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Georg Simmel

Bemerkungen zu socialethischen Problemen

I.

eingestellt: 9.6.2007



Bei dem Verhältniss zwischen der Ausbildung der Individualität und dem socialen Interesse ist vielfach zu beobachten, dass die Höhe der ersteren Schritt hält mit der Erweiterung des Kreises, auf den sich das letztere erstreckt. Haben wir zwei sociale Gruppen, M und N, die sich scharf von einander unterscheiden, sowohl nach den charakteristischen Eigenschaften wie nach den gegenseitigen Gesinnungen, deren jede aber in sich aus homogenen und eng zusammenhängenden Elementen besteht: so bringt die gewöhnliche Entwicklung unter den letzteren eine steigende Differenzirung hervor; die ursprünglich minimalen Unterschiede unter den Individuen nach äusserlichen und innerlichen Anlagen und deren Bethätigung verschärfen sich durch die Nothwendigkeit, den umkämpften Lebensunterhalt durch immer eigenartigere Mittel zu gewinnen; die Concurrenz bildet bekanntlich die Specialität des Individuums aus. Wie verschieden nun auch der Ausgangspunkt dieses Processes in M und N gewesen sei, so muss er diese doch allmählich einander verähnlichen. Es ist von vornherein wahrscheinlich, dass, je grösser die Unähnlichkeit der Bestandtheile von M unter sich und derer von N unter sich wird, sich eine immer wachsende Anzahl von Bildungen im einen finden werden, die solchen im andern ähnlich sind; die nach allen Seiten gehende Abweichung von der bis dahin für jeden Complex für sich gültigen Norm muss nothwendig eine Annäherung der Glieder des einen an die des andern erzeugen. Schon deshalb wird dies geschehen, weil unter noch so verschiedenen socialen Gruppen die Formen der Differenzirung gleich oder ähnlich sind: die Verhältnisse der einfachen Concurrenz, die Vereinigung vieler Schwacher gegen einen Starken, die Pleonexie Einzelner, die Progression, in der einmal angelegte individuelle Verhältnisse sich steigern u. s. w. Die Wirkung dieses Processes - von der bloss formalen Seite - kann man häufig in der internationalen Sympathie beobachten, die Aristokraten unter einander hegen und die von dem specifischen Inhalt des Wesens, der sonst über Anziehung und Abstossung entscheidet, in wunderlicher Weise unabhängig ist. Nachdem der sociale Differenzirungsprocess zu der Scheidung zwischen Hoch und Niedrig geführt hat, bringt die bloss formale Thatsache einer bestimmten socialen Stellung die durch sie charakterisirten Mitglieder der verschiedenartigsten Gruppen in innerliche, oft auch äusserliche Beziehung.

