Frei Lesen: Ilias

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

Erster Gesang | Zweiter Gesang | Dritter Gesang | Vierter Gesang | Fünfter Gesang | Sechster Gesang | Siebenter Gesang | Achter Gesang | Neunter Gesang | Zehnter Gesang | Elfter Gesang | Zwölfter Gesang | Dreizehnter Gesang | Vierzehnter Gesang | Fünfzehnter Gesang | Sechzehnter Gesang | Siebzehnter Gesang | Achtzehnter Gesang | Neunzehnter Gesang | Zwanzigster Gesang | Einundzwanzigster Gesang | Zweiundzwanzigster Gesang | Dreiundzwanzigster Gesang | Vierundzwanzigster Gesang |

Weitere Werke von Homer

Odyssee |

Alle Werke von Homer
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Ilias) ausdrucken 'Ilias' als PDF herunterladen

Homer

Ilias

Zweiundzwanzigster Gesang

eingestellt: 2.6.2007



Den zurückkehrenden Achilleus erwartet Hektor vor der Stadt, obgleich die Eltern von der Mauer ihn jammernd hereinrufen; beim Annahn des Schrecklichen flieht er, dreimal um Ilios verfolgt. Zeus wägt Hektors Verderben, und sein Beschützer Apollon weicht. Athene in Deïphobos Gestalt verleitet den Hektor zu widerstehn. Achilleus fehlt, Hektors Lanze prallt ab; drauf mit dem Schwert anrennend wird er am Halse durchstochen, dann entwaffnet, und rückwärts am Wagen zu den Schiffen geschleift. Wehklage der Eltern von der Mauer, und der zukommenden Andromache.

So flohn jene zur Stadt angstvoll, wie die Jungen der Hindin,
Kühleten atmend den Schweiß, und tranken, den Durst sich zu löschen,
Längs der Mauer gestreckt an der Brustwehr. Doch die Achaier
Wandelten dicht zur Mauer, die Schilde gelehnt an die Schultern.
5
Hektorn zwang zu beharren das schreckenvolle Verhängnis,
Außerhalb vor Ilios Stadt und dem skäischen Tore.
Aber zum Peleionen begann itzt Phöbos Apollon:
Warum doch, o Peleide, verfolgst du mich eilendes Laufes,
Selbst ein Sterblicher nur den Unsterblichen? Schwerlich indes wohl
10
Kennst du den himmlischen Gott, daß sonder Rast du dich abmühst.
Traun nichts gilt der Troer Gefecht dir, welche du scheuchtest:
Diese flohn in die Feste gedrängt; und du wandtest dich hieher.
Nie ja tötest du mich, der keinem Verhängnisse frönet.
Unmutsvoll antwortete drauf der schnelle Achilleus:
15
O des Betrugs, Ferntreffer, du grausamster unter den Göttern,
Daß du so weit von der Mauer mich wendetest! Wahrlich noch viele
Knirschten die Zähn' in den Staub, eh' Ilios Stadt sie erreichet!
Doch mir nimmst du den herrlichen Ruhm, und rettetest jene,
Sonder Müh; denn du darfst nicht Rache scheun in der Zukunft!
20
Traun ich rächte mich gern, wenn genug der Stärke mir wäre!
Dieses gesagt, hineilt' er voll trotzendes Muts zu der Mauer,
Ungestüm, wie ein Roß, zum Siege gewöhnt, mit dem Wagen,
Welches behend' und gestreckt einhersprengt durch das Gefilde:
So der Peleid', eilfertig die Knie' und die Schenkel bewegt' er.
25
Priamos aber der Greis ersah ihn zuerst mit den Augen,
Strahlenvoll wie der Stern, da er herflog durch das Gefilde,
Welcher im Herbst aufgeht, und mit überstrahlender Klarheit
Scheint vor vielen Gestirnen in dämmernder Stunde des Melkens;
Welcher Orions Hund genannt wird unter den Menschen;
30
Hell zwar glänzt er hervor, doch zum schädlichen Zeichen geordnet,
Denn er bringt ausdörrende Glut den elenden Menschen:
So dort strahlte das Erz um die Brust des laufenden Herrschers.
Laut wehklagte der Greis, und schlug sein Haupt mit den Händen,
Hoch empor sie erhebend, und rief wehklagend hinunter,
35
Flehend dem lieben Sohn, der außerhalb vor dem Tore
Stand, voll heißer Begier, mit dem Peleionen zu kämpfen;
Diesem rief lautjammernd der Greis, und streckte die Händ' aus:
Hektor, erwarte mir nicht, mein trautester Sohn, den Verderber,
Einsam, getrennt von den andern, daß nicht dich ereile das Schicksal
40
Unter Achilleus' Hand, der weit an Stärke dir vorgeht!
Möchte der Grausame doch den Unsterblichen also geliebt sein,
Wie mir selbst! bald läg er, ein Raub den Hunden und Geiern
Dargestreckt; dann schwände der Gram, der das Herz mir belastet!
Ach, der Söhne so viel' und so tapfere raubte mir jener,
45
Mordend teils, und verkaufend in fernentlegene Inseln!
