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Franz Grillparzer

Der Traum ein Leben

4. Aufzug

eingestellt: 6.6.2007



Saal im Königlichen Schlosse, links und rechts Seitentüren. Im Hintergrunde links der Haupteingang, daneben ein alkovenartiger Raum, durch einen Vorhang bedeckt. Rechts im Vorgrunde ein Tisch und Stuhl.
Rustan, kostbar gekleidet, einen goldenen Reif im Haar, kommt hastig durch den Haupteingang. In demselben Augenblicke tritt Zanga durch die Seitentüre links ein. Rustan bedeutet ihm mit auf den Mund gelegtem Finger, umzukehren. Zanga zieht sich durch die Tür zurück. Rustan selbst tritt in den durch den Vorhang abgeschlossenen Raum. Karkhan und zwei seiner Verwandten kommen durch den Haupteingang.


Karkhan.
Hierher kommt, und folgt mir, Freunde!
Was ich längst bei mir beschlossen,
Jetzt und jetzo führ ichs aus.
Könnt ihr länger es mit ansehn,
Wie der eingedrungne Fremde
Eurer und der Euren spottet?
Jeden Tag an Kühnheit wachsend,
Jede Stunde an Gewalt?
Schwinden täglich nicht die Besten,
Denen seine Furcht mißtrauet,
Unbemerkt aus unsrer Mitte?
Wie? Wohin? Wer kann es wissen?
Und sein Helfer, jener Schwarze,
Den der Abgrund ausgespien,
Stachelt tückisch seine Kühnheit
Bis zu selbstvergeßner Wut.
Wo ist Recht noch und Gericht?
Schmachtet nicht mein alter Ohm,
Er, der sprachlos Unglückselge,
Schwarzer Frevel falsch beschuldigt,
Ungehört und unvernommen,
Rechtlos hinter schwarzen Mauern,
Überwiesen, weil verklagt?
Oh, daß ein gerechter Richter
Mit den Augen, statt den Ohren,
Hörte seine stumme Sprache,
Die er spricht, der Unglückselge,
Statt mit Lippen, mit der Hand;
Manche Zweifel würden schwinden,
Manche Rätsel würden klar;
Die jetzt, richtend, andre binden,
Stellten selbst sich schuldig dar.

Ha, ihr schweigt? Blickt auf den Boden?
Seid ihr Männer, wagts zu sein!
Folgt mir! Hier der Fürstin Zimmer,
Wir zu drei, wir treten ein,
Klagen ihr des Landes Nöten,
Klagen ihr die eigne Not,
Zeigen ihrem Schamerröten,
Wie so machtlos ihr Gebot.
Oh, ich weiß, sie seufzet selber
Unter jener Ketten Last,
Die der Fremde um sie herschlingt
Wie um eine Sklavin fast.
Laßt uns auf die Hohe richten,
Meinem Oheim werde Recht;
Frei und laut vor allem Volke
Tue sich Verborgnes kund,
Und wer schuldig, und wer schuldlos,
Richte weiser Richter Mund.
Einen Schritt schon tat ich selber,
Einen schon hab ich gewagt -
Doch ein Tor, der früher sagt,
Was getan erst nützt und frommt.
Kommt und folget mir zur Fürstin,
Dort allein ist Schutz und Halt;
Dieser Tag, er sei der letzte
Eingedrungner Machtgewalt.

(Sie gehen auf die Seitentüre rechts zu.)

Rustan (der während der letzten Worte hinter dem Vorhange hervorgetreten ist, verstellt ihnen den Weg).
Halt noch erst! Gebt euch gefangen!

Karkhan.
Welchen Rechtes?

Rustan.
        Hochverräter!
Zanga! Wachen! Wachen! Zanga!

(Die drei ziehen die Dolche.)

Rustan.
Zieht nur aus die feigen Waffen,
Nicht ein Heer von euresgleichen
Fürcht ich, einzeln, wie ich bin.

(Aus der Seitentüre links kommt Zanga, durch die Mitteltüre ein Hauptmann mit Soldaten.)

Rustan.
Schafft sie fort, die Hochverräter!

Karkhan.
Hochverräter? Wir?

Rustan.
        Ihr leugnets?
Blinkt nicht noch in euren Händen
Der Empörung frecher Stahl?
Oh, ich kenne euer Treiben!
In dem Innern eurer Häuser
Lauern meine wachen Späher,
Was ihr noch so leis gesprochen,
Reicht von fern bis an mein Ohr.
Fort mit ihnen, ohne Zaudern!

Ich will dieses Land durchflammen
Wie ein reinigend Gewitter,
Niederschmettern seine Stämme,
Aus dem Grund die Wurzeln haun
Und dem Boden, wenn gereutet,
Neuen Samen anvertraun!
Fort mit ihnen!

(Der Hauptmann hat sich Karkhan genähert, der mit einer bittenden, stummen Gebärde, auf die Tür der Königin zeigend, ihn einzuhalten bittet.)

Rustan (zu Zanga im Vorgrunde, leise).
        Aber du
Geh zum Kerker jenes Alten,
Den ich selbst dem Licht erhalten,
Die Notwendigkeit gebeut:
Schaff ihn fort!

Zanga.
        Wohl, Herr, doch wie?

Ein Kämmerer (kommt aus der Seitentür rechts).
Herr, die Königin läßt fragen,
Welch Geräusch in ihren Zimmern -?