Dazu kommt, dass mit einer solchen Differenzirung der socialen Gruppe die Nöthigung und Neigung wachsen wird, über ihre ursprünglichen Grenzen in räumlicher, ökonomischer und geistiger Beziehung hinauszugreifen und neben die anfängliche Centripetalität der einzelnen Gruppe bei wachsender Individualisirung und dadurch eintretender Repulsion ihrer Elemente eine centrifugale Tendenz als Brücke zu andern Gruppen zu setzen. Von vielen Beispielen dafür nur eines, aus der Geschichte der Zünfte. Während ursprünglich in den Zünften der Geist strenger Gleichheit herrschte, der den Einzelnen einerseits auf diejenige Quantität und Qualität der Production einschränkte, die alle Andern gleichfalls leisteten, andrerseits ihn durch Normen des Verkaufs und Umsatzes vor Ueberflügelung durch den Andern zu schützen suchte - war es doch auf die Dauer nicht möglich, diesen Zustand der Undifferenzirtheit aufrecht zu halten. Der durch irgend welche Umstände reich gewordene Meister wollte sich nicht mehr in die Schranken fügen, nur das eigne Fabrikat zu verkaufen, nicht mehr als eine Verkaufsstelle zu halten, und Aehnliches. Indem er aber das Recht dazu, zum Theil unter schweren Kämpfen, gewann, musste ein Doppeltes eintreten: einmal musste sich die ursprünglich homogene Masse der Zunftgenossen mit wachsender Entschiedenheit in Reiche und Arme, Capitalisten und Arbeiter differenziren; nachdem das Gleichheitsprincip einmal so weit durchbrochen war, dass Einer den Andern für sich arbeiten lassen und seinen Absatzmarkt frei nach seiner persönlichen Fähigkeit und Energie, auf seine Kenntniss der Verhältnisse und seine Chancenberechnung hin, wählen durfte, so mussten eben jene persönlichen Eigenschaften mit der Möglichkeit, sich zu entfalten, sich auch steigern, und zu immer schärferen Specialisirungen und Individualisirungen innerhalb der Genossenschaft und schliesslich zur Sprengung derselben führen. Andrerseits aber wurde durch diese Umgestaltung ein weiteres Hinausgreifen über das bisherige Absatzgebiet gegeben; dadurch, dass der Producent und der Händler, früher in einer Person vereinigt, sich von einander differenzirten, gewann der letztere eine unvergleichlich freiere Beweglichkeit und wurden früher unmögliche commercielle Anknüpfungen erzielt. Es war also eine zwiefache Richtung, in der die Entwicklung von dem engen homogenen Zunftkreise aus führte und die in ihrer Doppelheit die Auflösung desselben vorbereiten sollte: einmal die individualisirende Differenzirung und dann die an das Ferne anknüpfende Ausbreitung. So begründet sich die im ersten Satz ausgesprochene Beobachtung: die Individualisirung lockert das Band mit den Nächsten, um dafür ein neues - reales und ideales - zu den Entfernteren zu spinnen. Ein ganz entsprechendes Verhältniss findet sich in der Thier- und Pflanzenwelt. Bei unsern Hausthierrassen (und dasselbe gilt für die Culturpflanzen) ist zu bemerken, dass die Individuen derselben Unterabtheilung sich schärfer von einander unterscheiden, als es mit den Individuen einer entsprechenden im Naturzustande der Fall ist; dagegen stehen die Unterabtheilungen einer Art als Ganze einander näher, als es bei uncultivirten Species der Fall ist. Die wachsende Ausbildung durch Cultivirung bewirkt also einerseits ein schärferes Hervortreten der Individualität innerhalb der eignen Abtheilung, andrerseits eine Annäherung an die fremden, ein Hervortreten der über die ursprünglich homogene Gruppe hinausgehenden Gleichheit mit einer grösseren Allgemeinheit. Und es stimmt damit vollkommen überein, wenn es uns versichert wird, dass die Hausthierrassen uncivilisirter Völker viel mehr den Charakter gesonderter Species tragen als die bei Culturvölkern gehaltenen Varietäten; denn jene sind eben noch nicht auf den Standpunkt der Ausbildung gekommen, der bei längerer Zähmung die Verschiedenheiten der Abtheilungen vermindert, weil er die der Individuen vermehrt. Und hierin ist die Entwicklung der Thiere der ihrer Herren proportional: in roheren Zeiten sind die Individuen eines Stammes so einheitlich und einander so gleich als möglich, dagegen stehen die Stämme als Ganze einander fremd und feindlich gegenüber: je enger die Synthese innerhalb des eignen Stammes, desto strenger die Antithese gegenüber dem fremden; mit fortschreitender Cultur wächst die Differenzirung unter den Individuen und steigt die Annäherung an den fremden Stamm. Dem entspricht es durchaus, dass die breiten ungebildeten Massen eines Culturvolkes unter sich homogener, dagegen von denen eines andern Volkes durch schärfere Charakteristiken geschieden sind, als Beides unter den Gebildeten beider Völker statthat.

