Frei Lesen: Erinnerungen, Band 3

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

Erstes Kapitel Ich erhalte ein Nachtlager im Hause des ... | Zweites Kapitel Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten. -- Der ... | Drittes Kapitel Graf Tiretta aus Treviso. -- Abbé Ceste, -- Die ... | Viertes Kapitel Abbé de la Ville. -- Abbé Galiani. -- Charakter der ... | Fünftes Kapitel Graf de la Tour d'Auvergne und Frau d'Urfé. -- ... | Sechstes Kapitel Frau von Urfé macht sich irrtümliche und ... | Siebentes Kapitel Mein Glück in Holland. -- Ich kehre mit dem jungen ... | Achtes Kapitel Schmeichelhafter Empfang von Seiten meiner Gönner. -- ... | Neuntes Kapitel Fortsetzung meiner Liebelei mit dem reizenden ... | Zehntes Kapitel Neue Zwischenfälle. -- J.J. Rousseau. -- Ich gründe ... | Elftes Kapitel Ich werde verhört. -- Ich gebe dem Gerichtsschreiber ... | Zwölftes Kapitel Porträt der angeblichen Gräfin Piccolomini. -- ... | Dreizehntes Kapitel Ich kläre Esther auf. -- Ich reise nach ... | Vierzehntes Kapitel Das Jahr 1760. -- Die Maitresse Gardella. ... | Fünfzehntes Kapitel Ich beschließe Mönch zu werden. --- Ich beichte. ... | Sechzehntes Kapitel Meine Abreise von Zürich. --- Komisches Erlebnis ... | Siebzehntes Kapitel Mein Landhaus. -- Frau Dubois, -- Die ... | Achtzehntes Kapitel Fortsetzung des vorigen Kapitels. --- Meine ... | Neunzehntes Kapitel Bern. -- Die Matte. -- Frau de la Saone. -- ... | Zwanzigstes Kapitel Albrecht von Haller. -- Mein Aufenthalt in ... | Einundzwanzigstes Kapitel Herr von Voltaire; meine Unterhaltungen ... |

Weitere Werke von Giacomo Casanova

Erinnerungen, Band 4 |

Alle Werke von Giacomo Casanova
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Erinnerungen, Band 3) ausdrucken 'Erinnerungen, Band 3' als PDF herunterladen

Giacomo Casanova

Erinnerungen, Band 3

Elftes Kapitel Ich werde verhört. -- Ich gebe dem Gerichtsschreiber dreihundert Louis. -- Die Hebamme und Castel-Bajac werden ins Gefängnis gesetzt. -- Fräulein X.C.V. bringt einen Knaben zur Welt und nötigt ihre Mutter, mir Genugtuung zu geben. -- Mein Prozeß wird eingestellt. -- Fräulein X.C.V. reist nach Brüssel ab und geht mit ihrer Mutter nach Venedig, wo sie eine große Dame wird. -- Meine Arbeiterinnen. -- Frau Baret. -- Ich werde bestohlen, eingesperrt und wieder in Freiheit gesetzt. -- Ich reise nach Holland. -- Das Buch »vom Geist« von Helvetius. -- Piccolomini

eingestellt: 27.6.2007





Am Tage nach meiner ersten Unterredung mit Herrn de Sartines ging ich in aller Frühe zu Frau du Rumain. Da der Fall dringlich war, so nahm ich mir die Freiheit, sie wecken zu lassen. Sobald sie mich empfangen konnte, teilte ich ihr alles ganz genau mit.



»Hier gibt es kein Schwanken, mein lieber Casanova!« sagte die liebenswürdige Dame zu mir, »wir müssen Herrn von Sartines alles anvertrauen, und ich werde bestimmt noch heute mit ihm sprechen.«



In demselben Augenblick setzte sie sich an ihren Schreibtisch und bat den Kriminalpräsidenten um eine Unterredung für drei Uhr nachmittags. In weniger als einer Stunde brachte der Bediente die Antwort des Präsidenten, daß er sie erwarte. Wir verabredeten, daß ich sie am Abend wieder aufsuchen und dann von ihr den Erfolg ihres Besuches erfahren sollte.



Um fünf Uhr war ich schon bei ihr, und ich brauchte nur wenige Augenblicke auf ihre Rückkehr zu warten.



