Frei Lesen: Der Henker von Brescia

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Hugo Ball

Der Henker von Brescia

Dritter Akt

eingestellt: 9.8.2007



Szene wie im ersten Akt. Über dem Eingang in die Henkerstube schaukelt sich der Kakadu, den der Safranhändler dem Buben geschenkt hat.

1. Szene



Barbara Was stierst du nun vor dich hin und hängst dich an meinen Rock? Ich hab dein Verhängnis nicht gemacht! Ich kann dir nicht helfen!

Henker Was soll nun geschehen?

Barbara Weiß ichs, eine Jungfrau hast du geschändet! Ein unbescholtenes Fräulein, das dir vertraut war, hast du beschmutzt und in Kot getreten!

Henker Es ist alles verloren! Es ist alles aus und vorbei!

Barbara Du brauchst nicht zu heucheln und Fratzen schneiden! Ja, es ist aus mit dir! Du brauchst nicht zu heulen! Das hilft dir nichts. Die heiligen Fürsprecher werden dich mit dem Fuß von der Schwelle stoßen, wenn du heran kommst. Und werden sich die Ohren zuhalten. Kein blinder Hund wird mehr in deine Nähe schnuppern. Du fährst ihm ja mit der Feile über die Schnauze.

Henker Ich hin der Verworfenste! Der Allerverruchteste!

Barbara Ja, setz dich nur hin zu deiner Bibel! Warte nur bis sie dich anklagt am Jüngsten Tage mit offenem Haar und mit kreischender Stimme! Da wirst du dein Handwerk liegen lassen! Da wirst du schon Ausschau halten!

Henker Messer Barbiano hat mich aufgereizt. Messer Barbiano hat mich gehetzt auf sie! Er hat sie hereingesteckt!

Barbara So, Messer Barbo! Schieb nur die Schuld auf andere! Wasch dich nur rein! Das kannst du dem Hahnenverkäufer und deinem Signore Lorenzo erzählen! Die glaubens vielleicht! Aber denen da oben machst du nichts vor! Die kennen die Schliche von deinesgleichen. Das Schönste ist, daß es gar nicht die Königin war, sondern ein harmloses Fräulein!

Henker Barbara hör! Es ist um die Seelenkönigin! Wenn sie verdirbt, so ist alles zu Ende!

Barbara Da war schon manche die Seelenkönigin! Warum bist du über die hergefallen? Warum hast du sie nehmen müssen?

Henker Sie war mir lieb, wie ein Wurf junger Tierlein. Die Wut brach aus. Da schwamm mir das Blut vor den Augen.

Barbara Und ich soll jetzt trösten. Ich bin jetzt gut genug, weil dich die Angst plagt, sie könnte zum Abhub gehen. Gleich bist du zu Messer Barbiano gelaufen und hast eine Schonzeit für sie erwirkt. Sie soll sich erholen und wieder die Alte sein. Nichts weiter geschehen! Das ist so dein Henkerswitz!

Henker Was sagst du? Was plapperst du da?

Barbara Es ist alles in Ordnung. Du hast deine Arbeit gründlich getan! Die Dirne ist fertig. Es hilft dir nichts mehr! Sie machts wie die andern. Wenn einer ankommt, sie läuft ihm entgegen! Wenn einer flucht, sie liebkost ihn. Wenn einer zahlt, sie tanzt. Wenn einer gierig wird, grölt sie dazu.

Henker Du lügst nur! Du lügst! Du machst dir ein Hexenvergnügen!

Barbara Du hast sie ja wochenlang sehen können! Du kannst es ja noch! Warum gehst du nicht sehen nach ihr?

Henker Ich will sie nicht sehen!

Barbara Sie hat dich doch eingeladen! Geh doch hinüber zu ihr!

Henker Barbara hör, du sollst mein Geheimnis wissen. Ich hab eine List. Wir sind verworfen beide und beide gottlos. Wir sind von dem Abschaum der Menschen. Wir sind aus des Satans Kot gemacht. Für uns gibt es kein Hoffen. Das Herz ist leer und das Hirn ist leer. Das Hirn und das Herz sind Blasen, mit Luft gefüllt. Wir wollen den Herrgott am Ärmel zupfen. Wir wollen ihn auf uns aufmerksam machen. Wir wollen von hinten ihm nahe kommen. Wenn wir ihr helfen, muß er aufmerksam werden auf uns. Wenn wir ihr Freiheit schaffen, muß er uns Gnade gewähren und anerkennen.

Barbara Ich habe nichts Schlimmes getan, daß ich den Kopf vor ihm beugen muß!

Henker Er macht ein Gewitter, da liegen wir alle am Boden. Er schickt eine Krankheit, da bersten die Siechenhäuser. Er baut eine Kirche und allesamt sündigen wir.

Barbara Das ist ein großer Herr! Aber ich brauche ihn nicht!

Henker Hör mich jetzt an. Da ist einer gekommen vor Wochen. Der ist ihr Verlobter.

