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Henrik Ibsen

Brand

5. Akt

eingestellt: 11.8.2007



(Anderthalb Jahre später. Die neue Kirche steht vollständig fertig und zur Einweihung geschmückt. Der Bach rinnt dicht vorbei. Es ist früher nebliger Morgen.)

(Der Küster ist dabei, vor der Kirche Kränze aufzuhängen; bald darauf kommt der Schulmeister hinzu.)

DER SCHULMEISTER.
Schau, schau, schon auf?

DER KÜSTER.                       Tut not genug!
Helft mit! Hier zwischen diese Stangen
Soll Laub als Gasse für den Zug.

DER SCHULMEISTER.
Beim Pfarrhaus wird was aufgehangen, -
Das schließt mit einem runden Rahmen -

DER KÜSTER.
Ei wohl, ei wohl!

DER SCHULMEISTER.
                        Zu welchem End?

DER KÜSTER.
Ein Ehrenschild, wie man es nennt,
Soll da hinein, mit seinem Namen.

DER SCHULMEISTER.
Ja, heut wirds bunt in der Gemeine!
Sie kommen aus dem ganzen Kreis;
Von Segeln ist der Fjord schier weiß.

DER KÜSTER.
Ja, jetzt sprang alles auf die Beine;
Zu seines selgen Vorfahrs Zeit
War Fried und Eintracht weit und breit;
Da schlief man selbst, da schlief der Nachbar; -
Ich weiß nicht, was da mehr mitmachbar.

DER SCHULMEISTER.
Das Leben, Freund, das Leben!

DER KÜSTER.                               Gut!
Doch uns versehrt es nicht das Blut;
Wie kommt das wohl?

DER SCHULMEISTER.     Weil ich und Ihr
Uns plagten, bis der Nachbar schlief; -
Nun, da er wach ward, schlafen wir; -
Denn niemand wünscht uns mehr aktiv.

DER KÜSTER.
Doch leben hätte mehr Verstand?

DER SCHULMEISTER.
So sagt Herr Propst und Pfarrer Brand;
Ich selber sage ganz das gleiche, -
Doch, wohl zu merken, damit reiche
Ich nur der großen Zahl die Hand.
Uns aber gilt ein Hirtenbrief,
Der nicht wie Sonn und Mond zu sehen; -
Die wir hier als Beamte schalten,
Wir müssen stramm dawider halten,
Ein Hort der Kirchenzucht und Wissenschaft sein,
Zur Leidenschaft stets zu gewissenhaft sein,
Kurz, über den Parteien stehen.

DER KÜSTER.
Jedoch der Pfarrer steht nicht drüber.

DER SCHULMEISTER.
Das ist just eben, was er sollte.
Wißt, seine Vorgesetzten sind
Zu seinem Tun durchaus nicht blind;
Und wenn ihn nicht das Volk so wollte, -
Längst hätt er seinen Abschiedsstüber.
Doch er ist fein, er riecht den Pfeffer,
Er kennt die Welt und seine Treffer.
Er baut die Kirche. Jeder Zahn wird
Hier stumpf, sobald nur was getan wird.
Was da getan wird, wenig wiegt es;
Daß was getan wird, - seht, da liegt es!
Wir heißen sicher einmal Spätern
Ein einziges Geschlecht von Tätern.

DER KÜSTER.
Ja, Ihr, die Ihr im Reichstag wart,
Ihr kennt das Volk und seine Art.
Doch einer, der durchs Kirchspiel reiste,
Just als es wach ward, kurzum, preiste,
Wir wärn aus Schläfern, hier im Norden,
Ein Volk nun von - Gelobern worden.

DER SCHULMEISTER.
Ja, das Geloben liebts und übts,
Dies Volk, ein Volk, gelobend baß,
Ein Volk, so rasch entwickelt, daß
Bald Jeder Dolmetsch des Gelübds.

DER KÜSTER.
Um Euch studierten Mann zu fragen, -
Was ist - mein Grübeln zu belehren -
Ein Volksgelübde, sozusagen?

DER SCHULMEISTER.
Ein Volksgelübd? Schwer zu erklären,
Wie leicht, als seiend zu bescheinigen.
Das ist was, drin sich alle einigen
Kraft einer einigen Idee;
Das Volk will, daß ein Werk gescheh -
In seiner Zukunft notabene.

DER KÜSTER.
So; schön; das leuchtet mir nun ein;
Hingegen ist mir noch nicht klar -
Ich meine, - ja, - um welches Jahr -

DER SCHULMEISTER.
Sprecht ruhig aus!

