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Hans Christian Andersen

Märchensammlung

Eine Geschichte aus den Sanddünen

eingestellt: 24.7.2007



Es ist eine Geschichte aus den jütländischen Sanddünen, die aber nicht in Jütland anhebt, sondern weit weg von dieser nördlichen Halbinsel, im Süden, in Spanien beginnt; das Meer ist die Straße zwischen den Ländern; versetze dich in Gedanken dorthin, hin nach dem sonnigen Spanien! Dort ist es warm und wunderherrlich, dort wachsen die feuerroten Granatblüten zwischen dunklen Lorbeerbäumen; von den Bergen weht ein frischer, labender Wind herab über die Orangengärten, über die prächtigen maurischen Hallen mit ihren goldenen Kuppeln und farbigen Wänden; durch die Straßen ziehen Kinder in Prozessionen mit Lichtern und flatternden Fahnen, und über Ihnen, hoch und klar, erhebt sich der Himmel mit funkelnden Sternen; Gesang und Kastagnetten erklingen, Burschen und Mädchen schwingen sich im Tanz unter blühenden Akazien, während der Bettler auf dem behauenen Marmorstein sitzt, sich an der saftigen Wassermelone labt und das Leben halb träumend genießt; es ist wie ein herrlicher Traum das Ganze, und sich dem hinzugeben - ja, das taten so recht zwei junge Neuvermählte, und ihnen waren auch alle Güter der Erde gegeben: Gesundheit, froher Sinn, Reichtum und Ehre.

"Wir sind so glücklich, wie nur irgend jemand es sein kann!" sprachen sie aus vollster Herzensüberzeugung; doch noch eine Stufe des Glücks konnten sie erklimmen, wenn nämlich Gott ihnen ein Kind, einen Sohn, ihnen ähnlich an Körper und Seele, schenken wollte.

Das glückliche Kind würde mit Jubel begrüßt werden, die größte Sorgfalt und Liebe finden, all des Wohlseins und Reichtums teilhaftig werden, den eine einflußreiche Familie zu spenden vermag. Wie ein Fest verstrichen ihnen die Tage.

"Das Leben ist ein Gnadengeschenk der Liebe, eine fast unbegreiflich große Gabe!" sprach die junge Frau, "und die Fülle der Glückseligkeit soll im jenseitigen Leben noch wachsen, und zwar ewig und immer - ich fasse diesen Gedanken nicht!"

"Und der Gedanke ist in der Tat auch Übermut des Menschen!" versetzte der Mann. "Es ist im Grunde ein entsetzlicher Stolz, zu glauben, daß man ewig lebt - werden soll wie Gott! Waren es doch auch die Worte der Schlange, und sie war der Lüge Urheberin."

"Du zweifelst doch nicht an einem Leben im Jenseits?" fragte die junge Frau, und es war, als gleite zum ersten Mal ein Schatten durch ihr sonniges Gedankenreich.

"Der Glaube verheißt es, die Priester sagen es!" sprach der junge Mann, "aber gerade in all meinem Glück fühle und erkenne ich, daß es ein Stolz, ein übermütiger Gedanke wäre, ein anderes Leben nach diesem, eine fortgesetzte Glückseligkeit zu verlangen - ist uns nicht in dem Erdendasein so viel gegeben, daß wir wohl zufrieden sein können und sein müssen?"

"Ja, uns ward es gegeben!" sagte die junge Frau, "allein wie vielen Tausenden ward nicht dieses Leben zu einer schweren Prüfung; wie viele sind nicht in diese Welt hineingeworfen worden, gleichsam zur Armut nur, zur Schande, zur Krankheit und zum Unglück; nein, wenn es kein Leben nach diesem gäbe, dann wäre alles auf Erden zu ungleich verteilt, dann wäre Gott nicht die Gerechtigkeit!"

"Der Bettler dort unten hat Freuden, die er ebenso sehr schätzt, die ihn ebenso groß dünken, wie der König sie in seinem reichen Schloß hat!" versetzte der Mann, "und glaubst du nicht, daß das Arbeitstier, das geprügelt wird, hungert und sich zu Tode schleppt, seine schweren Lebenstage empfindet! Das Tier könnte auch ein jenseitiges ewiges Leben fordern, es ein Unrecht heißen, daß es nicht in ein höheres Reich der Schöpfung gestellt wurde!"

