Jean Paul
Museum
I. Mutmaßungen über einige Wunder des organischen Magnetismus
eingestellt: 24.7.2007
Es ist ein wohltätiges Wunder, daß derselbe Magnet, welcher uns mit seiner Nadel die zweite Hälfte des Erdballs zeigte und gab, auch in der Geisterwelt eine neue Welt entdecken half. Schwerlich hat irgendein Jahrhundert unter den Entdeckungen, welche auf die menschliche Doppelwelt von Leib und Geist zugleich Licht werfen, eine größere gemacht als das vorige am organischen Magnetismus; nur daß Jahrhunderte zur Erziehung und Pflege des Wunderkindes gehören, bis dasselbe
zum Wundertäter der Welt aufwächst. Wenn schon die Kombinationen der Scheidekunst mit ihren greiflichen offenliegenden Körpern ietzo fast ins Ungeheure auseinanderlaufen, so daß jeder neugefundne eine neue Welt von Verbindungen mit den alten gebiert, weil jeder ein neuer Selbslauter ist, der mit den alten Selb- und Mitlautern ein neues Wörterbuch zusammen setzt: wie muß nicht der organische Magnetismus mit der unbestimmten Mannigfaltigkeit von geistigen und körperlichen Größen der handelnden und
der behandelten Naturen der Ärtze, welche hier zugleich Arzneien sind, und der Kranken, welche zugleich Selb-Ärzte sind - ferner mit der Mannigfaltigkeit der geistigen und körperlichen Einwirkungen der ändernden Zeiten auf Nervenkränklinge und Nervenärzte - endlich mit den anschwellenden Gebrauch-Verbindungen des Magnets, der Elektrizität und des Galvanismus samt so vielen noch unversuchten Reizstoffen, sogar ungleichartiger Kranken, wie muß nicht künftig der Magnetismus ein weites Weltmeer
aufbreiten, Woge an Woge, ohne Küsten, und nur durch Himmel und Sterne meßbar!
Man verzeihe dem Anfange eine zu warme Darstellung, welche man leichter bei dem Ende duldet und teilt; aber man bedenke, daß der Schriftsteller eben vom Ende herkommt.
Die Lehre des organischen Magnetismus erfuhr das gewöhnliche dreifache Schicksal aller, besonders der medizinischen Erfindungen, nämlich anfangs vergöttert, dann verstoßen, und endlich verstanden zu werden. In Berlin, wo früher
sogenannte Aufklärer dieses Neu- und Vollicht zugleich verfinsterten, leuchtet es jetzo herausgetreten aus der alten Wolke und der Greis Mesmer, welcher bisher in Einsamkeit an der Zeit den Mißbrauch wie die Verdrehung eines neuen Weltschlüssels verachten mußte, erlebt nun bessere Schüler und Rächer.
Wir wollen einige Wunder der Lehre, welche ihr den Eingang in die jetzigen Köpfe erschwerten, den sie ihr sonst in früheren Jahrhunderten gebahnet hätten, mehr in
Zusammenhang mit unserer angenommenen Natürlichkeit bringen, ob es gleich nur ein Wunder gibt, die Welt selber, und Wunder natürlich erklären nichts heißt, als sie zurückleiten ins Urwunder.
§2
Das Sehen
Das erste abstoßende Wunder ist, daß die Hellseherin (Clairvoyante) mit geschloßnen Augen und hinter doppeltem Tuche und hinter dem Rücken versiegelte Briefe lesen kann. Früher als das neue Wunder haben wir das alte aufzulösen, daß man durch
noch dichtere Körper, durch Glas, sehen kann, oder gar durch den dichten Diamant. Man denkt sich mechanisch Lichtstrahlen gleichsam als abgeschoßne Nadeln, welche auf der Netzhaut des Auges ein Bild ausstechen, und die zugleich tausend Pinsel und ein Kleingemälde vorstellen und immer das Gemälde fortmalen. Man glaubt es sich z. B. zu erklären, daß und wie der Geist ein Altarbild an der Wand erblickt, wenn man nachweiset, daß dasselbe als kleinstes Dosenstück auf der Netzhaut aufgetragen ist;
aber warum denkt man denn nicht daran, daß der Unterschied der Bildnähe und der Bildgröße kein Sehen desselben erklärt, sondern daß hinter dem Netzhautbilde erst die scharfe Frage über die mögliche Überfahrt des Bildes durch das Sehnerven-Paar und das Gehirn sich anfängt, weil sogar alle besten physiologischen Fahrzeuge der Überfahrt immer gleich weit von der Seh-Empfindung des Geistes sich halten müssen? -
Das Licht selber ist uns unsichtbar; denn sonst müßten wir Nachts den
Strahlenstrom erblicken, welcher von der Sonne vor uns vorbei auf den Vollmond zieht. Die scheinbaren Lichtstrahlen sind bekanntlich nur stärker beleuchtete oder weißere Körperstreife. Die Lichtmaterie, welche an einem trüben Tage durch die Luftschichten, durch die Wolkenschichten und zuletzt durch ein Stückchen Glas hindurch uns alle Gegenstände zeigt, vermag dies nicht mechanisch durch Poren zu tun, weil z. B. in einem Linsen-großen Glas oder in einem Luftkügelchen einer durchstochnen Karte,
welches alle einzelne Punkte des weiten halben Gesichtskreises durchgehen oder schauen läßt, in jedem denklichen Punkte Poren, also gar nichts da sein müßte, - sondern als eine Kraft, welche auf das Sehvermögen, wie die magnetische auf das Eisen, durch Zwischenkörper hindurch wirkt! Wozu nannt ich erst Glas, da ja stets die kleine Krystallinse des Auges alle unzähligen Farben und Umrisse einer halben meilenweiten Gesichtswelt ohne Ineinanderfließen und scharf geschieden und in jeder
augenblicklichen Achse-Richtung durch sich ziehen läßt? Aber ist das Sehvermögen auf die Augen eingeschränkt? -
Es entsteht Licht ja schon galvanisch, wenn Silber und Zink sich im Munde berühren, oder jenes in der Nase, dieses auf der Zunge. - Nach meiner besondern Theorie des Traums könnte ich auch die Blinden anführen, welche, wenn sie es durch einen Schlagfluß geworden, doch im Traume sehen. - So haben Magnetisierte zumal anfangs stätes Licht vor sich, aber ohne Gegenstände, und
sehen sich und den Arzt leuchten. - Besser ein Licht oder Leuchtvermögen wäre das Auge zu nennen, wie die Lichtentwicklungen nach Augendruck verrathen - nächtlich die Feueraugen der Raubtiere- die starke Erleuchtung, in welcher nach großem Erschrecken alle Gegenstände erscheinen.
Wodurch sieht nun die Hellseherin das körperliche Außen, wenn ihr das offne Auge mangelt? Wodurch lieset sie versiegelte Briefe, und wodurch erkennt sie Karten, blos auf die Herzgrube gelegt? Diese leichte
Frage wird erst zugleich mit der schwierigern beantwortet: wodurch sieht sie das körperliche Innen? Nach allen Berichten liegen den innern Blicken der Magnetisierten ihre Körper gleichsam wie Uhrwerke in Krystallgehäusen durchsichtig mit dem ganzen Lebens-Triebwerke aufgedeckt und aufgestellt da, mit den Blut-Strömen der Adern, dem Gezweige der Nerven, und sie sehen (nach Wolfart) von innen sogar ihr Auge und von innen ihr Gehirn vor sich und zergliedern sich selber lebendig vor dem
Zergliederer. Was erleuchtet das finstere bedeckte Reich der innern Glieder und das Gehwerk der lebendigen Uhr im Stundenschlagen, deren Räderwerk wir sonst nur im Stehen und abgelaufen zu sehen bekommen?
§ 3
Das Hören
Wollen wir vor dem Antworten noch das zweite Wunder, das
Hellhören, betrachten; denn die magnetischen Kranken hören nur den Arzt, auch mit verstopften Ohren, und die Musik nur, wenn er sie macht, fremde aber, so wie die
leisesten fernen Töne anderer, durch Verbindung mit ihm, aber keine unverbundne Person. Auch der Klang ist - so wie das Licht weder ein Fluß ist, noch ein Ätherzittern - gleicher Weise kein Luftzittern. In einem freien Flüssigen gibt es keine Fortpflanzung durch Linien, sondern durch Kreise; wie folglich im Äther keine geraden Strahlen- oder Feuerlinien, so können auch im Luftmeer keine sogenannten Schallstrahlen, d. h. Schallinien, sondern nur Schallkreise vorkommen. Nur der mechanische Wind
ist ein Strom, von Ufern gelenkt, aber nicht der geistige Ton. Aber diese Schallkreise erklären so wenig als Schallinien das Hören. Man male nur diesen lügenden Mechanismus - ein Materialismus in der Materie - folgerecht und deutlich aus: so muß man annehmen, daß in einem Konzertsaale in- und miteinander spielende Töne mehrer Instrumente und Singstimmen, welche alle ein Kunst-Ohr in
einem Nu vernimmt und unterscheidet, ihre Luftkreise oder Wellen auf einmal so schlagen, daß diese nicht
ineinander verwallen, aber doch alle zu gleicher Zeit ankommen - daß ferner alle diese Luft-Zitterungen durch eine Mauer, aus dieser durch einen langen Stock, den man als Resonanzboden an sie und an das Ohr anlegt, und endlich in die engen Schneckenwindungen des Ohrs und zuletzt in dessen Hörwasser unverworren ziehen, um mit allen den jetzo ins Engste gezognen Kreisen auf einmal den Hörnerven zu abteilenden Empfindungen zu erschüttern - - Was wären gegen diese Wunder des Mechanismus die Wunder
des Magnetismus! -
Chaldnis Staubgestalten auf dem tönenden Glase heben sowohl die Kreise als die Linien durch die regelmäßige Verschiedenheit ihrer geometrischen Bildung auf; denn eine schwankende Luftwelle kann so wenig als eine gerade Fortzitterung ein Dreieck u. s. w. zusammenlegen und gleichsam krystallisieren. Diese Gestalten sind nur Wirkungen einer Kraft, da keine sich ohne Bewegen zeigen kann; aber ließe sich denn aus bloß mechanischer Gewalt das tönende Beben einer ganzen
tausendpfündigen Glocke bei dem Berühren eines Metallstäbchens erklären, oder das Zerschreien eines festen Glases bloß bei verstärktem Antönen seines eigentümlichen Klangs? -
Man wende übrigens nicht ein, daß die Kleinheit des hörenden Mittelpunktes oder Fokus, so wie oben die des sehenden, auf falscher Wage zu hoch berechnet werde, da jede ja beziehlich und scheinbar sei, und da nach mir selber jeder Gegenstand wenigstens so groß, eigentlich aber größer existiere, als er unter dem
Vergrößerglas erscheine. Denn ich versetze: dann wächset aber auch in demselben Verhältnis der ohne das Glas große Gegenstand, und wenn die Krystallinse eine Peters-Kuppel wird, so wird die in Rom eine Mondkugel.
