Frei Lesen: Märchensammlung

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

Der Traum der alten Eiche | Die Eiskönigin | Elfenhügel | Der Engel | Im Entenhof | Das häßliche junge Entlein | Die Prinzessin auf der Erbse | Etwas | Die glückliche Familie | Was die ganze Familie sagte | Von einem Fenster im Vartou | Das Feuerzeug | Der Flachs | Der Flaschenhals | Fliedermütterchen | Der Floh und der Professor | Das Gänseblümchen | Der Gärtner und die Herrschaft | Die Galoschen des Glücks | Eine Geschichte | Die Glocke | Die Glockentiefe | Das Glück kann in einem Holzstöckchen liegen | Wer war die Glücklichste? | Der Goldschatz | Der alte Grabstein | Großmütterchen | Frag die Grünwarenfrau! | Der Halskragen | Das alte Haus | Der Haustürschlüssel | Des Hauswarts Sohn | Das Heinzelmaennchen bei dem Kraemer | Herzeleid | Im Herzen bewahrt aber nicht vergessen | Die Hirtin und der Schornsteinfeger | Hofhahn und Wetterhahn | Holger Danske | Eine Rose von Homers Grab | Hühner-Gretes Familie | Fünf aus einer Hülse | Die Blumen der kleinen Ida | Die Irrlichter sind in der Stadt, sagte die Moorfrau | Die Geschichte des Jahres | Nach Jahrtausenden | Was die alte Johanne erzählte | Das Judenmädchen | Zwei Jungfern | Des Kaisers neue Kleider | Ein Bild vom Kastellwall | Kinderschnack | Das Kind im Grabe | Die alte Kirchenglocke | Der kleine Klaus und der große Klaus | Die kleinen Grünen | Der unartige Knabe | Der Kobold und die Madame | Der fliegende Koffer | Der Komet | Der Kragen | Die Kröte | Der Krüppel | Gute Laune | Der letzte Tag | Die Lichter | Das Liebespaar | Anne Lisbeth | Die Lumpen | Der Marionettenspieler | Die Nachtigall | Des Junggesellen Nachtmütze | Turmwächter Ole | Der Garten des Paradieses | Die letzte Perle | Ein Stück Perlenschnur | Vogel Phönix | Alles am rechten Platz | Die Psyche | Der Reisekamerad | Die schönste Rose der Welt | Der Rosenelf | Die roten Schuhe | Eine Geschichte aus den Sanddünen | Der Sandmann | Der Schatten | Der silberne Schilling | Die Störche | Der Tannenbaum | Der kleine Tuk | Der Wassertropfen | Unter dem Weidenbaum | Die Wochentage | Der standhafte Zinnsoldat |

Weitere Werke von Hans Christian Andersen

Der Mistkäfer |

Alle Werke von Hans Christian Andersen
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Märchensammlung) ausdrucken 'Märchensammlung' als PDF herunterladen

Hans Christian Andersen

Märchensammlung

Die schönste Rose der Welt

eingestellt: 24.7.2007



Es war eine mächtige Königin, in deren Garten befanden sich die schönsten Blumen jeder Jahreszeit und aus allen Ländern der Welt; aber die Rosen liebte sie besonders, und deshalb hatte sie von diesen die verschiedensten Arten, von der wilden Heckenrose mit den nach Äpfeln duftenden grünen Blättern bis zur schönsten Rose aus Frankreichs Provence. Und sie wuchsen an den Mauern des Schlosses hinauf, rankten sich um Säulen und Fensterrahmen, in die Gänge hinein und an den Decken der Säle entlang, und jede gab ihr Bestes in Duft, Form und Farbe.

Aber Trauer und Trübsal wohnten drinnen. Die Königin lag auf dem Sterbelager und die Ärzte verkündeten, daß sie sterben müsse.

"Eine Rettung gibt es noch für sie" sagte der Weiseste unter ihnen. "Bringt ihr die schönste Rose der Welt, die Rose, die das Sinnbild der höchsten und reinsten Liebe ist; kommt ihr diese vor die Augen, ehe sie brechen, so stirbt sie nicht."

