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Gotthold Ephraim Lessing

Emilia Galotti

Zweiter Aufzug

eingestellt: 10.6.2007

Erster Auftritt



Die Szene: ein Saal in dem Hause der Galotti.

Claudia Galotti. Pirro.

Claudia (im Heraustreten zu Pirro, der von der andern Seite hereintritt). Wer sprengte da in den Hof?

Pirro. Unser Herr, gnädige Frau.

Claudia. Mein Gemahl? Ist es möglich?

Pirro. Er folgt mir auf dem Fuße.

Claudia. So unvermutet?--(Ihm entgegeneilend.) Ach! mein Bester!

Zweiter Auftritt



Odoardo Galotti und die Vorigen.

Odoardo. Guten Morgen, meine Liebe!--Nicht wahr, das heißt überraschen?--Claudia. Und auf die angenehmste Art!--Wenn es anders nur eine Überraschung sein soll.

Odoardo. Nichts weiter! Sei unbesorgt.--Das Glück des heutigen Tages weckte mich so früh; der Morgen war so schön; der Weg ist so kurz; ich vermutete euch hier so geschäftig--Wie leicht vergessen sie etwas, fiel mir ein.--Mit einem Worte: ich komme, und sehe, und kehre sogleich wieder zurück.--Wo ist Emilia? Unstreitig beschäftigt mit dem Putze?--Claudia. Ihrer Seele!--Sie ist in der Messe.--"Ich habe heute, mehr als jeden andern Tag, Gnade von oben zu erflehen", sagte sie und ließ alles liegen und nahm ihren Schleier und eilte--Odoardo. Ganz allein?

Claudia. Die wenigen Schritte--Odoardo. Einer ist genug zu einem Fehltritt!--Claudia. Zürnen Sie nicht, mein Bester; und kommen Sie herein--einen Augenblick auszuruhen und, wann Sie wollen, eine Erfrischung zu nehmen.

Odoardo. Wie du meinest, Claudia.--Aber sie sollte nicht allein gegangen sein.--Claudia. Und Ihr, Pirro, bleibt hier in dem Vorzimmer, alle Besuche auf heute zu verbitten.

Dritter Auftritt



Pirro und bald darauf Angelo.

Pirro. Die sich nur aus Neugierde melden lassen.--Was bin ich seit einer Stunde nicht alles ausgefragt worden!--Und wer kömmt da?

Angelo (noch halb hinter der Szene, in einem kurzen Mantel, den er über das Gesicht gezogen, den Hut in die Stirne). Pirro!--Pirro!

Pirro. Ein Bekannter?--(Indem Angelo vollends hereintritt und den Mantel auseinanderschlägt.) Himmel! Angelo?--Du?

Angelo. Wie du siehst.--Ich bin lange genug um das Haus herumgegangen, dich zu sprechen.--Auf ein Wort!--Pirro. Und du wagst es, wieder ans Licht zu kommen?--Du bist seit deiner letzten Mordtat vogelfrei erkläret; auf deinen Kopf steht eine Belohnung

Angelo. Die doch du nicht wirst verdienen wollen?--Pirro. Was willst du?--Ich bitte dich, mache mich nicht unglücklich.

Angelo. Damit etwa? (Ihm einen Beutel mit Gelde zeigend.)--Nimm! Es gehöret dir!

Pirro. Mir?

Angelo. Hast du vergessen? Der Deutsche, dein voriger Herr--Pirro. Schweig davon!

Angelo. Den du uns, auf dem Wege nach Pisa, in die Falle führtest--Pirro. Wenn uns jemand hörte!

Angelo. Hatte ja die Güte, uns auch einen kostbaren Ring zu hinterlassen.--Weißt du nicht?--Er war zu kostbar, der Ring, als daß wir ihn sogleich ohne Verdacht hätten zu Gelde machen können. Endlich ist mir es damit gelungen. Ich habe hundert Pistolen dafür erhalten, und das ist dein Anteil. Nimm!

Pirro. Ich mag nichts--behalt alles.

Angelo. Meinetwegen!--wenn es dir gleichviel ist, wie hoch du deinen Kopf feil trägst--(Als ob er den Beutel wieder einstecken wollte.)

Pirro. So gib nur! (Nimmt ihn.)--Und was nun? Denn daß du bloß deswegen mich aufgesucht haben solltest--Angelo. Das kömmt dir nicht so recht glaublich vor?--Halunke! Was denkst du von uns?--daß wir fähig sind, jemand seinen Verdienst vorzuenthalten? Das mag unter den sogenannten ehrlichen Leuten Mode sein: unter uns nicht.--Leb wohl! --(Tut, als ob er gehen wollte, und kehrt wieder um.) Eins muß ich doch fragen.--Da kam ja der alte Galotti so ganz allein in die Stadt gesprengt. Was will der?

Pirro. Nichts will er; ein bloßer Spazierritt. Seine Tochter wird heut abend auf dem Gute, von dem er herkömmt, dem Grafen Appiani angetrauet. Er kann die Zeit nicht erwarten--Angelo. Und reitet bald wieder hinaus?

Pirro. So bald, daß er dich hier trifft, wo du noch lange verziehest. --Aber du hast doch keinen Anschlag auf ihn? Nimm dich in acht. Er ist ein Mann--Angelo. Kenn ich ihn nicht? Hab ich nicht unter ihm gedienet?--Wenn darum bei ihm nur viel zu holen wäre!--Wenn fahren die junge Leute nach?

Pirro. Gegen Mittag.

Angelo. Mit viel Begleitung?

Pirro. In einem einzigen Wagen.--die Mutter, die Tochter und der Graf. Ein paar Freunde kommen aus Sabionetta als Zeugen.

Angelo. Und Bediente?