Es muß demnach eine andere Hörlehre geben als die gemeine; und auf diese andere leitet eben der Magnetismus, welcher dem Ich auf andern Hebwerkzeugen als auf Luftwogen und Gehörknochen das Ton-Geistige zubringt. Nicht bloß das Hören im Schlafe, der sonst alle Sinnenhäfen
sperrt, sondern, wie gedacht, das Hören (so wie Sehen) nur dessen, was der magnetische Arzt berührt, so daß z. B. Wolfarts Kranke kein Getöse, aber die leise in sich selber vertönende Mundharmonika vernahm, wiewohl mehr als inneres, nicht äußeres Tönen. - Verwandt ist damit die Erscheinung in Moses Mendelssohn, vor welchem während seiner Nervenkrankheit die am Tage gehörten Laute in der Nacht gellend wiederklangen.
Auch an den übrigen Sinnen deckt der Magnetismus neue Seiten auf,
indem der Geschmack und das Gefühl beide erstlich mitten im Schlafe, zweitens anders als im Wachen empfanden; im Schlafe findet der Geschmack das magnetisierte Wasser angenehm, und das Gefühl der unmagnetisierten Menschen kalt, und beide beides im Wachen umgekehrt. Über den Geruch und das Gefühl hat man wenige Erfahrungen und Versuche gemacht, vielleicht in der betäubenden Überfülle der Wunder, und auch weil der Magnetismus (wovon unten weiter die Rede sein wird) gerade die höheren Sinnen weit
mehr als die tieferen verfeinert und steigert.
§ 4
Über den höheren Sinnenkörper oder Ätherleib
Bisher hab ich mit den Beweisen, daß nicht einmal das unmagnetische Sehen und Hören sich aus den mechanischen Theorien erkläre, geschweige das magnetische, indem vielmehr das letzte zu einer anderen Theorie des ersten verweise, anzudeuten gesucht, daß unser Geist zuletzt durch eine ganz andere, höhere Körperhülle, als die äußerliche rohe ist, die sich mit ihren Gliedern selber
austastet, in den Bund mit Kräften kommt. Die rohe äußere ist nur eine Sammlung von immer feineren Hüllen oder Leibern, welche mit der äußersten unempfindlichen Haut (epidermis) und mit den nervenlosen Schmarotzer-Gliedern, den Haaren und Nägeln, anfängt und vom Fibern- und Aderngeflecht bis zum Nervenschleier geht. Aber warum wäre dieses noch fünfsinnliche mechanische Gewand das letzte? Warum soll den Geist kein dynamisches umgeben, gleichsam ein allgemeines Sensorium, das (wie der Gefühlsinn)
Sinnen verknüpft und begleitet? Schon Bonnet setzte in den Erdleib einen zärtern Auferstehleib für die zweite Welt, und Platner nahm dasselbe unter dem Namen »zweites Seelenorgan«, aber schon für die erste, tätig an. Wie, wenn wir nun schlössen - weil uns die magnetischen Erscheinungen dazu zwängen -, daß der eigentliche Ätherleib der Seele aus den magnetischen, elektrischen und galvanischen Kräften gebildet sei? Und zwar dies so, daß, so wie von der Gewalt des organischen Lebens alle
unorganische Teile, Erde, Wasser, Salze, zu einem neuen, ihnen unähnlichen Gusse verschmolzen, entkräftet und gekräftigt werden, daß ebenso die gedachten drei Kräfte sich unter der Gewalt des geistigen Lebens zu einer höheren Misch-Einheit verarbeiteten? - Denn woher kämen sonst, bei so vieler Verwandtschaft des organischen Magnetismus mit dem mineralischen und mit Elektrizität und Galvanismus, wieder Ungleichartigkeiten, als z. B. solche sind, daß die elektrischen Leiter, Wasser und Eisen, nach
Wienholt magnetische Isolatoren sind, Holz und Leinwand aber Leiter, daher ein Baum (nach Mesmer und Kluge), ungeachtet seiner leitenden Verbindung mit der Erde, magnetisch zu laden ist; - daß ferner Nichtleiter, wie Schwefel und Siegellack, so unangenehm wirken wie zusammengesetzte Metalle; - daß der Nichtleiter (nach Fischer) dem magnetisierten Kranken so gut elektrische Schläge gibt als das leitende Metall, und daß er zwar das strömende Feuer sieht, womit ihn die Finger des Arztes laden, daß
er aber (nach Gmelin, Heineken und Nasse) dem Elektrizität-Messer keinen Funken elektrischer Ladung verrät; - ferner daß der Kranke, zuwider allen körperlichen Ähnlichkeiten mit Magnetismus, Elektrizität und Galvanismus, sich selber durch Striche laden und durch Gegenstriche entladen kann - und daß, ungleich jenen, der Mensch unmittelbar ohne Berühren, von fernen, durch Deckbetten hindurch, durch Blicken und Hauchen zu laden ist - daß vollends jene drei Kräfte weder einzeln noch vereint bei
aller heilenden Erhebung des Körpers nichts zu jener Verklärung des Geistes vermögen, welche den organischen Magnetismus allein begleitet - und endlich, daß bisher die magnetischen Ärzte, besonders Hufeland, die galvanische Säule mehr als eine aufhaltende Sandbank für den Magnetismus gefunden denn als eine Siegsäule desselben? - Doch wozu aus dem tausendfachen im All eingewurzelten Wunderreiche der Menschennatur die abweichenden Umbildungen jener Dreikraft holen, da wir an einem einzigen Tier so
manche zeigen können! Der Zitterfisch fühlt (nach Humboldt) den Magnet nicht; gleichwohl ist Eisen ein Leiter seines Schlags. Er führt (nach Hunter) eine ihm eingebaute elektrische Batterie bei sich; gleichwohl werden (nach Humboldt) seine stärksten Schläge nicht vom elektrischen Größenmesser angezeichnet. Er treibt durch eine Reihe aufeinander liegender Zitterfische seinen Blitzschlag hindurch, aber ohne auf diese zu wirken, indes ein elektrischer Funke die Menschenkette schmerzlich
durchfährt.
Nur noch eines! Wenn bekanntlich Unterbindung einem Nerven die Empfindung unterhalb des Verbandes abschneidet: so muß in ihm etwas anderes gehemmt und unterbrochen werden als ein elektrischer oder ein galvanischer Fluß, da dem einen wie dem andern bei seiner Feinheit keine roh-mechanische Verengung sein Bett und seinen Zusammenhang mit dem Gehirn entziehen könnte; so wie hier auch der Schmerz des Unterbindens nichts erklärt, weil er sonst eben so gut oberhalb des Verbandes
die Empfindung binden müßte. Noch könnte man sagen: der Nerve stirbt, ungleich andern Körperteilen, am Hunger eines Augenblicks und erträgt keine, auch kürzeste Entbehrung des nährenden Gehirns; aber dann ist Nahrung, die dem Nerven mechanisch abzuschneiden ist, noch verschieden von dem Nervengeiste, welcher im Darben entweicht.
Warum will man die Seele als die höchste Kraft nicht als das stärkste Verbind- und Zersetz-Mittel (Menstruum) der feinern (den tiefern Kräften unauflösbaren)
Stoffe, wie Elektrizität, Magnetismus, Licht und Wärme sind, annehmen? Wenn die Seele in Krankheiten schon rohere Stoffe, wie Blut und alle Absonderungen, mit solcher Gewalt angreift, umarbeitet, umkocht - und zwar dies nur mittelbar auf dem Umwege durch Nerven -, soll sie, da doch die mittelbare Reihe zuletzt mit einer unmittelbaren schließen muß, auf welche sie ohne Zwischenkräfte zuerst einwirkt, nicht die unmittelbaren am stärksten verändern, verwandeln, sich aneignen
können? Wo soll aber hier die Stärk- und Trennkraft des Geistes aufhören, der schon z. B. bei Heben der Lasten keinen Hebel zu vergrößern braucht als seinen Entschluß? Übrigens kann uns das ursprüngliche Wesen des nächsten oder konzentrischen Kraft-Kreises, der den Mittelpunkt Seele umzieht, nicht bekannt werden, weil er uns erst nach ihrer Einwirkung und Veränderung bekannt wird. Kann es nicht ein Wasser geben, uns ewig unkenntlich, weil es nur als Eis, als Nebel, als Dampf, als Schnee, als
Wolke erscheint, und nie als Wasser?
Nur stelle man sich den erwähnten Ätherleib nicht mit grober Vergleichung vor, gleichsam als das letzte engste Seelen-Futteral mit eingebohrten Sinnenlöchern für das eingesargte Ich. So wie Licht und jede Kraft, so muß eine organische Verschmelzung jener unorganischen Kräfte alle geometrischen Formen ausschließen. Sie wird unsern schweren Leib zugleich durchdringen und umschweben, eine weiche Flamme, welche den dunkeln Leib-Docht umfließt und
durchfließt. Oder in einem andern Gleichnis: der Erdleib ist nur die Topferde, worin der Ätherleib, als Blume wurzelnd, außer ihren tiefern Säften auch Licht und Luft einsaugt.
