(Unten an dem von schroffen Bergwänden umschlossenen Fjord. Auf einer kleinen Anhöhe in der Nähe die alte, verfallene Kirche. Ein Unwetter zieht herauf.)
(Volk, Männer, Weiber und Kinder, teils am Strande, teils weiter oben in Gruppen. In ihrer Mitte sitzt der Vogt auf einem Stein; ein Schreiber hilft ihm bei der Verteilung von Korn und Lebensmitteln. Ejnar und
Agnes stehen in einiger Entfernung, von einer Anzahl Leute umringt. In dem von der Ebbe freigelegten Sande liegen ein paar Boote. Brand wird auf dem Kirchenberg sichtbar, ohne zunächst noch von der Menge bemerkt zu werden.)
EIN MANN (arbeitet sich durch das Gedränge.)
Macht Platz!
EIN WEIB. Ich war zuerst da!
DER MANN (schubst sie zur Seite.) Pack
Dich weg!
(Drängt sich zum Vogt vor.)
Herr, gebt mir meinen Sack!
DER VOGT.
Geduld.
DER MANN.
Daheim ist bittre Not;
Da hungern vier sich - fünf sich tot!
DER VOGT (spaßend.)
He? Zählen ist ein schwierig Ding!
DER MANN.
Eins lag im Sterben, als ich ging.
DER VOGT.
Die Liste,
Schreiber!
(Zu dem Bauern, während er in seinen Papieren blättert:)
Tritt zurück!
Du stehst doch drin -? Ja. s war Dein Glück.
(Zum Schreiber.)
Der Nummer Dreißig ausgeteilt! -
Na, Leute, nur nichts übereilt!
Niels Schneesumpf!
EIN MANN.
Hier!
DER VOGT. Dein Teil heut macht
Nur halb so viel als vordem, da
Ihr nun doch weniger -
DER MANN. Ja, ja.
Mein Weib starb akkurat heut nacht.
DER VOGT (notiert.)
Fällt weg. Gespart wird nie genug.
(Zu dem sich Entfernenden.)
Doch bloß nicht jetzt in vollem Zug
In eine neue Eh!
DER SCHREIBER (kichert.)
Hi, hi!
DER VOGT (scharf.)
Worüber lachen Sie?
DER SCHREIBER. Weil Sie,
Herr Vogt, so spaßig reden.
DER VOGT.
Wie -?
Mir ist durchaus nicht so zu Mut.
Doch macht ein Scherz gar manches gut.
EJNAR (tritt mit Agnes aus der sie umgebenden Gruppe.)
Nun gibt die letzte Tasch nichts mehr, -
Notizbuch, Beutel, alles leer; -
Ein Bettler schier komm ich an Bord
Und helf mit Uhr und Stock mir fort.
DER VOGT.
Ja, Ihr zwei kamt zur rechten Stund.
Was ich gesammelt, ist zum Lachen.
Ein jeder weiß, es macht nicht
satt,
Wenn leere Hand, halbvoller Mund
Mit dem, der nichts zu beißen hat,
Ihr karges Mahl gemeinsam machen.
(Bemerkt Brand und zeigt auf ihn.)
Willkommen! Trieb Sie der Bericht
Der Hungersnot nach dieser Küste,
So schonen Sie Ihr Ränzel nicht!
Wir nehmen jeglichen Betrag,
Denn unser Vorrat geht zur Rüste; -
Zween Fischlein in der Armut Wüste
Sind keine Mahlzeit heutzutag.
BRAND.
In eines
Abgotts Namen sind
Zehntausend Körbe Spelt im Wind.
DER VOGT.
Ich lud Sie nicht zu Worten ein.
Dem leeren Bauch sind Worte Stein.
EJNAR.
Du weißt nicht, wie das Volk hier litt,
Sonst fühltest Du sein Elend mit!
Hier ist ein Grab voll bittern Wehs.
Hier liegen Leichen -
BRAND. Ja, ich sehs.
An jedes Augs
bleigrauem Rand
Erkennt man hier des Richters Hand.
DER VOGT.
Und trotzdem bleibt Ihr Herz wie Stahl?
BRAND (tritt hernieder unter die Menge und spricht mit Nachdruck:)
Wärs Leben hier gedrückt und schal,
Ging trägen Gangs in Eintagsnot,
Erbarmte mich dies Schrein nach Brot.
Wenn Du auf Vieren kriechen mußt,
Erwacht das Tier in Deiner Brust.
Schleicht Tag um Tag in dumpfer Ruh,
Im Schlaftrott, wie
ein Leichenzug,
Da raunt Dir leicht Verzagtheit zu,
Du seist getilgt aus Gottes Buch.
Euch aber ist der Herrgott gut,
Euch träuft er Todesangst ins Blut,
Euch geißelt er bis dicht vors Grab,
Nimmt wieder Euch, was er Euch gab -
MEHRERE STIMMEN (unterbrechen ihn drohend.)
Er höhnt uns noch in unsrer Not!
DER VOGT.
Er gönnt Euch nicht das bißchen Brot!
BRAND (schüttelt den
Kopf.)
O hülf Euch doch mein rotes Blut
Gleich eines Heilquells Wunderflut,
Ich öffnete der Adern Deich,
Bis jede Vene leer und bleich.
Doch damit mißverständ ich Ihn!
Seht, Gott will Euch dem Staub entziehn!
