spur, ein Gott der Jagd; hierin ist ihm Sankt Hubert (Hukbert, der Geistglänzende) nachgefolgt. Er ist ein Sohn der Erdgöttin Sif, aber nicht von Thor; denn er wird geboren, wann die Gewitter noch ferne sind; sein Vater konnte füglich ungenannt bleiben, wenn Ullr = Odin ist. Sich selber meint daher Odin, wenn er, in König Geirröds Saal zur Folter zwischen zwei Feuer gesetzt, ausruft: "Wer die Lohe löscht, gewinnt Ullrs Gunst und aller Götter." Im Sommer weilt dagegen Ullr in der Unterwelt, Odin auf Erden und in Asgard. Als winterlicher Gott hat Ullr auch die Schrittschuhe, vielleicht auch die Schneeschuhe erfunden; er besprach durch Zauber8) einen Knochen so, dass er darauf über das gefrorene Meer fahren konnte; die Schrittschuhe wurden aus Knochen gefertigt; vielleicht aber liess ihn die Sage auf solchen breiten, schildähnlichen Zauberschuhen auch über flüssig Wasser schreiten. Dass er aber deshalb (warum? ein Schrittschuh ist doch kein Schild!) der "Schild-As" heisst (vergl. "der Schwert-As"), ist ebenso unwahrscheinlich, wie dass er deshalb im Zweikampf angerufen wurde, weil hier der Schild so wichtig gewesen sei! Vielleicht war als sein Schild die Eisdecke des winterlichen Meeres gedacht, und vielleicht heisst deshalb der (Eis-) Schild "Ullrs Schiff", weil der Wintergott, statt auf einem Schiff, auf dem Schilde des Eises das Meer überschreitet. Allein das sind lauter allzu kühne, wenig befriedigende Vermutungen.

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