Letztes weiset uns noch auf etwas Neues hin. Es wird nämlich von Reil und Humboldt schon dem groben Leib eine sogenannte »sensible Atmosphäre« zugeschrieben (so wie jeder Körper eine elektrische um sich hat), und den warmblütigen Tieren eine von einer halben Linie, und den kaltblütigen eine von einer
fünfviertel Linie Entfernung, in welcher Metalle auf unberührte Nerven und Muskeln galvanisch wirken. Der hoch- und scharfsinnige Reil hatte diese Fernwirkung früher unter dem Namen »Nervensphäre« verkündigt. Mit dieser Nervensphäre wollen die meisten Erklärer die magnetischen Wunder umschließen. Aber ist diese Sphäre mit den Nerven, wie notwendig, gleicher Natur: so kann sie nur leisten und tun, was diese; aber keine magnetischen Wunder. Hingegen muß der wahrscheinliche Ätherleib, welcher diese
verrichtet, dann auch seine Fühl-Umweite haben, und niemand kann die flüssigen Gränzen und Außenlinien dieser organischen Kräfte abmarken. Wird denn der eine Nervengeist am Ende des bewegten Muskels vernichtet, anstatt weiter zu gehen, oder der andere am Anfange des empfindenden Nerven gefangen bewahrt; und ist dies unmöglich, und umgibt sich schon das Geruchkörnchen mit einem kleinen Weltkreis von Luft: so lasse man nicht durch die rohen Körper, welche sich zu einer festen Ruhe zusammenziehen,
den Blick über die feineren irre werden, welche, wie Wärme, Elektrizität, Luft und Licht, ihre eigne Form nicht behaupten, sondern vielmehr bekriegen und keine Schranken ihrer Umbreitung und Verstreuung kennen als die Unendlichkeit!
Nimmt man also für den Ätherleib auch eine Ätheratmosphäre an, wie für den Erdleib eine »sensible«: so sind damit viele magnetische Wunder, wenn nicht erklärt, doch einstimmig. Rechnet man noch dazu, daß dieser Ätherleib mit seiner Fühlweite doch eben so
gut in seinem Elemente leben muß wie der Vogel und der Fisch in dem seinigen, und daß es am Ende ein feinstes Element, als das letzte, geben müsse, das alle übrigen Elemente umschließt und nicht bedarf: so wäre wenigstens der Spielraum angewiesen, worin der magnetische Arzt und der Kranke mit ihren Ätherkörpern (wie in der Ehe die Erdleiber sogar zu neuen Schöpfungen) so zu organischen Mitteilungen und Schwächungen ineinandergreifen. Denn nicht nur der Magnetarzt und seine Kranken leben nun
miteinander so sehr in einem gemeinschaftlichen Körper fort, daß diese seine eingenommenen Arzneien und seine Krankheiten teilen - nicht nur kann der magnetische Arzt wieder den Gesunden, der ihn berührt, mit sich und den Kranken in einem Ätherring auffassen, sondern mehre gemeinschaftlich magnetisierte Kranke leben (nach Wienholt) in ihrem Hellschlummer verbunden, sprechend und freudig neben- und ineinander, und jede befestigt mit ihrem Schlafe nährend den Schlaf der
andern; ja Mängel, wie Vergeßlichkeit, Harthören, Trauer, gehen vom Arzte und von der Mithellseherin in die Hellseherin über, und endlich denkt diese die geheimen Gedanken des Arztes mit, obwohl er nicht ihre.
Die Arten des Einwirkens auf die große organische Kraft-Dryas können uns weniger irren als leiten. So ist z. B. das Streichen dem metallischen Magnetisieren ähnlich, auch dem Elektrisieren, das Schütteln und Spritzen der Fingerspitzen mehr dem letzteren; das Anhauchen dem
Galvanisieren. Wenn übrigens nach Schellings Bemerkung die gerade Linie das Schema des Magnets, der Winkel das der Elektrizität und das Dreieck das des Galvanismus ist: so könnte der Kreis oder vielmehr das Eirund (da es überhaupt die Urgestalt organisierter Körper ist, und schon das Wort Ei-Rund sagt es) das Schema des organischen Magnetismus sein; und die Handbewegungen des Arztes folgen ja meistens eirund oder elliptisch (langkreisig) den ähnlichen Nervengängen.
Wenn
der magnetische Arzt in den Kranken sowohl die nervenmagnetischen als die geistigen Kräfte höher steigert, als seine eignen sind: so läßt sich das nicht bloß daraus erklären, daß dieser fremde Ätherleib durch Krankheit des Erdleibs mehr entbunden und also des Geistigen empfänglicher ist, so wie die zurückkehrende Gesundheit des Erdleibs wieder den ätherischen einkettet, sondern auch am mineralischen Magnete erscheint etwas Ähnliches, insofern er mehren abgesonderten Eisenstücken eine im
Ganzen genommen größere Ziehkraft anstreicht, als er selber allein besitzt. Überhaupt entziehen Kräfte nach dem Maße ihrer geistigen Annäherung sich allen Rechnungen mechanischer Körper; Spallanzani befruchtete Eier mit Froschsamen, von einer Wassermenge verdünnt, die ihn an Gewicht 2880 mal übertraf. Ebenso muß das winzige Saft-Tröpfchen des männlichen Blumenstaubs anfangs durch lange hohle, und endlich durch dichte verschloßne Gänge auf die Samenkörner belebend durchwirken.
-
Wie der magnetische Schlaf Heilung ohne Verhältnis des Arznei-Aufwandes, so bringt schon der gemeine Wiederstärkung ohne Verhältnis des Zeit-Aufwandes (z. B. der nachmittägige von einigen Minuten), und der Totenschlaf der an Pest, Schlagfluß oder Nervenschwäche Scheingestorbenen beschert volle Genesung von vorher unheilbarer Zerrüttung bloß durch Aufwand von drei tauben, blinden, todkalten Tagen.
§ 5
Gegen die neuere Rätsellösung durch das Nervenknoten-System; samt Aufstellung mehrer Rätsel
Bekanntlich sonderten Hufeland zuerst und Reil noch bestimmter das Nervensystem in zwei Systeme ab, in das der Nerven aus dem Gehirne (Cerebralsystem) und in das der Nervenknoten (Gangliensystem). Das letzte, nur ein Nachbar, nicht ein Kind des Gehirnes, schließt das Rückgrat in einen Langkreis (Ellipse) von
Knoten ein, deren Nerven ungeregelt sich zerstreuen und sich verknüpfen und verknoten, indes die Gehirnnerven paarweise und gesellig-geregelt laufen. Die Nerven des Rückenmarks entziehen sich desto mehr dem Gehirne, also dem Empfinden und dem Willen, durch je mehre Knoten, gleichsam kleinere Föderativ-Gehirne, sie ziehen. Sie fröhnen und liefern - wenn die Gehirnnerven dem geistigen Leben zum Empfinden und Bewegen gehorchen - nur dem Wachs- oder Pflanzenleben der Eingeweide und Gefäße. Am
stärksten beherrscht ein Rosenkranz von Nervenknoten (unter dem Namen Sonnengeflecht oder plexus solaris in der Gegend der Herzgrube) gleichsam als ein Sonnensystem das ganze Gedränge der ihm entsprießenden Nerven des Halses, Schlundes, Herzens, Zwerchfells, Gekröses, der Gedärme. Zwischen diesem Untergehirn (cerebrum abdominale) und zwischen dem Hauptgehirn ist der sympathetische Nerve die Brücke, oder vielmehr die Ziehbrücke, indem er, als ein Halbleiter, zuweilen ein Nichtleiter, zuweilen ein
Leiter entweder des übermächtigen Pflanzenlebens (wie im Schlafe) wird, oder des übermächtigen geistigen Lebens, wie in Krankheiten, die der Gedanke entweder gibt oder wegnimmt.
Der organische Magnetismus soll nun in einer hergestellten Gütergemeinschaft zwischen dem Haupt- und dem Untergehirn, oder dem Gehirnnerven- und dem Nervenknoten-System bestehen.
Gegen dies sind zwar nicht anatomische, aber doch physiologische Einwürfe zu machen. Die Zwickmühle des Überschlagens
bald des einen, bald des andern Systems gibt der Erklärung zuviel Spielraum der Willkür. Wie wir nicht willkürlich Nase und Ohren bewegen können, aber nur aus Mangel an Übung (denn manche vermögen es doch), so können wir auch aus derselben Ursache nicht das Herz regieren, dessen Schlag doch einige in der Gewalt hatten. Wenn der Schlund und das Gedärme dem Gehirne keine Empfindungen der durchgehenden Speisen (ausgenommen an beiden Pforten) zubringen: so zeigt uns gleicher Weise z. B. das zarte
Auge den Hauch der Luft nicht an, so sehr denselben doch eine nackte Wunde spürt; aber kann dies von etwas anderm als von der Reiz-abstumpfenden Gewohnheit herkommen, da der Schlund ja brennendes Getränke, das Gedärme Gifte empfindet, und da in diesem eingebildete Abführmittel zuweilen wie wahre anregten?
