Frei Lesen: Robinson der Jüngere

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Joachim Heinrich Campe

Robinson der Jüngere

10. Abend

eingestellt: 6.6.2007



(Der Vater fährt in seiner Erzählung fort.)

Robinson, der nun schon seit einiger Zeit gewohnt war, Gebet und Arbeit mit einander zu vereinigen, warf sich erst auf seine Knie, um Gott für seine abermahlige Errettung zu danken; dan legt er muthig Hand ans Werk, um seine Wohnung von dem eingestürzten Schut zu räumen. Die bloße Erde war bald hinaus geschaft: aber nun lag unten das grosse Felsenstük, welches zwar in zwei Stükke zerbrochen war, aber doch auch so noch mehr, als eines Menschen Kraft, zu erfodern schien, um von der Stelle bewegt zu werden.

Er machte einen Versuch, den Kleinsten dieser Steinklumpen fortzuwälzen: aber vergebens! Er fand, daß diese Arbeit seine Kräfte bei weitem übersteige. Da stand er also wieder in tiefen Gedanken und wußte nicht, was er machen solte.

Johannes. O ich wüßte wohl, was ich gemacht hätte!

Vater. Und was denn?

Johannes. I, ich hätte mir einen Hebel gemacht, wie wir neulich thaten, da wir den Balken auf dem Hofraum fortwälzen wolten.

Gotlieb. Da bin ich nicht bei gewesen; was ist denn das ein Hebel?

Johannes. Das ist so eine dikke und lange Stange; die stekt man mit dem einen Ende unter den Balken, oder den Stein, den man fortbewegen wil, und denn legt man einen kleinen Kloz oder Stein unter die Stange, aber recht nahe bei den Balken, den man wälzen wil; und denn faßt man an das andere lange Ende der Stange und drükt sie so stark, als man kan, auf den kleinen Kloz; denn hebt sich der Balken und man kan ihn mit leichter Mühe fortwälzen.

Vater. Wie das geschieht, wil ich euch zu einer andern Zeit erklären; jezt hört, was Robinson that.

Nach langem vergeblichen Nachsinnen, fiel ihm endlich eben dieses Hülfsmittel ein. Er erinnerte sich, in seiner Jugend zuweilen gesehen zu haben, daß alle Arbeitsleute es so zu machen pflegen, wenn sie schwere Lasten bewegen wollen; und er eilte nun den Versuch davon zu machen.

Es gelang ihm. In einer halben Stunde waren beide Steine, welche wohl vier Menschen mit ihren bloßen Händen nicht von der Stelle gekriegt hätten, aus seiner Höhle glüklich hinaus gewälzt. Und nun hatte er die Freude seine Wohnung noch einmahl so geräumig, als sie vorher gewesen war, und zugleich, allem Ansehen nach, völlig sicher zu sehen. Denn nunmehr bestanden sowohl die Wände, als auch die Dekke, aus einem einzigen hohlen Felsen, in welchem nirgends auch nur die kleinste Rize zu sehen war.

Nikolas. Wie wars denn seiner Spinne ergangen?

Vater. Gut, daß du mich daran erinnerst; die hätte ich bald vergessen. Aber in der That weiß ich auch nichts mehr davon zu sagen, als daß sie, aller Wahrscheinlichkeit nach, in den Ruinen der eingestürzten Dekke begraben war. Wenigstens sahe sie Robinson nimmer wieder, und seine andern Freunde, die Lamas, ersezten ihm den Verlust derselben.

Jezt wagte er einen Gang nach dem feuerspeienden Berge aus dem noch immer ein schwarzer Dampf empor stieg. Er erstaunte über die Menge geschmolzener Materien, die weit und breit umher geflossen waren, und die sich noch nicht abgekühlt hatten. Nur in einer gewissen Entfernung beobachtete er diesmahl das fürchterlich prächtige Schauspiel des dampfenden Schlundes, weil so wohl seine Furcht, als auch die noch zu heisse Lava, ihn hinderten, näher hinzu zu treten.

Da er bemerkte, daß der Strom der Lava nach der Gegend hingeflossen sei, in welcher die Kartoffeln wuchsen: so erschrekte ihn nicht wenig der Gedanke, daß der feurige Ausfluß diesen ganzen Plaz vielleicht verwüstet habe; und er konte nicht ruhen, bis er von dem Gegentheil sich überzeugt hätte. Er lief also nach der Gegend hin und fand zu seinem innigen Vergnügen die ganze Pflanzung unversehrt. Von diesem Augenblike an beschloß er, an verschiedenen Orten seiner Insel aufs Gerathewohl Kartoffeln zu pflanzen, um dem Unglük vorzubeugen, eines so herlichen Gewächses durch irgend einen schlimmen Zufal einmahl beraubt zu werden. Zwar stand, seiner Meinung nach, jezt der Winter bevor; allein er dachte: wer weiß, ob diese Gewächse nicht vielleicht von der Art sind, daß sie in der Erde überwintern können?

