Frei Lesen: Erinnerungen, Band 4

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

Erstes Kapitel Meine Abenteuer in Air in Savoyen. – Meine zweite M. ... | Zweites Kapitel Ende meines Abenteuers mit der Nonne von Chambéry. – ... | Drittes Kapitel Die Mädchen des Hausmeisters. – Das Horoskop. – ... | Viertes Kapitel Meine Abreise von Grenoble. – Avignon. – Der Quell ... | Fünftes Kapitel Rosalie. - Toulon. - Nizza. - Meine Ankunft in ... | Sechstes Kapitel Die Komödie. - Der Russe. - Petri. - Rosalie im ... | Siebentes Kapitel Ich verliebe mich in Veronika. – Ihre Schwester. – ... | Achtes Kapitel Geschickte Gaunerei. – Passano in Livorno. – Pisa und ... | Neuntes Kapitel Die Corticelli. – Der jüdische Theaterdirektor ... | Zehntes Kapitel Kardinal Passionei. – Der Papst. – Mariuccia. – ... | Elftes Kapitel Mein kurzer, aber glücklicher Aufenthalt in Neapel. – ... | Zwölftes Kapitel Mein Wagen zerbricht. – Mariuccias Heirat. - Flucht ... | Dreizehntes Kapitel Ankunft in Bologna. –- Meine Ausweisung aus ... | Vierzehntes Kapitel Mein Sieg über den Polizeivikar. – Meine ... | Fünfzehntes Kapitel Mein Aufenthalt in Paris und meine Abreise nach ... | Sechzehntes Kapitel Die Komödianten und die Komödie. – Bassi. – Die ... | Siebzehntes Kapitel Ich kehre mit der zur Gräfin Lascaris gemachten ... | Achtzehntes Kapitel Ich schicke die Corticelli nach Turin. –- ... | Neunzehntes Kapitel Meine alten Bekannten.–-Dame ... | Zwanzigstes Kapitel Ich trete Agata dem Lord Percy ab. – Abreise ... | Einundzwanzigstes Kapitel Demütigung der Gräfin. – Zenobias Hochzeit ... |

Weitere Werke von Giacomo Casanova

Erinnerungen, Band 3 |

Alle Werke von Giacomo Casanova
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Erinnerungen, Band 4) ausdrucken 'Erinnerungen, Band 4' als PDF herunterladen

Giacomo Casanova

Erinnerungen, Band 4

Vierzehntes Kapitel Mein Sieg über den Polizeivikar. – Meine Abreise. – Chambery. – Desarmoises' Tochter. – Herr Morin. – M. M. von Aix. – Die Pensionärin. – Lyon. – Paris.

eingestellt: 1.8.2007





Diese Vorladung ließ mich nichts Angenehmes ahnen; sie überraschte mich und mißfiel mir sehr. Da ich mich ihr jedoch nicht entziehen konnte, so ließ ich anspannen und begab mich nach der Amtsstube des Polizeivikars. Ich fand ihn an einem großen Tisch sitzen; um ihn herum standen etwa zwanzig Personen. Er war ein Mann von ungefähr sechzig Jahren und über alle Maße häßlich; denn seine Riesennase war zur Hälfte von einem Geschwür angefressen, das von einem großen Pflaster aus schwarzer Seide bedeckt wurde. Sein Mund war ungeheuer groß mit dicken Lippen; er hatte ganz kleine Katzenaugen und darüber sehr dichte Brauen, die zur Hälfte weiß waren. Sobald dieser ekelhafte Mensch mich sah, sagte er: »Sie sind der Chevalier de Seingalt?«



»So heiße ich, und ich komme, um mich zu erkundigen, was Ihnen zu Diensten steht.«



»Ich habe Sie kommen lassen, um Ihnen zu befehlen, spätestens in drei Tagen abzureisen.«



»Und da Sie nicht das Recht haben, mir einen solchen Befehl zu geben, so bin ich gekommen, um Ihnen zu sagen, daß ich nicht früher abreisen werde, als ich Lust habe.«