- Ich will als eine Vermutung für engere Ineinandergreifung beider Systeme nur zweifelnd den Umstand anführen, daß das Gehirn, welches (schon im Kinde nach dem dritten Jahre so groß
wie im Erwachsenen) als die Mutterzwiebel erst Stamm und Sprößlinge des Rückenmarks treibt und zugleich Ernährer und Kostgänger desselben wird, schwerlich ohne dynamischen Bund damit gedenklich sei; mehr aber entscheidet die Beobachtung der Gegner gegen sie selber, daß in den tiefern Tiergattungen das Nervenknoten-System das versagte Gehirn vertrete; denn da dem dürftigen Hausgeist und Schattengeiste des Gewürms der Nervenknote so gut wie ein Gehirn Empfindungen zuführt: so sind beide schon ohne
Magnetismus wirk-verwandter, als man annimmt. -
Wer das stärkende Vorheben des Untergehirns (der Herzgrube) über das Hauptgehirn oder das freiere Einfließen der Nervenknoten auf die Gehirnnerven zum Kennzeichen des Magnetismus macht, hat die Frage zu beantworten, warum dieser bloß die höhern Sinnen am meisten steigert. Die Magnetisierten umschwebt geträumtes Licht, aber keine geträumten Gestalten; Traumtöne kommen nicht zu ihnen, aber die leisesten wirklichen; Geruch, Geschmack,
Gefühl hingegen erfahren keine verhältnismäßige Erweiterung, so wie auch der Traum uns lebhaft unsere höhern Sinne und schwach die tiefern vorspielt. Noch seltsamer ist es, daß auf dem Gebiete der Geschlechtnerven, an welches doch das Nervenknotenreich nahe anstößt - und bei dem weiblichen Geschlechte so sehr, daß man neben dem cerebrum abdominale noch ein cerebrum uterinum annehmen könnte -, keine Veränderungen, wenigstens keine Verstärkungen vorfallen. Denn das wiegende Wonnegefühl, in
welchem Magnetisierte zu schwimmen glauben, stößt so weit jede rohe engere Sinnenlust von sich weg, daß nicht nur die Liebe der Hellseherin ein höheres allgemeines, gleichsam Engel und Schwestern zugleich umfliegendes Lieben wird, sondern daß die Gegenwart eines Unkeuschen weit mehr als die jedes andern, sogar größern Sünders peinlich stört und bis zu Krämpfen zerfoltert; noch mehr vergiftet der Magnetarzt selber durch jeden unreinen, ja nur freien Gedanken die Kur; und Kluge erzählt, daß ein
Arzt durch den bloßen Versuch eines unschuldigen, sonst im Wachen unverbotenen Kusses die Kranke in Marterzuckungen und in eine endlich tödliche Unheibarkeit zurückgestürzt. In dieser Nähe wird der andere Seelen- und Körperschmerz desto moralisch-schöner, welchen die Hellseherinnen über das kleinste Zürnen und Weniger-Lieben des Arztes empfinden ... Hier könnte man sich wohl besinnen, um der magnetischen Heilkraft eine höhere Sphäre einzuräumen, als die irdische der gemeinen Erreg-Potenzen ist,
welche, z. B. die Arzneien, Weine und dergleichen, zugleich mit den geistigen Kräften zwar die körperlichen herstellen und verdoppeln, aber nicht immer die sittlichen, sondern jene zuweilen auf Kosten der letzten.
Wenn nach allen bisherigen Erfahrungen die Herzgrube (als Sonnengeflecht und Mittelpunkt der Nervenknoten) gleichsam die Fundgrube und delphische Höhle der meisten magnetischen Sinnenwunder ist, so daß das bloße Ausstrecken beider Daumen gegen die Herzgrube das ganze
Nervensystem durchgreift und umwälzet; wenn sie bei den nur ihr nahe gebrachten Farben und Tönen etc. die Stelle des Auges und des Ohrs etc. vertritt: so will ihr Kluge gleichwohl nur ein Gemeingefühl zuschreiben, welches von Tönen, Gestalten, Gerüchen etc. nicht sowohl Anschauungen bekomme - zu welchen die bestimmten Sinnenwerkzeuge unentbehrlich seien - als bloße »Notizen« oder Erinnerungen von den schon aus frühern Anschauungen gekannten Gegenständen; nur daß der Magnetisierte dieses
»Notiz bekommen« durch das Gemeingefühl, getäuscht von der Erinnerung, für Empfindungen bestimmter Sinnen ansehe und also das erinnernde Fühlen für gegenwärtiges Sehen, Hören u.s.w. nehme. Dagegen aber streitet die Tatsache, daß das sogenannte Gemeingefühl im Magnetismus ja von jeder gegebenen Gegenwart bestimmt und individuell umrißne Gestalten, Worte, Farben gewährt und also nicht vorige aufweckt, sondern neue darbeut. - Und ist denn das helle Einschauen einer Hellseherin
in das verwickelte körperliche Geflecht und Gebäu kein jetziges Anschauen, sondern nur eine Notiz von frühern Anschauungen, wenn gleichwohl - wie Kluge selber die Beispiele anführt - der Hellseherin sowohl frühere anatomische Anschauungen als Kenntnisse von allen den Nervengewinden und Farben mangelten, die sie doch in der Krise richtig zu bezeichnen weiß? -
Nach allem diesen scheint es, daß man (wie ich oben) einen ganz andern, höhern Sinnenkörper als den gemeinen, mit dem
mechanischen Nervenknoten- und Sinnen-Besteck versehenen vorauszusetzen habe. Übrigens ist die Erklärung, welche den Magnetismus für ein neues Verteilen und Überleiten des Nervengeistes an das Nervenknoten- und das Gehirn-System ansieht, von einer unrichtigen rohen Ähnlichkeit mit dem mechanischen Streichen der Elektrizität und des Magnetes geblendet. Welche Ähnlichkeit hat mit dem scharf polarisch bestimmten Streichen des Magnets die Hand- und Fingerhabung des Magnetismus (Manipulation),
welcher durch Kleider, Bettdecke, Luft und Ferne hindurch Kräfte mitteilt? Wie kann eine nicht berührende Bewegung einwirken, oder gar verfliegenden Nervengeist treffend von weitem bestimmten Zielen zutreiben? Die vorgebliche Einwirkung der den Lauf der Nerven verfolgenden Berührung fällt bei einem Magnetisieren aus der Ferne von selber weg, so wie bei dem Gebrauche der magnetischen Wasser, der magnetischen Platten u. s. w., am meisten aber dann, wenn schon Blicken und Wollen (mit welchem die
Schule der Spiritualisten allein ihre Wunder tat) bloß durch Augen und Seele Heilkräfte eingießen. - Allein wozu denn überhaupt körperliches Außenwerk (Manipulieren), wenn bloßes Denken und Wollen zur magnetischen Verklärung ausreicht? kann man fragen. Aber wie, wenn überhaupt die körperliche Bewegung die geistige Heilkraft des Willens durch ihr Begleiten nur mehr auf eine Linie fester hinhalten und erhöhen sollte? Denn die Bewegung allein, ohne Glauben und Vorsatz, oder gar mit
Zweifel, wirkt (wie Kluge sich selber als Beispiel anführt) durch den besten magnetischen Arzt nichts. Die halbe Ähnlichkeit des elektrischen und magnetischen Ladens und Entladens, nach welcher die obige Erklärung das magnetische Heilen in eine gesunde Gleichteilung des Überflusses und des Mangels an Nervengeist bestehen läßt, hat ja die große Unähnlichkeit gegen sich, daß hier nicht, wie in der Elektrizität, ein Nichtleiter den Nichtleiter streicht, sondern zwei Leiter einander, und daß nicht,
wie bei dem Magnet, ein Magnet das unmagnetische Eisen, sondern zwei Magnete einander. Will man lieber zwischen Arzt und Kranken Ähnlichkeit mit dem Verhältnis zwischen positiver und negativer Elektrizität oder nördlicher und südlicher Polarität annehmen: so käme ja durch deren ausgleichende Mitteilung keine Verstärkung, sondern nur Indifferenz zustande.
Da wir einmal im Gebiete der Fragen mehr als der Antworten sind: so wollen wir noch einige und auch solche aufwerfen, welche sich
nicht auf die Widerlegung der obigen Erklärweise beziehen. Warum gibt dem magnetischen Arzte der aufhebende Gegenstrich nicht die Kräfte zurück, die er durch Striche weggab? - Wie verträgt sich das gegenseitige Mitteilen von Krankheiten und Arzneiwirkungen zwischen Arzt und Kranken mit der Annahme einer Über- und Ableitung des reichlichern Nervengeistes? - Wie kann der übergeleitete Nervengeist im Kranken größere geistige Wunder tun als vorher im Arzte? Und wie kann ein Gegenstrich sie
vernichten? Oder wie kann wieder umgekehrt die Schlaftrunkenheit des magnetischen Zaubertranks zuweilen mehre Tage anhalten und sich nicht durch Erwachen, sondern nur durch gemeines Einschlafen unterbrechen? - Wie kann eine Hellseherin in ihrem Schlafe eine andere Hellseherin im ihrigen noch kräftiger magnetisieren als der Arzt selber, von welchem sie doch nur die Kraft-Trägerin ist? -
Gmelin glaubte sich magnetisch verstärkt, wenn er sich auf einem Pechkuchen elektrisch
isolierte; aber könnt er hier nicht Mesmers Täuschung wiederholt haben, der eine Zeitlang den Eisenstäben die Wirkkräfte zuschrieb, welche bloß seinen Händen angehörten? Denn wie könnte sonst Siegellack und Schwefel - also die Gleichkörper des Pechs - die Hellseherinnen stören und schmerzen? -
Am meisten zerschnitten liegt der Ariadnens-Faden umher, wenn man durch die Dunkelheiten des Selbermagnetisierens und des Selberweckens hindurchkommen will. Nur der Gedanke knüpft den Faden
wieder zusammen, daß der Wille, also der Geist, der wahre Archäus, die natura naturans des Magnetismus sei, und daß folglich, wenn dieser fremde Geist aus dem Arzte mächtig in die Hellseherin einwirkt, ihr eigner ja auch in sie selber oder ihren Ätherkörper unmittelbar eingreife. - Lange Zeit tröstete sich der Verf. dies mit der Hoffnung, daß vielleicht irgendein Philosoph durch einen besonderen glücklichen Zufall für die Wissenschaften nervenschwach und kränklich genug werden würde, daß ihm
nicht anders zuhelfen wäre als durch einen magnetischen Arzt; eine solche Weltweise würde, dacht ich, wenn zu seinem philosophischen Hellsehen noch das magnetische käme, uns alle Fragen, sobald man sie ihm in seinen Krisen vorlegen wollte, leichtlich lösen und eben den Zustand am besten erklären und ableiten, worin er selber wäre, da sogar schon Hellseherinnen ohne Philosophie und Anatomie beide letzte bereichern.