Ein rechtes Volk, - ists auch nicht stark, -
Entsaugt dem Unglück Macht und Mark;
Der Geist steigt adlergleich empor,
Vom Auge sinkt des Eintags Flor,
Der Wille wirft sein Haupt zurück
Und
weiß: ihm wird des Sieges Glück.
Doch wen nicht adelt, was ihn schmerzt,
Der hat, daß Gott ihm hilft, verscherzt!
EIN WEIB.
Da zieht ein Wetter auf, seht, seht, -
Wie durch sein Wort herbeigeweht!
EIN ANDERES.
Gott straft ihn noch! Ich sags vorher!
BRAND.
Dein Gott tut keine Wunder mehr!
DIE WEIBER.
Welch Wetter!
STIMMEN AUS DER MENGE.
Steinigt, stecht ihn fort!
Was will der Unmensch hier am Ort!
(Das Volk schart sich drohend um Brand. Der Vogt tritt dazwischen. Ein Weib, verwildert und zerrissen, kommt den Berg hinabgeeilt.)
DAS WEIB (schreit der Menge zu:)
In Jesu Namen, steht mir bei!
DER VOGT.
Was gibts? Wo fehlts? Red frank und frei!
DAS WEIB.
Ich brauch
nicht Euer Brot und Geld!
Mich traf das Ärgste von der Welt!
DER VOGT.
Nun, was denn? Sprich!
DAS WEIB. Ich kann nicht -! Wo
Ist Euer Pfarrer?
DER VOGT. Danach rufst
Du hier umsonst -
DAS WEIB. Verloren! O!
Hart warst Du,
Gott, daß Du mich schufst!
BRAND (nähert sich ihr.)
Vielleicht ist doch ein Priester hier.
DAS WEIB (ergreift ihn am Arm.)
So hab Erbarmen, schaff ihn mir!
BRAND.
Erst sprich! So tu ich, was ich kann.
DAS WEIB.
Quer überm Fjord -
BRAND. Nun, was?
DAS WEIB.
Mein Mann -
Kein Brot - drei magre Kinderlein - -
Sag, er ist nicht verdammt! Sag nein!
BRAND.
Sprich erst.
DAS WEIB (zeigt auf ihre Brust.)
Verdorrt war ich und leer;
Nicht Gott, nicht Menschen halfen mehr;
Das Jüngste lag am Tod, - da trugs
Mein Mann nicht mehr, - und
er - erschlugs -!
BRAND. Erschlugs -?
DAS VOLK (entsetzt.)
Sein Kind!
DAS WEIB. Im selben trat
Ihn an die Sünde seiner Tat!
Anfiel die Reu ihn wie ein Brand,
Ans eigne Leben legt er Hand.
O komm, trotz Sturm und
Wellennot!
Er flucht dem Leben, bebt vorm Tod,
Die Leich im Arm liegt er und nennt
Des Bösen Namen ohne End!
BRAND (für sich.)
Ja, hier ist Not.
EJNAR (bleich.) Er stirbt verdammt.
DER VOGT.
Der Mann gehört nicht in mein Amt.
BRAND (kurz, zu der Menge.)
Ein Boot los! Und begleit mich einer!
EIN MANN.
Bei diesem Wind? Das wagt Dir keiner!
DER VOGT.
Den Fjord rund läuft ein Steig -
DAS WEIB. Nein, nein, -
Der Weg ist jetzt zu ungewiß;
lch kenn ihn, doch der Sturzbach riß
Dicht hinter mir den Holzsteg ein!
BRAND.
Ein Boot macht los!
EIN MANN. Unmöglich
jetzt,
Wo sich die See so widersetzt!
EIN ANDERER (zeigt nach dem andern Ufer.)
Dort kommts herunter, - Fels und Strauch!
Der ganze Fjord ist Staub und Rauch!
EIN DRITTER.
Solang der Sturm so drohend spricht,
Enthebt der Propst Dich Deiner Pflicht!
BRAND.
Ein Sünder, dessen Stunde schlägt,
Verzieht nicht, bis ein Sturm sich legt!
(Springt in ein Boot und zieht das Segel auf.)
Ihr wagt das
Schiff?
DER EIGENTÜMER. Das wohl; - doch bleib!
BRAND.
Wohlan! Wer wagt nun seinen Leib?
EIN MANN.
Ich nicht.
EIN ANDERER.
Ich auch nicht. Bei dem Wehn!
MEHRERE.
Das hieß blind ins Verderben gehn!
BRAND.
Ja, Euer Gott hülf keinem fort,
Doch meiner, wißt, ist mit an Bord!
DAS WEIB
(ringt die Hände.)
Er stirbt!
BRAND (ruft vom Boote aus:)
Wenn sich nur einer stellt,
Der schöpft und vorn am Fock sich hält!
Hier gab doch grad manch wackrer Mann; -
Gebt mehr noch! Gebt Euch selbst noch dran!
MEHRERE (zurückweichend.)
Verlang das nicht!
EIN EINZELNER (drohend.)
Gibs auf, Dein Spiel!
Was Gott zuviel, ist Gott zuviel.
MEHRERE STIMMEN.
Das Wetter wächst!
ANDERE. Die Kette sprang!
BRAND (hakt sich mit dem Bootshaken fest und ruft dem fremden Weibe zu:)
So komm denn Du; doch säum nicht lang!
DAS WEIB (weicht zurück.)
Ich?
Wo kein Mensch -?
BRAND. Nur Gott vertraut!
DAS WEIB.
Ich kann nicht!
BRAND. Nicht -?
DAS WEIB. Die Kinder, schaut!
BRAND (lacht auf.)