"In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen, hat Christus gesagt"; antwortete die junge Frau, "das Himmelreich ist das Unendliche, wie Gottes Liebe unendlich ist - auch das Tier ist ein Geschöpf Gottes, und ich glaube fest daran, daß kein Leben verloren gehen wird, sondern all die Glückseligkeit genießen wird, die es empfangen kann und die ihm genügt."

"Mir aber genügt nun diese Welt!" rief der Mann und umschlang sein schönes, liebliches Weib, rauchte eine Zigarre auf dem offenen Altan, wo die kühle Luft erfüllt war mit dem Duft der Orangen und Nelken; Musik und Kastagnetten erklangen von der Straße herauf, die Sterne flimmerten von oben herab, und zwei Augen voller Liebe, die Augen seines Weibes, schauten ihn mit dem ewigen Leben der Liebe an.

"Eine solche Minute", sprach er, "ist es wohl wert, daß man geboren wird, empfindet und - verschwindet!" und er lächelte; die junge Frau hob die Hand mit mildem Vorwurf - und der Schatten auf ihrer Welt war wieder verschwunden, sie waren gar zu glücklich.

Und alles schien sich ihnen zu fügen, sie schritten voran in Ehre, in Wohlsein und Freude; ein Wechsel fand zwar statt, aber nur ein Ortswechsel, keiner im Genuß und in des Lebensfreude und Lust. Der junge Mann wurde von seinem König als Gesandter an den kaiserlichen Hof in Rußland geschickt, es war ein Ehrenamt, seine Geburt und seine Kenntnisse gaben ihm ein Recht zu diesem Posten; ein großes Vermögen besaß er, seine junge Frau hatte ihm ein nicht geringeres eingebracht, sie war die Tochter eines reichen, angesehenen Kaufmannes. Eines der größten, besten Schiffe dieses Kaufherrn sollte gerade in diesem Jahr nach Stockholm gehen, es wurde bestimmt, daß es die lieben Kinder, Tochter und Schwiegersohn, nach St. Petersburg führen solle, und an Bord ward alles prächtig eingerichtet, reiche Teppiche für die Füße, Seide und Luxus überall.

Ein altes Heldenlied heißt: "Des Königs von England Sohn"; der segelte auch an Bord eines prächtigen Schiffes, der Anker ward ausgelegt mit rotem Gold, jedes Tau mit Seide durchflochten - an dieses Schiff mußte man unwillkürlich denken, wenn man das aus Spanien sah, denn hier war dieselbe Pracht, und derselbe Abschiedsgedanke drängte sich einem auf, der Gedanke:

Gott lasse uns alle in Freuden
einst wieder zusammenfinden!

Und der Wind blies schön seewärts an der spanischen Küste, der Abschied war nur ein kurzer; in wenigen Wochen würden sie das Ziel ihrer Reise erreichen können; aber als sie auf die hohe See kamen, legte sich der Wind, das Meer ward blank und still, die Sterne des Himmels strahlten, es waren gleichsam Festabende, die in der reichen Kajüte verstrichen.

Endlich wünschte man doch, daß es ein wenig Luft und Fahrtwind geben möge, aber er blies nicht, und erhob sich ja einmal der Wind, da war es immer Gegenwind; so vergingen Wochen, ja volle zwei Monde, erst dann stellte sich der rechte Wind ein, er blies aus Südwest; das Schiff fuhr auf der hohen See zwischen Schottland und Jütland, und der Wind nahm zu, ganz wie in der alten Weise von "Des Königs von England Sohn."

Da gab es ein Wetter und Wolkenguß,
kein Land, keinen Schutz sie fanden,
und sie warfen ihr Ankergold -
doch der Wind blies westeinwärts auf Dänemark.

Das ist nun lange her. König Christian der Siebente saß damals auf dem dänischen Thron und war noch ein junger Mann. Vieles ist seit der Zeit geschehen, vieles hat gewechselt und sich verändert; See und Moorland haben sich in grünende Wiesen verwandelt, Heide ist Ackerland geworden, und im Schutz der Westjüten-Hütten wachsen Apfelbäume und Rosen, wenn man sie auch freilich suchen muß, denn sie ducken sich vor dem scharfen Westwind.

