Jean Paul
Über die deutschen Doppelwörter
Sechster Brief
eingestellt: 29.6.2007Die mehrsylbigen Bestimmwörter, die im Plurale unverändert bleiben
Baireuth den 21sten Juny 1817
Wie freut es mich, scharfsinnige Freundin, daß Sie meinen Scherz über den Staat von meinem Ernste scheiden! Auch ich bin der Meinung, daß wir jetzo Preßfreiheit genug in den gehörigen Schranken genießen, da wir fast über Gott und Menschen und alles schreiben, sagen, ja klagen dürfen, nur über
wenige hohe Personen und höchste Stellen und deren Maßregeln nicht; aber auch sogar dies ist nur verboten, wenn solche ohnehin an sich sehr tadelhaft sind und die Sachen von selber sprechen; so wurde auch vor einigen zwanzig Jahren dem Landschaftmaler Klinsky aus Prag gern erlaubt, die ganze Landschaft um Töplitz aufzunehmen, jedoch bloß mit der natürlichen, von der Kriegskunst selber gefoderten Einschränkung, daß er aus seiner Landschaft Berge und Wälder, Flüsse und Täler ausließe. Ja in Zeiten
großer Anstrengungen durfte man sogar ein Bedeutendes mehr zu schreiben erlauben, wie auf Schiffen die Matrosen, so lange sie den Anker aufwinden, das Stärkste sagen dürfen, sogar gegen Befehlhaber. – –
Die zweisylbigen Bestimmwörter ohne Änderungen im Plural, darf ich sagen, Freundin, machen mir Freude, und ich fange ordentlich mit ihnen den Sommer an; denn jedes setzt sich schön s-los ans Grundwort, es sei von meinem oder Ihrem oder keinem Geschlechte, was
ich sonst nicht von allen Bestimmwörtern rühmen kann. Beispiels wegen: Galgen, Wetter, Magen, Enkel, Zauber, Räuber, Wächter, Meister, Gärtner, Ritter, Richter, Spiegel, Mittel, Diener, Messer, Mörder, Schiefer, Priester, Doktor, Winter, Sommer, Igel, Schlüssel, Opfer, Körper, Schleier, Kupfer, Finger, Gipfel, Scheffel, Beutel, Nebel, Fehler, Wechsel, Gürtel, Wunder, Flügel, Knochen, Degen u.s.w. Trauen Sie nun aus der ganzen trefflichen Wörterfamilie, welches Wort Sie wollen, einem Grundwort
an, keines bringt ein s in die Ehe, sondern man bekommt (um nach obiger Rangordnung anzufangen) Galgenholz, Wetterprophet, Magenschmerz, Enkelkind etc. Dasselbe ist auch von andern Zweisylben auf el, er und en zu rühmen, wenn ihnen auch die Mehrzahl gebricht; z. B. Schwindel, Kitzel, Tadel, Pöbel, Ekel, Hagel, Speichel – Silber, Hunger, Futter, Eiter, Donner – Eisen, Hopfen etc. Sogar dreisylbige Bestimmwörter auf er aus meiner
sechsten Klasse benehmen sich vernünftig; erstlich sogar Ausländer, wie Minister, Magister, Trompeter, Prediger, Theater, Register, und vollends Inländer, wie Anfänger, Aufseher, Aufwärter, Gewitter etc. Auch die dreisylbigen Neutra mit Ge, als Gemälde, Gesinde, Getreide, Gebürge, Gewebe, Gebilde, Gelübde, und die Verkleiner-Wörter auf chen, als: ein Mädchen-Kopf, ein Bändchen-Abschnitt, reihen sich bandlos an.
Nur tritt uns hier, wie immer, der
Esel samt dem Teufel entgegen; der eine verlangt seine Eselsohren etc. und der andere seine Teufelskinder etc., obgleich den Teufel sein einziger Reim Zweifel mehr an die Regel erinnern könnte. Zum Überflusse und Verdrusse werden Esel und Teufel noch gar von Engelsköpfen begleitet. Der Himmel will auch nicht nachbleiben, ungeachtet seines Himmelreichs und Himmelblau und Himmelbettes samt Himmelfahrt und Himmelhaut. Hunger, Wasser und
Feuer werden in einigen wilden Ehen sich und der Regel untreu durch den falschen Schlangen- und Zischton. So wünscht ich gleichfalls Leben und Orden zu ihrer Regel zu bekehren. Rittersmann, Bauersmann sündigt gar noch gegen den Nominativ, wie etwan ein Wort wie Zwergsbaum tun würde. – Ich bin ohne Übergang
Ihr etc.
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