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Kapitelübersicht

Vorrede | I. Mutmaßungen über einige Wunder des organischen Magnetismus | II. Sedez-Aufsätze | III. Frage über das Entstehen der ersten Pflanzen, Tiere und Menschen | IV. Warum sind keine frohen Erinnerungen so schön als die aus der ... | V. Sedez-Aufsätze | Die Frage im Traum, und die Antwort im Wachen | VII. Bruchstücke aus der »Kunst, stets heiter zu sein« | VIII. Bemerkungen über den Menschen | IX. Programm der Feste oder Aufsätze, welche der Verfasser in jedem ... | X. Des Gehurtshelfers Walther Vierneissel Nachtgedanken über seine ... | XI. Blick in die Traumwelt |

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Jean Paul

Museum

III. Frage über das Entstehen der ersten Pflanzen, Tiere und Menschen

eingestellt: 24.7.2007



Sonst hatte man nichts zur Antwort auf diese Frage nötig, als dem Frager das erste Kapitel des ersten Buchs Mosis aufzuschlagen, um damit den größten Knoten aller Untersuchungen - falls nicht die Frage über unsere Zukunft ein noch größerer ist - auf einmal zu zerschneiden.

In den neueren Zeiten wählen fast einmütig die Naturforscher, sowohl Gottglaubige als Gottläugner, einen andern und längern und gelehrteren Weg, um diesen Knoten zwar ebenfalls zu - zerschneiden, nur aber ohne Moses und Gott. Nach ihnen ist das ganze organische Reich nur das Gewirk des in der Jugend feurigern Kräftebundes von Elektrizität, Wärme, Galvanismus u. s. w., und die höhern Organisationen sind nur Blüten und Früchte aus dem Laube der frühern niedrigen.

Keine Bescheidenheit ist zu groß, wenn man, wie ich, so vielen gelehrten und tiefen Naturforschern sich entgegenzustellen wagt, nicht etwan sie zurechtweisend - dazu gehören andere Kräfte und Bibliotheken und Zeiten -, sondern nur scheu bekennend, daß man von ihnen selber nicht zurechtgewiesen worden, und daß ihre dicken Bücher nicht viel schwerer wiegen als das erste Blatt Mosis.

Der Verf. will vorher in den folgenden Paragraphen die organische Maschinenlehre - der Kürze wegen gelte diese Benennung -, so gut er sie aus verschiedenen Werken kennt, zusammendrängend darlegen und darin gegen seine Meinung so eifrig und aufrichtig sprechen lassen und selber sprechen helfen, als er es für dieselbe später tut.

 
§ 2



»In den ersten Glühjahrhunderten der jungen Erde« - sagen die organischen Maschinenmeister - »wurden durch das Zusammentreten der größern Wärme und Gärung, der dichteren Luft, der Elektrizität und des Galvanismus wahrscheinlich die Wassertiere als die unvollkommensten (nach Lamarck ) zuerst gebildet; und zwar wurde mit den größten darin (wie nach Herder auch auf dem Lande), mit den Ammonshörnern, angefangen. Nach Kant begann die lebendige Wasserwelt mit Infusiontierchen, deren Stoffe später zu Polypen, Mollusken und dann zu Fischen zusammengohren. Herder und Meiners und die meisten lassen die Pflanzen vor den Tieren anschießen. Priestley und Ingenhouß erklären die grüne Materie auf dem Wasser für Pflanzenkörner, welche zu lebendigen Tieren vermodern, deren neuer Moder wieder zu Flechten und anderen Pflanzen wird.