Rustan.
Früh genug soll sies erfahren,
Wenn getan, was not zu tun.

(Der Kämmerer geht wieder ab.)

Rustan (zu Zanga leise).
Schaff ihn fort aus diesen Mauern!
Laß mit vorgehaltnem Dolch
Ihn geloben teure Eide;
Aber, von Gefahr bedrängt,
Besser er, als - merk - wir beide!

(Zanga zieht sich zurück, während des Folgenden geht er leise fort.)

Rustan (die Gefangenen erblickend).
Ihr noch hier? Fort mit den Frevlern!

Hauptmann.
Herr, die Königin naht selber.

(Er zieht sich zurück.)
(Zwei Kämmerlinge haben die Seitentüre geöffnet. Gülnare tritt heraus mit Begleitung.)


Gülnare.
Man verweigert die Erklärung
Dem von mir gesandten Diener.
Hier bin ich, mein eigner Bote,
Um zu fragen, was geschah.

Rustan (auf Karkhan zeigend).
Führt sie fort!

Gülnare.
        Wer sind die Leute?

Rustan.
Hochverräter.

Karkhan.
        Unterdrückte,
Die zu deinen Füßen flehn.

(Die drei knien.)

Gülnare.
Laßt sie sprechen.

Rustan.
        Einverstanden
Mit dem alten grauen Frevler,
Der nur allzu leicht gebüßt -

Karkhan.
Einverstanden, wenn er schuldlos,
Doch sein Feind, wenn er der deine.
Nicht Verzeihung und nicht Schonung,
Nur Gehör bitt ich für ihn;
Was Verbrechern selbst zuteil wird,
Eines Richters Aug und Ohr.

Gülnare.
Billig scheint, was sie begehren.

Rustan.
Wär es so, würd ichs gewähren.

Gülnare.
Und wenn ichs nun selber wünsche?

Rustan.
Wünsche! Wünsche!

Gülnare.
        Und befehle.

Rustan.
Ließe gleich sich mancherlei
Noch entgegnen diesem Spruche,
Der ein Wunsch und ein Befehl;
Doch, gefällig gegen Damen,
Füg ich gern mich unbedingt.
Und schon sandt ich meinen Diener,
Der den vielbesprochnen Alten
Hin vor seinen Richter bringt.

Karkhan.
Trifft ihn der, ist er verloren.
Sende selbst nach seinem Kerker,
Leih ihm selbst ein gnädig Ohr.

Gülnare (zum Kämmerer).
Geh denn hin, und führ ihn vor.

Rustan.
Halt! (Dem Kämmerer den Weg vertretend.)

Gülnare.
        Ich sprach!

(Der Kämmerer geht ab.)

Rustan.
                Nun wohl, ich sehe,
Was ein Bund mir schien der Kleinen,
Und ein Anschlag in geheim,
Ist ein offenkundig Bündnis
Zwischen Hohen, zwischen Niedern,
Gift von Schlangen und Insekten
Auf des Leuen Untergang.
Und auf nichts Geringres zielt man,
Als den überlästgen Vormund,
Der mit seines Armes Walten
Weiberhafter Launen Willkür
Fern von diesem Reich gehalten,
Einzuschüchtern, wenn nicht mehr.

Gülnare.
Was es sei, es wird sich zeigen,
Bringt man erst den Alten her.

Rustan.
Eines nur hast du vergessen:
Daß des weiten Landes Beste
Meinem Arm ihr Heil vertraun.
Meinem Rufe folgt dein Krieger,
Und dein Höfling meinem Wort;
Zutraunsvoll der stille Bürger
Sieht nach mir, als seinem Hort.
Ja, der Diener, den du sandtest,
Jenen Alten zu befrein,
Kehrt erfolglos von der Pforte,
Läßt nicht mein Geheiß ihn ein.
Denn des festen Turmes Wache
Steht in meiner Fahnen Eid,
Mit dem Kopf bezahlt der Schwache,
Der ihn ohne mich befreit.
Längst schon dieses Tags gewärtig,
Sah ich so mich weise vor:
Wer von Gnade lebt, ist zaghaft,
Wer auf Dank zählt, ist ein Tor.

Gülnare.
Wie nur allzu schnell enthüllst du,
Was die Ahnung längst befürchtet.
Vater, Vater! Welchem Schützer
Gabst dein Liebstes du in Haft!

Rustan.
Er wohl wußte, wem zu trauen:
Nicht der blöden Scheu, der Kraft.

Karkhan.
Fürstin, sei du nicht beklommen,
Noch ist alles nicht verloren,
Mancher Helfer bleibt dir noch.
Meine Freunde stehn in Waffen,
Und was lange still beschlossen,
Frei und offen künd ichs nun.
Während hier zu dir ich spreche,
Sprechen sie zu deinem Volke,
Schütteln ab das feige Joch.
Und schon, dünkt mich, hats begonnen,
Denn der Helfer seiner Taten,
Sieh, verschüchtert, stumm, beklommen,
Wie nach schlecht vollbrachtem Auftrag,
Kehrt er wieder, ist er da.

Zanga (ist mit allen Zeichen der Verwirrung eingetreten und hat sich in Rustans Nähe gestellt).

Karkhan.
Und herauf die weiten Stiegen
Dringt ein bunt verworrnes Rauschen,
Wie von Tritten, wie von Stimmen.
Ja, dein Volk führt deine Sache,
Und es kam der Tag der Rache.
Siehst du dort? Mein Ohm ist frei!

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