Frei Lesen: Der Komet

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Jean Paul

Der Komet

Vorrede

eingestellt: 14.7.2007



Die Pflicht der Selbererhaltung verlangt, daß ich hier eine Vorrede zu zwei Büchern auf einmal ausarbeite, zu dem Buche, das der Leser eben in die Hände bekommt, und zu einem andern, das erst, geliebts dem Himmel, künftig erscheinen kann.

Die Vorrede zum gegenwärtigen Werkchen, wovon schon der erste und der zweite Teil hier fertig vorliegt, braucht nicht lang zu sein. In meiner künftigen Lebensbeschreibung wird man mit einiger Verwunderung lesen, daß ich am zweiten Bande desselben länger als neun horazische Jahre - denn schon 1811 fing ich an -, obwohl unter vielen Unterbrechungen, geschaffen und gezeugt. Übrigens gibt freilich nicht eine Polar- und Doppelnacht an sich einen Herkules, wenn der Jupiter fehlt, und bloß der Heraklide da ist. Als er endlich fertig war, der zweite Band - welcher so schön hätte der erste sein können -, erhielt ich durch Hände (im Buche selber wird man sie gleichsam mit Händen greifen) einen ganz neuen Band, nämlich den ersten, d. h. alle Baumaterialien zu des Helden Kindheit- und Jugendgeschichte, also zu einer ganzen Vorstadt, die ich erst spät an die Stadt selber anzubauen hatte, wiewohl freilich überall die Vorstädte neuer sind als deren Stadt. Aus Vorsicht werden denn die Geschichten des ersten Bandes und der Jugend des Helden bloß Vorkapitel genannt und nur fliegend vorübergeführt, weil man mit Recht zur Hauptgeschichte und zu wahren Kapiteln eilt. Es ist indes in jedem historischen Buche nicht anders, von der jüdischen Geschichte an bis zum Romane, wo anfangs Sprünge Wunder tun, und erst später Schritte gut lassen, so daß man in der Geschichte zum Erzählen, wie im Schache zum Spielen, im Anfange mit dem größern Vorteile den Springer und die Königin gebraucht, und erst gegen das Ende desselben nur Schritt vor Schritt vermittelst der Bauern zieht.

Ich vertraue den guten Lesern die herzliche Bitte im stillen an, ihren lieben Leserinnen, mögen sie diese nun geheiratet oder gezeugt haben, oder an Kindes Statt angenommen, oder sonst kennen gelernt, kein Wort von der ganzen Vorkapitelsache zu sagen, sondern die Vorrede (worüber keine leicht gerät) für sich zu behalten, weil die Guten sonst, wenn sie wissen, daß das beste Historische erst später kommt, nicht aufhören zu überschlagen und Sprünge zu machen, obgleich ihnen schon die körperlichen ein altes Reichsgesetz (nach Möser) ernstlich untersagt.

Was jedoch gutgesinnte Leser tun können, ist, daß sie ihren Leserinnen aus der Vorrede berichten, wie ich bloß für sie nach jedem Vorkapitel einige gefühlvolle Ausschweife gemacht, welche wirklich am Ende des Buchs gesammelt stehen, um durch Zusätze ernster Art den magern Band sowohl zu verbrämen als zu verdicken. In der Tat, ohne alle Ausschweife bliebe der Schweifstern oder Komet als ein gar zu dünner Haarstern in seiner ersten Ferne dastehen, da nicht jeder weiß wie ich, daß er, sobald er nur einmal in seine Sonnennähe gelangt, so gut einen Schweif von 12 Millionen Meilen vorzeigen wird, als der Elfer Komet nach Herschel trug, - um darauf mit Ehren als Bartstern davonzugehen.