DER KÜSTER.           Wann bricht nun jene
Zeit, die man Zukunft nennt, herein?

DER SCHULMEISTER.
Die Zeit kommt niemals!

DER KÜSTER.                     Niemals?

DER SCHULMEISTER.                     Nein!
Und das ist ganz in seiner Art;
Denn kommt sie, ist sie Gegenwart
Geworden, - ist nicht Zukunft mehr.

DER KÜSTER.
Hm, das begreift sich nicht zu schwer;
Nur darin fehlt mir noch die Klarheit: -
Wann wird dann solch ein Volksschwur Wahrheit?

DER SCHULMEISTER.
Ich hab Euch doch gesagt: solch Schwur
Bezieht sich auf die Zukunft nur;
Nun also: in der Zukunft!

DER KÜSTER.                     Ja, -
Doch sagt, wann ist die Zukunft da?

DER SCHULMEISTER (leise.)
Das ist ein Küster!
(Laut.)
                            Liebster Mann,
Soll ichs aufackern wiederum, -
Daß Zukunft niemals da sein kann;
Denn wenn sie da ist, ist sie um!

DER KÜSTER.
Hm!

DER SCHULMEISTER.
      Hinter jedes Dings Begriff
Verbirgt sich eine Art von Kniff.
Jedoch es ist kein Kniff dabei,
Das heißt, für männiglich, - so sei
Bemerkt, - so weiter zählt als drei.
Gelübde heißt im Grund Gelüge,
Sei gleich, wers ablegt, völlig ehrlich;
Bislang galt Halten für beschwerlich, -
Doch mags dreist gelten für undenkbar, -
Sofern man ist von Logik lenkbar.
Doch lassen wir die hohen Flüge.
Hört, sagt mir -?

DER KÜSTER.         Pst!

DER SCHULMEISTER. Was ist das?

DER KÜSTER.                                 Still!

DER SCHULMEISTER.
Es spielt, wie mich bedünken will,
Wer auf der Orgel.

DER KÜSTER.             Das ist er.

DER SCHULMEISTER.
Der Pfarrer?

DER KÜSTER.     Freilich.

DER SCHULMEISTER.   Hol mich der -!
Was den so früh schon hergeführt hat!

DER KÜSTER.
Ich glaube kaum, daß er die Nacht
Sein geistlich Bett auch nur berührt hat.

DER SCHULMEISTER.
So!

DER KÜSTER.
      Ja, das geht noch schlimm, gebt acht!
Man merkt, wies heimlich an ihm frißt,
Seitdem er nun verwitwet ist.
Wohl wahr; er sagt Euch nie ein Wort!
Doch brichts hervor, bald hier, bald dort.
Da spielt er. Hört nur, hört! Man meint,
Daß er um Frau und Söhnchen weint.

DER SCHULMEISTER.
Schier daß man Stimmen unterscheidet -

DER KÜSTER.
Und eine tröstet, eine leidet -

DER SCHULMEISTER.
Gings an, ich würde gleich gerührt!

DER KÜSTER.
Ja, wenn man nicht Beamter wär!

DER SCHULMEISTER.
Und eingezwängt und eingeschnürt
Von Rücksicht auf die Standesehr!

DER KÜSTER.
Ja, bliese gleich des Satans Nüster
Auf all den Bücherlug und -trug!

DER SCHULMEISTER.
Und wär man nicht so suppenklug;
Und dürft man einmal fühlen, Küster!

DER KÜSTER.
Freund, niemand sieht uns, - laßt uns fühlen!

DER SCHULMEISTER.
Das schickte sich, so in der Sphäre
Des Volkes sich herumzusühlen!
Ein Mann such, nach des Pfarrers Lehre,
Niemals in Zweiem seine Ehre;
Selbst wer da will, kann nicht auf ein
Mal Mensch und Staatsbeamter sein;
Man mag sich nur in allen Stücken
Das Bild des Vogts vor Augen rücken.

DER KÜSTER.
Just seins?

DER SCHULMEISTER.
                Nun, nehmt zum Gegenstand
In der Vogtei die Unglücksnacht, - und
Wie das Archiv herausgebracht und
Gerettet ward!

DER KÜSTER.       Das war ein Brand!