»Ich habe ihm alles enthüllt,« sagte sie; »er weiß, daß sie unmittelbar vor der Niederkunft steht, und er weiß, daß Sie nicht der Vater sind. Hierdurch stehen Sie im Lichte großen Edelmuts da. Ich habe Ihnen gesagt, daß das Fräulein sofort nach ihrer Entbindung und Wiederherstellung zu ihrer Mutter zurückkehren werde, ohne jedoch ihren Fehltritt zu gestehen, und daß das Kind an einen sicheren Ort gebracht werden würde. Sie haben nichts zu befürchten und können ruhig sein; da aber die einmal eingeleitete Sache ihren Lauf nehmen muß, so werden Sie für übermorgen vorgeladen werden. Ich rate Ihnen, den Gerichtsschreiber unter irgend einem Vorwand aufzusuchen und ihn zur Annahme einer Geldsumme zu bewegen.«



Ich wurde vorgeladen und erschien. Ich sah Herrn von Sartines sedentem pro tribunali. Zum Schluß der Sitzung sagte er mir, er sei genötigt, gegen mich eine Vorladung zu persönlichem Erscheinen zu erlassen; ich dürfe wegen der Gültigkeitsdauer während dieser Vorladung mich weder von Paris entfernen noch mich verheiraten, denn durch einen schwebenden Kriminalprozeß werde das Zivilrecht zeitweilig aufgehoben. Ich antwortete ihm, ich würde weder das eine noch das andere tun.



Bei dem Verhör gab ich zu, daß ich in der angegebenen Nacht den Opernball in einem schwarzen Domino besucht hätte; alles übrige aber leugnete ich.



In bezug auf Fräulein X.C.V. erklärte ich, daß weder ich noch jemand von ihrer Familie sie jemals im Verdacht gehabt hätten, schwanger zu sein.



Da meine Eigenschaft als Ausländer Vauversin auf den Gedanken bringen konnte, mich unter dem Vormund des Fluchtverdachtes verhaften zu lassen, so schien mir die Gelegenheit günstig zu sein, um den Gerichtsschreiber auf meine Seite zu bringen, und ich begab mich zu ihm. Nachdem ich ihm meine Befürchtung geäußert hatte, drückte ich ihm eine Rolle von dreihundert Louis in die Hand, über die ich natürlich keine Quittung verlangte, und sagte ihm, dieses Geld solle die Kosten des Prozesses decken, falls etwa diese von mir zu tragen wären. Er riet mir, Bürgschaftsstellung von Seiten der Hebamme zu verlangen, und ich beauftragte meinen Anwalt damit; aber vier Tage darauf ereignete sich folgendes:



Ich ging auf dem Boulevard du Temple spazieren, als ein Dienstmann mir einen Brief übergab, worin ich die Mitteilung las, daß jemand, der fünfzig Schritte entfernt in einem Gange auf mich warte, mich zu sprechen wünsche. Ich dachte bei mir selber: das ist entweder ein Liebesabenteuer oder eine Herausforderung; sehen wir zu! Ich ließ meinen mir folgenden Wagen nur halten und ging nach dem angegebenen Ort. Zu meinem unbeschreiblichen Erstaunen sah ich den elenden Castel-Bajac vor mir. »Ich habe Ihnen nur zwei Worte zu sagen,« begann er, sobald er mich erblickte; »wir sind hier in Sicherheit; ich will Ihnen ein sicheres Mittel vorschlagen, Ihren Prozeß zu Ende zu bringen und dadurch viel Geld und Unruhe zu ersparen. Die Hebamme ist sicher, daß Sie der Herr sind, der mit einer schwangeren Dame bei ihr war; aber es tut ihr jetzt leid, daß man Sie beschuldigt, sie entführt zu haben. Geben Sie ihr hundert Louis; sie wird dem Gerichtsschreiber erklären, daß sie sich geirrt hat, und alles wird für Sie erledigt sein. Sie bezahlen ihr diese Summe erst, nachdem sie ihre Erklärung abgegeben hat: Ihr Wort genügt ihr. Kommen Sie mit mir zu Vauversin; ich bin sicher, er wird Sie überreden, meinen Vorschlag anzunehmen. Ich weiß, wo er ist; bitte folgen Sie mir in der Ferne.«