Jetzt auch zween der geliebten, Lykaon samt Polydoros,
Schau' ich nirgend im Heere der eingeschlossenen Troer,
Die mir Laothoe beide gebar, die Fürstin der Weiber.
Wenn sie nur noch leben im Kriegsheer, wieder hinfort dann
50
Könnt' ich mit Erz und Gold sie befrein; denn ich habe daheim ja:
Vieles ja gab der Tochter der graue gepriesene Altes.
Sind sie jedoch schon tot, und in Aïdes Schattenbehausung;
Gram dann füllt mir das Herz, und der Mutter, die wir sie zeugten.
Aber das übrige Volk wird weniger jene betrauern,
55
Wenn nur du nicht stirbst, von Achilleus Stärke gebändigt.
Komm denn herein in die Stadt, mein Trautester, daß du errettest
Trojas Männer und Fraun, daß nicht mit Ruhm du verherrlichst
Peleus' Sohn, und selber dem süßes Leben verlierest!
Auch erbarme dich mein, des Elenden, weil ich noch atme,
60
Ach des jammervollen, den Zeus an der Schwelle des Alters
Straft zu schwinden in Gram, und unendliches Weh zu erblicken:
Meine Söhn' erwürgt, und hinweggerissen die Töchter,
Ausgeplündert die Kammern der Burg, und die stammelnden Kinder
Hin auf den Boden geschmettert, in schreckenvoller Entscheidung,
65
Auch die Schnüre geschleppt von der grausamen Hand der Achaier!
Selber zuletzt wohl lieg' ich zerfleischt am Tor des Palastes
Von blutgierigen Hunden, nachdem ein mordendes Erz mir,
Zuckend oder geschnellt, den Geist aus den Gliedern hinwegnahm,
Die ich im Hause genährt am Tisch, zu Hütern des Tores;
70
Sie dann lecken mein Blut, und wild von rasendem Wahnsinn
Liegen sie vorn am Tor! Dem Jünglinge stehet es wohl an,
Wenn er im Streit erschlagen, zerfleischt von der Schärfe des Erzes,
Daliegt; schön ist alles im Tode noch, was auch erscheinet.
Aber wird das grauende Haupt, und der grauende Bart nun,
75
Auch die Scham von Hunden entstellt dem ermordeten Greise;
Das ist traun das kläglichste Leid dem elenden Menschen!
Also der Greis, und raufte sich graues Haar mit den Händen
Rings von dem Haupt; doch nicht war Hektors Geist zu bewegen.
Auch die Mutter zunächst wehklagete, Tränen vergießend,
80
Trennte des Busens Gewand, und erhob die Brust mit der Linken;
So von Tränen benetzt die geflügelten Worte begann sie:
Hektor! scheue, mein Sohn, den Anblick, ach und erbarm dich
Meiner selbst! Wo ich je die stillende Brust dir geboten,
Denke mir des, mein Kind, und wehre dem schrecklichen Manne
85
Hier, in die Mauer gerettet; nur dort nicht stelle dich jenem!
Rasender! wenn er sogar dich ermordete; nimmer beweint' ich
Dich auf Leichengewanden, du trautester Sprößling des Schoßes,
Noch die reiche Gemahlin; vielmehr so entfernt von uns beiden,
Dort an der Danaer Schiffen, zerfleischten dich hurtige Hunde!
90
Also weineten beide, den lieben Sohn anflehend,
Laut mit Geschrei; doch nicht war Hektors Geist zu bewegen;
Nein er erharrt' Achilleus, des Ungeheuren, Herannahn.
So wie ein Drach' im Gebirge den Mann erharrt an der Felskluft,
Satt des giftigen Krauts, und erfüllt von heftigem Zorne;
95
Gräßlich schaut er umher, in Ringel gedreht um die Felskluft:
So unbändiges Mutes verweilt' auch Hektor, und wich nicht,
Lehnend den hellen Schild an des Turms vorragende Mauer;
Tief aufseufzt' er und sprach zu seiner erhabenen Seele:
Wehe mir! wollt' ich anjetzt in Tor und Mauer hineingehn;
100
Würde Polydamas gleich mit kränkendem Hohn mich belasten,
Welcher mir riet in die Feste das Heer der Troer zu führen,
Vor der verderblichen Nacht, da erstand der edle Achilleus.
Aber ich hörete nicht; wie heilsam, hätt' ich gehöret!
Jetzo nachdem ich verderbte das Volk durch meine Betörung,
105
Scheu ich Trojas Männer und saumnachschleppende Weiber,
Daß nicht einst mir sage der Schlechteren einer umher wo:
Hektor verderbte das Volk, auf eigene Stärke vertrauend!
Also spricht man hinfort; doch mir weit heilsamer wär es:
Mutig entweder mit Sieg von Achilleus Morde zu kehren,
110
Oder ihm selbst zu fallen im rühmlichen Kampf vor der Mauer.