Barbara Warum ist er hierher gekommen? Der wäre auch besser geblieben.

Henker Herbolo heißt er.

Barbara Den Messer Barbo verworfen hat?

Henker Sie war seine Seelenbraut. Da hats ihn im Feld nicht gehalten. Da ist er hierhergekommen.

Barbara Also den sollen wir auch heraus lassen?

Henker Er muß uns behilflich sein. Dann wollen wir dreie den Strick anziehen. Vielleicht daß noch ein Tor aufspringt, das uns einläßt.

Barbara Wie soll denn das sein?

Henker Wir holen den Ritter heraus aus dem Kellergewölbe. Wir geben das Fräulein dazu. Hinaus damit vor die Stadt, und Rosse dazu und Futter für Stücker drei Tage. Dann sind sie gesichert.

Barbara Du willst auf die Flucht verhelfen? Und wenn ich jetzt gehe und alles verrate?

Henker Du wirst es nicht tun!

Barbara Und warum, wenn ich fragen darf?

Henker Weil du ihr neidisch bist! Weil du frohlockst, wenn sie draußen ist! Wir schiebens dem Ritter zu. Wir sagen, daß es ein Streich in der Nacht war. Der Ritter kanns auf sich nehmen!

Barbara Und die Belagerung draußen? Es ist doch jedes Tor besetzt!

Henker Zur Nachtzeit, wenn ein Tumult entsteht, am Badewinkel, wo die Lederer ihren Standpunkt haben; da bringens wir fertig.

Barbara Wenn du ihr Halsband bringst und die Krone dazu und ihr Gewand mit den Litzen! Dann laß ich sie laufen!

Henker Wie soll ich ihr Halsband nehmen oder sie schreit? Aber sie hat einen Schmuck versteckt. Sie hat ein zitronenfarbenes Hemde. Das will ich dir bringen.

Barbara Ich will das Halsband haben; den Strohkranz kann sie behalten! (Barbara ab)




2. Szene

Barbiano tritt auf mit zwei Buben, die an der Tür bleiben.

Barbiano Pax vobiscum! Was gibt es Neues?

Henker Ein Zerrwolf sitzt mir im Magen. Ich habe Speck auf grüne Bohnen gegessen. Ein Bottich voll Hader und Zank und lauter Verdruß.

Barbiano Laß dir von einer Geburtsfrau helfen! Hast du das Weibergeheul auf der Straße gehört? Was sagst du dazu?

Henker Weiber sind mir zuwider, Herr! Das wißt Ihr! Sie sind übler als die Schacherjuden. Alles muß man bezahlen. Sie sind nichts wert und treiben die Preise. Sie treiben die Preise bis man den Bankrottiererhut auf dem Kopf hat. Dann greifen sie zu und machen kurzen Prozeß und stecken den ganzen Bettel in ihre Tasche. Ich will nichts mehr hören davon.

Barbiano Mach keinen Weihrauch! Laß das Gerede! Sie schreien und kreischen und holen mich von der Mauer herunter: ich soll ihnen die Frau herausgeben, die wir in Obhut haben. Was sagst du dazu?

Henker Man sollte sie peitschen ein wenig. Man sollte ihnen ein wenig mit der Peitsche zusprechen. Laßt einen mächtigen Zaun aufführen um diese Herde, Herr, und gebt ihnen die Peitsche.

Barbiano Sie sagen, unsere Frau von Burgund ruiniere den Hausstand, den Staat, die Familienbande! Die Preise seien zu hoch. Der Kindersegen gehe zurück.

Henker Da haben sie recht! Alles Geld, das Ihr einnehmt, fließt in die Kriegskasse. Aber wollt Ihr Babylon erobern? Alles was billig ist, Herr: woher sollen die alten und jungen Herren die Gelder nehmen, wenn sie schon 40 000 Floränen hereingeschleppt haben? Da greifen sie das Besitztum an und machen die Weiber wütig. Unsere Königin hat die Stadt Brescia ausgesaugt wie eine Kreuzspinne, Herr. Man sollte ein Ende machen damit.

Barbiano Die Weiber sind niederträchtig und resolut. Sie sagen, sie müsse entfernt werden oder sie würden mit einer Gewalt von Feuerhaken, Küchenlöffeln und Klystierspritzen unsre Behausung stürmen.

Henker (am Fenster) Pflastersteine haben die hochmögenden Frauen in ihren Händen! Monna Maria hat einen Pflasterstein in der Hand! Das ganze Rockregiment von Brescia ist versammelt!

Barbiano Belagert von innen und außen! Da soll einer nicht den Verstand verlieren! Also was soll man da tun?

Henker Je nun, das ist schwer zu sagen! Nehmt die Knechte herunter für fünf Minuten und lasset die Weiber hinter den Kochofen jagen!

Barbiano Heraus damit, wenn du was weißt!

Henker Mein seliger Vater gab mir den Rat, nie ja oder nein zu sagen!

