Frei Lesen: Erinnerungen, Band 3

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Kapitelübersicht

Erstes Kapitel Ich erhalte ein Nachtlager im Hause des ... | Zweites Kapitel Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten. -- Der ... | Drittes Kapitel Graf Tiretta aus Treviso. -- Abbé Ceste, -- Die ... | Viertes Kapitel Abbé de la Ville. -- Abbé Galiani. -- Charakter der ... | Fünftes Kapitel Graf de la Tour d'Auvergne und Frau d'Urfé. -- ... | Sechstes Kapitel Frau von Urfé macht sich irrtümliche und ... | Siebentes Kapitel Mein Glück in Holland. -- Ich kehre mit dem jungen ... | Achtes Kapitel Schmeichelhafter Empfang von Seiten meiner Gönner. -- ... | Neuntes Kapitel Fortsetzung meiner Liebelei mit dem reizenden ... | Zehntes Kapitel Neue Zwischenfälle. -- J.J. Rousseau. -- Ich gründe ... | Elftes Kapitel Ich werde verhört. -- Ich gebe dem Gerichtsschreiber ... | Zwölftes Kapitel Porträt der angeblichen Gräfin Piccolomini. -- ... | Dreizehntes Kapitel Ich kläre Esther auf. -- Ich reise nach ... | Vierzehntes Kapitel Das Jahr 1760. -- Die Maitresse Gardella. ... | Fünfzehntes Kapitel Ich beschließe Mönch zu werden. --- Ich beichte. ... | Sechzehntes Kapitel Meine Abreise von Zürich. --- Komisches Erlebnis ... | Siebzehntes Kapitel Mein Landhaus. -- Frau Dubois, -- Die ... | Achtzehntes Kapitel Fortsetzung des vorigen Kapitels. --- Meine ... | Neunzehntes Kapitel Bern. -- Die Matte. -- Frau de la Saone. -- ... | Zwanzigstes Kapitel Albrecht von Haller. -- Mein Aufenthalt in ... | Einundzwanzigstes Kapitel Herr von Voltaire; meine Unterhaltungen ... |

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Erinnerungen, Band 4 |

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Giacomo Casanova

Erinnerungen, Band 3

Sechzehntes Kapitel Meine Abreise von Zürich. --- Komisches Erlebnis in Baden. --- Solothurn. --- Herr von Chavigny. --- Herr und Frau von ***. --- Ich spiele Komödie. --- Ich stelle mich krank, um mein Glück zu beschleunigen

eingestellt: 27.6.2007





Herr Ott stellte mir seine beiden Söhne vor, junge Leute, die wie Prinzen erzogen waren. In der Schweiz ist ein Gastwirt nicht immer ein Mann ohne Bedeutung. Mancher macht ein so gutes Haus wie anderswo ein Mann der besten Gesellschaft; jedes Land hat seine Sitten. Der Gastwirt führt bei Tisch den Vorsitz und glaubt sich nicht zu erniedrigen, wenn er seine Tafelgäste bezahlen läßt. Er hat recht. Erniedrigend ist nur das Laster. Ein Schweizer Wirt nimmt nur deshalb den ersten Platz bei Tisch ein, um aufzupassen, daß alle gut bedient werden. Wenn er einen Sohn hat, sitzt dieser nicht etwa gleich dem Vater zu Tisch, sondern er wartet auf, die Serviette über dem Arm. In Schaffhausen stand der Sohn meines Wirtes, ein Hauptmann bei der Reichsarmee, hinter meinem Stuhl, um mir die Teller zu wechseln, während sein Vater an der Spitze der Tafel saß.



An jedem anderen Orte würde er sich haben bedienen lassen, aber in seinem Hause glaubte er sich zu ehren, indem er andere bediente, und er hatte recht.