Aber legt' ich zur Erde den Schild von gerundeter Wölbung,
Samt dem gewichtigen Helm, und den Speer an die Mauer gelehnet,
Eilt' ich entgegen zu gehn dem tadellosen Achilleus,
Und verhieß ihm Helena selbst, und ihre Besitzung
115
Alle, so viel Alexandros daher in geräumigen Schiffen
Einst gen Troja geführt, was unseres Streites Beginn war,
Daß er zu Atreus' Söhnen es führt'; auch umher den Achaiern
Anderes auszuteilen, wie viel die Stadt auch verschließet;
Und ich nähme darauf von Trojas Fürsten den Eidschwur,
120
Nichts ingeheim zu entziehn, nein zwiefach alles zu teilen,
Was an Gut die liebliche Stadt inwendig verschließet: -
Aber warum bewegte das Herz mir solche Gedanken?
Laß mich ja nicht flehend ihm nahn! Nein sonder Erbarmung
Würd' er, und sonder Scheu, mich niederhaun, den Entblößten,
125
Grad' hinweg, wie ein Weib, sobald ich der Wehr mich enthüllet.
Nicht fürwahr nun gilt es, vom Eichbaum oder vom Felsen
Lange mit ihm zu schwatzen, wie Jungfrau traulich und Jüngling,
Jungfrau traulich und Jüngling zu holdem Geschwätz sich gesellen.
Besser zu feindlichem Kampfe hinangerannt! daß wir eilig
130
Sehn, wem etwa von uns der Olympier Ehre verleihe!
Also dacht' er, und blieb. Doch näher kam ihm Achilleus,
Ares gleich an Gestalt, dem helmerschütternden Streiter,
Pelions ragende Esch' auf der rechten Schulter bewegend,
Fürchterlich; aber das Erz umleuchtet' ihn, ähnlich dem Schimmer
135
Lodernder Feuersbrunst, und der hellaufgehenden Sonne.
Hektor, sobald er ihn sah, erzitterte; nicht auch vermocht' er
Dort zu bestehn, und er wandte vorn Tore sich, ängstlich entziehend.
Hinter ihm flog der Peleide, den hurtigen Füßen vertrauend.
So wie ein Falk des Gebirgs, der geschwindeste aller Gevögel,
140
Leicht mit gewaltigem Schwung nachstürmt der schüchternen Taube;
Seitwärts schlüpfet sie oft; doch nah mit hellem Getön ihr
Schießet er häufig daher, voll heißer Begier zu erhaschen:
So drang jener im Flug gradan; doch es flüchtete Hektor
Längs der troischen Mauer, die hurtigen Kniee bewegend.
145
Beid' an der Warte vorbei und dem wehenden Feigenbaume,
Immer hinweg von der Mauer, entflogen sie über den Fahrweg.
Und sie erreichten die zwo schönsprudelnden Quellen, woher sich
Beide Bäch' ergießen des wirbelvollen Skamandros.
Eine rinnt beständig mit warmer Flut, und umher ihr
150
Wallt aufsteigender Dampf, wie der Rauch des brennenden Feuers;
Aber die andere fließt im Sommer auch kalt wie der Hagel,
Oder des Winters Schnee, und gefrorene Schollen des Eises.
Dort sind nahe den Quellen geräumige Gruben der Wäsche,
Steinerne, schöngehaun, wo die stattlichen Feiergewande
155
Trojas Weiber vordem und liebliche Töchter sich wuschen,
Als noch blühte der Fried', eh' die Macht der Achaier daherkam.
Hier nun rannten vorbei der Fliehende und der Verfolger.
Vornan floh ein Starker, jedoch ein Stärkerer folgte
Stürmendes Laufs: denn nicht um ein Weihvieh, oder ein Stierfell,
160
Strebten sie, welches man stellt zum Kampfpreis laufender Männer;
Sondern es galt das Leben des gaulbezähmenden Hektors.
So wie zum Siege gewöhnt um das Ziel starkhufiger Rosse
Hurtiger wenden den Lauf, denn es lohnt ein köstlicher Dreifuß,
Oder ein blühendes Weib, am Fest des gestorbenen Herrschers:
165
Also kreiseten sie dreimal um Priamos Feste
Rings mit geflügeltem Fuß; und die Ewigen schaueten alle.
Jetzo begann der Vater des Menschengeschlechts und der Götter:
Wehe doch! einen Geliebten umhergejagt um die Mauer
Seh' ich dort mit den Augen; und herzlich jammert mich seiner,
170
Hektors, welcher so oft mir Schenkel der Stier' auf dem Altar
Zündete, bald auf den Höhen des vielgewundenen Ida,
Bald in der oberen Burg! Nun drängt ihn der edle Achilleus,
Rings um Priamos' Stadt mit hurtigen Füßen verfolgend.
Aber wohlan, ihr Götter, erwägt im Herzen den Ratschluß:
175
Ob er der Todesgefahr noch entfliehn soll, oder anitzo
Fallen, wie tapfer er ist, dem Peleionen Achilleus.
Drauf antwortete Zeus' blauäugige Tochter Athene:
Vater mit blendendem Strahl, Schwarzwolkiger, welcherlei Rede!
Einen sterblichen Mann, längst ausersehn dem Verhängnis,
180
Denkst du anitzt von des Todes graunvoller Gewalt zu erlösen?