DER SCHULMEISTER.
Wie da der Mann zu helfen strebte!
Es war, als ob er zehnfach lebte!
Der Teufel aber stand im Zimmer;
Sein Weib - ihn sehn! und ein Gewimmer -:
"Dein Seelenheil! Dein ewig Teil!
Der Schwarze will Dir an den Kragen!"
Da ruft der Vogt, beherzt wie immer:
Mein Heil? Zur Höll mit meinem Heil!
Helft mir bloß das Archiv wegtragen!
Der Mann ist Vogt, seht, ganz und gar,
Mit Leib und Leben, Haut und Haar,
Und wird auch einst dahin gelangen,
Wo Lob und Lohn ihn laut empfangen.

DER KÜSTER.
Und das ist wo?

DER SCHULMEISTER.
                        Gegebnerweis:
In guter Vögte Paradeis.

DER KÜSTER.
Mein kluger Freund!

DER SCHULMEISTER. Was gibts?

DER KÜSTER.                               Es tagt
Da hinter allem, was Ihr sagt,
Von Zeichen, daß die Zeit in Gärung;
Denn Gärung ist hier, ganz gewiß;
Das kündet schon der große Riß,
Dens zwischen Alt- und Neuem gab.

DER SCHULMEISTER.
Was schimmelt, muß hinab ins Grab,
Was fault, dient Frischem zur Ernährung; -
Die Brust der Zeit höhlt Schwindsuchtsfieber;
Und hustet sich der Hals nicht Luft, -
Dann nur gleich alles in die Gruft!
Ja, Gärung, Gärung ist hier, Lieber;
Das schmeckt der schlechtste Karrenschieber.
Als unser altes Kirchlein sank,
Da wars, als würd nun alles schwank,
Drin unser Leben bis zur Stund
Sein Heim gehabt und seinen Grund.

DER KÜSTER.
Da fiel ein Schweigen auf die Menge.
Erst hatte sie: Reißt ein! geschrien,
Doch hielt das Schrein nicht auf die Länge,
Und manchem wurd doch schwül und schien
Doch der Verlust schier unersetzlich.
Man sah: nun wars mit all dem aus;
Und plötzlich klangs, das alte Haus
Wär eigentlich doch unverletzlich.

DER SCHULMEISTER.
Doch fühlte sie so lang sich noch
In des vergangnen Geistes Joch,
Als nicht das Schloß der neuen Zeit
Nach Fug und Recht war eingeweiht,
Und merkte drum mit Angst und Harren
Auf jeden frischgefügten Sparren
Und sah gespannt dem Tag entgegen,
Der alter Fahnen Niederlegen
Und neuer Fahnen Hissen fände.
Allein schon wie der Turm anstieg,
Wurd bang und bänger man - und schwieg;
Und jetzt - ja, jetzt stehn wir am Ende.

DER KÜSTER (zeigt nach der Seite hinaus.)
Seht nur die Masse! Weit und breit ist
Herbeigeströmt.

DER SCHULMEISTER.
                        Zu Tausenden!
Wie still es ist!

DER KÜSTER.       Und doch: wie wenn
Das Meer vor einem Sturm dumpf dröhnt!

DER SCHULMEISTER.
Das ist des Volkes Herz, das stöhnt, -
Ein Herz, das nun wohl bald so weit ist,
Zu würdigen, wie groß die Zeit ist.
Ists nicht, als ob zum Thing sie führen,
Sich einen neuen Gott zu küren!
Wo blieb der Pfarrer? Mir ist kraus;
Ich wollt, ich säß versteckt zu Haus!

DER KÜSTER.
Ich auch, ich auch!

DER SCHULMEISTER.
                            In solcher Stund
Erpeilt man nicht den eignen Grund;
Tief gehts und immer tiefer nieder;
Man sinkt, man sträubt sich, sinket wieder -

DER KÜSTER.
Freund!

DER SCHULMEISTER.
            Bruder!

DER KÜSTER.         Hm.

DER SCHULMEISTER.   Nun -?

DER KÜSTER.                           s ist vergeblich -!
Ich glaub, jetzt fühlen wir buchstäblich!

DER SCHULMEISTER.
Was? Ich nicht!

DER KÜSTER.         Mit Verlaub, auch ich nicht!
Ein Zeugnis fällt uns sicherlich nicht!

DER SCHULMEISTER.
He, sind wir Weiber, so zu kohlen?!
Die Schule wartet. Gott befohlen!
(Ab.)

DER KÜSTER.
Jetzt bin ich wieder kühl im Kopf
Und zugeschraubt wien Eisentopf.
Was träumt ich da, ich Narr, ich blöder!
Fort an die Arbeit, dummer Tropf!
Müßiggang ist des Teufels Köder.
(Nach der andern Seite ab.)

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