Gegen den Vortritt der Pflanzen im Meere streitet übrigens Schuberts Bemerkung, daß erst aus untergegangenen Aufgußtierchen Pflanzen erkeimen; ferner die Tatsache, daß es im Meer eigentlich nur Tierpflanzen gebe; und endlich der Satz, daß Wärme ohne Licht wohl der tierischen Entstehung, aber nur eine mit Licht der vegetabilischen diene und helfe. - Alles Organische ist Geburt des Schleims, d. h. des Kohlenstoffs, mit Luft und Wasser geschwängert - der Meerschleim ist der Urschleim .«

 
§ 3



»Das aus dem Meerwasser steigende Land wurde die Pflanzstadt der Flechten, Moose und Schwämme; und durch deren Verwesung das Lohbeet der ersten Gräser, deren Asche wieder als Samenstaub der ersten Stauden flog, bis gleichsam wieder in der letzten Aschenkrügen endlich wie in Treibkästen die hohen Bäume trieben und prangten. Aber diese organischen Abstufungen wurden vielleicht durch Jahrhunderte voneinander geschieden.«

 
§ 4



»Ebenso gebaren tiefe Tierklassen immer höhere. Der Wurm kroch dem Krokodile, dem Vogel und Pferde voran. Die pflanzenfressenden waren die Ahnen der fleischfressenden, bis sich endlich das schaffende Brauen mit dem feinsten abgezogensten eau de vie, mit dem Menschen, schloß. Gleichsam als Nachspiel der ersten Aufstufung« - könnte der organische Machinist hinzusetzen - »durchläuft noch der Fötus alle Tierklassen, anfangs Wurm, dann unverwandeltes Insekt, dann durch Absonderungen, Molluske, endlich durch Knochenbildung rotblutiges Tier. Auch bei dem ersten Tieraufguß (Infusorium) werden Jahrtausende sich zwischen der ersten Elephantenameise und dem ersten Elephanten gelagert haben, so daß dieser Erdball jahrhundertelang nur eine Wurm- und Insekten-Erde, dann ein friedliches brahmanisches Arkadien ohne Fleischfresser war, bis endlich die Menschen und die Menschenfresser die Erde schmückten, aus welchen sich aber kein neues höheres Tier wieder auferbauen wollte.«

 
§ 5



»Vielleicht, sagt Linnée, sind alle tausendartigen Pflanzen auf wenige Stammpflanzen zurückzuführen. Ebenso, sagt Darwin, laufen vielleicht alle Tiere in wenige ein, ja die ganze Tierwelt spann sich vielleicht vor Billionen Jahren aus einem einzigen Fleischfädchen an.«

 
§ 6



»Diese elternlose Leben-Krystallisationen fanden nur in der gärenden Saftzeit des Weltfrühling statt; daher wäre das jetzige Innehalten damit kein Einwand, sogar wenn dasselbe nicht scheinbar wäre.

Vom vorigen Mark- und Herzschlag der Zeit geben uns schon die 24 Arten untergegangener Folio-Tiere Beweise, welche Cuvier beschreibt, fast alle riesenhaft; der mosaischen Riesenalter und der Riesenmenschen gar nicht zu gedenken. So die ausgestorbenen Ammonshörner von fünf Fuß im Durchmesser, indes die lebendigen nur hinter dem Vergrößerglase erscheinen; so die größeren, jetzo verschwundenen Fische, so die Überreste von Riesen-Vögeln im erstentdeckten Neusibirien. Mit welcher heißen Üppigkeit mußte die junge Erde ihre Palmenwälder getrieben haben, um mit ihren Verkohlungen die unerschöpflichen Umber-Gruben der kölnischen Gegenden zu füllen!

Die Tatsachen eines früheren, fast tropischen Wärmegrades der Polarländer setzen - wenn man diesen nicht aus einer ungeheuern beispiellosen Vertiefung des Pols ableiten will - entweder eine ursprüngliche Glut und Verdampfung der Erde, oder (ohne diese und unabhängig von der Polhöhe) nach Humboldt die Entbindung eines unermeßlichen Wärmestoffs voraus, als die Gebirgarten sich in den Wassern niederschlugen und die flüssige Erde zur festen verdampfte. Wie müssen nun in beiden letzten Fällen vollends die tropischen Meere des Äquators mit schaffenden Kräften gekocht und das wilde Heer ihrer Zerrbilder ausgegoren haben!«