Sand ist der Grund, darauf Ihr
baut!
AGNES (wendet sich mit glühenden Wangen rasch nach Ejnar um, legt ihm die Hand auf den Arm und sagt:
Hast Du gehört?
EJNAR. Der gibt sich nicht!
AGNES.
Mit Gott! So kennst Du Deine Pflicht!
(Ruft Brand zu:)
Sieh her, hier springt Dir einer bei,
Der Deiner, hoff ich, würdig sei!
BRAND.
So komm!
EJNAR (bleich.)
Ich?
AGNES. Geh! Ich opfre Dich!
Die Blindheit, die mich schlug, entwich!
EJNAR.
Eh ich Dich kannte, hätt ich mich
Freiwillig selbst geopfert, - jetzt -
AGNES (bebend.)
Jetzt -?
EJNAR. - wär zuviel aufs Spiel gesetzt; -
Ich
kann nicht!
AGNES (weicht zurück.)
Was hast Du gesagt?
EJNAR.
Ich darf nicht!
AGNES (mit einem Aufschrei.)
Jetzt, Gott seis geklagt,
Hat reißend sich, sturmüberfegt,
Ein Weltmeer zwischen uns gelegt!
(Zu Brand.)
Ich komme!
BRAND. Gut; so fahren wir!
DIE WEIBER (entsetzt, während sie in das Boot springt.)
Hilf, Jesus!
EJNAR (greift verzweifelt nach ihr.)
Agnes!
DIE GANZE MENGE (eilt hinzu.)
Halt!
Bleibt hier!
BRAND.
Wo liegt die Hütte?
DAS WEIB (zeigt hinaus.)
Dreh das Schiff
Dort drüben um das schwarze Kliff!
(Das Boot stößt ab.)
EJNAR (schreit ihnen nach.)
Der Mutter denk, der Brüder! Mord
Ihr Glück nicht!
AGNES.
Hier sind drei an Bord!
(Das Boot segelt ab. Das Volk schart sich auf den Höhen zusammen und verfolgt es mit höchster Spannung.)
EIN MANN.
Er machts!
EIN ANDERER. Glaubs nicht!
DER ERSTE. Jawohl! Ich seh,
Er hat das Achter schon in Lee!
DER ANDERE.
Ein Windstoß! Hei, der traf sie gut!
DER VOGT.
Seht, -
da entführt er ihm den Hut!
EIN WEIB.
Schwarz, wie ein Rabenflügelpaar,
Schlägt wild im Sturm sein nasses Haar!
ERSTER MANN.
In Rauch und Dampf steht alles!
EJNAR. Still!
Was schrie da grad so grell und schrill?
EIN WEIB.
s kam von den Höhn.
EIN ANDERES (zeigt nach oben.)
Da steht die Gerd
Und johlt, wie er vorüberfährt!
ERSTES WEIB.
Schaut, wie sie in ein Bockshorn stößt
Und Stein um Stein vom Abhang löst!
ZWEITES WEIB.
Jetzt wirft sies Horn ins Heideland
Und tutet durch die hohle Hand!
EIN MANN.
Ja, tut und
gröhl nur, wüster Troll,
Den Mann, den irrst Du keinen Zoll!
EIN ANDERER.
Wenns wieder not tut, - steuert er,
Geh ich bei schwererm Sturm aufs Meer.
ERSTER MANN.
Was war er?
EJNAR. Pfarrer.
ZWEITER MANN. Was er war, -
Er war ein Mann; so viel ist klar!
In ihm war Trotz und Kraft und Mut.
ERSTER MANN.
Der tät uns hier als Pfarrer gut!
VIELE STIMMEN.
Ja, der tät uns als Pfarrer gut!
(Sie zerstreuen sich über die Höhen.)
DER VOGT (sucht seine Papiere und Bücher zusammen.)
Es war zum mindsten inkorrekt,
Daß er den Kopf hierein gesteckt
Und ohne zwingendes Motiv
Gefahr an Leib und Leben lief. -
Ich sorg gewiß für allesamt, -
Doch allzeit nur
in meinem Amt.
(Ab.)
(Vor der Hütte auf der Landspitze.)
(Es ist hoher Tag. Der Fjord liegt blank und still. Agnes sitzt unten am Strande. Gleich darauf tritt Brand aus der Tür.)
BRAND.
Er ist tot. Nun, wie geborgen
Vor den Schrecken des Gerichts,
Stillen, großen Angesichts,
Liegt er, licht und frei von Sorgen.
Wie der Tod doch Nacht in Tag
Trügrisch umzuglühn vermag!
Seinem höllischen Vergehen
Sah er nicht bis auf den Grund, -
Sah nicht mehr, als was ein Mund
Nennt, was man mit Händen tastet,
Was auf seinem Namen lastet:
Was dem Kind von ihm geschehen.
Doch die beiden, die voll Graun
Ihre Augen an ihn hängten
Gleich zwei Vögeln, eng gedrängten,
Die vom Herddach niederschaun, -
Sie, die blöd und ratlos sahn,
Was für Dinge da
geschahn, -
Deren Seele sich ein Fleck
Einfraß, den kein glühend Eisen,
Keine Säure aus ihr weg
Tilgt, - und würden sie zu Greisen, -
Deren Keime aus den Schollen
Solchen Erdreichs brechen sollen, -
Deren Wachstum, Zoll um Zoll,
Solch ein Fluch beschatten soll, -
Sie, die dieser Nachtgedanke
Nimmermehr verlassen kann, -
Sie, sie sah er nicht, der Kranke,
Nicht, wie seiner Tat Geranke
Sich um sie als Erben
spann. -
Und das Schuldbuch wird vielleicht
Weiter fort und fortgereicht,
Weil, - o Abgrund, der hier ruht! -
Weil sie ihres Vaters Blut!