»Ich werde Sie mit Gewalt vors Tor bringen lassen.«



»Das ist etwas anderes. Der Gewalt kann ich nicht widerstehen; aber ich hoffe, Sie werden sich das zweimal überlegen, denn man weist nicht aus einer gutverwalteten Stadt einen Mann aus, der nicht gegen die Gesetze des Landes verstößt und bei einem Bankier ein Guthaben von hunderttausend Franken hat.«



»Das ist alles ganz schön und gut; aber in drei Tagen haben Sie Zeit genug, Ihre Sachen zu packen und Ihre Rechnung mit Ihrem Bankier in Ordnung zu bringen. Ich rate Ihnen, zu gehorchen; der König befiehlt es Ihnen.«



»Wenn ich abreiste, würde ich mich zum Mitschuldigen Ihrer Ungerechtigkeit machen. Ich werde Ihnen daher nicht gehorchen; aber da Sie den Namen des Königs vorschieben, so werde ich mich auf der Stelle Seiner Majestät vorstellen. Der König wird Ihre Worte verleugnen oder den ungerechten Befehl zurücknehmen, den Sie mir so vor allen Leuten erteilt haben.«



»Ist etwa der König nicht berechtigt, Sie auszuweisen?«



»Ja, mit Gewalt, aber nicht mit Recht. Es steht auch in seinem Belieben, mich mit Gewalt hinrichten zu lassen; aber er muß mir dazu den Henker liefern; denn er hat nicht die Macht, mich zum Selbstmord zu zwingen.«



»Sie reden sehr gut; aber Sie werden gehorchen.«



»Ich rede gut, ohne es von Ihnen gelernt zu haben, und ich werde nicht gehorchen.«



Mit diesen Worten drehte ich ihm den Rücken zu und ging ohne Gruß hinaus.



Ich war wütend. Ich hatte Lust, allen Polizeibütteln des niederträchtigen Vikars offenen Widerstand zu leisten. Ich beruhigte mich jedoch bald und rief die Klugheit zu Hilfe. Da ich mich erinnerte, den Chevalier Raiberti bei seiner Tänzerin kennen gelernt zu haben, so beschloß ich, diesen um Rat zu fragen. Er war erster Geheimrat im Ministerium des Auswärtigen. Ich ließ meinen Kutscher zu ihm fahren und erzählte ihm die ganze Geschichte; zum Schlusse sagte ich ihm, ich müsse den König sprechen, denn ich sei entschlossen, nur der Gewalt zu weichen. Der brave Mann riet mir, mich lieber an den damaligen Minister des Auswärtigen, Chevalier Osorio, zu wenden, der zu jeder Stunde mit dem König sprechen könnte. Sein Rat leuchtete mir ein, und ich begab mich augenblicklich zu dem Minister, einem Sizilianer von Geburt und sehr geistvollen Manne. Er nahm mich recht freundlich auf. Nachdem ich ihm den Sachverhalt erzählt hatte, bat ich ihn, Seine Majestät davon unterrichten zu wollen; da der Befehl des Vikars mir abscheulich ungerecht erscheine, sei ich entschlossen, nur der Gewalt zu gehorchen. Er versprach mir, meinen Wunsch zu erfüllen, und sagte, ich möchte am nächsten Tage wiederkommen.



Um mich zu beruhigen, machte ich einen Spaziergang; hierauf begab ich mich zum Abbate Gama, in der Hoffnung, der erste zu sein, der ihm mein lächerliches Abenteuer mitteilte. Ich täuschte mich; er wußte bereits, daß ich den Ausweisungsbefehl erhalten und wie ich dem Vikar geantwortet hatte. Als er hörte, daß ich bei meinem Entschluß verharrte, wagte er meine Festigkeit nicht zu tadeln, obgleich sie ihm unbegreiflich war; denn der gute Abbate verstand nicht, wie man sich weigern könnte, einem Befehl der Obrigkeit zu gehorchen. Er versicherte mir, auf alle Fälle würde er, wenn ich abreisen müßte, die notwendigen Weisungen an jeden von mir ihm angegebenen Ort mir nachschicken.