Mit dem Vergnügen einer wissenschaftlichen Hoffnung las ich daher
unlängst, daß ein vieldenkender Kopf in B. sich der magnetischen Heilung unterworfen. Aber später hört ich, daß er nicht nur im Wachen den Vorsatz gefaßt, keine andern Fragen als die über seine Heilmittel im Schlafe zu beantworten, sondern ihn auch im letzten gehalten. - Indes führt selber wieder dieses Beispiel auf die Gewalt des Willens zurück, welchen wir oben für den eigentlichen Leben- und Nervengeist des Magnetismus anerkannten.
Das Setzen in »Rapport« ist ein Rätsel,
das vielleicht Rätsel löset. Die magnetische Einkindschaft erfolgt bekanntlich bloß durch mehre Striche von der Stirne bis zu den beiden Daumen, nicht etwan aber (wie man nach der vorigen Nervenknoten-Erklärung vermuthen sollte) bis zum Sonnengeflecht herab. Seltsam genug! Der Hellseherin ist sonst jeder Zwischenmensch zwischen ihr und Arzt widerwärtig, erkältend, entkräftend, aufhebend. Alles dies wird durch einige Striche in bleibendes Gegenteil umgewandelt. Ist es nicht, als würden die
Menschen aus einem unmagnetischen Medium in ein neues luftweiches magnetisches hineingezogen? Wie es einen länderbreiten Pestdunstkreis gibt, welcher alles sich ähnlich, nämlich zu Leichen macht: so steht hier ein Ätherkreis entgegen, der alles beseelt und wärmt und zu einem Leben verschmelzt, so daß hier, so wie dort ein berührter Mensch, ja Brief und Wollenzeug ansteckt, hier gemeine Sachen, welche der Arzt nur berührt hatte, magnetisch einschläfernd auf die Hellseherin wirken.
Ich erinnere nur flüchtig noch an die Kraft, menschlicher Berührung, welche sich am Gelde zeigt, das der Hund seinem Herrn aus dem Wasser holt, ferner an dem Auswittern von dessen Fußspuren unter tausend andern auf meilenlangen Wegen - ferner an Eiern und Vogeljungen, welche nach einer menschlichen Berührung von den Alten verlassen werden - an vielem Lagerobst, welches verdirbt, von nackten Händen gepflückt.
Noch gehört der bestätigende Umstand her, daß der magnetische Arzt, der durch
Berühren lädt, selber durch Anfassen mehr zum Laden geladen wird. Warum machte man aber nicht den Versuch, durch recht viele anfassende Verstärkmenschen den Arzt gleichsam zu einer magnetischen Leidner Batterie zu laden?
Noch einmal ziehe uns die große magnetische Erscheinung mit ihrem vollen Lichte vorüber, daß aus keinem gemeinen Körperlichen sich das Geistige erkläre, welches im Magnetismus vorherrscht; nicht die sittliche Läuterung und Reinheit, die schärfere Reizbarkeit für alles
Moralische und die Liebe alles Edeln; und nicht das wunderbare Einschauen des Kranken in des Arztes Herz und Kopf. Mehr auffallend als das bis zu lebensgefährlichen Krämpfen gesteigerte Erfühlen unsittlicher Menschen und Neigungen ist das des Arztes Denken begleitende Mitdenken; wodurch wirklich die Annahme zweier Seelen in einem verschmolzenen Ätherleib fast erzwungen wird. Auch die Beobachtung Wienholts, daß stumpfe, dumme Seelen des Magnetismus nicht empfänglich sind, hilft hier
bestätigen.
§ 6
Über das Eisen
Ewige Nacht liegt nach der magnetischen Ansicht noch auf den Metallen, besonders auf dem Eisen. Gold und (im geringern Grade) Silber fließen nach Gmelin erfreuend auf die Kranken ein, nach Kluge und Wolfart unerfreulich, und dieser muß sogar den Goldring abziehen; unedle Metalle hingegen peinigen; nur aber wieder über das Eisen ist Widerspruch. Eisen, obwohl sonst elektrischer Leiter, ist doch magnetischer Nichtleiter, wie Glas.
Wolfarts Hellseherin rief bei dessen Nähe: »Welche häßliche Empfindung!« Gleichwohl ließ die Mesmerische Schule bekanntlich gerade auf Eisenstäben, durch ihr Richten und durch Berühren, den Magnetismus in die Kranken ziehen; ja Stahl und Eisen erfreuen nach Gmelin und Heineken wie Gold; und die Kranken Tardis sahen das aus dem Arzte sprühende Magnetfeuer nicht durch Siegellack und Kupfer (Nichtleiter und Leiter), wenig durch Silber und glänzend durch Gold und Eisen gehen. Im Eisen durchschneiden
sich, wie in einem Mittelpunkte, so viele Kräfte und Erscheinungen, daß erst vielartige Versuche es in reiner Wirkung aufdecken können; hält doch Schelling alle Materien nur für Umgestaltungen des Eisens. Es bildet im Galvanismus den entgegengesetzten Pol - am Zitterfisch ist es, wie gedacht, Leiter, am Magnetisierten Nichtleiter - die vom Veits-Tanze geschwollnen Muskeln erschlafft sogleich dessen Berühren - den ganzen Aal entmannt ein Eisen, auf den Kopf gelegt. - Dazu kommt noch das Eisen
im Menschenblute selber, das nach Menghini 2 Unzen, 7 Drachmen, 1 Skrupel ausmacht, und welches, was noch wichtiger ist, von ihm nicht erst aufgenommen, sondern selber erschaffen wird; denn bloß eingenommenes Eisen geht unvermindert wieder ab, und sogar in den Nährmitteln kommt es nur selten und zufällig in uns; auch warum sollt es unserem Bau schwerer zu schaffen fallen als Soda, Schwefel und Ammonium? - Aber warten wir nur den Reichtum der Zeit und des Zufalls ab! Wir werden schon den
Kiesel finden, aus welchem das Eisen das Licht für uns schlägt.
§ 7
Magnetisieren durch Anblicken
Leichter erklärt sichs, daß der Magnetiseur durch bloßes Blick-Heften (Fixieren) magnetisch einschläfert; denn das Auge, das schon den Gesunden mit Liebe, Kälte Zorn, Geist, Dumpfheit anspricht, ohne daß alle diese verschiedenen Blicke in mechanische Verschiebungen und Befeuchtungen der Augenhäute aufzulösen sind,
muß noch leichter ins Geistige eingreifen als die geistlosen Finger, welche doch mit fernen Bewegungen magnetisch das Innere füllen. Zuerst: die Hellseherin sieht Feuer aus den Fingern strömen; aber aus den Augen strömt dieses schon ohne Magnetismus bei Menschen und Tieren. Das Auge ist eigentlich der Kleinleib der Seele, ihr ätherischer Wohn-Mond neben der erdigen Gehirnkugel; daher die meisten Gedanken Gesichte sind, nicht Gerüche und Getön. Gerade um das Auge wird, wie oben gedacht, vom
Magnetismus der reichste Zauberkreis gezogen. Umso mehr begreift sich die magnetische Gewalt des Anblicks. Nach Esquirol erfaßt den Wahnsinnigen nichts so mächtig als scharfes langes Anblicken. Bloßes starres Ansehen macht Kinder weinen, kleine Hunde furchtsam, große wütig. Bringt nicht sogar der Tiger durch bloßes Anstarren alle scheue Tiere, besonders Hirsche und Pfauen, zum Stehen, und ziehen nicht die Stechaugen der Klapperschlange den geängstigten Raub in ihren Rachen, ja sinken nicht
sogar die Affen vom Baum den unten liegenden anstarrenden Krokodilen zu? Woher der Glaube der Griechen und Römer an den giftigen Einfluß gewisser Augen? Sogar getötet sollen Menschenblicke haben.
§ 8
Magnetisieren durch Wollen
Auch an der Erscheinung, daß der magnetische Arzt durch sein bloßes Wollen, ohne äußeres Körpermittel, den Kranken einzuschläfern vermag, läßt sich, der Wundernebel zerteilen oder wenigstens dem andern Wunder
nahebringen, welches Menschen und Tiere täglich verrichten. Hebt der bloße Wille den Arm und die Last an ihm empor: so glaubt ihr das Wunder aufzulösen durch die Nerven, auf welche, als auf Körper, der Wille als Geist einwirkt und dadurch auf die Muskeln, als ob Geist oder Wille nicht überall gleich wunderbar weit von der Materie abläge oder abflöge. Hat man aber das Wunder des Willens, welcher Körper bewegen kann, überwunden: so ist es auch keines mehr, wenn der magnetische Arzt durch den
Ätherkreis, der ihn mit dem Kranken gleichsam in einen Leib einschließt, bloß wollend und denkend diesen körperlich bewegt und beherrscht. Gibt doch der Zitterfisch durch bloßes Wollen dem Feinde in der Ferne durch das Wasser den Schlag, ohne Zwischenkörper, die ohnehin kein Fortpflanzen der Wirkung erklären, weil sie selber ihr Empfangen einer Wirkung nicht erklären.
Schon in der ganz gemeinen Erfahrung tut der Wille sein Vermögen, ohne Muskeln zu bewegen, kund, daß wir ein
auf den beiden ungeregten Zeigfingern hängendes Eisen, z. B. einen Schlüssel, durch bloßes Wollen in Drehung oder in Ruhe bringen können. Der Wille ist die dunkelste, einfachste, zeitloseste Urkraft der Seele, der geistige Abgrund der Natur; alle Vorstellungen sind mit körperlicher Begleitung und Bedingung verknüpft; aber den Willen, der jene erst schafft, find ich von keiner bestimmten Körperlichkeit bedungen, wenn ich ihn weder mit Begehren noch mit Handeln vermengen will. Der Wille bedarf, um
sich zu steigern, nichts Äußeres, sondern nur sich, eine wahre Schöpfertat. Er kennt auch keinen äußern Widerstand; denn der Wille ist schon vollendet, noch eh ein Widerstand eintritt, der ihm die körperliche Erscheinung im Handeln wehrt.