Noch ist über den Titel »Komet« zu erinnern, daß bei diesem Namen des Buchs niemand zu Gevatter gestanden als dessen Held Marggraf selber mit seiner Natur. Ich hätte daher, um seine Ähnlichkeit mit einem Kometen darzustellen, der bekanntlich sich im Himmel unmäßig bald vergrößert, bald verkleinert - sich ebenso stark bald erhitzt, bald erkältet - der auf seiner Bahn oft geradezu der Bahn der Wandelsterne zuwiderläuft, ja imstande ist, von Mitternacht nach Mittag zu gehen - und der oft zweien Herrinnen oder Sonnen dient und von einer zur andern schweift - ich hätte, sag ich, um die Ähnlichkeit mit einem Kometen zu beweisen, nichts nötig, als bloß die Geschichte des Helden selber vorzuführen, worin die Ähnlichkeiten nach der Reihe vorkommen; - nun eben die Geschichte habe ich ja in folgenden Bänden gegeben, und ich brauche also die ganze Historie hier nicht zu wiederholen oder auch vorauszugeben.

So weit die kurze Vorrede zum gegenwärtigen Buche.

Aber die Vorrede zu dem andern, das erst erscheinen soll, hat vielleicht desto mehr zu sagen, da sie sich noch auf nichts Vorhandenes steuern kann. Gerade im politisch-bösen Jahre 1811, da in mir der »Komet Nikolaus Marggraf« aufging, entwarf ich den Plan zu einem großen Romane, welchen ich auf dem Titel »mein letztes komisches Werk« nennen wollte, weil ich darin mich mit der komischen Muse einmal in meinem Leben ganz auszutanzen vorhatte; in der Tat wollt ich mich einmal recht gehen und fliegen lassen, ästhetische und unschuldige Keckheiten nach Keckheiten begehen, ein ganzes komisches Füllhorn ausschütteln, ja mit ihm wie mit einem Satyrhörnchen zustoßen, nicht viele Ausschweifungen im Buche machen und einschwärzen, sondern der ganze Roman sollte nur eine einzige sein und sollte deswegen (vielleicht mit mehr Recht als dieses unschuldige Werkchen) der Komet oder Schwanzstern betitelt werden, weil er wirklich ins Unendliche, in eine Hyperbel hinausfahren und nichts zurücklassen sollte als starken Kometenwein für Leser von Magen und Kopf. Kurz ich wollte in meinem Alter, worin andere Schreiber und Philosophen und Dichter, geistig wie körperlich, durch lauter Funken-Geben zu hohlbauchigen und gekrümmten Feuerzeugen geschlagen und ausgetieft sind, mich als runden Wilsonschen Knopf elektrisch zeigen und vollgeladen mich entladen und unausgesetzt blitzen; - aber, wie ich freilich deshalb mich an den galvanischen unsterblichen Säulen eines Gargantua und Don Quixote unaufhörlich zu laden suchte, dies läßt sich vorstellen.

- Bei der ganzen Sache ist nun nichts zu beklagen, als daß der Verfasser nach seiner offenherzigen Voreiligkeit etwas davon herauspolterte, wie er seit Jahren Papiere aller Art zusammentrage, Herrenpapier und Kartaunenpapier, Trauerpapier mit vergoldetem Schnitte und Staatspapier und Stempelpapier, um alles zurechtzuschneiden und zu leimen zu einem außerordentlichen Papierdrachen, den er als eine Spielsache gegen das elektrische Gewölke wolle zum Scherze, zum Untersuchen und zum Ableiten steigen lassen, wenn der rechte Wind dazu bliese. - Aus diesen Zurüstungen, die das Rüstzeug nicht eben hätte zu zeigen gebraucht, wurde nun von Briefwechslern und Reisenden der Schluß gezogen und umhergetragen, gegenwärtiger Verfasser habe, besonders da er den alten Don Quixote immer in Händen hatte, einen neuen unter der Feder, einen detto, nämlich einen Vize-Detto oder Substituten sine spe succedendi, und wolle sich zu einem Ehrenmitgliede, wenn auch nicht korrespondierenden Mitglied am spanischen Spaßvogel schreiben, und kurz, es sei von ihm nach so langer Arbeit und Zeit etwas Erträgliches nächstens zu erwarten ...... Himmel, Cervantes! Der Verfasser sollte dir einen neuen Don Quixote nachzuliefern wagen, welcher sogar dem ästhetischen Mockbird , Wieland, einem Manne von so großen und mannigfaltigen Nachahmtalenten, in seinem Don Sylvio so gänzlich verunglückte? - Wahrlich du erlebtest dann an deinem Nachahmer und Schildknappen einen neuen irrenden Ritter mehr und müßtest jenseits lachen.