Dies sind nun einmal die Ansichten der Schweizer, worüber einige oberflächliche Köpfe sich lustig machen, aber sehr mit Unrecht. Allerdings verhindert ihre Ehre und viel gerühmte Redlichkeit die Schweizer nicht, die Fremden zu schinden. Sie verstehen dies ebensogut wie die Holländer; aber die Leichtsinnigen, die sich schinden lassen, lernen bald, daß man die Preise vorher vereinbaren muß; dann wird man gut behandelt und zahlt vernünftige Preise. Durch diese Vorsicht schützte ich mich in Basel gegen den berüchtigten Schinder Imhoff, im Gasthof zu den »Drei Königen«.



Herr Ott machte mir ein Kompliment über meine Verkleidung als Kellner und sagte mir, er bedaure, daß er mich nicht meines Amtes habe walten sehen, aber er lobte mich, daß ich den Scherz nicht beim zweiten Abendessen wiederholt hätte. Nachdem er mir für die seinem Hause erwiesene Ehre gedankt hatte, bat er mich, ich möchte ihm nicht die Ehre abschlagen, wenigstens einmal vor meiner Abreise an seinem Tische zu speisen. Ich antwortete ihm, ich würde mit Vergnügen noch an demselben Tage bei ihm speisen; ich tat das und wurde wie ein großer Herr bewirtet.



Wie der Leser sich wohl denken kann, hatte der letzte Blick meiner schönen Amazone nicht das Feuer gelöscht, das ihr erster Anblick in meinem Herzen entzündet hatte. Er hatte im Gegenteil die Flamme stärker angefacht, indem er in mir die Hoffnung erweckte, daß es mir gelingen könnte, sie näher kennen zu lernen. Ich beschloß also nach Solothurn zu gehen, um das Abenteuer zu einem glücklichen Ende zu führen. Ich nahm einen Kreditbrief auf Genf und schrieb an Frau von Urfé, sie möchte mir einen sehr dringlichen Empfehlungsbrief für den französischen Gesandten Herrn de Chavigny schicken. Um sie zur Eile zu bewegen, sagte ich, es wäre für mich im Interesse unseres Ordens sehr notwendig, mit diesem Diplomaten genau bekannt zu werden. Ich bat sie, mir ihre Briefe postlagernd nach Solothurn zu schicken. Ich schrieb auch an den Herzog von Württemberg, der mir niemals geantwortet hat. Er mußte allerdings meinen Brief sehr bitter finden.



In Zürich besuchte ich auch noch ein paar mal die Alte, mit der Giustiniani mich bekannt gemacht hatte; aber obgleich ich allen Anlaß hatte, in bezug auf das Körperliche völlig befriedigt zu sein, unterhielt ich mich doch nur schlecht, da meine Nymphen nur die Schweizer Mundart sprachen, die eine harte Abart der deutschen Sprache ist. Ich habe stets gefunden, daß ohne das Vergnügen der Sprache das Vergnügen der Liebe diesen Namen nicht verdient; ich kann mir keinen dümmeren Genuß vorstellen, als den mit einer Stummen, wäre sie auch sonst schön wie die Göttin von Amathunt.



Kaum von Zürich abgereist, mußte ich in Baden schon Halt machen, um meinen Wagen ausbessern zu lassen, den Herr Ott mir besorgt hatte. Ich hätte gegen elf Uhr weiterreisen können; da ich jedoch erfuhr, daß eine junge polnische Dame, die in Einsiedeln ihre Andacht verrichten wollte, an der Wirtstafel speisen würde, so blieb ich aus Neugier. Aber ich kam nicht auf meine Kosten, denn ich fand an ihr nichts, was eines Opfers würdig gewesen wäre.



Während man gleich nach dem Essen meinen Wagen anspannte, kam die recht hübsche Tochter des Wirtes in den Speisesaal und forderte mich auf, mit ihr einen Walzer zu tanzen. Es war ein Sonntag. Plötzlich trat der Vater ein, und die Tochter lief hinaus.



»Mein Herr,« sagte der Spitzbube von einem Bauern zu mir, »Sie sind verurteilt, einen Louis Buße zu zahlen.«



»Warum?« .



