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Friedrich Schiller

Die Räuber

Vierter Akt

eingestellt: 28.6.2007



Ländliche Gegend um das Moorische Schloß.

Räuber Moor. Kosinsky in der Ferne.

Moor. Geh voran und melde mich. Du weiß doch noch Alles, es du sprechen mußt?

Kosinsky. Ihr seid der Graf von Brand, kommt aus Mecklenburg, ich Euer Reitknecht - Sorgt nicht, ich will meine Rolle schon spielen. Lebt wohl! (Ab.)

Moor. Sei mir gegrüßt, Vaterlandserde! (Er küßt die Erde.) Vaterlandshimmel! Vaterlandssonne! - und Fluren und Hügel und Ströme und Wälder! seid alle, alle mir herzlich gegrüßt! - Wie so köstlich wehet die Luft von meinen Heimathgebirgen! wie strömt balsamische Wonne aus euch dem armen Flüchtling entgegen! - Elysium! dichterische Welt! Halt ein, Moor! dein Fuß wandelt in einem heiligen Tempel.

(Er kommt näher.) Sieh da, auch die Schwalbennester im Schloßhof - auch das Gartenthürchen! - und diese Ecke am Zaun, wo du so oft den Fanger belauschtest und necktest - und dort unten das Wiesenthal, wo du der Held Alexander deine Macedonier ins Treffen bei Arbela führtest, und nebendran der grasige Hügel, von welchem du den persischen Satrapen niederwarfst - und deine siegende Fahne flatterte hoch! (Er lächelt.) Die goldnen Maienjahre der Knabenzeit leben wieder auf in der Seele des Elenden - da warst du so glücklich, warst so ganz, so wolkenlos heiter - und nun - da liegen die Trümmer deiner Entwürfe! Hier solltest du wandeln dereinst, ein großer, stattlicher, gepriesener Mann - hier dein Knabenleben in Amalias blühenden Kindern zum zweiten Mal leben - hier! hier der Abgott deines Volks - aber der böse Feind schmollte dazu! (Er fährt auf.) Warum bin ich hieher gekommen? daß mirs ginge wie dem Gefangenen, den der klirrende Eisenring aus Träumen der Freiheit aufjagt? - nein, ich gehe in mein Elend zurück! - Der Gefangene hatte das Licht vergessen, aber der Traum der Freiheit fuhr über ihm wie ein Blitz in die Nacht, der sie finsterer zurückläßt - Lebt wohl, ihr Vaterlandsthäler! einst saht ihr den Knaben Karl, und der Knabe Karl war ein glücklicher Knabe - jetzt saht ihr den Mann, und er war in Verzweiflung. (Er dreht sich schnell nach dem äußersten Ende der Gegend, allwo er plötzlich stille steht und nach dem Schloß mit Wehmuth herüber blickt.) Sie nicht sehen, nicht einen Blick? - und nur eine Mauer gewesen zwischen mir und Amalia - Nein! sehen muß und sie - muß ich ihn - es soll mich zermalmen! (Er kehrt um.) Vater! Vater! dein Sohn naht - weg mit dir, schwarzes, rauchendes Blut! weg, hohler, grasser, zuckender Todesblick! Nur diese Stunde laß mir frei - Amalia! Vater! dein Karl naht! (Er geht schnell auf das Schloß zu.) - Quäle mich, wenn der Tag erwacht, laß nicht ab von mir, wenn die Nacht kommt - quäle mich in schrecklichen Träumen! nur vergifte mir diese einzige Wollust nicht! (Er steht an der Pforte.) Wie wird mir? was ist Das, Moor? Sei ein Mann! - - Todesschauer - - Schreckenahnung - - (Er geht hinein.)




Zweite Scene.

Galerie im Schloß.

Räuber Moor. Amalia treten auf.

Amalia. Und getrauten Sie sich wohl, sein Bildniß unter diesen Gemälden zu erkennen?

Moor. O ganz gewiß. Sein Bild war immer lebendig in mir. (An den Gemälden herumgehend.) Dieser ists nicht.

Amalia. Errathen! - Er war der Stammvater des gräflichen Hauses und erhielt den Adel von Barbarossa, dem er wider die Seeräuber diente.

Moor (immer an den Gemälden). Dieser ists auch nicht - auch Der nicht - auch nicht Jener dort - er ist nicht unter ihnen.

Amalia. Wie? Sehen Sie doch besser! ich dachte, Sie kennten ihn -

Moor. Ich kenne meinen Vater nicht besser! Ihm fehlt der sanftmüthige Zug um den Mund, der ihn aus Tausenden kenntlich machte - er ists nicht.

Amalia. Ich erstaune. Wie? Achtzehn Jahre nicht gesehen, und noch -

Moor (schnell mit einer fliegenden Röthe). Dieser ists! (Er steht wie vom Blitz gerührt.)

Amalia. Ein vortrefflicher Mann!

