Frei Lesen: Erinnerungen, Band 4

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Kapitelübersicht

Erstes Kapitel Meine Abenteuer in Air in Savoyen. – Meine zweite M. ... | Zweites Kapitel Ende meines Abenteuers mit der Nonne von Chambéry. – ... | Drittes Kapitel Die Mädchen des Hausmeisters. – Das Horoskop. – ... | Viertes Kapitel Meine Abreise von Grenoble. – Avignon. – Der Quell ... | Fünftes Kapitel Rosalie. - Toulon. - Nizza. - Meine Ankunft in ... | Sechstes Kapitel Die Komödie. - Der Russe. - Petri. - Rosalie im ... | Siebentes Kapitel Ich verliebe mich in Veronika. – Ihre Schwester. – ... | Achtes Kapitel Geschickte Gaunerei. – Passano in Livorno. – Pisa und ... | Neuntes Kapitel Die Corticelli. – Der jüdische Theaterdirektor ... | Zehntes Kapitel Kardinal Passionei. – Der Papst. – Mariuccia. – ... | Elftes Kapitel Mein kurzer, aber glücklicher Aufenthalt in Neapel. – ... | Zwölftes Kapitel Mein Wagen zerbricht. – Mariuccias Heirat. - Flucht ... | Dreizehntes Kapitel Ankunft in Bologna. –- Meine Ausweisung aus ... | Vierzehntes Kapitel Mein Sieg über den Polizeivikar. – Meine ... | Fünfzehntes Kapitel Mein Aufenthalt in Paris und meine Abreise nach ... | Sechzehntes Kapitel Die Komödianten und die Komödie. – Bassi. – Die ... | Siebzehntes Kapitel Ich kehre mit der zur Gräfin Lascaris gemachten ... | Achtzehntes Kapitel Ich schicke die Corticelli nach Turin. –- ... | Neunzehntes Kapitel Meine alten Bekannten.–-Dame ... | Zwanzigstes Kapitel Ich trete Agata dem Lord Percy ab. – Abreise ... | Einundzwanzigstes Kapitel Demütigung der Gräfin. – Zenobias Hochzeit ... |

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Giacomo Casanova

Erinnerungen, Band 4

Sechstes Kapitel Die Komödie. - Der Russe. - Petri. - Rosalie im Kloster.

eingestellt: 1.8.2007





Als der Marchese fort und Rosalie mit Veronika beschäftigt war, begann ich Voltaires Schottin zu übersetzen, um sie von den Schauspielern, die damals in Genua waren und mir ziemlich gut zu sein schienen, aufführen zu lassen.



Beim Mittagessen schien Rosalie mir traurig, und ich fragte sie:



»Was hast du denn, liebe Freundin? Du weißt, ich liebe es nicht, traurige Gesichter zu sehen.«



»Ich habe Kummer, lieber Freund, weil Veronika hübscher ist als ich.«



»Haha! Ich errate, und es macht mir Spaß. Aber tröste dich; Veronika ist in meinen Augen nicht mit dir zu vergleichen. Du bist meine einzige Schönheit; aber um dich zu beruhigen, werde ich Herrn Grimaldi bitten, sie von ihrer Mutter abholen zu lassen und dir eine andere recht häßliche Kammerjungfer zu besorgen.«



»O nein! bitte tue das nicht; er würde glauben, ich sei eifersüchtig, und das würde mich untröstlich machen.«



»Dann, mein liebes Kind, werde wieder guter Laune, wenn du mich nicht betrüben willst.«



»Nun denn, mein zärtlicher Freund, da du mir versicherst, daß ich um ihretwillen nicht deine Liebe verlieren werde, so will ich wieder heiter werden; denn ich werde ganz glücklich sein. Aber was hat sich denn nur der alte Herr dabei gedacht, daß er mir ein solches Mädchen besorgt! Hat er mir vielleicht einen Streich spielen wollen?«



»Das bezweifle ich. Ich bin im Gegenteil überzeugt, er hat dir beweisen wollen, daß du den Vergleich mit keinem anderen Mädchen zu scheuen hast. Bist du übrigens mit ihr zufrieden?«



