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Henrik Ibsen

Brand

3. Akt

eingestellt: 11.8.2007



(Drei Jahre später. Ein kleiner, mit Steinen eingezäunter Garten am Pfarrhof, am Fuß einer hohen Bergwand. Der Fjord liegt eng und eingeschlossen im Hintergrund. Die Haustür geht in den Garten. Nachmittag.)



(Brand steht auf der Treppe vor dem Hause. Agnes sitzt auf der Stufe darunter.)

AGNES.
Geliebter Mann, - die Stirne kraus,
So spähst Du Tag um Tag nun aus -!

BRAND.
Ich wart auf Botschaft.

AGNES.                               Du bist bang!

BRAND.
Ich wart auf Botschaft von zuhaus.
Ich warte nun drei Jahre lang
Auf diesen Tag, der niemals tagt.
Und morgen, ward mir angesagt,
Ist es vielleicht um sie geschehen.

AGNES (sanft und zärtlich.)
Du solltest ohne Botschaft gehen.

BRAND (schüttelt den Kopf.)
Bereut sie selbst nicht ihr Gebrest,
So bleib auch ich im Schweigen fest.

AGNES.
s ist Deine Mutter.

BRAND.                       Hab ich Recht
Zu Götzendienst, weils mein Geschlecht?

AGNES.
Brand, Du bist hart!

BRAND.                         Zu Dir?

AGNES.                                       O, nein!

BRAND.
Ich warnte Dich, mein Freund zu sein.

AGNES (lächelt.)
Du sahst zu schwarz; Du hieltst nicht Wort!

BRAND.
O doch; dies ist für Dich kein Ort.
Dein Aussehn ist nicht guter Art;
Für so viel Frost bist Du zu zart.
Um unser Haus hat nichts Bestand
Als Firn und Fels und Schutt und Sand.

AGNES.
Doch um so sichrer lugts empor.
So weit schob sich der Gletscher vor,
Daß, wenn der Lenz ihn talwärts führt,
So überschreitet uns der Schwall,
Und unser Haus steht unberührt
Wie unter einem Wasserfall.

BRAND.
Und keine Sonne weit und breit.

AGNES.
Sie bringt doch so voll Zärtlichkeit
Dem Berg da drüben ihren Gruß.

BRAND.
Drei Wochen, ja, - zur Sommerszeit, -
Doch nie erreicht sie seinen Fuß.

AGNES (blickt ihn aufmerksam an, steht auf und sagt:)
s ist etwas, das Dich bangen macht!

BRAND.
Nein, Dich!

AGNES.             Nein, Dich!

BRAND.                             Du schnürst Dich zu,
Du hehlst mir etwas!

AGNES.                           Brand, auch Du!

BRAND.
Dir schwindelt wie vor Abgrundsnacht!
Was ists?

AGNES.           Was eben Sorgen sind - -

BRAND.
Du sorgst! Um wen?

AGNES.                           Um unser Kind.

BRAND.
Um Alf?

AGNES.         Du auch!

BRAND.                       Ja, dann und wann!
Doch nein, das tut uns Gott nicht an.
Gott ist ja gut! Mein Jungchen macht
Sich noch heraus - und wie! gib acht!
Wo ist er jetzt?

AGNES.                   Er schläft.

BRAND (sieht durch die Tür hinein.)
                                        Sieh her!
Er träumt von keiner Erdbeschwer.
Die kleine Hand ist drall und rund -

AGNES.
Doch bleich.

BRAND.             Das wird sich wieder fügen.

AGNES.
Wie süß er schläft, mit tiefen Zügen!