Was wird still gestrichen werden,
Was mild ausgeglichen werden?
Wie weit schreibt sich eines jeden
Haftpflicht für ererbte Schäden?
Wer wird zeugen, wer wird richten,
Wenn es gilt, den Stoff zu sichten?
Wer wird dann die Wahrheit wissen,
Wo ein jeder Delinquent?
Wer darf weisen sein
zerschlissen,
Übertragen Dokument?
Schwindeltiefe Rätselnächte,
Wer Euch je zum Reden brächte!
Doch von Sinnen und Verstande
Tanzt der Schwarm an Abgrunds Rande; -
Alle sollten zittern, beben, -
Doch nicht einer sieht von tausend,
Welch ein Berg von Schuld sich grausend
Auftürmt auf dem Wörtlein: leben.
(Einige Männer aus dem Dorfe kommen hinter dem Hause hervor und nähern
sich Brand.)
EIN MANN.
Wir treffen uns zum zweiten Mal.
BRAND.
Zu spät; zu End ist seine Qual.
DER MANN.
Mag sein; doch ists mit ihm vorbei, -
Drin in der Stube sind noch drei.
BRAND.
Nun, und -?
DER MANN. Wir haben von dem da,
Womit man uns im Dorf versah -
BRAND.
Und gäbst Du alles - außerm Leben,
So wisse, Du hast nichts gegeben.
DER MANN.
Hätt ihm, der jetzt da drinnen tot,
In seinem Nachen Not gedroht,
Und hätt er dort um Hilf geklagt,
Weiß Gott, ich hätt mich dran gewagt.
BRAND.
Doch Seelennot, - sie hat kein Recht?
DER MANN.
Wir sind ein arm, geplagt Geschlecht.
BRAND.
So kehrt auch Eure Augen ganz
Von Sonnenschein und Firnenglanz!
Laßt nicht das linke aufwärts zücken
Und hängt
das rechte unverwandt
Ans Tal, wo Ihr, mit krummen Rücken,
Euch selber habt ins Joch gespannt.
DER MANN.
Ich hatt gedacht, Dein Rat wird sein,
Wir sollten uns daraus befrein.
BRAND.
Ja, könntet Ihrs!
DER MANN. Das steht bei Dir.
BRAND.
Bei mir?
DER MANN. Schon mancher wies uns hier
Den Weg und sprach uns mahnend zu; -
Doch keiner
ging den Weg, wie Du.
BRAND.
Du meinst -?
DER MANN. Es prägt sich eine Tat
Mehr ein denn tausendfacher Rat.
In uns geht unser Dorf Dich an; -
Denn, was uns not tut, ist ein Mann.
BRAND (unruhig.)
Was wollt Ihr?
DER MANN. Unser Pfarrer sei!
BRAND.
Ich? Hier!
DER MANN. Daß unsere
Pfarrei
Vakant ist, fand ja wohl Dein Ohr.
BRAND.
Ja, jetzt besinn ich mich -
DER MANN. Vor Zeiten,
Da konnt der Sprengel viel bestreiten.
Doch Mißwachs kam, das Korn erfror,
Von Seuchen fielen Volk und Vieh,
Den Rest warf Armut auf die Knie,
Daß jedermann den Mut verlor; -
Kaum daß man noch sein Brot bestritt!
Da fiel denn
auch der Pfarrer mit.
BRAND.
Heisch was Du willst, doch solches nicht!
Mein wartet eine höhre Pflicht.
Ich brauch des Lebens großes Führen,
Ich brauch der Erde offne Türen.
Doch hier? In einem Felsenkerker
Hat Menschenzunge nicht Gewalt.
DER MANN.
Antworten Felsen, hallt nur stärker
Das Wort, das voll und kraftig schallt.
BRAND.
Wer schlöss sich ein in finstrer Zellen,
Besäß er weit und breit das Land?
Wer ackerte Geröll und Sand,
Wär ihm ein Erbgut zu bestellen?
Wer wollt von Kernen Frucht empfahn,
Wenn sich am Baum die Äpfel röten, -
Wer sich in stumpfem Tagwerk töten,
Winkt ihm ein Weltkreis aufgetan?
DER MANN.
Dein Tun war klarer als Dein Wort.
BRAND.
Was drängt Ihr mich! An Bord, an Bord!
(Will gehen.)
DER MANN (vertritt
ihm den Weg.)
Ist dieser Ruf, der an Dich geht,
Das Werk, danach Dein Wille steht,
Dir wirklich wert?
BRAND. Dies Werk ist mir
Mein Leben selber!
DER MANN. So bleib hier!
(Mit Nachdruck.)
Und gäbst Du alles - außerm Leben,
So wisse, Du hast nichts gegeben.
BRAND.
Dein Selbst, das kannst Du nicht verschenken,
Nicht Deinen innersten Beruf.
Umsonst, den Sturzbach abzulenken,
Wenn Gott ihn der Bestimmung schuf,
Den Lauf zum offnen Meer zu senken!
DER MANN.
Ob Sumpf und Teich sich widersetzt,
Als Tau erreicht ers doch zuletzt.
BRAND (sieht ihn fest an.)
Wer lehrte solches solchem Munde?
DER MANN.