Tu's; doch nimmer gefällt es dem Rat der anderen Götter!
Ihr antwortete drauf der Herrscher im Donnergewölk Zeus:
Fasse dich, Tritogeneia, mein Töchterchen! Nicht mit des Herzens
Meinung sprach ich das Wort: ich will dir freundlich gesinnt sein.
185
Tue, wie dir nun selbst es genehm ist; nicht so gezaudert.
Also Zeus, und erregte die schon verlangende Göttin;
Stürmendes Schwungs entflog sie den Felsenhöhn des Olympos.
Hektorn drängt' unablässig im Lauf der Verfolger Achilleus.
Wie wenn den Sohn des Hirsches der Hund im Gebirge verfolget,
190
Aufgejagt aus dem Lager, durch windende Tal' und Gebüsche;
Ob auch jener sich berg' und niederduck' in dem Dickicht,
Stets doch läuft er umher, der Spürende, bis er gefunden:
So barg Hektor sich nicht dem mutigen Renner Achilleus.
Wenn er auch oft ansetzte, zum hohen dardanischen Tore
195
Hinzuwenden den Lauf, und den festgebaueten Türmen,
Ob vielleicht von oben der Freunde Geschoß ihn beschützte;
Eilete stets der Verfolger zuvor, und wendet' ihn abwärts
Nach dem Gefild', er selbst an der Seite der Stadt hinfliegend.
Wie man im Traum umsonst den Fliehenden strebt zu verfolgen;
200
Nicht kann dieser hinweg ihm entfliehn, noch jener verfolgen:
Also ergriff nicht dieser im Lauf, noch enteilete jener.
Doch wie wär' itzt Hektor entflohn den Keren des Todes,
Wenn nicht ihm noch einmal zuletzt Apollon der Herrscher
Nahete, welcher ihm Kraft aufregt' und hurtige Schenkel?
205
Aber dem Volke verbot mit winkendem Haupt der Peleide,
Nicht ihm daherzuschnellen auf Hektor herbe Geschosse;
Daß kein Treffender raubte den Ruhm, er der zweite dann käme.
Als sie nunmehr zum vierten die sprudelnden Quellen erreichet;
Jetzo streckte der Vater empor die goldene Waage,
210
Legt' in die Schalen hinein zwei finstere Todeslose,
Dieses dem Peleionen, und das dem reisigen Hektor,
Faßte die Mitt', und wog: da lastete Hektors Schicksal
Schwer zum Aïdes hin; es verließ ihn Phöbos Apollon.
Doch zu Achilleus kann die Herrscherin Pallas Athene;
215
Nahe trat sie hinan, und sprach die geflügelten Worte:
Jetzt doch, hoff' ich gewiß, Zeus' Liebling, edler Achilleus,
Bringen wir großen Ruhm hinab zu dem Schiffen Achaias,
Hektor dort austilgend, den unersättlichen Krieger.
Nun nicht mehr vermag er aus unserer Hand zu entrinnen,
220
Nein wie viel auch erdulde der treffende Phöbos Apollon,
Hingewälzt vor die Kniee des ägiserschütternden Vaters.
Aber wohlan nun steh und erhole dich; während ich selber
Jenem genaht zurede, dir kühn entgegen zu kämpfen.
Also sprach Athen'; er gehorcht' ihr, freudiges Herzens,
225
Stand, und ruhte gelehnt auf die erzgerüstete Esche.
Jene verließ ihn selbst, und erreichte den göttlichen Hektor,
Ganz dem Deïphobos gleich an Wuchs und gewaltiger Stimme;
Nahe trat sie hinan, und sprach die geflügelten Worte:
Ach mein älterer Bruder, wie drängt dich der schnelle Achilleus,
230
Rings um Priamos' Stadt mit hurtigen Füßen verfolgend!
Aber wohlan, wir bleiben, und widerstehn unerschüttert!
Ihm antwortete drauf der helmumflatterte Hektor:
Stets, Deïphobos, warst du auch sonst mein trautester Bruder,
Aller, die Priamos zeugt' und Hekabe, unsere Mutter;
235
Aber noch mehr gedenk' ich hinfort dich im Herzen zu ehren,
Daß du um meinetwillen, sobald du mich sahst mit den Augen,
Dich aus der Mauer gewagt, da andere drinnen beharren.
Ihm antwortete Zeus' blauäugige Tochter Athene:
Bruder, mich bat der Vater mit Flehn und die würdige Mutter,
240
Die umeinander die Kniee mir rühreten, auch die Genossen
Fleheten, dort zu bleiben: so sehr sind alle voll Schreckens.
Doch mein Herz im Busen durchdrang der schmerzende Kummer.
Nun gradan mit Begierde zum Kampf! nun unserer Lanzen
Nicht geschonet annoch! damit wir sehn, ob Achilleus
245
Uns vielleicht ermordet, und blutige Waffen hinabträgt
Zu den gebogenen Schiffen; ob deiner Lanz' er dahinsinkt!
Dieses gesagt, ging jene voran, die täuschende Göttin.
Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden gegeneinander;
Jetzo begann anredend der helmumflatterte Hektor:
250
Nicht hinfort, o Peleid', entflieh' ich dir, so wie bis jetzo!
Dreimal umlief ich die Feste des Priamos, nimmer es wagend,
Deiner Gewalt zu beharren; allein nun treibt mich das Herz an,
Fest dir entgegen zu stehn, ich töte dich, oder ich falle!
Laß uns jetzt zu den Göttern emporschaun, welche die stärksten
255
Zeugen des Eidschwurs sind, und jegliches Bundes Bewahrer.
Denn ich werde dich nimmer mit Schmach mißhandeln, verleiht mir
Zeus, als Sieger zu stehn, und dir die Seele zu rauben;
Sondern nachdem ich gewonnen dein schönes Geschmeid', o Achilleus;
Geb' ich die Leiche zurück den Danaern. Tue mir Gleiches.
260
Finster schaut' und begann der mutige Renner Achilleus:
Hektor, mir nicht, unvergeßlicher Feind, von Verträgen geplaudert!
Wie kein Bund die Löwen und Menschenkinder befreundet,
Auch nicht Wölf' und Lämmer in Eintracht je sich gesellen;
Sondern bitterer Haß sie ewig trennt voneinander:
265
So ist nimmer für uns Vereinigung, oder ein Bündnis,
Mich zu befreunden und dich, bis einer, gestürzt auf den Boden,
Ares mit Blute getränkt, den unaufhaltsamen Krieger!
Jeglicher Kampfeskund' erinnre dich! Jetzo gebührt dir's,
Lanzenschwinger zu sein, und unerschrockener Krieger!
270
Nicht entrinnst du annoch; durch meine Lanze bezähmt dich
Pallas Athene sofort! Nun büßest du alles auf einmal,
Meiner Genossen Weh, die du Rasender schlugst mit der Lanze!
Sprach's, und im Schwung' entsandt' er die weithinschattende Lanze.
Diese jedoch vorschauend vermied der strahlende Hektor;
275
Denn er sank in die Knie'; und es flog der eherne Wurfspieß
Über ihn weg in die Erd': ihn ergriff und reichte die Göttin
Schnell dem Peleiden zurück, unbemerkt von dem streitbaren Hektor.
Aber Hektor begann zu dem tadellosen Achilleus:
Weit gefehlt! Wohl schwerlich, o göttergleicher Achilleus,
280
Offenbarete Zeus mein Geschick dir, wie du geredet;
Sendern du warst ein gewandter und hinterlistiger Schwätzer,
Daß ich vor dir hinbebend des Muts und der Stärke vergäße.
Nicht mir Fliehenden soll dein Speer den Rücken durchbohren;
Sondern gerad' anstürm' ich: wohlauf! in die Brust ihn gestoßen,
285
Wenn dir ein Gott es verlieh! Doch jetzt vermeide die Schärfe
Dieses Speers! O möchte dein Leib doch ganz ihn empfangen!
Leichter wäre sodann der Kampf für die Männer von Troja,
Wenn du sänkst in den Staub; du bist ihr größestes Unheil!
Sprach's, und im Schwung' entsandt' er die weithinschattende Lanze,
290
Traf, und verfehlete nicht, gerad' auf den Schild des Peleiden;
Doch weit prallte vom Schilde der Speer. Da zürnete Hektor,
Daß sein schnelles Geschoß umsonst aus der Hand ihm entflohn war;
Stand, und schaute bestürzt; denn ihm fehlt' ein anderer Wurfspieß.
Laut zu Deïphobos drauf, dem Weißgeschildeten, ruft' er,
295
Fordernd den ragenden Speer; allein nicht nahe war jener.
Hektor erkannt' es anjetzt in seinem Geist und begann so:
Wehe mir doch! nun rufen zum Tode mich wahrlich die Götter!
Denn ich dachte, der Held Deïphobos wolle mir beistehn;
Aber er ist in der Stadt, und es täuschte mich Pallas Athene.
300
Nun ist nahe der Tod, der schreckliche! nicht mir entfernt noch;
Auch kein Entfliehn! Denn ehmals beschloß noch solches im Herzen
Zeus, und des Donnerers Sohn, der Treffende, welche zuvor mich
Stets willfährig geschirmt; doch jetzo erhascht mich das Schicksal!
Daß nicht arbeitlos in den Staub ich sinke, noch ruhmlos,
305
Nein erst Großes vollendend, wovon auch Künftige hören!
Also redete jener, und zog das geschliffene Schwert aus,
Welches ihm längs der Hüfte herabhing, groß und gewaltig;
An nun stürmt' er gefaßt, wie ein hochherfliegender Adler,
Welcher herab auf die Ebne gesenkt aus nächtlichen Wolken
310
Raubt den Hasen im Busch, wo der hinduckt, oder ein Lämmlein:
Also stürmete Hektor, das hauende Schwert in der Rechten.
Gegen ihn drang der Peleid', und Wut erfüllte das Herz ihm
Ungestüm: er streckte der Brust den gerundeten Schild vor,
Schön und prangend an Kunst; und der Helm, viergipflig und strahlend,
315
Nickt' auf dem Haupt; und die stattliche Mähn' aus gesponnenem Golde
Flatterte, welche der Gott auf dem Kegel ihm häufig geordnet.