BRAND.
Gott segne Dich; schlaf Dich gesund!
(Schließt die Tür.)
Mit Dir und ihm sank Fried und Licht
Auf meines Tagwerks strenge Pflicht;
Der Taten Last, der Sorgen Ring
Ward zwischen Euch ein leichtes Ding;
Dir dank ichs, wenn mein Fuß nie fiel,
Und Trost ward mir sein kindlich Spiel.
Erst sah ich mich als Märtyrer; -
Doch sieh, wie milde hat der Herr
Mein ganzes Los in Glück verkehrt -

AGNES.
Ja, doch Du bist des Glücks auch wert.
O Brand, hast Du gekämpft, entsagt, -
Gedarbt, geduldet, Dich zerplagt; -
Ich weiß, still hast Du Blut geweint -

BRAND.
Ich trug es leicht, mit Euch vereint.
Mit Dir zog hier die Liebe ein
Wie lichter Frühlingssonnenschein.
Ich hatt ja nie um sie gewußt;
Kalt wars an Vaters, Mutters Brust;
Und wenn einmal ein Funke glomm,
So fand er frostigen Willkomm.
Es ist, als hätt die ganze Glut
Nur darum all die Zeit geruht,
Zwiefache Glorie nun um ihn
Und Dich, mein süßes Weib, zu ziehn!

AGNES.
Nicht nur um uns! Wer immer jetzt
Den Fuß auf Deine Schwelle setzt,
Wer ratlos, wer kopfhängerisch,
Wer leidvoll, streitvoll, schwank und krank,
Sie finden alle Speis und Trank
An Deines Herzens reichem Tisch.

BRAND.
Allein durch Euch. Durch Euch erst fand
Mein Herz der Güte himmlisch Land.
Kein Mensch kann alle Menschen lieben,
Eh er nicht einen liebte. Ich
Ward früh in Einsamkeit getrieben, -
So härtete mein Herze sich -

AGNES.
Und doch, - Dein Lieben ist nicht weich;
Und wenn Du streichelst, wirds ein Streich.

BRAND.
Bei Dir auch?

AGNES.                 Nein! Wie könnt ich klagen!
Mir gabst Du, Lieber, leicht zu tragen; -
Doch mancher läßt Dich angesichts
Der Fordrung: Alles oder nichts!

BRAND.
Was rings die Welt als Lieb anspricht,
Das will ich nicht und kenn ich nicht.
Mir strahlt der Gottesliebe Bild,
Und die ist weder sanft noch mild;
Die macht kein Todesgrausen weich,
Und wenn sie streichelt, wirds ein Streich.
Was tat Gott in der Ölbergstunde,
Da ihn der Sohn, verzweifelnd schier,
Anflehte: Nimm den Kelch von mir!
Nahm er dem Sohn den Kelch vom Munde?
Nein, leeren mußt er n bis zum Grunde.

AGNES.
O, üb solch strenges Richteramt,
So ist die ganze Welt verdammt.

BRAND.
Wer weiß, wen einst Verdammnis trifft?!
Doch steht in ewiger Flammenschrift:
Nur dem, der treu, wird Licht zum Lohne,
Kein Feilschen schafft des Lebens Krone!
Du darfst der Prüfung Feur nicht fliehen,
Denk nicht, daß Dus mit Angstschweiß stillst.
Daß Du nicht kannst, wird Dir verziehen,
Doch nimmermehr, daß Du nicht willst.

AGNES.
Ja, ja, laß alles andre schweigen!
O, hilf mir, hilf mir mit Dir steigen;
Lehr mich Dein hehres Aufwärtswallen;
Mein zager Mut will oft nicht mit;
Oft schlägt mich Angst, mich bangt zu fallen,
Und müd und erdschwer schleppt mein Schritt.

BRAND.
Den Wahlspruch, Agnes, nie vergiß:
Nur keinen feigen Kompromiß!
Verurteilt ist all Handeln Dein,
Wenn Du es halb übst und zum Schein.
Das soll man zum Gesetz erheben,
Durch Worte nicht, doch durch sein Leben.

AGNES (wirft sich an seine Brust.)
Wo Du gehst, folg auch mein Fuß schwach!

BRAND.
Für zwei ist kein Geschröff zu jach.

(Der Doktor ist den Weg herabgekommen und bleibt vor dem Zaun außen stehen.)

DER DOKTOR.
Ei, schnäbeln sich verliebte Tauben
In diesen grauen Felsenlauben!

AGNES.
Mein altes Doktorchen! Du hier!
O, komm doch zu uns!
(Läuft hinab und öffnet die Gartentüre.)