Du selbst, in jener großen Stunde,
Da Du Dich,
spottend unsrer Angst,
Durch Wind und Wellen vorwärts rangst,
Da s Dich, der armen Seel zulieb,
Durch Wogenbraus und Sturmgraus trieb; -
Da überliefs uns, jung und alt,
Wie Wind und Sonne, heiß und kalt,
Da klangs wie Osterglockenchor - -
(Senkt die Stimme.)
Doch morgen ists wohl wie zuvor.
Da ziehn wir wieder, trüb, allein,
Die Auferstehungsfahnen ein.
BRAND.
Unkraft ist nimmer zukunftsvoll.
(Hart.)
Wer das nicht sein kann, was er soll, -
Der sei nur ernstlich, was er kann,
Sei ganz und gar der Erde Mann.
DER MANN (sieht ihn eine Weile an und sagt dann:)
Weh Dir, der auslosch, da er ging;
Weh uns, die kurzer Tag umfing!
(Er geht; die übrigen folgen ihm still.)
BRAND (sieht ihnen lange nach.)
Schweigend, mit gebeugten Rücken,
Zieht der stille Haufe fort;
Seine
schweren Füße rücken
Müd und matt ihn kaum vom Ort.
Jeder geht, den Leib zusammen-
krümmend, furchtgeschwächten Knies, -
Geht wie der, von dem wir stammen,
Da der Cherub ihn verstieß, -
Beut, wie er, den Finsternissen
Schläfen schuld- und kummerschwer, -
Trägt sein harterkauftes Wissen,
Sein verloren Glück wie er.
Menschen hab ich schaffen wollen,
Neu und ganz und hehr und rein; -
Was
ist diesen Makelvollen
Noch mit Gottes Bild gemein!
Fort! Zu reichern Möglichkeiten!
Helden können hier nicht streiten.
(Will gehen, bleibt jedoch beim Anblick der am Strande sitzenden Agnes stehen.)
Wie sie lauscht! Als schwängen Saiten
Ihr nur hörbare Akkorde!
Lauschend so, saß gischtumstaubt sie,
Da das Boot den Sturm durchstampfte, -
Lauschend hielt sie sich am Borde, -
Lauschend schüttelte das Haupt
sie,
Wenns die Flut zu dicht umdampfte.
Als ob Ohr mit Auge tauschte,
Ists - und mit dem Aug sie lauschte!
(Nähert sich ihr.)
Sind es, Mädchen, wohl des Strandes
Linien, drauf Dein Auge feiert -?
AGNES (ohne sich umzuwenden.)
Nicht des Strandes noch des Landes;
Beide liegen mir verschleiert.
Eine größre Welt erspäh ich;
Scharf zur Luft steht ihre Ründung;
Meere, breiter Ströme
Mündung,
Sonnengold durch Nebel seh ich;
Seh um wolkendunkle Gipfel
Purpurlohe ziehn und schwinden,
Seh die endlos öden Watten
Einer Wüste; Palmenwipfel
Schwanken dort in heißen Winden,
Werfen lange, schwarze Schatten;
Lebens ist kein Hauch zu finden, -
Still ists wie am Schöpfungstage;
Und ich höre Stimmen klingen,
Höre Zungen mir befehlen:
Wirf Dein Alles in die Wage!
Schweres steht Dir zu
vollbringen, -
Diese Welt sollst Du beseelen!
BRAND (mitgerissen.)
Sag, was siehst Du mehr?
AGNES (legt die Hand auf die Brust.)
Hier innen
Merk ich Kräfte heimlich brauen,
Spür ich Quellen schwellend rinnen,
Schau ich Dämmerungen grauen.
Wie ein All, nach allen
Seiten
Fühl ich mein Gemüt sich weiten,
Und ich höre mir befehlen:
Diese Welt sollst Du beseelen!
Was an Taten und Gedanken
Alles kommen soll, erhebt sich,
Flüstert, atmet, regt, belebt sich,
Drängt nun in des Lebens Schranken;
Und ein Ahnen mehr als Sehen
Zeigt mir Ihn dort oben stehen,
Wie er niederblickt, das Herz
Voller Liebesglut und Schmerz,
Licht und mild wie Morgenrot,
Und betrübt
doch bis zum Tod;
Und ich höre Stimmen klingen:
Auf zum neuen Schöpfungstage!
Nun steigt oder sinkt die Wage; -
Schweres steht Dir zu vollbringen.
BRAND.
In - ja - in Dich! Dahin weist es!
Dahin rollt das Rad des Geistes!
Du, Dein Herz, - das sei die Sphäre,
Die sich göttlich neugebäre, -
Da des Willens Geier sterbe, -
Die der neue Adam erbe!
Geh die Welt denn ihren Gang
Unter
Seufzen oder Sang; -
Aber prallen wir zusammen,
Trachtet sie mir Untergang,
Dann, beim Himmel, setzt es Flammen!
Eins begehrt ein Mann allein:
Bahn frei, ganz er selbst zu sein; -
Mag er alles sonst entbehren, -
Dies Recht soll ihm keiner wehren.
(Verstummt auf eine Weile in Gedanken und sagt dann:)
Ganz er selbst! Doch das Gewicht
Ihm vererbter Schuld und Pflicht?
(Hält inne und blickt auf.)
Wer ist die dort
mit dem Stecken?
Keuchend kommt, verkrümmt, verschrumpelt,
Sie den Berg herauf gehumpelt,
Bleibt, sich zu verschnaufen, stehn,
Stützt sich auf, nicht umzufallen,
Wühlt mit magern Fingerkrallen
Hastig in den tiefen Säcken,
Wie nach einem Schatz zu sehn.