»Sie arbeitet sehr gut und ist sehr ehrerbietig. Sie spricht keine vier Worte, ohne mich Signora zu nennen, und erklärt mir sofort immer alles auf französisch, was sie mir auf italienisch sagt. Ich hoffe, in einem Monat werde ich gut genug sprechen, so daß wir sie nicht mitzunehmen brauchen, wenn wir nach Florenz gehen. Ich habe Leduc befohlen, die Kammer zu räumen, die ich für sie bestimmt habe, und ich werde ihr von unserem Tisch etwas zu essen schicken. Übrigens werde ich sie gut behandeln; aber ich flehe dich an: mache mich nicht unglücklich!«



»Das würde mir wohl schwer fallen, liebe Rosalie; denn ich sehe nicht, wie ich mit ihr in Berührung kommen sollte.«



»Du wirst mir also meine Furcht verzeihen?«



»Von Herzen gern, und um so lieber, da sie für deine Liebe bürgt.«



»Ich danke dir, aber bitte, sage nichts davon.«



Ich nahm mir vor, diese Veronika, vor der ich bereits Furcht hatte, niemals anzusehen; denn ich liebte Rosalien sehr, und ich fühlte, daß ich alles hätte opfern mögen, um ihr den geringsten Verdruß zu ersparen.



Nach dem Mittagessen ging ich wieder an meine Übersetzung, denn diese Arbeit machte mir Vergnügen. Ich blieb den Tag über zu Hause; den ganzen nächsten Vormittag aber verbrachte ich bei Herrn von Grimaldi. Ich ging zum Bankier Belloni, bei dem ich alle Goldmünzen, die ich besaß, in Lilienzechinen umwechselte. Als ich nach der Erledigung dieses Geschäftes meinen Namen nannte, bezeigte der Geschäftsführer mir seine Ehrerbietung. Ich hatte bei diesem Bankier ein Guthaben von vierzehntausend Römischen Talern; außerdem hatte ich für zwanzigtausend Taler Wechsel auf Lepri.



Da meine Rosalie nicht ins Theater gehen wollte, kaufte ich ihr ein Stück schönen Calencars, damit sie abends was zu tun hätte. Für mich war das Theater ein Bedürfnis, das ich niemals zu befriedigen verabsäumte, so oft ich dies tun konnte, ohne süßere Genüsse zu beeinträchtigen. Ich ging daher allein hin. Als ich nach Hause kam, fand ich meine Geliebte mit dem Marchese beisammen. Ich freute mich darüber, und nachdem ich den liebenswürdigen Senator umarmt hatte, machte ich Rosalien ein Kompliment, daß sie ihn bis zu meiner Ankunft unterhalten hätte; zugleich aber warf ich ihr freundlich vor, sie hätte die Arbeit beiseite legen müssen.



»Frage ihn, lieber Freund, ob er mich nicht gezwungen hat, weiterzuarbeiten; er wollte sonst gehen, und um ihn zurückzuhalten, mußte ich doch seinen Willen erfüllen.«



Sie stand auf und legte die Arbeit fort; im Laufe einer interessanten Unterhaltung wußte sie den Marchese zu bewegen, daß er zum Abendessen blieb; sie kam dadurch meinen eigenen Absichten entgegen. Er aß wenig, da er nicht die Gewohnheit hatte, zu Abend zu speisen; aber ich sah, daß er von meinem Juwel entzückt war, und dies machte mir viel Vergnügen, denn ich glaubte von einem alten Herrn von sechzig Jahren nichts zu befürchten zu haben. Es war mir sehr angenehm, daß Rosalie auf diese Weise zu einer Dame der guten Gesellschaft erzogen wurde; ich wünschte, daß sie auch ein bißchen kokett würde, denn in der Gesellschaft findet eine Frau keinen Beifall, wenn sie nicht ein wenig gefallsüchtig ist.