Inzwischen ist das verdrießliche Gerücht nun einmal in Deutschland auf den Beinen und im Laufe und schwerlich einzufangen; ja es steht uns niemand dafür, daß nicht sogar dieser Nikolaus Marggraf anfangs - wenigstens ehe man diese Vorrede und ihn selber gelesen - von manchen als der lang erwartete Don Quixote und oben gedachte Papierdrache in die Hand genommen werde.

Der Drache wird freilich einmal steigen, aber kann es einer, zumal ein so langgestreckter, in der Windstille? Unter dieser wird hier, sieht man leicht, das fünfjährige Karlsbader Zensurprovisorium gemeint, das eigentlich mehr dem Scherze Schranken droht und anweist als der Untersuchung und Aufklärung. Gegen letzte vermögen sogar Licht-Verbote nur wenig; es ist damit wie mit Sonnenfinsternissen : bleibt auch nur ein Stückchen Sonne dabei unbedeckt, so erfolgt keine Abnahme des Taglichtes. Ja ein gewaltsames Anhalten der Völker gibt ihnen bloß einen neuen Stoß zum Vorwärts, wie man in einem Wagen, der schnell stehen muß, einen Stoß vorwärts bekommt. - Der Scherz hingegen schlägt sich an jedem Gitter die Flügel wund. Er begehrt noch mehr Freiheit zu seinem Spielraum, als er benützt, und muß über das Ziel hinaushalten, um in dasselbe zu treffen; daher ist jeder unter seinesgleichen am leichtesten komisch und witzig, weil die größere Freiheit das Aufstehen aller Ideen begünstigt, deren Vielzahl eben zum Begegnen und Befruchten untereinander nötig ist. Der komische Genius gleicht der Glocke, welche frei hängen muß, um einen vollen Ton zu geben, aber dumpf und widertönig erklingt, von der Erde berührt.

Sind freilich die fünf Jahre Provisorium vorüber, gleichsam das Quinquennell für manche Schuldner der Satire, so gehen frische Winde, und lange Drachen können steigen. Ob ich gleich jetzo bloß den Kometen mit seinem unschuldigen Schweifchen liefern darf, das nach allen neuern Sternsehern niemand verbrennt, nicht einmal ersäuft, den Drachen hingegen mit seinem Papierschwanze, der leicht einen Gewitterschlag auf mich oder andere herunterleiten kann, zu Hause behalten muß: so wird doch darum weder die Welt noch ich dabei verlieren, sondern vielmehr außerordentlich gewinnen. Kann ich nicht die schöne Zeit von fünf ganzen Jahren zu Hause im stillen dazu verwenden, daß ich die kecksten Satiren auf alles fertig arbeite, um nach dem Ablaufe des Quinquennells sogleich damit bei den Quinquennalien-Spielen als Quinquennalis zu erscheinen - und kann ich mir nicht gleichsam ein Kontingent ad quintuplum von den berühmtesten Philistern, nämlich fünf güldene Ärse zollen lassen? - Oft wünsch ich mir selber Glück, wenn ich es berechne und bemesse, welche lange Schwanzfedern und breite Flügel ich meinem Drachen anzunähen vermag aus so manchen Papieren, aus Flugschriften und Einlösscheinen - aus Hirtenbriefen und gnädigsten Handschreiben - aus Komödienzetteln und diplomatischen Berichten und Konkordaten, wobei ich die Liebebriefe und Küchenzettel und Arzeneizettelchen als bloße Bauchfedern gar nicht einmal mitzähle. - Wie, wenn ich nun einen so bekielten Drachen an der Schnur oder Nabelschnur in die Welt lasse: solle er bei solchen Umständen nicht so hoch steigen, als ein Meteorstein fällt?

Die Welt merke nur im Meßkatalog auf das Werk, das nach fünf Jahren unter dem Titel »Papierdrache« von mir erscheint.