Man kann sich im westlichen Jütland so recht in die alte Zeit zurückversetzen, weiter zurück als in die Regierungszeit Christian des Siebten; wie damals, so erstreckt sich auch jetzt in Jütland die braune Heide meilenweit hin mit ihren Hünengräbern, ihren Luftspiegelungen, mit den sich kreuzenden holprigen und sandigen Wegen; westwärts, wo große Bäche in die Fjorde münden, breiten sich Wiesen und Moorland aus, umzäunt von hohen Sanddünen, die einer Alpenkette gleich sich mit ausgezackten Gipfeln gegen das Meer hin erheben, sie werden nur von hohen Lehmabhängen unterbrochen, von welchen die Fluten Jahr für Jahr Riesenbissen abbeißen, so daß die jähen Küstenufer, wie durch Erdbeben erschüttert, einstürzen. So sieht es dort noch am heutigen Tage aus, so war es auch vor vielen Jahren, damals, als die zwei Glücklichen draußen auf dem reichen Schiff segelten.

Es war in dem letzten Tagen des Septembers, es war Sonntag und sonniges Wetter, das Läuten der Kirchenglocken am Fjord von Nissum rollte dahin in der Luft wie eine tönende Kette; die Gotteshäuser dort sind fast nur aus behauenen Feldsteinen erbaut, jedes ist ein Stückchen Felsen; die Nordsee könnte über sie dahinbrausen, und sie würden stehenbleiben; an den meisten fehlte der Turm und die Glocken hingen dann im Freien zwischen zwei Balken. Der Gottesdienst war zu Ende; die Gemeinde trat aus der Kirche auf den Friedhof, wo damals wie heutzutage weder Baum noch Busch zu erblicken war, nicht eine Blume war dort gepflanzt, nicht ein Kreuz auf die Gräber hingelegt; knorrige Hügel zeigen an, wo die Toten eingesenkt sind, schneidendes Gras, vom Winde gepeitscht, überwuchert den ganzen Kirchhof; irgendein einzelnes Grab hat vielleicht ein Grabmal aufzuweisen, das heißt, einen, fast verwitterten Holzblock, zugehauen in der Form eines Sarges; der Holzblock ist dann aus dem Walde der jütländischen Westgegend geholt, und der Wald dieser Gegend ist das wilde Meer, dort wachsen für den Küstenbewohner die behauenen Balken, Bohlen und Hölzer, welche die Brandung ihm ans Land führt. Der Wind und die Seenebel verwittern bald das Holz; ein solcher Holzblock war hier auf ein Kindergrab von lieben Händen hingetragen, und eine der Frauen, die aus der Kirche kamen, schritt auf das Grab zu; sie blieb vor dem Grab stehen und ließ ihre Blicke auf dem verwitterten Grabmal ruhen; wenige Augenblicke später trat ihr Mann zu ihr heran; beide sprachen kein Wort, er ergriff aber ihre Hand, und sie wanderten vom Grab auf die braune Heide hinaus, über Moor und Wiese dahin auf die Sanddünen zu: lange Zeit gingen Sie schweigend nebeneinander her.

"Das war heute eine gute Predigt", sprach der Mann, "hätte man nicht den lieben Gott, man hätte gar nichts!"

"Ja", versetzte die Frau, "er schenkt Freude und Betrübnis, und er hat das Recht dazu! Morgen wäre unser kleiner Knabe fünf Jahre alt geworden, hätten wir ihn behalten dürfen."

Es Kommt nichts dabei heraus, daß du trauerst, Frauchen", sagte der Mann. "Ist der Knabe doch gut davongekommen! Er ist ja dort, wo wir durch unser Gebet hinkommen wollen!"

Und darauf sprachen sie nichts weiter und gingen auf ihr Haus zwischen den Sanddünen zu; plötzlich erhob sich von einer dieser Dünen, an der das Strandgras den Sand nicht mit seinen langen Wurzelgeflecht festhielt, gleichsam eine dicke Rauchwolke, ein Windstoß bohre sich in die Dünen und wirbelte die feinen Sandteilchen hoch auf, noch ein Windstoß, und all die mit Fischen zum Trocknen behangenen, ausgespannten Schnüre schlugen mit Macht gegen die Wand des Häuschens, und alles war wieder still; die Sonne strahle warm herab.