Hell wie der Stern vorstrahlet in dämmernder Stunde des Melkens,
Hesperos, der am schönsten erscheint vor den Sternen des Himmels:
So von der Schärfe des Speers auch strahlet' es, welchen Achilleus
320
Schwenkt' in der rechten Hand, wutvoll dem göttlichen Hektor,
Spähend den schönen Leib, wo die Wund' am leichtesten hafte.
Rings zwar sonst umhüllt' ihm den Leib die eherne Rüstung,
Blank und schön, die er raubte, die Kraft des Patroklos ermordend;
Nur wo das Schlüsselbein den Hals begrenzt und die Achsel,
325
Schien die Kehl' ihm entblößt, die gefährlichste Stelle des Lebens:
Dort mit dem Speer anstürmend durchstach ihn der edle Achilleus,
Daß ihm hindurch aus dem zarten Genick die Spitze hervordrang.
Doch nicht gänzlich den Schlund durchschnitt der eherne Speer ihm,
Daß er noch zu reden vermocht' im Wechselgespräche;
330
Und er entsank in den Staub; da rief frohlockend Achilleus:
Hektor, du glaubtest gewiß, da Patrokleus' Wehr du geraubet,
Sicher zu sein, und achtetest nicht des entfernten Achilleus.
Törichter! Jenem entfernt war ein weit machtvollerer Rächer
Bei den gebogenen Schiffen, ich selbst, zurück ihm geblieben,
335
Der dir die Kniee gelöst! Dich zerren nun Hund' und Gevögel,
Schmählich entstellt; ihn aber bestatten mit Ruhm die Achaier.
Wieder begann schwachatmend der helmumflatterte Hektor:
Dich beschwör' ich beim Leben, bei deinen Knien, und den Eltern,
Laß mich nicht an den Schiffen der Danaer Hunde zerreißen;
340
Sondern nimm des Erzes genug und des köstlichen Goldes
Zum Geschenk, das der Vater dir beut, und die würdige Mutter.
Aber den Leib entsende gen Ilios, daß in der Heimat
Trojas Männer und Fraun des Feuers Ehre mir geben.
Finster schaut' und begann der mutige Renner Achilleus:
345
Nicht beschwöre mich, Hund, bei meinen Knien, und den Eltern!
Daß doch Zorn und Wut mich erbitterte, roh zu verschlingen
Dein zerschnittenes Fleisch, für das Unheil, das du mir brachtest!
So sei fern, der die Hunde von deinem Haupt dir verscheuche!
Wenn sie auch zehnmal so viel, und zwanzigfältige Sühnung,
350
Hergebracht darwögen, und mehreres noch mir verhießen!
Ja wenn dich selber mit Gold auch aufzuwägen geböte
Priamos, Dardanos' Sohn; auch so nicht bettet die Mutter
Dich auf Leichengewand', und wehklagt, den sie geboren;
Sondern Hund' und Gevögel umher zerreißen den Leichnam!
355
Wieder begann schon sterbend der helmumflatterte Hektor:
Ach ich kenne dich wohl, und ahndete, nicht zu erweichen
Wärest du mir; denn eisern ist traun dem Herz in dem Busen.
Denke nunmehr, daß nicht dir Götterzorn ich erwecke,
Jenes Tags, wann Paris dich dort und Phöbos Apollon
360
Töten, wie tapfer du bist, am hohen skäischen Tore!
Als er dieses geredet, umschloß ihn das Ende des Todes;
Aber die Seel' aus den Gliedern entflog in die Tiefe des Aïs,
Klagend ihr Jammergeschick, getrennt von Jugend und Mannkraft.
Auch dem Toten erwiderte noch der edle Achilleus:
365
Stirb! mein eigenes Los, das empfang' ich, wann es auch immer
Zeus zu vollenden beschließt, und die andern unsterblichen Götter!
Also sprach er und zog die eherne Lanz' aus dem Leichnam;
Sie dann legt' er zur Seit', und raubte die Wehr von den Schultern,
Blutbefleckt. Da umliefen ihn andere Männer Achaias,
370
Die ringsher anstaunten den Wuchs und die herrliche Bildung
Hektors; und auch keiner umstand ihn ohne Verwundung.
Also redete mancher, gewandt zum anderen Nachbar:
Wunder doch! viel sanfter fürwahr ist nun zu betasten
Hektor, als da die Schiff' in lodernder Glut er verbrannte!
375
Also redete mancher, und nahte sich, ihn zu verwunden.
Aber nachdem ihn entwaffnet der mutige Renner Achilleus,
Stand er in Argos Volk, und sprach die geflügelten Worte:
Freund', ihr Helden des Danaerstamms, o Genossen des Ares,
Jetzo da diesen Mann mir die Götter verliehn zu bezähmen,
380
Der viel Böses getan, weit mehr denn die anderen alle;
Auf, nun laßt uns die Stadt in Rüstungen rings versuchen,
Bis wir ein wenig erkannt den Sinn, den die Troer bewahren:
Ob sie vielleicht uns räumen die Burg, weil dieser dahinsank;
Oder zu stehn sich erkühnen, wiewohl nicht Hektor begleitet.