Dieser Gedanke lässt sich auch verallgemeinernd so wenden, dass in jedem Menschen ceteris paribus gleichsam eine unveränderliche Proportion zwischen dem Individuellen und dem Socialen besteht, die nur die Form wechselt: je enger der Kreis ist, an den wir uns hingeben, desto weniger Freiheit der Individualität besitzen wir; dafür aber ist dieser Kreis selbst etwas Individuelles, scheidet sich, eben weil er ein kleiner ist, mit scharfer Begrenzung gegen die übrigen ab. Und umgekehrt: erweitert sich der Kreis, in dem wir uns bethätigen und dem unsre Interessen gelten, so ist darin mehr Spielraum für die Entwicklung unsrer Individualität, aber als Theile dieses Ganzen haben wir weniger Eigenart, dieses letztere ist als sociale Gruppe weniger individuell - gerade wie ein sehr allgemeiner Begriff den unter ihm enthaltenen Einzeldingen einen grossen Spielraum für specifische Differenzen lässt. Das erstere Correlationsverhältniss zeigt sich z.B. in dem Zusammenbestehen von communaler Gebundenheit mit politischer Freiheit, wie wir es in der russischen Verfassung der vorzarischen Zeit finden. Besonders in der Epoche der Mongolenkämpfe gab es in Russland eine grosse Anzahl territorialer Einheiten, Fürstenthümer, Städte, Dorfgemeinden, welche unter einander von keinem einheitlichen staatlichen Bande zusammengehalten wurden und also als Ganze grosser politischer Freiheit genossen; dafür aber war die Gebundenheit des Individuums an die communale Gemeinschaft die denkbar engste, so sehr, dass überhaupt kein Privateigenthum an Grund und Boden bestand, sondern allein die Commune diesen besass. Der engen Eingeschlossenheit in den Kreis der Gemeinde, die dem Individuum den persönlichen Besitz und gewiss auch oft die persönliche Beweglichkeit versagte, entsprach der Mangel an bindenden Beziehungen zu einem weiteren politischen Kreise. Die Kreise der socialen Interessen liegen concentrisch um uns: je enger sie uns umschliessen, desto kleiner müssen sie sein. Daher kommt es, dass eine starke Ausbildung der Individualität und eine starke Werthschätzung derselben sich häufig mit kosmopolitischer Gesinnung paart; dass umgekehrt die Hingabe an eine eng begrenzte sociale Gruppe Beides verhindert. Da nun aber, in Vererbung von den Anfängen der socialen Bildung und ihren Erfordernissen her, die Mehrzahl der Menschen Sittlichkeit nur in dem Altruismus im Sinne der engeren Gruppe zu erblicken weiss, so entsteht dadurch der Verdacht der Herzlosigkeit und des Egoismus, der so häufig auf grossen Männern lastet - weil die objectiven Ideale, von denen sie entflammt sind, nach ihren Ursachen und Folgen weit über den engeren, sie umgebenden Kreis hinausreichen und die Möglichkeit dazu eben in dem starken Hinausragen ihrer Individualität über den socialen Durchschnitt gegeben ist; um so weit sehen zu können, muss man über die Nächststehenden hinwegblicken.

Es ist nur eine Folge des Gedankens einer solchen Beziehung zwischen Individuellem und Socialem, wenn wir sagen: je mehr statt des Menschen als Socialelementes der Mensch als Individuum und damit diejenigen Eigenschaften, die ihm bloss als Menschen zukommen, in den Vordergrund des Interesses treten, desto enger muss die Verbindung sein, die ihn gleichsam über den Kopf seiner socialen Gruppe hinweg zu Allem, was überhaupt Mensch ist, hinzieht, und ihm den Gedanken einer idealen Einheit der Menschenwelt nahe legt. Für diese Correlation liefert die stoische Lehre ein deutliches Beispiel. Während der politisch-sociale Zusammenhang, in dem der Einzelne steht, noch bei Aristoteles den Quellpunkt der ethischen Bestimmungen bildet, heftet sich das stoische Interesse, was das Praktische betrifft, eigentlich nur an die Einzelperson, und die Heranbildung des Individuums zu dem Ideale, welches das System vorschrieb, wurde so ausschliesslich zur Aegide der stoischen Praxis, dass der Zusammenhang der Individuen unter einander nur als Mittel zu jenem idealen individualistischen Zweck erscheint. Aber dieser freilich wird seinem Inhalt nach von der Idee einer allgemeinen, durch alles Einzelne hindurchgehenden Vernunft bestimmt. Und an dieser Vernunft, deren Realisirung im Individuum das stoische Ideal bildet, hat jeder Mensch Theil, sie schlingt, über alle Schranken der Nationalität und der socialen Abgrenzung hinweg, ein Band der Gleichheit und Brüderlichkeit um Alles, was Mensch heisst. Und so hat denn der Individualismus der Stoiker ihren Kosmopolitismus zum Complement; die Sprengung der engeren socialen Bande, in jener Epoche nicht weniger durch die politischen Verhältnisse wie durch theoretische Ueberlegung begünstigt, schob, unserm vorangestellten Princip zufolge, den Schwerpunkt des ethischen Interesses einerseits nach dem Individuum hin, andrerseits nach jenem weitesten Kreise, dem jedes menschliche Individuum als solches angehört.