Über schlotternden Gebeinen
Schlenkerts wie ein Federhemd,
Und die krummen Hände scheinen
Eines Habichts, der in einen
Scheunentorspalt eingeklemmt.
(Plötzlich erbangend.)
Ha! Welch frostiges Entsinnen! -
Treibt ein Spuk hier seinen Spott?
Grabkalt fühl ichs von ihr rinnen, -
Doppelt grabkalt stürmts hier drinnen! - -
Meine Mutter! - Großer Gott!
BRANDS MUTTER (bleibt, den Berg heraufkommend, stehen, zunächst nur halben Leibes sichtbar. Sie beschattet die Augen mit der Hand und sieht sich um.)
Hier muß er sein.
(Kommt näher.)
Dies Teufelsbrennen
Und -flimmern schafft mir Höllenpein!
Bist Du mein Sohn?
BRAND. Ja.
DIE MUTTER (reibt die Augen.)
Hu! Der
Schein
Sticht einem ins Gesicht hinein;
Man kann nicht Pfaff und Bauer trennen.
BRAND.
Daheim sah ich die Sonne nie -
Vom Herbst an, bis der Kuckuck schrie.
DIE MUTTER (lacht in sich hinein.)
Nein, da erfriert eins allgemach,
Als wie der Eisbart überm Bach,
Und faßt zuletzt zu allem Mut
Und denkt: Gott hält Dirs wohl zu gut.
BRAND.
Willkommen und Lebwohl! Es eilt.
DIE
MUTTER.
Ja, ja, Du hast nie gern verweilt.
So liefst Du weg als Junge schon -
BRAND.
Du warsts, die mir zu gehn gebot.
DIE MUTTER.
Ich hatte meine Gründe, Sohn;
Denn daß Du Priester wardst, tat not.
(Betrachtet ihn näher.)
Hm, stark ist er geworden, groß!
Doch horch mir nun auf Eines bloß:
Acht auf Dein Leben!
BRAND.
Auf nichts mehr?
DIE MUTTER.
Nichts mehr? Was hast Du mehr auf Erden?
BRAND.
Ich meine, kommst Du nur hierher,
Mir dies zu raten?
DIE MUTTER. Andre werden
Dir andres raten. Doch Dein Leben
Erhalte der, die Dirs gegeben!
(Zornig.)
Dran heut sich weit die Zungen wetzen,
Verschlug mir Sinn und Atem fast.
Heut auf den Fjord! Aufs
Spiel zu setzen,
Was Du für mich zu wahren hast!
Du bist der letzte des Geschlechtes,
Du bist mein Sohn, mein Fleisch und Bein,
Du krönst mein teures, kunstgerechtes
Gebäud als letzter, höchster Stein.
Halt aus! Steh fest! Leb, weil es Zeit ist!
Acht auf Dich selbst! Vergiß Dich nicht!
Zu leben ist des Erben Pflicht, -
Des meinen, - wenn es einst so weit ist.
BRAND.
Drum also kommst Du heut
gegangen:
Mit vollen Taschen mich zu fangen -?
DIE MUTTER.
Sohn, bist Du toll!
(Weicht zurück.)
Komm mir nicht nah!
Bleib stehn! Ich schlag Dich mit dem Stabe!
(Ruhiger.)
Was meintest Du damit? - Nun ja,
Man altert Jahr um Jahr, und da
Ist jeder Schritt ein Schritt zum Grabe.
Dann fällt an Dich, was ich besessen.
Gezählt, gewogen und gemessen
Liegt alles. - Ich hier hab nichts mit! -
Daheim liegt alles. s will nichts heißen;
Doch wers mal erbt, hat doch zu beißen. -
Komm mir nicht näher! Keinen Schritt! -
Ich schwöre Dir, in keiner Ritze
Was zu verstecken, keinen Topf
Wo einzuscharren, keinen Knopf
Verdeckt von einem Mauersteine,
Von einem Dielenbrett zu lan; -
Du, Sohn, sollst all mein Erbe han;
Das ganze fällt an
Dich alleine.
BRAND.
Und von Bedingungen?
DIE MUTTER. Nur eine:
Erhalt Dein Leben dem Besitze,
Und erb ihn fort von Sohn zu Sohn;
Ich will mir keinen andern Lohn.
Und sorg mir, daß nichts durchgebracht wird,
Geteilt wird oder losgemacht wird; -
Vermehr ihn oder nicht; nur wahr,
Nur wahr ihn wachsam Jahr um Jahr!
BRAND (nach einer kurzen
Pause.)
Eins werde klar zwischen uns zwein:
Von Kind auf war ich stets Dein Nein.
Nie warn wir Sohn und Mutter, Frau,
Bis ich nun groß und Du nun grau.
DIE MUTTER.
Ich fordre weder Patsch noch Schmatz.
Sei, wie Du willst, eiszapfenkalt,
Harsch, barsch, - an meinem Busenlatz
Sind schlimmre Dinge abgeprallt;
Nur halt ums Erb die Faust geballt!
Das bleib in unsrer Sipp Gewalt!
BRAND (tritt ihr einen Schritt
näher.)
Und wenn nuns Gegenteil mich freute, -
Daß ichs in alle Winde streute?
DIE MUTTER (taumelt zurück.)
Verstreuen, was manch Knechtschaftsjahr
Gekrümmt mein Kreuz, gebleicht mein Haar?