Ich hatte ihn angehört, ohne ein Wort zu sagen, und ich war entzückt, mit welcher Unvorsichtigkeit die Spitzbuben in die Falle gingen. Ich sagte zu dem Gascogner Spion: »Gut, führen Sie mich.« Ich folgte ihm in das dritte Stockwerk eines Hauses der Rue aux Ours, wo ich den Advokaten Vauversin fand. Sobald dieser mich sah, kam er ohne weitere Vorreden zur Sache und sagte: »Die Hebamme wird mit einem Zeugen zu Ihnen kommen, in der Absicht, Ihnen ins Gesicht zu sagen, daß Sie der Herr sind, der mit einer Frau zu ihr gekommen ist und Abtreibungsmittel von ihr verlangt hat. Sie wird Sie nicht erkennen. Sie wird hierauf mit dem Zeugen zum Gerichtsschreiber gehen und wird zu Protokoll geben, daß sie sich getäuscht hat. Dies wird dem Herrn Kriminalpräsidenten genügen, um das Verfahren gänzlich einzustellen. Durch dieses Mittel sind Sie sicher, den Prozeß gegen die Mutter des Fräuleins zu gewinnen.«



Da ich dies alles recht sinnreich ausgedacht fand, so sagte ich ihm ich würde täglich bis zwölf Uhr mittags im Temple sein.



»Aber die Hebamme braucht hundert Louis.«



»Das heißt, die ehrenwerte Frau bewertet ihren Meineid zu diesem Preise. Nun, gleichviel, ich verspreche sie, und Sie können auf mein Wort rechnen, aber ich werde die hundert Louis erst geben, wenn sie ihren Irrtum zu Protokoll gegeben hat.«



»Das genügt, mein Herr, vorausgesetzt, daß Sie bereit sind, den vierten Teil der Summe voraus zu bezahlen; diesen habe ich für meine Kosten und als Honorar zu beanspruchen.«



»Ich bin bereit, Ihren Wunsch zu erfüllen, wenn Sie mir eine regelrechte Quittung darüber geben wollen.«



Er zögerte anfangs; da ihm jedoch daran lag, das Geld zu erhalten, so tat er schließlich nach langem Hinundherreden, was ich wollte, und ich zählte ihm fünfundzwanzig Louis auf. Er dankte mir vielmals und sagte mir zuletzt, er werde mir, obwohl Frau X.C.V. seine Klientin sei, die besten Ratschläge geben, um alle ihre Maßnahmen zu vereiteln. Ich dankte ihm so lebhaft, wie wenn ich wirklich die Absicht gehabt hätte, von seinen Anerbietungen Gebrauch zu machen. Sobald ich zu Hause war, schrieb ich Herrn de Sartines alles Vorgefallene.



Drei Tage darauf meldete man mir eine Frau und einen Mann, die mich zu sprechen wünschten. Ich ging hinaus und fragte die Frau, was sie wünsche.



»Ich möchte Herrn Casanova sprechen.«



»Der bin ich.«



»So habe ich mich also getäuscht, mein Herr; ich bitte um Entschuldigung.«



Ihr Begleiter lächelte und sie gingen.



An demselben Tage erhielt die Gräfin du Rumain einen Brief von der Äbtissin, daß ihre Schutzbefohlene ein niedliches Bübchen zur Welt gebracht hätte und daß sie den Jungen nach einem Ort hätte bringen lassen, wo er die erste Pflege finden würde. Das Fräulein würde das Kloster erst nach sechs Wochen verlassen und würde dann mit einem Zeugnis, das sie gegen jede Unannehmlichkeit schützen müßte, zu ihrer Mutter zurückkehren.



Bald nachher wurde die Hebamme ins Gefängnis gesteckt; Castel-Bajac wurde nach Bicêtre geschickt, und Vauversin wurde aus der Liste der Advokaten gestrichen. Die Verfolgungen der Frau X.C.V. gegen mich dauerten bis zum Wiedererscheinen ihrer Tochter; aber ich wußte, daß ich mich darum nicht zu beunruhigen brauchte. Das Fräulein kehrte gegen Ende August ins Hotel de Bretagne zurück und überbrachte ihrer Mutter ihr Zeugnis, worin die Äbtissin erklärte, sie sei vier Monate bei ihr gewesen, sei während dieser Zeit niemals ausgegangen und habe keinen einzigen Besuch empfangen. Dies war die volle Wahrheit; aber die Äbtissin schrieb außerdem, sie kehre nur darum zu ihrer Familie zurück, weil sie von den Verfolgungen des Herrn de la Popelinière nichts mehr zu befürchten habe, und hierin log die Nonne.

  • Seite:
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
< Zehntes Kapitel Neue Zwischenfälle. -- J.J. Rousseau. -- Ich gründe ...
Zwölftes Kapitel Porträt der angeblichen Gräfin Piccolomini. -- ... >



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.