Man muss im Auge haben, dass dies ein continuirlicher Process ist; dass nicht etwa nur die Extreme des Individualismus und des Kosmopolitismus sich psychologisch und ethisch berühren, sondern dass schon auf den Wegen zu diesen von der socialen Gruppe aus die zurückgelegten Strecken beider Richtungen sich zu entsprechen pflegen. Und zwar gilt dies nicht nur für Einzel-, sondern auch für Collectivindividuen. Die Entwicklungsgeschichte der Familienformen bietet uns dafür manchen Beleg, z. B. den folgenden. Als die Mutterfamilie (wie Bachofen und Lippert sie reconstruirt haben) durch die Geltung der männlichen Macht verdrängt war, war es zunächst nicht sowohl die Thatsache der Erzeugung durch den Vater, die die Familie als eine darstellte, als vielmehr die Herrschaft, die er über eine bestimmte Anzahl von Menschen ausübte, unter denen sich nicht nur seine Leibesnachkommen, sondern Zugelaufene, Zugekaufte, Angeheirathete und deren ganze Familien u. s. w. befanden und unter einheitlichem Regimente zusammengehalten wurden. Aus dieser ursprünglichen patriarchalischen Familie heraus differenzirt sich erst später die jüngere der blossen Blutsverwandtschaft, in der Eltern und Kinder ein selbständiges Haus ausmachen. Diese war natürlich bei Weitem kleiner und individuelleren Charakters als jene umfassende patriarchalische; allein eben dadurch ermöglichte sich ihr Zusammenschluss zu einem nun viel grösseren staatlichen Ganzen. Jene ältere Gruppe konnte allenfalls sich selbst genügen, sowohl zur Beschaffung des Lebensunterhaltes wie zur kriegerischen Action; hatte sie sich aber erst in kleine Familien individualisirt, so war aus naheliegenden Gründen der Zusammenschluss der letzteren zu einer nun erweiterten Gruppe möglich und erfordert. Die Functionen, die das Ganze als solches übt, ermöglichen ihm eine um so umfassendere Grösse, je specialisirter seine Theile sind. Für dieses Reciprocitätsverhältniss von Individualisirung und Verallgemeinerung finden wir ein Beispiel auf äusserlicherem Gebiet. Wir vernehmen von Reisenden, und können es auch in gewissem Masse leicht selbst beobachten, dass bei der ersten Bekanntschaft mit einem fremden Volksstamme alle Individuen desselben ununterscheidbar ähnlich erscheinen, und zwar in um so höherem Masse, je verschiedener von uns dieser Stamm ist; bei Negern, Chinesen u. A. nimmt diese Differenz das Bewusstsein so sehr gefangen, dass die individuellen Verschiedenheiten unter jenen völlig davor verschwinden. Mehr und mehr aber treten sie hervor, je länger man diese zunächst gleichförmig erscheinenden Menschen kennt; und entsprechend verschwindet das stete Bewusstsein des generellen und fundamentalen Unterschiedes zwischen uns und ihnen; sobald sie uns nicht mehr als geschlossene, in sich homogene Einheit entgegentreten, gewöhnen wir uns an sie; die Beobachtung zeigt, dass sie in demselben Masse als uns homogener erscheinen, in dem sie als unter sich heterogener erkannt werden: die allgemeine Gleichheit, die sie mit uns verbindet, wächst in dem Verhältniss, in dem die Individualität unter ihnen erkannt wird.