Am nächsten Morgen empfing der Chevalier Osorio mich auf die liebenswürdigste Weise. Ich deutete dies als ein gutes Zeichen. Chevalier Raiberti hatte mit ihm über mich gesprochen; er sagte mir, er habe dem König meine Angelegenheit vorgetragen. Er habe auch mit dem Grafen dAglié gesprochen und ich könne so lange bleiben, wie ich wolle. Dieser Graf dAglié war kein anderer als der ekelhafte Vikar. Der Minister sagte mir, ich müsse zu ihm hingehen, und er würde mir eine so lange Frist bewilligen, wie ich nötig hätte, um meine Angelegenheiten in Turin in Ordnung zu bringen.



»Ich habe hier keine anderen Geschäfte,« antwortete ich ihm, »als Geld auszugeben und auf die Instruktion zu warten, die der portugiesische Hof mir für den bevorstehenden Augsburger Kongreß geben will, auf welchem ich Seine Allergetreueste Majestät vertreten soll.«



»Sie glauben also, daß dieser Kongreß stattfinden wird?«



»Niemand zweifelt daran.«



»Jemand ist der Meinung, er werde in Rauch aufgehen. Übrigens bin ich sehr erfreut, daß ich Ihnen habe nützlich sein können, und ich werde mit Vergnügen erfahren, welche Aufnahme Ihnen der Vikar bereitet hat.«



Ich war außer mir vor Freude. Glücklich, als Sieger auftreten zu können, und neugierig, was für ein Gesicht er bei meinem Anblick machen würde, ging ich sofort zum Vikar. Allerdings konnte ich mir nicht schmeicheln, daß ich ihn aus der Fassung bringen würde, denn derartige Leute haben die Stirn eines Kerkermeisters; sie werden niemals rot.



Sobald er mich sah, sagte er: »Der Chevalier Osorio hat mir gesagt, Sie hätten Geschäfte, die Sie zwängen, noch einige Tage in Turin zu bleiben. Sie können daher bleiben, doch müssen Sie mir sagen, wieviele Tage Sie ungefähr brauchen.«



»Das kann ich Ihnen unmöglich sagen.«



»Und warum nicht, bitte?«



»Ich erwarte vom portugiesischen Hof Instruktion für den bevorstehenden Augsburger Kongreß; um den Zeitpunkt meiner Abreise bestimmen zu können, müßte ich daher Seine Allergetreueste Majestät befragen können. Doch glaube ich, ich werde in etwa einem Monat nach Paris abreisen können. Sollte diese Zeit mir nicht genügen, so würde ich die Ehre haben, Sie zu benachrichtigen.«



»Sie werden mir ein Vergnügen machen.«



Diesmal machte ich ihm eine Verbeugung, die er erwiderte; ich ging hinaus und begab mich sofort wieder zum Chevalier Osorio, der mir lächelnd sagte, ich hätte den Vikar angeführt, denn ich hätte mir eine unbestimmte Frist geben lassen, die mir volle Bequemlichkeit ließe.



Der große Politiker Gama glaubte fest an das Zusammentreten des Kongresses; er freute sich daher königlich, als ich ihm sagte, der Chevalier Osorio glaube nicht an das Zustandekommen desselben. Er war entzückt, klüger zu sein als ein Minister; dieser Gedanke erhob ihn in seinen eigenen Augen. Die Menschen lieben so sehr, sich selber zu schmeicheln, indem sie eine Lieblingsidee hätscheln. Ich sagte ihm, die Meinungen des Chevaliers wären mir gleichgültig; ich würde nach Augsburg gehen, und zwar würde ich in drei oder vier Wochen abreisen.



Madame R. machte mir die größten Komplimente; sie war entzückt, daß ich den Vikar gedemütigt hatte; indessen hielten wir es doch für angebracht, unsere kleinen Abendessen mit ihren Mädchen einstweilen einzustellen. Da ich alle bereits genossen hatte, fiel dieses Opfer mir nicht übermäßig schwer.

  • Seite:
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
< Dreizehntes Kapitel Ankunft in Bologna. –- Meine Ausweisung aus ...
Fünfzehntes Kapitel Mein Aufenthalt in Paris und meine Abreise nach ... >



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.