Moor (in seinem Anblick versunken). Vater, Vater! vergib mir! - Ja, ein vortrefflicher Mann! - (Er wischt sich die Augen.) Ein göttlicher Mann!

Amalia. Sie scheinen viel Antheil an ihm zu nehmen.

Moor. Oh ein vortrefflicher Mann - und er sollte dahin sein?

Amalia. Dahin! wie unsere besten Freuden dahin gehn - (Sanft seine Hand ergreifend.) Lieber Herr Graf, es reift keine Seligkeit unter dem Monde.

Moor. Sehr wahr, sehr wahr - und sollten Sie schon diese traurige Erfahrung gemacht haben? Sie können nicht dreiundzwanzig Jahre alt sein.

Amalia. Und habe sie gemacht. Alles lebt, um traurig wieder zu sterben. Wir interessieren und nur darum, wir gewinnen nur darum, daß wir wieder mit Schmerzen verlieren.

Moor. Sie verloren schon etwas?

Amalia. Nichts! Alles! Nichts - wollen wir weiter gehen, Herr Graf?

Moor. So eilig? Weß ist dies Bild rechter Hand dort? mich däucht, es ist eine unglückliche Physiognomie.

Amalia. Dies Bild linker Hand ist der Sohn des Grafen, der wirkliche Herr - Kommen Sie, kommen Sie!

Moor. Aber dies Bild rechter Hand?

Amalia. Sie wollen nicht in den Garten gehn?

Moor. Aber dies Bild rechter Hand? - Du weinst, Amalia?

Amalia (schnell ab).

Moor.

Sie liebt mich! sie liebt mich! - Ihr ganzes Wesen fing an, sich zu empören, verrätherisch rollten die Thränen von ihren Wangen. Sie liebt mich! - Elender, das verdientest du um sie! Steh ich nicht hier wie ein Gerichteter vor dem tödlichen Block? Ist das der Sopha, wo ich an ihrem Halse in Wonne schwamm? Sind das die väterlichen Säle? (Ergriffen vom Anblick seines Vaters.) Du, du - Feuerflammen aus deinem Auge - Fluch, Fluch, Verwerfung! - Wo bin ich? Nacht vor meinen Augen - Schrecknisse Gottes - Ich, ich hab ihn getödtet! (Er rennt davon.)

Franz von Moor in tiefen Gedanken.

Weg mit diesem Bild! weg, feige Memme! Was zagst du, und vor wem? Ists mir nicht die wenigen Stunden, die der Graf in diesen Mauern wandelt, als schlich immer ein Spion der Hölle meinen Fersen nach - Ich sollt ihn kennen! Es ist so was Großes und Oftgesehenes in seinem wilden sonnenverbrannten Gesicht, das mich beben macht - Auch Amalia ist nicht gleichgültig gegen ihn! Läßt sie nicht so gierig schmachtende Blicke auf dem Kerl herumkreuzen, mit denen sie doch gegen alle Welt sonst so geizig thut? Sah ichs nicht, wie sie ein paar diebische Thränen in den Wein fallen ließ, den er hinter meinem Rücken so hastig in sich schlürfte, als wenn er das Glas mit hineinziehen wollte? Ja, das sah ich, durch den Spiegel sah ichs mit diesen meinen Augen. Holla, Franz! sieh dich vor! dahinter steckt irgend ein verderbenschwangeres Ungeheuer!

(Er steht forschend dem Porträt Karls gegenüber.)

Sein langer Gänsehals - seine schwarzen, feuerwerfenden Augen, hm! hm! - sein finsteres überhangendes, buschichtes Augenbraun. (Plötzlich zusammenfahrend.) - Schadenfrohe Hölle! jagst du mir diese Ahnung ein? Es ist Karl! ja! jetzt werden mir alle Züge wieder lebendig - Er ists! trutz seiner Larve! - Er ists - trutz seiner Larve - Er ists - Tod und Verdammniß! (Auf und ab mit heftigen Schritten.) Hab ich darum meine Nächte verpraßt, - darum Felsen hinweggeräumt und Abgründe eben gemacht, - bin ich darum gegen alle Instincte der Menschheit rebellisch worden, daß mir zuletzt dieser unstäte Landstreicher durch meine künstlichsten Wirbel tölple - Sachte! nur sachte! - Es ist nur noch Spielarbeit übrig - Bin ich doch ohnehin schon bis an die Ohren in Todsünden gewatet, daß es Unsinn wäre, zurückzuschwimmen, wenn das Ufer schon so weit hinten liegt - ans Umkehren ist doch nicht mehr zu gedenken - Die Gnade selbst würde an den Bettelstab gebracht und die unendliche Erbarmung bankerott werden, wenn sie für meine Schulden all gut sagen wollte - Also vorwärts wie ein Mann - (Er schellt.) - Er versammle sich zu dem Geist seines Vaters und komme! der Todten spott ich. Daniel! he, Daniel! - Was gilts, den haben sie auch schon gegen mich aufgewiegelt? Er sieht so geheimnißvoll.

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