Mann und Frau traten ins Haus; bald hatten sie sich ihrer Sonntagskleider entledigt, und wieder hinaustretend, eilten sie nun über die Dünen, die wie ungeheure Wogen aus Sand, plötzlich in ihrer Bewegung aufgehalten, dastanden; der Sandhafer und das Dünengras mit ihren blaugrünen Halmen gaben dem weißen Sand etwas Farbe. Ein paar Nachbarn kamen noch hinzu, man war einander behilflich, die Boote höher auf den Sand hinaufzuziehen; der Wind blies jetzt gewaltiger als zuvor, er war scharf und kalt, und als die zurück über die Dünen eilten, wehten ihnen Sand und scharfe Steinchen ins Gesicht, die Wellen türmten sich mit weißen Schaumkronen hoch auf, und der Wind schnitt den Kamm ab, daß der Schaum weit umherspritzte.

Der Abend kam heran, in der Luft tönte ein heranschwellendes Sausen, heulend, klagend, wie eine Heerschar verzweifelter Geister, es übertönte das dröhnende Rollen des Meeres, obwohl das Fischerhaus ganz in seiner Nähe lag. Der Sand prasselte an die Fensterscheiben, und zuweilen kam ein Windstoß so gewaltig heran, daß das Häuschen gleichsam in seinem Grund erbebte. Es war finster, doch gegen Mitternacht würde der Mond aufgehen.

Die Luft klärte sich auf, aber der Sturm raste in seiner ganzen gewaltigen Macht über das tief aufgewühlte Meer dahin. Die Fischersleute hatten schon längst ihr Lager aufgesucht, allein bei dem Unwetter war nicht daran zu denken, ein Auge zu schließen; da klopfte es an das Fenster, die Tür tat sich auf, und jemand sagte:

"Ein großes Schiff liegt fest auf dem äußersten Riff!" Mit einem Sprung waren die Fischersleute vom Lager auf und in den Kleidern.

Der Mond war aufgegangen, es wäre hell genug gewesen, um zu sehen, hätte man die Augen wegen der Wirbel des Flugsandes auftun können; es war ein Wind, daß man sich gleichsam auf denselben legen konnte; nur mit großer Mühe, zwischen den Windstößen dahinkriechend, gelangte man über die Dünen hinweg, und hier nun flog wie Schwanendaunen in der Luft der Salzige Gischt und Schaum vom Meere hoch empor, das sich wie ein rollender, kochender Wasserfall gegen die Küste wälzte. Ein geübtes Auge gehörte dazu, um das Fahrzeug draußen zu erblicken; es war ein prächtiger Zweimaster; gerade jetzt hoben die Fluten es über das Riff; drei, vier Kabellängen außerhalb der gewöhnlichen Brandung, es trieb gegen das Land an, lief auf das zweite Riff auf und saß fest. Hilfe zu bringen war eine Unmöglichkeit, die See war zu gewaltig, sie schlug gegen das Schiff und rollte immerfort über dasselbe hinweg. Man glaubt die Notschreie, die Angstrufe der dem Tode Geweihten zu vernehmen, man gewahrte die emsige, hilflose Tätigkeit an Bord. Jetzt rollte eine Woge heran, die wie ein zermalmendes Felsstück auf den Bugspriet stürzte, der wurde dem Schiff entrissen. Das Heck hob sich hoch über die Flut. Zwei Menschen sprangen zu gleicher Zeit, einander umschlingend, in die Fluten - ein Augenblick - und eine der größten Wellen, die gegen die Dünen rollten, warf einen Körper auf die Küste - es war ein Weib, eine Leiche, wie die Schiffer dachten; ein paar von den Frauen erfaßten sie, glaubten noch Leben in ihr zu spüren, man brachte die Fremde über die Dünen hinweg in die Fischerhütte. Wie schön und fein war sie, gewiß eine vornehme Dame. Sie legten sie in das ärmliche Bett, aber es war schön warm.

Das Leben kehrte ihr wieder, aber im Fieber; sie wußte nichts von dem, was geschehen war oder wo sie sich befand, und so war es ja gerade gut, denn alles, was ihr lieb und wert war, lag auf dem Meeresgrund; es erging Schiff und Menschen draußen, wie es das Heldenlied von "Des Königs von England Sohn" singt.

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