Barbiano Dein seliger Vater soll sich nicht in Dinge mischen, die ihn nichts angehen! Was soll mit den Weibern geschehen? Sie sind einmal da und man braucht sie! Was soll man da tun?

Henker Überlegt doch, Herr, ob es nicht besser wär, ihr den Laufpaß zu geben. Es wär auch verdienstlicher.

Barbiano (kratzt sich den Kopf)

Henker Wir machen die Pforten auf und lassen sie hinaus!

Barbiano Wir haben ihr die Pforten bereits geöffnet und sie ist immer noch da!

Henker (kratzt sich am Kopf)

Barbiano Hast du sie in die Kandare genommen?

Henker Ja, Herr, das tat ich. Sie hat sich gesträubt, gestammelt, gebetet und hat mir die Pforten verrammelt.

Barbiano Was ist dann geschehen?

Henker Man ist ihr auf den Leib gerückt. Da tat sie sich ergeben müssen. Sie hat eine Kniebeuge gemacht.

Barbiano Warte nur ab, mein Lieber! Es rächt sich auf Erden! Es werden auch deine Laster gerochen werden!

Henker Herr, Ihr schweift ab!

Barbiano Du hast recht. Gib Antwort!

Henker Herr, wir wollen ihr die Freiheit geben! Die Freiheit ist da die beste Lösung.

Barbiano Wie denkst du dir das?

Henker Wir lassen sie hin vor die Stadt. Wir befördern sie weg mit Glockengeläut. Wir empfehlen ihr Heil der Obhut des Königs und ihrem Ritter im Kellergewölbe. Keine Verwendung mehr und mit Dank zurück. So ziehen wir uns am besten aus der Gelegenheit. Und der Zorn Gottes wird schwächer sein als wir uns denken.

Barbiano Warum willst du die Königin eigentlich los sein? Gewissensbisse?

Henker Ihr habt sie bevorzugt, Herr. Das lassen die andern sich nicht gefallen. Da habt Ihr nun diese Weiberrevolution.

Barbiano Und der Ritter? Was soll man mit dem anfangen? Soll man das Stadtwappen dem auf das Sitzfleisch brennen und ihn mit laufen lassen?

Henker Herr, lasset die Rohheit auf Seiten Eurer Feinde sein! Verfahret glimpflich mit derlei Präpositionen! Der Himmel wird, wenn die Zeit kommt, auch seinerseits mit Euch ein Einsehen haben. Was habt Ihr von einer Brandwunde, die Eurem Widersacher auf dem Gesäß brennt? Laßt sie selbander hinaus! Das ist mein Dekret!

Barbiano (kratzt sich am Kopf) Ich will dir sagen: ich hab mich entschlossen, sie hier zu behalten. Sie sind mir bei dir gut aufgehoben. Du hast mir ein Auge auf sie, du verstehst damit umzugehn. Auch hast du die Wache unten im Haus. Da kann nichts passieren.

Henker Herr, gebt sie hinaus aus dem Jungfernhof! Mag sie entkommen! Man soll den Teufel nicht reizen. Es gibt Erfahrungen, Herr – da seid Ihr ein Kind! Dieser tut immer das Gegenteil. Man ist nie sicher vor ihm. Kaum ist die Veranlassung da, gleich zeigt er sich ruppig und führt einen Tanz auf. Kaum zupft man ihn, irgendwo, gleich wittert er, daß ein Geschäft auf ihn wartet. Ich will mich in eine Kuhhaut genäht vor das Rathaus stellen, wenn mir was Gutes schwant. Sie hat eine unsterbliche Seele, Herr! Das ist das Gefährlichste, was ein Weib haben kann.

Barbiano Papperlapapp! Ihr habt ein Komplott geschmiedet! Du und die Barbara! Jetzt hab ichs heraus! Ihr habt sie verhandelt. Ihr habt ein Geschäft in Aussicht, ihr beiden. Sie auf der Erde und du im Himmel. Ihr wollt sie los sein. Aber es macht mir Spaß, sie hier zu behalten. Es macht mir Spaß. Es ist eine lustige Sache, wenn drinnen die Weiber zetern und draußen die Balken krachen. Hol deine Königin her, damit ich sie mustre! Sie ist ja jetzt Haupt- und Staatsperson!

Henker Herr, sagt im Ernst: was habt Ihr da vor? Ists nicht genug daß sie gelitten hat und gebüßt vor Euch? Ists nicht genug, daß sie die schändliche Krone getragen hat? Ists nicht erbärmlich, daß sie herunterkam bis auf den Henker? Wollt Ihr denn ganz und gar sie zur Dirne machen?

Barbiano Laß dieses Wort aus dem Mund. Davon verstehst du nichts! Das ist ein Stamm Menschen für sich, mit Wonnen und Freuden! Hab ich die Königinnen, hab ich die Menschen gemacht? Ich glaube beinahe, du hast ein Gerüpfel mit ihr und sie wird dir zuviel! Da willst du sie los sein!

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