BRAND (nickt langsam.)
Verstreun, ja.
DIE MUTTER. Tätst Du diesen Schritt,
Du streutest meine Seele mit!
BRAND.
Und irrt ich doch nun Dein Bemühn?
Wenn Du
den letzten Seufzer tust,
Die Lichter vor dem Lager glühn,
Und Du, s Gesangbuch in den Händen,
Die erste Nacht des Todes ruhst, -
Und brächt, was nur die Finger fänden,
Der Zettel all erwühlten Wust,
Zuletzt der Kerze gieren Bränden? -
DIE MUTTER (nähert sich in Spannung.)
Wo hast Du den Gedanken her?
BRAND.
Woher? Soll ich erzählen?
DIE MUTTER.
Ja!
BRAND.
Von einem Nachtspuk, der mich schwer
Bedrückt, seit ich, als Kind, ihn sah;
Der meiner Seele ward zur Qual
Wie einer Hasenscharte Mal.
Herbstabend. Vater war nicht mehr;
Du lagst als krank. Ich schlich hinein, -
Da schlief er bleich im Kerzenschein.
Aus einem Winkel starrt ich bang
Nach ihm und sah, er hielt ein Buch;
Mich schreckte seines Schlafes Schwere,
Der Adern bläulich blasse Leere;
Ich roch das kalte Leichentuch; -
Da hört ich Tritte her vom Gang; -
Ein Weib ging, - ohne mich zu sehn, -
Zum Bett hin auf gereckten Zehn,
Hub an sich drüber hinzubücken,
Den Toten hin und her zu rücken, -
Um Bund auf Bund hervorzuziehen
Und zählend, flüsternd hinzuknieen, -
Bis eine pralle Lederkatze
Ans Licht kam, gierig aufgerissen,
Nein, aufgekratzt und aufgebissen,
-
Und grub und grub, bis alles leer war,
Und zählte, schmälte, daß nicht mehr war,
Und weinte, klagte, schalt und schwur,
Stets Weitrem witternd auf der Spur, -
Und dann - mit Jubels Überschwang,
Ein Falke, schoß sie auf den Fang.
Zuletzt war alles umgedreht;
Sie ging, wie ein Verdammter geht,
Den Fund in ihren Schurz geschichtt
Und stöhnend: Mehr wars also nicht.
DIE MUTTER.
Groß war die
Fordrung, klein der Fund;
Ich war betrogen bis zum Grund.
BRAND.
Noch mehr. Der karge Sündenlohn
Betrog Dich auch noch um den Sohn.
DIE MUTTER.
Ja, s ist nun mal der Lauf der Welt:
Mit Blute kauft sich Gut und Geld.
Ich zahlte hohen Preis genung;
Mich deucht, ich ließ mein Leben jung.
Ich ließ, was längst sich nun empfahl, -
Ein Ding wie Wind und Sonnenstrahl,
Ein Ding, das dumm und schön
zumal;
Ein Ding, des Name kaum mir blieb;
Ich glaub, die Leute schaltens Lieb.
Ich weiß noch gut, wies an mir fraß,
Noch gut, wie mirs der Vater las:
Was ist der Häuslerssohn Dir nütze!
Der Brand, ob auch ein welker Ast,
Das ist ein Kerl von Grips und Grütze!
Der mehrt Dir doppelt, was Du hast! -
Ich nahm ihn; Schimpf war mein Gewinn.
Er bracht es nie und nie dahin.
Doch ich hab Tag und Nacht geheckt,
So
daß der Rest nun balde kleckt.
BRAND.
Und denkst Du, nun s zu Grabe geht,
Auch, wies um Deine Seele steht?
DIE MUTTER.
Daß ich dran dacht, am besten wies,
Daß ich Dich Priester werden hieß.
Trifft mich mein Los und Dich Dein Teil,
So sorg für meiner Seele Heil!
Ich hab den saur erworbnen Hort,
Du hast den Trost, die Macht, das Wort.
BRAND.
So klug Du warst, Du täuschtest
Dich.
Du sahst im Licht der Heimat mich.
So rechnend gehn der Eltern mehr
Hier hinter ihren Kindern her.
Ihr meint, das Kind hab nur der Alten
Erbtrödel weiter zu verwalten.
Der Ewigkeit ein blasser Schein
Geht Eure Seelen aus und ein; -
Ihr langt nach ihm, dem Wahn geneiget,
Er sei schon Euer, wann nur fein
Ihr Sipp und Erb zusammenzweiget, -
Daß Tod vor Leben dann verstumme -
Und Ewigkeit Euch werd als Summe
Hochaufgehäufter Jahresreihn.
DIE MUTTER.
Forsch nicht in Deiner Mutter Sinn,
Und nimm Dein Erb, wenn s Dein wird, hin!
BRAND.
Und Deine Schuld?
DIE MUTTER. Schuld? Welche denn?
Ich schulde keinem was.
BRAND. Doch wenn -!
So müßt ich all dem Gut
entsagen,
Bis jede Schuld glatt abgetragen.
Ein Sohn, geht seine Mutter ruhn,
Muß jeder Fordrung Gnüge tun
Und übernähm ich s Haus stockleer, -
Dein Schuldbuch doch mein Erbe wär.
DIE MUTTER.
Das fordert kein Gesetz.
BRAND. Nein, keins,
Das Tint und Feder schrieb, doch eins,
Das jedes braven Sohns
Gemüt
Mit mahnender Gewalt durchglüht; -
Und dem Gesetz soll gnug geschehn.