385
Aber warum bewegte das Herz mir solche Gedanken?
Liegt doch tot bei den Schiffen, und ohne Klag' und Bestattung,
Unser Freund Patroklos, den nie ich werde vergessen,
Weil ich mit Lebenden geh', und Kraft in den Knieen sich reget!
Wenn man auch der Toten vergißt in Aïdes Wohnung,
390
Dennoch werd' ich auch dort des trautesten Freundes gedenken!
Auf nun, mit Siegesgesang des Päeon, Männer Achaias,
Kehren wir, Hektor führend, hinab zu den räumigen Schiffen!
Groß ist der Ruhm des Sieges; uns sank der göttliche Hektor,
Welchem die Troer der Stadt, wie einem Gott, sich vertrauten!
395
Sprach's, und schändlichen Frevel ersann er dem göttlichen Hektor.
Beiden Füßen nunmehr durchbohret' er hinten die Sehnen,
Zwischen Knöchel und Fers', und durchzog sie mit Riemen von Stierhaut
Band am Sessel sie fest, und ließ nachschleppen die Scheitel;
Trat dann selber hinein, und erhob die prangende Rüstung;
400
Treibend schwang er die Geißel, und rasch hinflogen die Rosse.
Staubgewölk umwallte den Schleppenden; rings auch zerrüttet
Rollte sein finsteres Haar, da ganz sein Haupt in dem Staube
Lag, so lieblich zuvor! allein nun hatt' es den Feinden
Zeus zu entstellen verliehn in seiner Väter Gefilde.
405
Also bestaubt ward jenem das Haupt ganz. Aber die Mutter
Rauft' ihr Haar, und warf den glänzenden Schleier des Hauptes
Weit hinweg, und blickte mit Jammergeschrei nach dem Sohne.
Kläglich weint' auch der Vater und jammerte; doch von den Völkern
Tönte Geheul ringsher und Angstgeschrei durch die Feste.
410
Weniger nicht scholl jetzo die Wehklag', als wenn die ganze
Ilios hochgetürmt in Glut hinsänke vom Gipfel.
Kaum noch hielten die Völker den Greis, der in zürnender Wehmut
Strebte hinauszugehn ans dem hohen dardanischen Tore.
Allen fleht' er umher, auf schmutzigem Boden sich wälzend,
415
Nannte jeglichen Mann mit seinem Namen, und sagte:
Haltet, o Freund', und laßt mich allein, wie sehr ihr besorgt seid,
Gehn vor die Feste hinaus, und nahn den Schiffen Achaias!
Anflehn will ich den Mann, den entsetzlichen Täter des Frevels:
Ob er vielleicht mein Alter mit Ehrfurcht und mit Erbarmung
420
Anschaut; denn auch jenem ist schon grauhaarig der Vater,
Peleus, der ihn erzeugt' und nährete, ach zum Verderben
Trojas; doch vor allen mir selbst bereitet' er Jammer!
Denn so viele Söhn' erschlug er mir, blühender Jugend!
Alle jedoch betraur' ich nicht so sehr, herzlich betrübt zwar,
425
Als ihn allein, des wütender Schmerz mich zum Aïs hinabführt,
Hektor! Wär' er doch mir in meinen Armen gestorben!
Satt darin hätten wir uns das Herz geweint und gejammert,
Ich, und die ihn gebar, die unglückselige Mutter!
Also sprach er weinend; und ringsum seufzten die Bürger.
430
Hekabe aber erhub die Wehklag' unter den Weibern:
Sohn, was soll ich Arme hinfort noch leben in Jammer,
Da du Trauter mir starbst? der mir bei Nacht und bei Tage
Ruhm und Trost in Ilios war, und allen Errettung,
Trojas Männern und Fraun, die dich, wie einen der Götter,
435
Achteten! Traun du würdest mit großer Ehre sie krönen,
Lebtest du noch! Nun aber hat Tod und Geschick dich ereilet!
Also sprach sie weinend. Doch nichts noch hörte die Gattin
Hektors; denn nicht kam ihr ein Kundiger, welcher die Botschaft
Meldete, daß der Gemahl ihr auswärts blieb vor dem Tore;
440
Sendern sie webt' ein Gewand, im innern Gemach des Palastes,
Doppelt und blendend weiß, und durchwirkt mit mancherlei Bildwerk.
Jetzo rief sie umher den lockigen Mägden des Hauses,
Eilend ein groß dreifüßig Geschirr auf Feuer zu stellen,
Zum erwärmenden Bade, wann Hektor kehrt' aus der Feldschlacht:
445
Törin! sie wußte nicht, daß weit entfernt von den Bädern
Ihn durch Achilleus' Hände besiegt Zeus' Tochter Athene.
Aber Geheul vernahm sie und Jammergeschrei von dem Turme;
Und ihr erbebten die Glieder, es sank zur Erde das Webschiff,
Ängstlich nunmehr in dem Kreis schönlockiger Mägde begann sie:
450
Auf, ihr zwo mir gefolgt; ich eile zu schaun, was geschehn ist!