 
§ 7



»Wem solche organische Geburten ohne Eltern im Welt-Mai unbegreiflich vorkommen, weil das geistige Kunstgebäude des Lebens alle chemischen, elektrischen und andere mechanischen Bau-Kräfte zu übersteigen scheint: einem solchen braucht man nur zu zeigen, daß jetzo im Welt-Oktober täglich dasselbe, nur im Kleinern, wiederkommt. Man nenne z. B. die Eingeweidewürmer, welche bloß durch kränkliche Schwäche eines fremden Körpers entstehen, und in einem solchen Reichtum, daß Göze 3 503 Fischdarmwürmer im Blinddarm eines Fisches, 28 000 Fadenwürmer in den Lungenlappen einer Wasserkröte fand - und ferner, was alle Möglichkeit der Eltern ausschließt, sogar Eingeweidewürmer im Ei einer Henne - nach Brendel und Selle sogar im Abortus - nach Cuvier Würmer in Insektenlarven, die im entpuppten Tiere nicht vorkommen - nach Fischer einen Wurm in der Schwimmblase einer Forelle - die Tiere der Krätze und des Eiters - so die Finnen nur in zahmen Schweinen - so jene Schmarotzer-Tiere des Menschen, welche Herodes und Sulla lebendig auffraßen und welche nur die höchste Zersetzung aller Säfte ausbrütet, desgleichen ihre Nebenverwandten, welche nur in lang getragnen wollenen, von der menschlichen Ausdünstung durchdrungenen Kleidern und (was besonders ist), wie ihre Nachbarn auf dem Kopfe, gerade bei Kindern und Greisen am meisten entstehen.«

 
§ 8



»Das nächste Beispiel elternloser Ur-Waisen könnt ihr jeden Tag aus dem feuchten warmen Mehltopfe ziehen, worin ihr Mehlwürmer, die sich verpuppen und entpuppen, für eure Nachtigallen ins Leben backet und erschafft. Jetzo überschauet das nasse Weltgewimmel und Weltmeer der kaum sichtbaren Aufgußtierchen (Infusorien) hindurch, welche ihr zu verschiedenen Tiergeschlechtern aus (unsalzigen) Feuchtigkeiten und Pflanzen organisieren könnt.

Euch wird sogar die Ausflucht abgeschnitten, daß vielleicht am Ende doch nur aus altem Organischen (z. B. aus Pflanzen) neues erwachse; denn Doktor Gruithuisen erhielt aus Stinkstein, Granit, Ruß, Marmor, sogar mit destilliertem kalten Wasser begossen, ohne Fäulnis noch denselben Tag lebende Tier-Weltchen. - Dieser Zwergfauna gesellt sich noch die Zwergflora der Aufgußpflänzchen zu, der Schimmel, und zwar wieder die Ausflucht organischer Samen-Einmischung versperrend; die Schwämme, die unter dem Namen Schimmel auf der Dinte wachsen, sind von den Konferven-Fäden des Schimmels auf Met und Bier verschieden. Mithin ist bloß der erste Bierbrauer und der erste Dintenkoch der Pflanzer und Gärtner dieser lebendigen Körper-Abbreviaturen.

So ist also jetzo in der ermatteten verbrauchten Natur doch jedes Leben noch doppelt belebend, zugleich ein Vater und ein Schöpfer, seine eigne Gestalt fortpflanzend und eine ihm fremde erschaffend - jeder Regentropfe ist ein voller Besatz- und Streckteich schwimmenden Gewimmels - und jedes Tierglied eine Bruttafel neuer Gestaltungen, und sogar der elende Schwamm und seine Blüte ein organisches Treibhaus und ein Würmerstall. - - Und du willst über frühere größere Schöpfungen, da die Erde noch ihre eigne Sonne war und vom Teige aller Keime und von Lebenmilch schwoll und mit Jahrtausenden an ihren brutheißen Gewirken brüten und ausarbeiten konnte, du willst über frühere größere Schöpfungen derselben staunen, fragen, ja zweifeln?«

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