Verblendete, so lern doch sehn!
Daß Du den Herrn in Dir erniedert,
Dein Seelenlehen öd vertan,
Daß Du das Bild, das Du empfahn,
In Kot gezogen und beschmutzt,
Daß Du den Geist, einst reich gefiedert,
Im Weltgetümmel schnöd gestutzt, -
Ist Deine Schuld! Wo willst Du hin,
Wenn Gott einst nach dem Seinen
frägt?
DIE MUTTER (scheu.)
Wohin ich will?
BRAND. Getrost! Es trägt
Dein Sohn die Schuld der Sünderin.
Das Bild, dran Deine Makel kleben,
In mir soll sichs geklärt erheben!
Magst ruhig zu den Toten gehen.
Kein Schuldbuch ängste Deine Ruh; -
Ich tilge -
DIE MUTTER. Schuld und all Versehen?
BRAND.
Die Schuld. Nur
diese; hör wohl zu.
Die Schuld will ich, Dein Sohn, abtragen;
Der Sünde mußt Du selbst entsagen.
Das Maß des Menschlichen, das man
Dem Moloch Weltlust hinwarf, kann
Durch eines andern Taten sich
Bezahlen bis auf Punkt und Strich;
Doch daß mans also ließ verderben,
Das sühnt Bereun bloß - oder Sterben!
DIE MUTTER (unruhig.)
Am besten ists für mich wohl doch
In
meinem kühlen Schattenloch;
In dieser Schwül hier sprießt nur Keim
Auf Keim vergifteter Gedanken;
Man wird schier schwindlig von dem Duft.
BRAND.
Ja, kehr in Deinen Schatten heim.
Doch fühlst Du Deine Kräfte schwanken
Und sehnst Du Dich nach Licht und Luft,
So schick nach mir, so werd ich eilen.
DIE MUTTER.
Ja, Du mit Deinen Strafurteilen!
BRAND.
Nein, mild als Priester, warm als
Sohn,
Wehr ich den Schrecken, die Dir drohn;
An Deinem Lager mein Gesang
Soll trösten Dich zum letzten Gang.
DIE MUTTER.
Das gilt so seiner Zeit wie heut?
BRAND.
Das gilt, sobald Dein Herz bereut.
(Tritt näher auf sie zu.)
Doch Eines fordr ich zum Entgelt.
Freiwillig opfre, was die Welt
Dir alles von dem ihren gab,
Und schreite nackend in Dein Grab!
DIE MUTTER (schlägt wild nach
ihm.)
Gebiete, daß sich Feuer, Brennen -
Schnee, Frieren - Wasser, Feuchtsein trennen!
Laß ab!
BRAND. Wirfs in den Fjord und bete,
Daß Dich die Tat bei Gott vertrete.
DIE MUTTER.
Heisch Hunger, Durst, - nur den Verzicht,
Dies größte Opfer fordre nicht!
BRAND.
Bleibt eben dieses größte fort,
So mildert nichts sein Richterwort.
DIE MUTTER.
Ich leg in unsern Opferkrug -
BRAND.
Alles?
DIE MUTTER.
Ist viel noch nicht genug?
BRAND.
Du tust nicht eher Buße, bis
Dein Herz wie Hiobs nicht zerriß.
DIE MUTTER (ringt die Hände.)
Mein Seel verdammt, mein Tag vergeudt!
Um arme Frist mein Gut verstreut!
Heim denn, und dicht ans Herz gehegt,
Was heut noch meinen Namen
trägt.
Mein Gut, mein Schmerzenskind, mein Gut,
Für Dich riß ich die Brust in Blut!
Nun kommt Dein weinend Mütterlein
Und wiegt ihr sterbend Kindlein ein. -
Wars mich im Fleisch zu schaffen not,
Wenn Fleisches Lust der Seele Tod? -
Halt nah dich, Pfarrer! Weiß noch nicht,
Wes Sinns ich werd, wanns Auge bricht.
Muß ich, noch lebend, alles lassen, -
Will ich doch in Geduld mich fassen.
(Ab.)
BRAND (sieht ihr nach.)
Ja, Dein Sohn wird nah sich halten,
Harren, Dich bereun zu sehn,
Wärmen Deine alten, kalten
Hände, wenn sie nach ihm flehn.
(Geht hinab zu Agnes.)
Als ich heut hier niederstieg,
Stand mir Herz und Sinn nach Krieg,
Hört ich ferner Weisen Wecken,
Sah das Schwert des Zorns mich recken,
Lügen fällen, Trolle schrecken,
Alle Welt zu Boden strecken.
AGNES (hat sich
umgewendet und sieht hellen Auges zu ihm auf.)
Niedrig lag heut früh mein Ziel;
Denn ich wollte Lug und Spiel,
Wollt gewinnen, wollt vermehren,
Was Gewinn war, zu entbehren.
BRAND.
Holde Träume, große Träume
Suchten mich gleich wilden Schwänen,
Hoben mich auf breite Schwingen.
Sah mich rings, in stolzem Wähnen,
Schuld und Leid der Zeit bezwingen,
In der Faust des Weltlaufs Zäume.
Frommer
Prozessionen Pracht,
Hymnen, Weihrauch, Festgepränge,
Goldne Schalen, Preisgesänge,
Zuruf jubelnder Gedränge
Sah ich meinem Werk gebracht.
Alles lud so lockend ein, -
Doch das Ganze war ein Traum
Wie halb Blitz, halb Sonnenschein
Über ferner Lande Saum.