Eben vernahm ich die Stimme der Schwäherin; ich, und mir selber
Schlägt das Herz im Busen zum Hals' empor, und die Kniee
Starren mir! Sicherlich naht ein Unheil Priamos' Söhnen!
Fern sei meinem Ohr die Verkündigung! aber mit Unruh
455
Sorg' ich, den mutigen Hektor hab' itzt der edle Achilleus
Abgeschnitten allein von der Stadt, ins Gefilde verfolgend,
Und wohl schon ihn gehemmt in seiner entsetzlichen Kühnheit,
Welche stets ihn beseelt! Denn niemals weilt' er im Haufen;
Sondern voran flog mutig der Held, und zagte vor niemand!
460
Sprach's, und hinweg aus der Kammer enteilte sie, gleich der Mänade,
Wild ihr pochendes Herz; und es folgten ihr dienende Weiber.
Aber nachdem sie den Turm und die Schar der Männer erreichet;
Stand sie und blickt' auf die Mauer umher, und schauete jenen
Hingeschleift vor Ilios Stadt; und die hurtigen Rosse
465
Schleiften ihn sorglos hin zu den räumigen Schiffen Achaias.
Schnell umhüllt' ihr die Augen ein mitternächtliches Dunkel;
Und sie entsank rückwärts, und lag entatmet in Ohnmacht.
Weithin flog vom Haupte der köstlich prangende Haarschmuck,
Vorn das Band, und die Haub', und die schöngeflochtene Binde,
470
Auch der Schleier, geschenkt von der goldenen Aphrodite,
Jenes Tags, da sie führte der helmumflatterte Hektor
Aus Eëtions Burg, nach unendlicher Bräutigamsgabe.
Rings auch stunden ihr Schwestern des Manns und Frauen der Schwäger,
Haltend die Atemlose, vom Kummer betäubt wie zum Tode.
475
Als sie zu atmen begann, und der Geist dem Herzen zurückkam;
Jetzt mit gebrochener Klage vor Trojas Frauen begann sie:
Hektor, o weh mir Armen! zu gleichem Geschick ja geboren
Wurden wir einst: du selber in Priamos' Hause zu Troja;
Aber ich zu Thebe, am waldigen Hange des Plakos,
480
In Eëtions Burg; der mich erzog, da ich klein war,
Elend ein elendes Kind! Ach hätt' er mich nimmer erzeuget!
Du nun gehst zu Aïdes Burg in die Tiefen der Erde,
Scheidend von mir; ich bleib', in Schmerz und Jammer verlassen,
Eine Witw' im Haus', und das ganz unmündige Söhnlein,
485
Welches wir beide gezeugt, wir Elenden! Nimmer, o Hektor,
Wirst du jenem ein Trost, da du tot bist, oder dir jener!
Überlebt er auch etwa den traurigen Krieg der Achaier,
Dennoch wird ja beständig ihm Sorg' und Gram in der Zukunft
Drohn; denn andere werden ihm rings abschmälern sein Erbgut.
490
Siehe der Tag der Verwaisung beraubt ein Kind der Gespielen;
Immer senkt es die Augen beschämt, mit Tränen im Antlitz.
Darbend gehet das Kind umher zu den Freunden des Vaters,
Fleht und faßt den einen am Rock, und den andern am Mantel;
Aber erbarmt sich einer, der reicht ihm das Schälchen ein wenig,
495
Daß er die Lippen ihm netz', und nicht den Gaumen ihm netze.
Oft verstößt es vom Schmaus' ein Kind noch blühender Eltern,
Das mit Fäusten es schlägt, und mit kränkenden Worten es anfährt:
Hebe dich weg! dein Vater ist nicht bei unserem Gastmahl!
Weinend geht von dannen das Kind zur verwitweten Mutter,
500
Unser Astyanax, der sonst auf den Knieen des Vaters
Nur mit Mark sich genährt, und fettem Fleische der Lämmer;
Und wann, müde des Spiels, er auszuruhen sich sehnte,
Schlummert' er süß im schönen Gestell, in den Armen der Amme,
Auf sanftschwellendem Lager, das Herz mit Freude gesättigt.
505
Doch viel duldet er künftig, beraubt des liebenden Vaters,
Unser Astyanax, wie Trojas Männer ihn nennen:
Denn du allein beschirmtest die Tor' und die türmenden Mauern.
Nun wird dort an den Schiffen der Danaer, fern von den Eltern,
Reges Gewürm dich verzehren, nachdem du die Hunde gesättigt,
510
Nackt! Doch liegen genug der Gewand' in deinem Palaste,
Fein und zierlich gewebt von künstlichen Händen der Weiber!
Aber ich werde sie all' in lodernder Flamme verbrennen!
Nichts ja frommen sie dir; denn niemals ruhst du auf ihnen!
Brennen sie denn vor Troern und Troerinnen zum Ruhm dir!
515
Also sprach sie weinend; und ringsum seufzten die Weiber.

< Einundzwanzigster Gesang
Dreiundzwanzigster Gesang >



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.