Pirro. Nur zwei; außer mir, der ich zu Pferde voraufreiten soll.

Angelo. Das ist gut.--Noch eins: wessen ist die Equipage? Ist es eure? oder des Grafen?

Pirro. Des Grafen.

Angelo. Schlimm! Da ist noch ein Vorreiter, außer einem handfesten Kutscher. Doch!--Pirro. Ich erstaune. Aber was willst du?--Das bißchen Schmuck, das die Braut etwa haben dürfte, wird schwerlich der Mühe lohnen--Angelo. So lohnt ihrer die Braut selbst!

Pirro. Und auch bei diesem Verbrechen soll ich dein Mitschuldiger sein?

Angelo. Du reitest vorauf. Reite doch, reite! und kehre dich an nichts!

Pirro. Nimmermehr!

Angelo. Wie? ich glaube gar, du willst den Gewissenhaften spielen. Bursche! ich denke, du kennst mich.--Wo du plauderst! Wo sich ein einziger Umstand anders findet, als du mir ihn angegeben!--Pirro. Aber, Angelo, um des Himmels willen!--Angelo. Tu, was du nicht lassen kannst! (Geht ab.)

Pirro. Ha! Laß dich den Teufel bei einem Haare fassen, und du bist sein auf ewig! Ich Unglücklicher!

Vierter Auftritt



Odoardo und Claudia Galotti. Pirro.

Odoardo. Sie bleibt mir zu lang aus--Claudia. Noch einen Augenblick, Odoardo! Es würde sie schmerzen, deines Anblicks so zu verfehlen.

Odoardo. Ich muß auch bei dem Grafen noch einsprechen. Kaum kann ich's erwarten, diesen würdigen jungen Mann meinen Sohn zu nennen. Alles entzückt mich an ihm. Und vor allem der Entschluß, in seinen väterlichen Tälern sich selbst zu leben.

Claudia.--Das Herz bricht mir, wenn ich hieran gedenke.--So ganz sollen wir sie verlieren, diese einzige, geliebte Tochter?

Odoardo. Was nennst du, sie verlieren? Sie in den Armen der Liebe zu wissen? Vermenge dein Vergnügen an ihr nicht mit ihrem Glücke.--Du möchtest meinen alten Argwohn erneuern:--daß es mehr das Geräusch und die Zerstreuung der Welt, mehr die Nähe des Hofes war als die Notwendigkeit, unserer Tochter eine anständige Erziehung zu geben, was dich bewog, hier in der Stadt mit ihr zu bleiben--fern von einem Manne und Vater, der euch so herzlich liebet.

Claudia. Wie ungerecht, Odoardo! Aber laß mich heute nur ein einziges Wort für diese Stadt, für diese Nähe des Hofes sprechen, die deiner strengen Tugend so verhaßt sind.--Hier, nur hier konnte die Liebe zusammenbringen, was füreinander geschaffen war. Hier nur konnte der Graf Emilien finden; und fand sie.

Odoardo. Das räum ich ein. Aber, gute Claudia, hattest du darum recht, weil dir der Ausgang recht gibt?--Gut, daß es mit dieser Stadterziehung so abgelaufen! Laß uns nicht weise sein wollen, wo wir nichts als glücklich gewesen! Gut, daß es so damit abgelaufen!--Nun haben sie sich gefunden, die füreinander bestimmt waren: nun laß sie ziehen, wohin Unschuld und Ruhe sie rufen.--Was sollte der Graf hier? Sich bücken, schmeicheln und kriechen und die Marinellis auszustechen suchen? um endlich ein Glück zu machen, dessen er nicht bedarf? um endlich einer Ehre gewürdiget zu werden, die für ihn keine wäre?--Pirro!

Pirro. Hier bin ich.

Odoardo. Geh und führe mein Pferd vor das Haus des Grafen. Ich komme nach und will mich da wieder aufsetzen. (Pirro geht ab.)--Warum soll der Graf hier dienen, wenn er dort selbst befehlen kann?--Dazu bedenkest du nicht, Claudia, daß durch unsere Tochter er es vollends mit dem Prinzen verderbt. Der Prinz haßt mich--Claudia. Vielleicht weniger, als du besorgest.

Odoardo. Besorgest! Ich besorg auch so was!

Claudia. Denn hab ich dir schon gesagt, daß der Prinz unsere Tochter gesehen hat?

Odoardo. Der Prinz? Und wo das?

Claudia. In der letzten Vegghia, bei dem Kanzler Grimaldi, die er mit seiner Gegenwart beehrte. Er bezeigte sich gegen sie so gnädig--Odoardo. So gnädig?

Claudia. Er unterhielt sich mit ihr so lange--Odoardo. Unterhielt sich mit ihr?

Claudia. Schien von ihrer Munterkeit und ihrem Witze so bezaubert--Odoardo. So bezaubert?--Claudia. Hat von ihrer Schönheit mit so vielen Lobeserhebungen gesprochen--Odoardo. Lobeserhebungen? Und das alles erzählst du mir in einem Tone der Entzückung? O Claudia! eitle, törichte Mutter!

Claudia. Wieso?

Odoardo. Nun gut, nun gut! Auch das ist so abgelaufen.--Ha! wenn ich mir einbilde--Das gerade wäre der Ort, wo ich am tödlichsten zu verwunden bin!--Ein Wollüstling, der bewundert, begehrt.--Claudia! Claudia! der bloße Gedanke setzt mich in Wut.--Du hättest mir das sogleich sollen gemeldet haben.--Doch, ich möchte dir heute nicht gern etwas Unangenehmes sagen. Und ich würde (indem sie ihn bei der Hand ergreift), wenn ich länger bliebe.--Drum laß mich! laß mich!--Gott befohlen, Claudia!--Kommt glücklich nach!

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