DER DOKTOR.                 Nicht zu Dir!
Du weißt recht gut, was in mir gärt.
An solcher Stätt zu hausen, Kind,
Wo Firnenhauch und Winterwind
Eiskalt durch Leib und Seele fährt!

BRAND.
Nicht durch die Seele.

DER DOKTOR.               Nicht? Nein, nein!
Es wirft ja wirklich fast den Schein,
Als ständ der jähgeschlossne Bund
Trotzdem auf festem, sicherm Grund,
Wiewohl s nach alter Rede heißt,
Daß, was gebaut in hastiger Stund,
Auch von Bestand sich kurz erweist.

AGNES.
Ein Sonnenkuß, ein Glockenschlag
Weckt oft zu einem Sommertag.

DER DOKTOR.
Lebt wohl für heut! Mich ruft die Pflicht.

BRAND.
Zu meiner Mutter?

DER DOKTOR.           Gehn Sie mit?

BRAND.
Nicht jetzt.

DER DOKTOR.
                Sie waren schon?

BRAND.                                     Noch nicht.

DER DOKTOR.
Pfarr, Sie sind hart. Ich schund und stritt
Mich hier durch Wind und Wetter lang,
Wiewohl ich weiß, es ist ein Gang
Um Armesündergroschenklang.

BRAND.
Gott segn Ihr Wirken immerdar!
Und machen Sies ihr leicht, nicht wahr!

DER DOKTOR.
Den Willen segn er nur; ich kam,
So oft mich Not in Anspruch nahm.

BRAND.
Nach Ihnen sandte sie. Und ich, -
Ich warte, warte bitterlich.

DER DOKTOR.
Was warten Sie?

BRAND.                     Eh sie nicht sendet,
Ist jedes Wort an ihr verschwendet.

DER DOKTOR (zu Agnes.)
Du armes Weibchen, Tag und Nacht
In solcher harten Hände Macht!

BRAND.
Ich bin nicht hart.

AGNES.                     Er gäb sein Blut,
Machts ihrer Seel Verfehlung gut.

BRAND.
Freiwillig nahm ich, als ihr Erbe,
Ihr Schuldnerbuch auf meine Kerbe.

DER DOKTOR.
Genug an Ihrem!

BRAND.                   Vieler Schuld
Sühnt Eines Arbeit und Geduld.

DER DOKTOR.
Nicht eines, der selbst, arm und nackt,
Mit Schuld und aber Schuld bepackt.

BRAND.
Gleichviel; ich will, aus ganzem Sinn, -
Und dieses eine will reicht hin.

DER DOKTOR (sieht ihn starr an.)
Ja, Deines Willens quantum satis
Steht, reichgebucht, an seiner Statt;
Doch, Pfarr, Dein conto caritatis,
Das ist ein weiß, jungfräulich Blatt.
(Ab.)

BRAND (folgt ihm eine Weile mit den Augen.)
Kein Wort ward so voll Lug und List,
Wies heut das Wörtlein Liebe ist.
Damit verhüllt man satansklug
Seins Willens Schwachheit und Betrug;
Damit wird Schweigen drum gespult,
Daß man sein Lebtag spielt und buhlt.
Der Berg wird steil, der Atem knapp, -
Die Liebe kürzt den Weg Dir ab!
Du folgst der Sünder breiten Reihn, -
Die Liebe wird Dir einst verzeihn;
Du schaust Dein Ziel, doch tatenlos, -
Die Liebe wirft Dirs in den Schoß;
Du wählst bewußt statt grade krumm, -
Die Liebe macht den Richter stumm!

AGNES.
Ja, das ist falsch, und doch, oft fass
Ichs kaum und frag mich: ist es das?

BRAND.
Eins fehlt! Erst Wille, ernst und echt,
Löscht des Gesetzes Durst nach Recht.
Erst mußt Du wollen, und nicht nur
Des Möglichen gemeine Spur,
Nicht nur die Summe von Beschwerd
Und Müh, die eine Tat begehrt;
Nein, wollen muß Dein fröhlicher Mut
Durch aller Schrecken Flut und Glut.
Das ist kein Märtyrtum, in Wehn
Am Pfahl des Kreuzes zu vergehn; -
Zu wollen diesen Kreuzestod,
Zu wollen diese Fleischesnot,
Zu wollen diese Seelenqual, -
Erst das stellt Dich zur Königswahl.