In diesem Beispiel liegt angedeutet, dass nicht nur im realen Verhalten, sondern auch in der psychologischen Vorstellungsart die Correlation zwischen dem Hervortreten der Individualität und der Erweiterung der Gruppe statthat; auch unsere Begriffsbildung nimmt den Weg, dass zunächst eine gewisse Anzahl von Objecten nach sehr hervorstechenden Merkmalen in eine Kategorie einheitlich zusammengefasst und einem andern ebenso entstandenen Begriffe schroff entgegengestellt werden. In demselben Masse nun, in dem man neben jenen zunächst auffallenden und bestimmenden Qualitäten andere entdeckt, welche die unter dem zuerst concipirten Begriff enthaltenen Objecte individualisiren - in demselben müssen die scharfen begrifflichen Grenzen fallen. Die Geschichte des menschlichen Geistes ist voll von Beispielen für diesen Process, von denen eines der hervorragendsten die Umwandlung der alten Artlehre in die Descendenztheorie ist. Die frühere Anschauung glaubte zwischen den organischen Arten so scharfe Grenzen, eine so geringe Wesensgleichheit zu erblicken, dass sie an keine gemeinsame Abstammung, sondern nur an gesonderte Schöpfungsacte glauben konnte; das Doppelbedürfniss unseres Geistes, einerseits nach Zusammenfassung, andrerseits nach Unterscheidung befriedigte sie so, dass sie in einem einheitlichen Begriff eine grosse Summe von gleichen Einzelnen einschloss, diesen Begriff aber um so schärfer von allen Andern abschloss, und, wie es entsprechend der Ausgangspunkt der oben entwickelten Formel ist, die geringe Beachtung der Individualität innerhalb der Gruppe durch um so schärfere Individualisirung dieser den andern gegenüber und durch Ausschluss einer allgemeinen Gleichheit grosser Klassen oder der gesammten organischen Welt ausglich. Dieses Verhalten verschiebt die neuere Erkenntniss nach beiden Seiten hin; sie befriedigt den Trieb nach Zusammenfassung durch den Gedanken einer allgemeinen Einheit alles Lebenden, welche die Fülle der Erscheinungen als blutsverwandte aus einem ursprünglichen Keime hervortreibt; der Neigung zur Differenzirung und Specification kommt sie dadurch entgegen, dass ihr jedes Individuum gleichsam eine besondere, für sich zu betrachtende Stufe jenes Entwicklungsprocesses alles Lebenden ist; indem sie die starren Artgrenzen flüssig macht, zerstört sie zugleich den eingebildeten wesentlichen Unterschied zwischen den rein individuellen und den Arteigenschaften; so fasst sie das Allgemeine allgemeiner und das Individuelle individueller als die frühere Theorie es konnte. Und dies eben ist das Complementärverhältniss, das sich auch in den realen socialen Entwicklungen geltend macht. Ich halte es nicht für unmöglich, dass eine sehr tief gelegene ursächliche Beziehung zwischen der realen und der psychologischen Form dieses Verhältnisses existirt; und zwar einerseits so, dass die geistige Beschränktheit auf oberflächliche Artbegriffe auch auf die vorurtheilsvolle sociale Abschliessung hingewirkt habe; andrerseits so, dass die aus praktischen Gründen erforderte Exclusivität der relativ kleinen Gruppe einen Einfluss auf die Bildung der Vorstellungen von der Zusammengehörigkeit der Lebewesen, von ihrer Eintheilung in Gruppen, von dem Verhältniss der Individuen zu einander und zum Ganzen u.s.w. geübt habe; und weiter würde dann auch der Fortschritt in der einen Beziehung in Wechselwirkung mit dem in der andern gestanden haben. Dies indess gehört, der zweitgenannten Seite nach, in das grosse und erst der zukünftigen Forschung vorbehaltene Gebiet der Wirkungen, die von den rein praktischen Lebensgestaltungen auf das rein theoretische Verständniss der Dinge ausgegangen sind.

II. >



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