§ 9
Der magnetisierende Spiegel
Die magnetische Wirkung des Spiegels schreibt Mesmer einem Zurückbrechen oder Zurückprallen der magnetischen Materie zu. Bei Wachseherinnen ließe die Sache sich zum Scherz gern
einräumen aus Wahrheitsliebe. Könnte man ihn aber nicht einer Glasflasche magnetisierten Wassers ähnlicher finden, insofern das Spiegel-Glas die magnetisierte Quecksilberfolie vor Ableitung bewahrte? Daher zeigt zwar ein Spiegel, den der Arzt vorhängt, wohltätige Kraft, aber ein freihängender (nach einem Beispiel von Kluge) übeltätige.
Wenn nach Kluge (S. 183) das Magnetisieren des Krankenbildes im Spiegel wirklich den Kranken selber in Krise versetzt: so ließe sich dies leicht aus
der sinnlichen Kraft erklären, womit das Bild sowohl den Willen des Arztes festhält und belebt, als die Empfänglichkeit des Kranken verstärkt.
§ 10
Das magnetische Wasser
Die große Einwirkung desselben läßt sich erklären, ja leicht künftig verstärken. Wasser ist das Öl aller Sinnenräder; erst Wasser liefert sogar dem Ohre die Töne ab und der Zunge den Geschmack. Es ist ferner so sehr gleichsam die elektrische Belebung des Geistes, daß nach
Sömmering das Gehirn talentreicher Menschen viel Wasser, und das Gehirn der Cretinen keines enthält, und daß nach ihm und Gall kopfwassersüchtige Kinder ungewöhnliche Kräfte des Geistes verraten, welcher letzte als Wort in der Sprache nach Klopstock von Gießen abstammt. Auch ist die Frage, ob die Bäder mehr durch ihre oft sogar entgegengesetzte Temperatur heilen und stärken als durch ihre Lebenluft, welche nach Humboldt dem Luftkreise gerade am meisten aus dem Wasser zuströmt. - Wenn
Wienholt dem unmagnetisierten Wasser nachsagt, daß es der trinkenden Hellseherin Gaumweh und Krämpfe gebe: so hat er zuvor zu beantworten, ob nicht jedes Wasser durch das Handhaben der Zuträger unwissend schon auf eine gewisse Weise ein magnetisiertes geworden und ob nicht eben dadurch ein solches von fremden, widrigen, nicht in Annäherung (Rapport) gesetzten Menschen geladnes Wasser bösartig das einfache schöne Schlummer-Dasein unterbreche.
§ 11
Das
magnetische Ein-, Weit- und Vorausschauen
Der wahre abstoßende Pol der Magnetmenschen oder Menschmagneten ist bisher für unser glaubloses Zeitalter, welches auf seinem Pünktchen Gegenwart nur die nächste Grenzvergangenheit und die Grenzzukunft lieb hat, aber weder gern in eine ferne Vergangenheit noch ferne Zukunft sieht, immer das Weissagen geblieben. Man begnüge sich bei der Ausdehnung, gleichsam der geistigen goldenen Streckbarkeit des Gegenstandes, mit einigen Worten. Man
kann das magnetischeWeissagen einteilen in Einschauen, in Weitschauen und in Zurück- und Vorausschauen.
Das Einschauen, nämlich das der besten Heilmittel, verdankt die Hellseherin demselben Instinkte (Vorgefühle), der dem fieberkranken Löwen die Fieberrinde anrät, und welcher Menschen und Tieren schon im Bedürfnis die Abhülfe desselben zu ahnen gibt; ja der ganz ungleichartige, in Zeit und in Wesen sich ferne Dinge, wie z. B. bei den
Schwalben Häuserbauen und Eierlegen, zu verketten zwingt, so wie sogar der elektrische Donnerfunke von weitem unter einer kürzern, aber unterbrochnen Leitung und unter einer längern, aber fortgehenden diese wählt.
Wie muß nicht erst dieses Vorgefühl als Vorgesicht im Zustand der besonnenen Hellseherin durch das reine und erhellende Glas des doppelten Äthermediums erschauen und erfinden!
Das Weitschauen, nämlich das Sehen der raum-, nicht
zeitfernen Gegenstände, z. B. eines Todesfalls oder des Krankenzustandes abwesender Hellseherinnen, schränkt sich nach allen Erfahrungen auf lauter Menschen ein, welche entweder mit dem Arzte oder mit der Kranken verbunden sind. Das Ätherband mit dem Arzte schließt sich von der einen Seite so enge an, daß die Kranke ohne ihn gegenwärtige Menschen und Sachen gar nicht sieht (sogar Verwandte, z. B. die Kranke Wolfarts ihren Vater), oder die Menschen widerwärtig empfindet; aber dasselbe Band
rollt und flattert sich so lang aus, daß, wie schon gedacht, Ärzte durch bloßes Denken auf Meilen weit die Kranke ergreifen; kurz an die dynamischen Verhältnisse des Ätherleibs sind keine geometrischen Ellen zu legen; und das Wunder ist nicht viel größer als das allnächtliche, daß Sternsonnen sich durch einen aus Siriusweiten vor Millionen Jahren abgeschickten Strahl mit dem Auge lebendig verbinden, das erst heute geboren worden. - Dieses Weitschauen löset vielleicht manche frühere
Unbegreiflichkeiten der Schwärmer in kleinere auf. Wenn z. B. die Bourignon versichert, daß sie jedesmal, wann ihre Schriften eine fremde Seele ergriffen bis zur Bekehrung, davon Geburtschmerzen empfunden habe: so könnte man bei der Wahl zwischen einer absichtlichen Lüge und einer magnetischen Wunderähnlichkeit besser die letzte zur Erklärung wählen; denn wenn der Magnetismus gewöhnlicher Geister gewöhnliche zu einer Mitleidenschaft verknüpft, warum sollte die Kraft eines geistigen
Überwallens, wie der Bourignon, nicht magnetische Seelenverwandte zu Körperverwandten machen? - Diese ätherische Gesamtverköperung hellet etwas am Wunder auf, daß die Hellseherinnen oft Gefühle, ja Gedanken ihres Arztes zu erraten vermögen; denn da allen geistigen Tätigkeiten körperliche Saiten mitbebend zuklingen, die Saiten des Arztes aber in die der Hellseherin eingesponnen sind, so können ihr seine körperlichen Schwingungen seine geistigen vielleicht so unvermittelt entdecken wie die
Gesichtzüge Bewegungen des Willens. - Einem höhern Wesen könnte leicht unser Gehirn alle unsere Gedanken gleichsam mit beweglichen Typen vordrucken und zu lesen geben, da jeder Vorstellung eine bestimmte Gehirntätigkeit begleitend zusagen muß.
Ungeachtet der magnetischen ätherischen Ineinanderkörperung des Arztes und seiner Kranken bleibt doch ein höchster merkwürdiger Unterschied zwischen beiden zum Vorteil der letzten zurück. Denn der Arzt ist bloß ganz Wille und Kraft, eine Kranke
bloß ganz Gefühl, Gedanke, Annahme und Selbergeschlossenheit; er schafft ihre Zustände, erkennt sie aber nicht; sie erkennt ihre und seine und gibt ihm keine zurück, und seine Stärke wird zur ihrigen, aber nicht umgekehrt.
Das Zurück- und Vorausschauen bezieht sich auf das Messen der Zeit. Aus Nachschauen wird Vorschauen. Wenn die Hellseherin die Minute ihres Aufwachens und Einschlafens etc. voraussagt, mithin die dazu hinlaufenden und hingereiheten Minuten
zusammenzählt: so tut sie etwas - nur aber breiter-leuchtend auf höherer Stufe -, was wir niedriger häufig erreichen, wenn wir z. B. durch den Vorsatz, zu irgendeiner Stunde zu erwachen, diese mitten in und aus dem Schlafdunkel treffen. Denn der Geist arbeitet auch im tiefen finstern Körper-Schachte fort und zählt an unbewußten Gefühlen die Zeit sich ab. Auf dieselbe Weise wußten Wahnsinnige ohne äußere Belehrung Kalender und Uhren auswendig. - So trafen Schwindsüchtige durch das Überfühlen
ihrer abnehmenden Kräfte die Stunde der aufhörenden. Jeder Zustand enthält den nächsten, mithin auch das Vorgefühl desselben, und der nächste wieder den nachnächsten mit Vorgefühl; und so kann sich dieses Vorfühlen durch immer längere überfühlbare Zustand-Reihen, durch immer höhere Steigerung der leiblich-geistigen Kraft ausdehnen; und wenn nach Wienholt vor Hellseherinnen eine medizinische Zukunft von halben Jahren sich hell beleuchtet aufdeckt und hinlagert: so wohnt dennoch diese
Unwahrscheinlichkeit noch weit von der Unmöglichkeit.
Wie man sonst das Leben nachträumt, so kann die Hellseherin dasselbe auch vorträumen, eben weil sie der Weberin der Zukunft, der Gegenwart, näher und heller in ihren Webstuhl und in ihre Fäden hineinsieht. - Noch weniger können uns eben darum die Voraussagungen befremden, durch welche Hellseherinnen ihren nächsten wachenden Zustand, Wunsch oder Abscheu verkündigen, da sie schon aus ihrem vergangnen Wachen ihr künftiges entziffern
könnten, geschweige aus den Zügen der jetzo vor einer so benachbarten Zukunft; und man kann zwar nicht Gras, noch weniger Bäume, aber vielleicht Pilze wachsen hören, die in einer Nacht auswachsen.