Und Jung und Alt kamen von weit und breit mit Rosen, den herrlichsten, die in jedem Garten wuchsen; aber diese Rosen waren es nicht. Aus dem Garten der Liebe mußte die Blume geholt werden. Aber welche von den Rosen dort mochte der Ausdruck der höchsten, der reinsten Liebe sein?

Und die Skalden sangen von der schönsten Rose der Welt, jeder sang von der seinigen. Und es erging Botschaft weit im Lande umher an jedes Herz, das in Liebe schlug, Botschaft an jeden Stand und jedes Alter.

"Noch hat niemand die Blume genannt!" sagte der Weise. "Niemand hat den Ort gewiesen, wo ihre Schönheit entsprang. Nicht sind es die Rosen von Romeos und Julias Sarg oder von Walborgs Grabe, ob sie auch immer durch Sage und Lied duften werden: es sind nicht die Rosen, die aus Winkelrieds blutigen Lanzen hervorsprießen, ans dem Blute, das heilig der Brust des Helden entströmt beim Tode fürs Vaterland, obgleich kein Tod süßer, keine Rose röter ist als das Blut, was da geflossen ist. Auch jene Wunderblume ist es nicht, für deren Pflege der Mann im Jahr und Tag, in langen schlaflosen Nächten, in einsamer Stube, sein frisches Leben hingibt, der Wissenschaft magische Rose."

"Ich weiß, wo sie blüht" sagte eine glückselige Mutter, die mit ihrem kleinen Kinde an das Lager der Königin trat. "Ich weiß, wo man die schönste Rose der Welt finden kann, die Rose, die das Sinnbild der höchsten und reinsten Liebe ist. Sie blüht auf den rosigen Wangen meines süßen Kindes, wenn es, vom Schlafe gestärkt, die Augen aufschlägt und mich mit all seiner Liebe anlacht!"

"Lieblich ist diese Rose, aber es gibt eine schönere" sagte der Weise.

"Ja, eine weit schönere" sagte eine der Frauen. "Ich habe sie erblickt; eine erhabenere, eine heiligere Rose blüht nirgends, aber sie war bleich, wie die Blütenblätter der Teerose; auf den Wangen der Königin sah ich sie. Sie hatte ihre königliche Krone abgetan und trug selbst in langer, sorgenvoller Nacht ihr krankes Kind in den Armen, weinte darum, küßte es und flehte darum zu Gott, wie nur eine Mutter betet in der Stunde der Angst"

"Heilig und wunderbar in ihrer Macht ist der Sorge weiße Rose, aber auch sie ist es nicht."

"Nein, die schönste Rose der Welt sah ich am Altar des Herrn" sagte der gute, alte Bischof. "Ich sah sie leuchten; wie eines Engels Antlitz zeigte sie sich. Die jungen Mädchen gingen zum Tische des Herrn, um den Bund der Taufe zu erneuen, und es erblühten und erbleichten Rosen auf ihren frischen Wangen. Ein junges Mädchen stand dort; sie schaute mit der vollen Reinheit und Liebe ihrer ganzen Seele zu ihrem Gott auf; das war der Ausdruck der reinsten und höchsten Liebe."

"Gesegnet sei sie!" sagte der Weise, "doch noch immer hat keiner von Euch die schönste Rose der Welt genannt."

Da trat in die Stube ein Kind, der Königin kleiner Sohn. Die Tränen standen in seinen Augen und auf seinen Wangen; er trug ein großes, aufgeschlagenes Buch, in Samt gebunden und mit Silber beschlagen.

"Mutter" sagte der Kleine, "O, hör doch, was ich gelesen habe." Und das Kind setzte sich an das Bett und las aus dem Buche vor von dem, der sich selbst am Kreuze geopfert hatte, um die Menschheit, selbst die noch ungeborenen Geschlechter, zu erlösen. Größere Liebe gibt es nicht."

Da ging ein Rosenschein über die Wangen der Königin, ihre Augen wurden groß, so klar, denn sie sah aus den Blättern des Buches die schönste Rose der Welt emporwachsen, sie, die aus Christi Blut am Kreuzesstamme hervorsproß.

"Ich sehe sie" sagte sie. "Niemals stirbt, wer diese Rose sah, die schönste auf Erden."


 

< Der Reisekamerad
Der Rosenelf >



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.