Beschau ich vollends die günstigen literarischen Zeitläufte, wo schon jetzo so viele herrliche Schreibfedern zu Schwungfedern meines Drachen zu gebrauchen und anzusetzen sind: so sind die Aussichten für ein komisches Werk lachend, das noch fünf ganze Jahre lang ein Zeitalter benutzen und abernten kann, wo so viel für die komische Muse geschieht. Nimmt man fünf Musenberge bei uns an - den englischen, welsch-spanischen, französischen, orientalischen und altdeutschen -: wahrlich, jeder Berg gebiert seine Maus von Gold, folglich eine Ausbeute von fünf goldnen Philister-Mäusen zu den obigen goldnen Philister-Sitzen.

Vernunft - hie und da höheren Orts bloß kaum Landes verwiesen - wird von theologischen Schreibern, wie v. Müller und v. Haller und Harms, viel sachdienlicher in Ketten gelegt, aber noch besser von Dichtern gar im Feuer verflüchtigt. So weit hat nämlich schon jetzo der Deutsche es im Komischen gebracht und ist ein gemachter Mann in Flögels komischer Literatur; aber vollends nach fünf Jahren, wenn er so fortarbeitet, so darf sich jeder Deutsche, der Teukterer, der Brukterer, der Usipeter, der Cherusker, der Sigamber, der Friese, der Chauke, der Jüte, der Marse und Marsate, oder wen sonst noch Adelung unter die germanischen Cimbern am rechten Rheinufer steckt, er darf sich sehen lassen auf der komischen Bühne. Denn ich schmeichle weder mir noch andern Schriftstellern, wenn ich schon jetzo die britischen sehr verschieden von unsern deutschen finde, indem ich jenen zwar wohl einen Scott und einen Byron zugestehen kann - welche mit sinnlicher, ja leidenschaftlicher Naturwahrheit darstellen und Feuer auf einem festen Erdboden anschüren, oder ihre Naphtha phantastischer Flammen aus einer Erdtiefe ziehen -, aber bei ihnen dafür jene deutschen Mystiker und Romantiker nicht aufzutreiben vermag, die uns ein ganz anderes und feineres Feuer ohne Boden geben, das sie in Funken aus den Augen drücken und schlagen, und welche wahrlich nicht spärlich in allen, sogar schlechtesten Taschenbüchern und Romanen ausstehen. Männer (worunter ich auch die Weiber mitzähle), welche, eben weil sie Ländern und Dichtern voll ursprünglicher Wärme und reichen Wachstums und Anbau durch Pflanzungen gar nicht ähnlich sind, desto mehr den Polarländern gleichen, die so zauberisch alle südliche Farbenglut und üppige Gestalten-Aussaat oben in einem kalten Himmel, ohne Wärme von oben, oder unten durch bloßen Nordschein vorzeigen, samt dem wunderbar untereinander knisternden Strahlen-Spielleben. - Kurz kühne Sterne erster romantischer Größe in ihren Romanen, welche sich wohl dem unvergeßlichen Kometen von 1811, dessen Kern nach Herschel zwar nur 93 Meilen, dessen Nebelglanzmasse aber 27000 Meilen betrug, gleichsetzen mögen .....

Hier bringt mich die Vergleichung auf meinen eignen, eben in Druck erscheinenden Kometen zurück, der etwa bloß dem kleinen, auch im Jahr 1811 erschienenen ähnlich sein mag, an welchem nichts groß war als der Kern. - Für ein besonderes Geschenk werd ich es übrigens von den sämtlichen Hevelischen Kometographen in den verschiedenen Rezensieranstalten ansehen, wenn sie hinter ihren Kometensuchern die Bemerkung machen wollten, daß der Schwanzstern erst sichtbar wird und noch manche Sternbilder zu durchlaufen hat, eh er seine Sonnennähe erreicht; denn früher können sie unmöglich die Elemente seiner Bahn berechnen, noch weniger auf einen außerordentlichen Schwanz aufsehen, der den halben Himmel hinunterhängt. Wie gesagt, ich würde die Bemerkung für ein besonderes Geschenk ansehen.

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