Wenn freilich Hellseherinnen Heilmittel und Zukunft sogar anderer magnetischen Mitkranken, mit welchen sie durch den Gebrauch desselben Arztes in Rapport gebracht worden, anzugeben wissen, so ist in die dunkle Erscheinung nur durch die Annahme einiges Licht zu werfen, daß
das Äthermedium bei der Verknüpfung magnetischer Menschen jeden Raum so durchbreche und aufhebe wie z. B. der elektrische Blitz, welcher, Räume überspringend, seine metallische Verwandtschaft kennt und lieber auf das ferne Metall als auf den nähern Menschen (obwohl beide Leiter sind) zufährt.
Nur eine andere Art von Weissagung, welche die Zukunftkreise des eigenen Körpers überfliegt, bleibt unerklärlich und unglaublich, die nämlich, wenn die Kranken zufällige und eigne und fremde
freie Handlungen, z. B. die Kranke Wienholts eine Fußverrenkunge, eine andere einen erschreckenden Wagen, voraussagen und schauen, da der Mensch doch keine Zukunft umfaßt, die sich nicht in ihm schon als eine unentwickelte junge Gegenwart regt, zu welcher aber, da er nicht die Mutter des All ist, nicht die weite Welt der äußern freien Zufälligkeiten gehören kann. Indes warum soll man dem organischen Magnetismus Irrtümer, Zufälligkeiten, Übertreibungen weniger nachsehen als andern bisherigen
Systemen? Ihm, der die ganze Naturlehre und halbe Heillehre und halbe Geisterlehre und noch fremde, mitten in der Alltagwelt befestigt bleibende Wunder, zugleich an- und umfaßt?
Daher kann ein Laie diese Betrachtung über ein Meer, das ohnehin die nächsten Bücher und Jahre nicht erschöpfen, nicht früh genug schließen; und ich füge hier nur noch zwei Beweise bei, daß nämlich der organische Magnetismus eine auffallende Verwandtschaft mit zwei sonst entlegenen Zuständen zugleich, mit dem
Wahnsinn und mit dem Sterben, verrate.
§ 12
Wahnsinn in Beziehung des Magnetismus
Wenn Chiarugi bemerkt, daß Wahnsinn die hartnäckigsten Krankheiten heile, sobald sie in ihn übergehen, und daß er gegen ansteckende bewahre - wenn dieser nach Withering die Lungensucht hebt und nach Mead Glieder-Marasmus und Bauchwassersucht - wenn Chiarugi die größten Wunden an Tollen ohne große Entzündung geheilt sah - wenn der Wahnsinn gegen die feindliche Außenwelt, gegen Hunger, Kälte,
Kraftlosigkeit, Schlafmangel bewaffnet: so scheint hier der Wahnsinnige, wie der Schlafwandler, durch seine fixe Idee sein Selbermagnetiseur vom Geiste nach dem Körper zu geworden zu sein, und zwar im eigentlichen Sinne. Die Wirklichkeit des Selbermagnetisierens vom Körper nach dem Geiste zu ist durch mehre von Kluge und Wienholt genannte Kranke dargetan, welche den Sehschlaf mit eignen Händen an sich erweckten, so wie vertrieben. Wie nämlich eine feste Idee den fremden
Erdleib, so muß sie noch mehr den eignen ergreifen, umbilden, verstärken; denn der magnetische Arzt wirkt erst durch die eigne und durch die fremde Ätherhülle auf den Erd-Leib, das wahnsinnige Ich aber näher durch seine auf seinen. Daher die größten Ärzte, besonders die ältern, den Wahnsinn mit der erschlaffenden Kurart bekämpfen, und es wäre wohl des Versuches wert, gegen Tolle die magnetischen aufhebenden Gegenstriche oder auch Gmelins Marginalmanipulation aus der Ferne zum Entkräften zu
richten. Chiarugis Bemerkung, daß die meisten Wahnsinnigen wider alle Erwartung auf den so ruhigen Gebirgen erscheinen, könnte den vorigen Gedanken mehr bestätigen als widerlegen; da eben mit den Höhen der Geist sich hebt und mit der äußern Weite sich weitet und gerade von der Erde sich mehr losreißt, je mehr er von ihr sieht, so wie im physischen Sinne die Erde nur auf der Außenrinde die stärkste Anziehung ausübt, welche immer schlaffer ermattet, je tiefer man in sie dringt, bis sie im
Kerne gar aufhört. Ich sagte: im physischen Sinne; ich sehe aber, daß dies auch im geistigen von der Erde gilt. - Noch die Seiten-Ähnlichkeit führ ich an, daß das Aufhören des Wahnsinns, wie das des magnetischen Schlafes, alle Erinnerung beider Zustände vertilgt. Auch daß gewöhnlich dem Wahnsinnigen sich die Todes-Nähe durch kurze Zurückkehr des Verstandes ankündigt, ließe sich mit der magnetischen Verwandtschaft reimen.
§ 13
Scheintod und Sterben in Beziehung des Magnetismus
Wir gehen vom Wahnsinne auf eine erfreulichere Verwandtschaft des Magnetismus, nämlich auf die mit dem Sterben über. Was eben hier zufällige Rede-Verknüpfung war, dies ist sogar Wahrheit. Denn nach den Bemerkungen der Ärzte wandelt eben ein leichtes Irresein dem Sterben voraus. Die Ähnlichkeit zwischen dem Zustande des Hellsehens und des Sterbens hat schon der mit kindlich-reinem Herzen und reichem Geiste die Natur
anschauende und fragende Schubert wahrgenommen.
Diese Ähnlichkeit ist unter allen Ansichten des Magnetismus die helleste. Betrachten wir zuerst blos das Scheinsterben: so erfreuen uns zwei entscheidende magnetische Erscheinungen. Die erste ist, daß Scheintote während ihrer Sinnen-Sperre ganz wie Magnetische in einem lauen Wonnenmeere schwammen und ungern sich wieder in die scharfschneidende Luft des Gemeinlebens aufrichteten. Ohnmächtigen erschienen hinter den gebrochenen
Augen bunt gebrochne Strahlen einer Freuden-Welt; Scheinertrunkne vernahmen (nach Unzer) im Wasser das ferne Glockengetön in einem selig-wogenden Sein, gleichsam liegend an der halb-offenen Todes- und Paradieses-Pforte und einsaugend einen Rausch von Edenduft. - Sogar Schein-Erhangene schwammen, ihrer Versicherung zufolge, nach dem ersten Schmerze aus dem dicken Toten-Meer in lichte Paradiesesflüsse hinein; daher der Arzt Wepfer den Strangtod für den süßesten erklärte, so wie daher mehre
erschöpfte abgejagte Lustjäger in England mit einem Schein-Gehangenwerden sich reizten und letzten.
Die zweite überraschende Ähnlichkeit des Scheintodes mit dem Magnetismus ist, daß die Kranken, welche die Pest, der Schlagfluß, die Verblutung in den Scheintod gestürzt, aus diesem so genesen und kräftig erwachet wie andere Kranke aus dem magnetischen Schlafe: so wie nach Gall schon tiefe Betäubungen und Ohnmachten großen Wendepunkten (Krisen) der Krankheiten heilend dienen. Wie hätte
auch der Magnetismus Scheintote, deren Sinnen ihm zugeschlossen waren, wecken können, wär ihm nicht ein empfänglich-reger in ihnen entgegengekommen? Der gewöhnliche Zeitraum des Scheintodes dauert drei Tage, ja nach Schuberts Beispielen oft 7-9 Tage. Aber eben diese Tiefe und diese Dauer des Schlafs ist der abkürzende Ersatz der längern magnetischen Kurfrist.
Indem wir von der Ähnlichkeit des Scheinsterbens mit dem organischen Magnetismus in der Doppelgabe des Entzückens und des
Genesens zu der nämlichen Ähnlichkeit des Wahrsterbens in diesem Doppelgeben übergehen, haben wir auf der Schwelle sogleich einer rechten Unähnlichkeit oder der Vorfrage zu begegnen, wie das wahre Sterben dem Magnetismus, welcher von ihm sonst errettet, doch ähnlich sein könne. Wir haben bisher den Erdleib und die Ätherhülle voneinander geschieden, weil beide immer auf gegenseitige Unkosten leben. Beide Hüllen stehen, so wie äußerlich, wo die eine das Grubenkleid und die andere der Isisschleier
des Geistes ist, so sehr im Wechselstreit, daß nicht nur die volle Gesundheit, des Wilden, d. h. die Festigkeit der Erdhülle, sondern sogar die wiederhergestellte der Hellseherin die Leuchtkraft der ätherischen einwölkt und erdrückt, und daß ebenso auf der andern Seite jede Vergeistigung die Verkörperung auflöset, sobald jene über den Mittelgrad, wo sie noch nicht die Ätherhülle heilt, gestiegen ist. Daher werden - um die bekannten Giftbecher und Giftpfeile durch die Entzückungen des Denkens und
der höhern Empfindungen zu übergehen - die Arzneikräfte, welche um die Ätherhülle und dadurch um die Seele weiten Raum zu froh-freien Bewegungen erschaffen, der starren Erdkruste auftauende Gifte. Es ist ja bekannt, wie Gifte für einen tiefern Organismus - z. B. Mohnsaft, dessen Bestandteile Fontana im Viperngifte wiederfindet, oder der giftige Fliegenschwamm, dessen eau de vie die Kamtschadalen zugleich aus der Destillier- und aus der Harnblase trinken - und kurz, wie eigentlich alle
Pflanzengifte auf kurze Zeit unter dem Zernagen und Entwurzeln des äußern Körpers den ätherischen und den Geist zur Wonne und zur Kraft überspannen. So blühen z. B. den Schwindsüchtigen in der Stunde des Erdenverwelkens (nach Richerz in Muratori über die Einbildungskraft B. I.) alle Seelenkräfte zu höhern Blumen auf.