Obwohl Rosalie auf diesem Gebiete ganz neu, ja sogar völlig unwissend war, so gab sie mir doch Gelegenheit, die natürliche Gabe der Frauen zu bewundern, die durch die Kunst entwickelt und verfälscht wird, die sich aber bei jeder Frau mehr oder weniger findet, mag sie das Zepter oder den Kochlöffel führen; sie sprach mit Herrn von Grimaldi in jenem Stil, der den Denker erraten läßt, daß die Sprechende die Neigung durch Hoffnung nähren will. Da unser Gast nicht aß, sagte sie ihm auf eine reizende Art, sie hoffe, daß er uns die Ehre erweisen würde, eines anderen Tages bei uns zu Mittag zu essen, denn sie sei neugierig, ob er guten Appetit habe.



Als wir allein waren, nahm ich sie auf den Schoß, bedeckte sie mit Küssen und fragte, wo sie gelernt habe, sich so gut mit Angehörigen der guten Gesellschaft zu unterhalten.



»Das ist ganz leicht! Du sprichst zu meiner Seele, und ich lese in deinen Augen, was ich sagen und was ich tun soll.«



Hätte sie Rhetorik studiert, sie hätte nicht schmeichelhafter und eleganter antworten können.



Ich hatte inzwischen die Übersetzung der Schottin beendigt. Ich ließ sie von Costa abschreiben und brachte sie dem Schauspieldirektor Rossi, der sich erbot, das Stück sofort aufführen zu lassen, sobald er hörte, daß ich es ihm schenken wollte. Ich sagte ihm die Namen der Schauspieler, die ich ausgesucht hatte, und lud ihn ein, mit diesen bei mir in meinem Gasthof zu speisen, wo ich ihnen das Stück vorlesen und die Rollen austeilen wollte.



Wie man sich denken kann, wurde meine Einladung angenommen; meine Rosalie war entzückt, mit den drei Schauspielerinnen und den Schauspielern zu speisen, die in dem Stück auftreten sollten, und besonders machte es ihr Spaß, sich jeden Augenblick Frau Casanova nennen zu hören. Veronika erklärte ihr alles, was sie nicht verstand.



Als nach dem Essen meine Künstler im Kreise Platz genommen hatten, baten sie mich, ihnen zu sagen, welche Rolle ich jedem einzelnen bestimmt hatte; aber diesen Wunsch erfüllte ich ihnen nicht; ich sagte ihnen: »Vor allen Dingen müssen Sie aufmerksam der Vorlesung des Stückes zuhören, ohne sich um die Rolle zu bekümmern, die Sie zu lernen haben werden. Sobald Sie das Ganze kennen, werde ich Ihren Wunsch befriedigen.«



Ich wußte, daß faule oder gleichgültige Schauspieler sich für gewöhnlich nur um ihre eigene Rolle bekümmern und in den Geist des Ganzen nicht einzudringen suchen. Daher kommt es, daß oftmals ein Stück, das in den Einzelheiten gut gelernt ist, im Ganzen doch schlecht wiedergegeben wird.



Sie fügten sich ziemlich gutwillig meinem Wunsche, was die hohen Herrschaften von der Comédie Française jedenfalls nicht getan haben würden. Im Augenblick als ich die Vorlesung beginnen wollte, erschien der Herr Marchese von Grimaldi mit dem Bankier Belloni, der mir einen Besuch machen wollte. Es war mir sehr angenehm, daß sie bei dieser Leseprobe, die nur fünf Viertelstunden dauerte, anwesend waren. Nachdem ich die Schauspieler um ihr Urteil gefragt und aus den Lobsprüchen, die sie dem dramatischen Inhalt zollten, ersehen hatte, daß sie das Stück richtig verstanden hatten, befahl ich Costa, die Rollen auszuteilen; dies geschah. Nun aber waren der erste Schauspieler und die erste Schauspielerin unzufrieden; sie, weil ich ihr die Rolle der Lady Alton gegeben hatte; er, weil ich ihm die Rolle des Murray nicht gegeben hatte. Sie mußten sich jedoch meinem Willen fügen, übrigens erfreute ich alle Künstler, indem ich sie alle einlud, am übernächsten Tag bei mir zu Mittag zu speisen, nachdem wir die erste Probe mit den Rollen in der Hand abgehalten hätten.

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