»Weil Sie an einem Feiertage getanzt haben.«



»Gehen Sie zum Kuckuck --- ich werde nicht bezahlen.«



»Sie werden bezahlen!« sagte er, und dabei hielt er mir ein großes Plakat vor, das ich nicht lesen konnte.



»Ich lege Berufung ein.«



»An wen, mein Herr?«



»An den Richter des Ortes.«



Er ging hinaus. Eine Viertelstunde darauf meldete man mir, der Richter erwarte mich in einem Nebenzimmer. Ich dachte bei mir selber, in diesem Lande seien doch die Richter sehr höflich; als ich aber das Zimmer betrat, sah ich meinen Spitzbuben mit einer Perücke und einem Mantel ausstaffiert.



»Mein Herr,« sagt das Chamäleon zu mir, »ich bin der Richter.«



»Richter und Partei, wie ich sehe.«



Er schreibt etwas, bestätigt die frühere Verurteilung und verurteilt mich außerdem, sechs Franken für die Kosten zu bezahlen.



»Aber wenn mich Ihre Tochter nicht verführt hätte, würde ich nicht getanzt haben; sie ist ebenso schuldig wie ich.«



»Sehr richtig, mein Herr, hier ist ein Louis für sie.«



Mit diesen Worten zieht er einen Louis aus der Tasche, legt ihn auf seinem Schreibtisch neben sich und sagt zu mir: »Jetzt Ihren Louis.«



Ich fing an zu lachen, bezahlte und verschob meine Abreise bis zum anderen Morgen.



In Luzern besuchte ich auf der Durchreise den apostolischen Nuntius, der mich zum Essen einlud, und in Freiburg die junge und galante Frau des Grafen Affry, bei der ich einige Augenblicke verbrachte. Etwa zehn Meilen vor Solothurn hatte ich einen eigentümlichen Anblick.



Ich hatte in einem Dorf Halt gemacht, um dort zu übernachten. Im Gasthof hatte ich mich des Wundarztes bemächtigt, den ich dort antraf; ich lud ihn zum Abendessen ein und machte mit ihm in Erwartung desselben einen Spaziergang. Die Nacht brach herein, als ich in einer Entfernung von etwa hundert Schritt einen Mann bemerkte, der gewandt an der Mauer eines Hauses emporkletterte und in einem Fenster des ersten Stockes verschwand.



»Sehen Sie, ein Dieb«, sagte ich dem Chirurgen.



Er fing an zu lachen und sagte: »Dieser Brauch muß Ihnen wunderbar erscheinen,; aber er ist in mehreren Gegenden der Schweiz üblich. Der Mann, den Sie eben sahen, ist ein verliebter junger Bauer, der die Nacht bei seiner Zukünftigen verbringen will. Morgen früh verläßt er sie verliebter denn je; denn sie wird ihm sicherlich die letzte Gunstbezeigung nicht gewähren. Wäre sie schwach genug, seinen Begierden nachzugeben, so würde er sie wahrscheinlich nicht heiraten, und dann wäre es schwer für sie, einen anderen Mann zu finden.«



Ich fand in Solothurn auf der Post einen Brief von Frau dUrfé, und in diesem einen anderen von dem Herzog de Choiseul für den Botschafter Herrn von Chavigny. Er war versiegelt; aber der Name des Ministers, der ihn geschrieben hatte, stand unter der Adresse. Ich nahm einen Lohnwagen, zog ein Hofkleid an und fuhr zum Botschafter. Da Seine Exzellenz nicht zu Hause war, hinterließ ich den Brief und meine Karte. Es war ein Feiertag; ich ging zum Hochamt, und zwar --- ich will es gestehen --- weniger um dort Gott zu suchen, als in der Hoffnung, meine Amazone zu finden. Ich sah mich jedoch in meiner Erwartung getäuscht.



Nach dem Gottesdienst machte ich einen Spaziergang; hierauf ging ich in meinen Gasthof zurück, wo ich einen Offizier vorfand, der mich im Auftrag des Botschafters zum Essen einlud.

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