So ist denn der Tod nur zuviel Opium, d. h. für den Erdleib zuviel Schlaf und Gift zugleich. - Laßt uns einige schöne Ähnlichkeiten beschauen, welche das Sterben mit
dem Magnetismus hat: Zungen-gelähmte bekamen kurz vor dem Tode Sprache wieder, und Arm- und Fußlahme Bewegung, und Wahnsinnige Verstand. - Harthörige und Kurzsichtige sagten ihr Sterben durch Weithören und Weitsehen an. - Schwangere Mütter gebaren, nach Schubert und Garmann, nach dem Tode noch lebendige Kinder. - Die Zuckungen des Sterbens, die für uns, wie alle epileptischen, nie die Bedeutung einer Empfindung haben sollten, gleichen nur den Krampf-Zuckungen, mit welchen nach Wolfart die
Kranke das Ende des gemeinen Schlafs und den Eintritt des hellsehenden ankündigt; und so wird immer mehr das Sterben zu einem Genesen und das hohle harte Grab zu einem vollen wogenden Hafen des Abschiffens; und so wie dem Schiffer die neue Welt bei dem ersten Erblick nur als ein dunkler Streif am Horizonte erscheint: so ruht die neue Jenseit-Welt vor dem brechenden Auge nur als eine Wolke, bis sie durch Annähern sich zu Palmen und Blumen entwickelt. Das Wonne- und Glanzgefühl der Hellsehenden
ist häufig auf das sterbende Antlitz gemalt: Jakob Böhmen umflossen höhere Sphärentöne - die Mystiker verklärten sich - Klopstock sah die vorangegangene Geliebte - Herder rief entzückt: »Wie wird mir!« Und so starben in der frühern christlichern Zeit gewöhnlich die Greise heiterzurückblühend und gingen hinter dem prophetischen Abendrote eines schönen Morgens unter. - Nur selten erscheinen sterbende Krampfgesichter, meistens Folge voriger Zerrüttung oder bei Gewissenskranken, weniger das
verklärende Sterben als das sich wehrende Leben zeigend. Wie man auf den Alpen oft auf einem warmen blumigen Rasen dicht neben einer grünblauen Eisfläche liegt: so wogen neben dem irdischen Todes-Eise die Auen des neuen Frühlings hin. Daher fand Lavater die Züge des Verstorbenen nach einigen Stunden ungewöhnlich verschönert und veredelt, gleichsam als erhalte auch der tiefste Schlaf, gleich dem mythologischen, eine Grazie zur Gattin. Aber diese unsere letzte Verschönerung haben wir nicht bloß
dem Glücke, daß nach dem schweren Schlaftrunk des Lebens der magnetisierte Zaubertrank des Todes den Menschen erquickte und durchfloß, sondern auch dem Umstande zu danken, daß der Mensch, wenn das Sterben das letzte Magnetisieren ist, zumal in der Windstille des Lebens, von diesem auch die moralische Verschönerung erfuhr. Denn im Zustande des Hellsehens sind die Empfindungen reiner und das sittliche Gefühl zärter - so daß unsittliche Menschen den Kranken zu Nervengiften werden und ihre
Gedanken ihnen zu Krämpfen. - Die Liebe ist inniger und zärter nicht bloß gegen den magnetischen Arzt, sondern auch gegen Magnetisierte, ja gegen Andere, und durch das Sprechen über erhabene Gegenstände, wie z. B. über den Wunderbau des Körpers, wölbt sich ihnen ein Himmel mehr unter diesem Himmel.
Könnte nicht der Magnetismus einiges Taglicht auf den nächtlichen Larventanz der sogenannten Geistererscheinungen fallen lassen? Diese erfolgen nämlich immer in der Sterbestunde und
immer vor Geliebten; so z. B. die wunderbare, von dem sonst bezweifelnden Wieland ohne Bezweifeln erzählte in seiner Euthanasia. Wie nun, wenn der Ätherleib, welcher im Sterben frei und unter dem Niederfallen des schweren Nachtkleides der Erdnacht aus einem Seelenflor zum Brautkleide des Himmels wird, wenn dieser, welcher schon vorher so seltsame, den gemeinen Raum durchdringende Verknüpfungen mit geliebten Personen vollendete, ein Wunder der Erscheinung verrichtete, das am Ende doch nicht viel
größer wäre als die frühern umgekehrten Wunder, daß der Hellseherin entfernte Personen sichtbar sind, oder gegenwärtige ohne Berührung des Arztes unsichtbar, oder daß der abwesende Arzt mit bloßen Gedanken ihren fernen Körper einschläfert? -
§ 14
Aussichten ins zweite Leben
Weniger kühn kann eine andere Hoffnung sich auf der magnetischen Erfahrung fester gründen. Bisher wurde in der gemeinen Denkart die Unsterblichkeit des Geistes durch die Sterblichkeit seiner Persönlichkeit, nämlich seiner Erinnerung, untergraben, wie durch ein Grab; und in der Tat hätte diese Rockenphilosophie im Schlusse Recht, da ein Ich ohne bewußte Vergangenheit als keines erscheint, und ein anderes Ich ebenso gut statt Meiner sein könnte, oder Ich selber jeder ferne Ich wäre. Die magnetischen Hellsehenden offenbaren aber an sich nicht bloß ein Erinnern in eine dunkelste Kinderzeit hinab, sondern auch eines an alles, was nicht sowohl vergessen als gar unempfunden zu sein scheint, nämlich an alles, was um sie früher in tiefen Ohnmachten oder gänzlichem Irresein vorgefallen. Zweitens wenn die Hellsehenden sich in ihrem höhern poetischen Schlaf-Wachen wohl des Prose-Wachens erinnern, aber nicht in diesem des ersten, so geht eine Erinnerung, ob sie gleich unter dem dicken undurchsichtigen Lethestrom liegt, doch nicht darum der Zukunft verloren; daher im Hell- und Hellstensehen jener Welt, wo der ganze schwere Erdleib abgefallen, nach diesen Wahrscheinlichkeit-Regeln fremde Erinnerungen aufwachen können, welche ein ganzes Leben verschlummert haben.
Wenn uns der irdische Magnetismus das erhebende Schauspiel von Seelen-Vereinen blos durch ätherische Körper-Vereine gibt, wenn z. B. (nach Wienholt) zwei Hellseherinnen hohen Standes sich und eine dritte, ihnen sonst gleichgültige aus niedrigem innigst lieben und Schlummer und Rede teilen; wenn Arzt, Kranke und ferne Mitkranke ein liebender Äther-Kreis einschließt und sie alle nur mit einer gemeinschaftlichen Seelenhülle empfinden und lieben: so dürfen wir wohl furchtsam-kühn ahnen, wenn auch nicht schließen, daß hinter unserem schroffen Leben, das uns so hart und weit auseinander hält und oft uns nur zur Wechsel-Zerstückung einander nahebringt, daß, sag ich, künftig jenes unbegreiflich ätherische Medium, welches hier einige zu einem höhern Lieben und Freuen verknüpft und ebenso gut Tausende zugleich ebenso verschwistern könnte, vielleicht als eine Ätherhülle, als ein Welt- Körper oder Welt-Leib eine aus tausend Seelen zusammengefloßne Welt- Seele umschließen und tragen könne. - Freilich fliegen solche Ahnungen der zweiten Welt kühn und hoch; aber warum sollen sie es nicht, da schon in dieser der Magnetismus so viele kühne überflog?
Nur fragt nicht, wie der Übergang des Sterbenden aus dem Magnetismus geschehe in die zweite Welt. Denn es ist kein Übergang, sondern ein Sprung, so wie im hiesigen Leben auf Schlaf und Traum das Erwachen unvermittelt und in einem Nu, wie durch eine losgelassene Springfeder, eintritt. Man vergißt es überhaupt zu oft, daß die Natur im Körperlichen und im Geistigen alles zwar nach einem Gesetze der Stätigkeit entwickle und fortsetze, aber vorher alles nach einem Gesetze der Unterbrechung oder des Sprungs anfange, so bei dem Beleben, Erblühen, Verscheiden.
Wir kennen nur die lebende Welt, nicht die sterbende; diese hat keine Zeit, uns sich aufzudecken; mit welchen neuen fremden, uns verhüllten Erfahrungen mag in der allerletzten stummen Stunde eine sterbende Menschenwelt nach der andern sprachlos hinübergezogen sein!
Wir sehen nur die Abendröte ihres Verscheidens, aber sie, die in der Abendröte selber ist, kennet die Sonne, welche in sie scheint. - Das ganze Erdleben umringen wahrscheinlich zahllose hohe Wesen und Wirkungen - denn das Weltganze und Geisterall wirkt auf jedes Teilchen und Geisterchen -, von welchen wir Endliche nichts vernehmen, als bis der hiesige Leib mit seinen Adern- und Nerven-Strömen und seinem ganzen Sinnen-Brausen auf einmal still geworden und aufgehört. Denkt euch auf ein halbes Jahrhundert unten an die Felsen des Rheinfalles gekettet: ihr hört dann nicht unter dem Wassersturm die sprechende Seele neben euch, nicht die Gesänge des fliegenden Frühlings im Himmel und keinen Westwind in den Blüten; auf einmal verstumme der Sturm: wie wird euch sein? - Wie uns allen künftig. Denn wir sind jetzo gebundne Anwohner der irdischen Katarakte, die ohne Unterlaß über die Erde hin donnern, und unter welchen wir einander nicht verstehen; plötzlich aber steht und erstarrt der Wasserfall zu stillem Toten-Eis: so hören wir auf einmal uns einander ansprechen, und wir hören den leisen Zephyr und die Gesänge in den Gipfeln und in dem Himmelblau, welche bisher ein ganzes Leben hindurch ungehört um uns verklungen.
So möge denn jedem von uns unter dem Verrauschen und Gefrieren der Erdenwasser in der hohen Sterb-Stille der Himmel zu tönen anfangen mit den Gesängen und Lauten des ewigen Frühlings, und das Herz mög uns nur an der letzten und schönsten Freude brechen!