AGNES (schmiegt sich dicht an ihn an.)
Fällt uns einst unsre Prüfung zu,
Mein Herr und Hort, dann rede Du!

BRAND.
Gewann der Wille solchen Streit,
Dann kommt der Liebe lichte Zeit
Wie eine Taube und verleiht
Des Lebens Ölblatt Dir als Paß;
Doch diesem Volk hier, schlaff und laß,
Gebührt als beste Liebe Haß!
(Erschrocken.)
Haß! - Weltenkrieg im Schoß zu tragen
Dies Wörtlein, wie ein Hauch zu sagen!
(Eilig ab ins Haus.)

AGNES (blickt durch die offne Tür.)
Er ist bei Alfchen hingekniet
Und wiegt das Haupt, als weinet er,
Und preßt es auf sein Bett, wie wer,
Der nicht mehr Hilf noch Ausweg sieht.
O, welch ein Born von Liebe bricht
Aus dieser Mannesbrust von Erz!
Alf darf er lieben; dessen Herz
Verdarb der Sünde Biß noch nicht.
(Entsetzt ausbrechend.)
Aufspringt er, - ringt die Hände, - weh
Was sieht er? Er ist bleich wie Schnee!

BRAND (außen auf der Treppe.)
Kein Bote noch?

AGNES.                     Nein, keiner noch.

BRAND (blickt ins Haus zurück.)
Das ist ein Fiebern und Gepoch
Im Herzchen unsres kleinen Kranken -!
Nur ruhig, Kind!

AGNES.                   Was für Gedanken -!

BRAND.
Nein, sei nur ruhig -
(Ruft nach dem Weg hinaus.)
                              Da! Der Bote!

EIN MANN (durch die Gartenpforte.)
Jetzt sollst Du kommen, Herr!

BRAND.                                       Sofort!
Was sagte sie?

DER MANN.           Ein dunkel Wort;
Im Bett auf saß die halb schon Tote
Und sagte: Hol ihn, s geht zu End;
Mein halbes Gut fürs Sakrament.

BRAND (weicht zurück.)
Das halbe! Nein! Sag nein!

DER MANN (schüttelt den Kopf.)
                                          Da wär
Mein Wahrheitreden nicht weit her.

BRAND.
Das halbe?! Alles war gemeint!

DER MANN.
Kann sein; gesagt war halb, nicht mehr.
Mein Kopf ist gut, das weiß mein Feind.

BRAND (ergreift ihn am Arm.)
Du zeugst mir einst vor Gottes Thron,
Daß dies Wort ihrem Mund entflohn?

DER MANN.
Ja.

BRAND (fest.)
    Sag, daß ich die Antwort send:
Kein Priester kommt, kein Sakrament.

DER MANN (sieht ihn unsicher an.)
Da hast Du wohl nicht recht gehört,
Wer Dich in seiner Not beschwört -

BRAND.
Ich kenne kein gezweiteilt Recht
Für fremd Geschlecht und mein Geschlecht.

DER MANN.
Hart Wort!

BRAND.           Es gilt hier, angesichts
Des Todes, alles oder nichts.

DER MANN.
Pfarrer!

BRAND.       Das kleinste Stäubchen Gold
Ist noch ein Klumpen Götzensold.

DER MANN.
Ich werd der Antwort Geißelschlag
So lind führn, als ichs nur vermag.
Ihr bringt wohl eins noch Trost und Ruh:
Gott ist nicht ganz so hart wie Du!
(Ab.)

BRAND.
Ja, dieses Trosts verjauchter Krug
Vergabs der Menschheit oft genug.
Gegrein und Schrein zur rechten Stund
Verschmiert dem Richter leicht den Mund.
Ei, freilich! Das gehört sich so!
Man glaubt ja viel zu felsenfest,
Daß irgendwie und irgendwo
Der Alte mit sich handeln läßt.

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