Nachdem er diesen Vorsaz ausgeführt hatte, fing er wieder an, an seiner Küche zu arbeiten. Auch hierzu hatte die überstandene schrekliche Naturbegebenheit ihm einen grossen Vortheil verschaffen müssen. Der Feuerspeiende Berg hatte nemlich unter vielen andern Dingen auch eine Menge Kalchsteine ausgeworfen. Ordentlicher Weise muß man diese erst in einem Ofen mürbe brennen, ehe man gelöschten Kalch daraus machen kan. Aber das war bei diesen nicht nöthig, weil der entzündete Berg schon die Stelle des Brenofens vertreten hatte.

Robinson brauchte also weiter nichts zu thun, als ein Loch in die Erde zu graben, die Kalchsteine da hinein zu werfen, dan Wasser zu zugiessen und die Masse umzurühren. Auf diese Weise wurde der Kalch gelöscht, und zum Mauern brauchbar gemacht. Dan vermischte er ihn mit etwas Sand; sezte sich darauf in Arbeit, und hatte Ursache mit seiner Geschiklichkeit zufrieden zu sein.

Der Berg hatte indessen aufgehört zu rauchen; und Robinson wagte es daher, nach dem Schlunde hinzugeben. Er fand sowohl die Seiten desselben, als auch den Grund mit abgekühlter Lava belegt, und weil er an keinem Orte den geringsten Rauch mehr hervordringen sahe: so hatte er Ursache zu hoffen, daß das unterirdische Feuer völlig verloschen, und künftig kein Auswurf weiter zu befürchten sei.

Durch diese Hofnung gestärkt, war er darauf bedacht, sich einen Vorrath von Lebensmitteln für den Winter einzusammeln. In dieser Absicht fing er nach und nach bis auf acht Lamas, auf eben die Weise, wie er die ersten gefangen hatte. Diese schlachtete er alle bis auf einen Bok, den er seinen drei zahmen Thieren zur Geselschaft leben ließ, und hing den größten Theil des Fleisches in seiner Küche auf, um es durchräuchern zu lassen. Vorher aber hatte er es auf einige Tage eingesalzen, weil er sich erinnerte zu Hause gesehen zu haben, daß seine Mutter es eben so zu machen pflegte.

Das war nun schon ein ziemlicher Vorrath von Fleisch; und doch besorgte er, daß es noch nicht genug sein mögte, im Fal der Winter sehr rauh und anhaltend werden solte. Er wünschte daher noch einige Lamas zu fangen; aber das wolte ihm nicht mehr gelingen. Denn die Thiere hatten nunmehr seine Nachstellungen gemerkt, und waren auf ihrer Hut. Er muste also ein neues Mittel ersinnen, sich ihrer zu bemächtigen.

Auch dieses ward gefunden; so unerschöpflich ist der menschliche Verstand, wenn man ihn nur recht übt, an Hülfsmitteln zur Glükseeligkeit! Er hatte bemerkt, daß die Lamas, so oft sie ihn bei der Quelle zu Gesicht bekamen, allemahl in größter Eile über einen kleinen Hügel nach dem Gebüsche ranten. An der andern Seite war dieser Hügel mit kleinem Gesträuch, wie mit einer Hekke eingefaßt und hinter dieser Hekke war eine steile Wand, ohngefähr zwei Ellen hoch. Er sahe, daß die Lamas jedesmahl über dieses Gesträuch mit einem Saze vom Hügel hinab sprangen; und diese Beobachtung war ihm genug.

Er machte nemlich den Plan, an dieser Stelle eine tiefe Grube zu graben, damit die Lamas, wenn sie von oben hineinsprängen, darin gefangen würden. Sein unermüdeter Fleiß brachte dieses neue Werk seiner Erfindung in anderthalb Tagen zu Stande; er bedekte darauf die Grube mit Sträuchern und hatte am folgenden Tage die Freude, zwei ziemlich grosse Thiere hinein springen zu sehen und sie zu fangen.

Nunmehr glaubte er mit Fleische hinlänglich versorgt zu sein. Er würde verlegen gewesen sein, wo er es den Winter über lassen sollte, wenn nicht der Himmel gleichfalls durch das Erdbeben dafür gesorgt gehabt hätte, ihm einen ordentlichen Keller zu verschaffen. Es war nemlich nahe bei seiner Höhle ein anderes Stück des Berges ohngefähr zwei Klafter tief eingesunken, und dadurch war eine zweite Höhle entstanden, deren Oefnung gleichfalls in seinen Hofplaz ging. So hatte er also nunmehr Wohnung, Küche und Keller dicht neben einander, recht als wenn sie mit Fleiß und durch Kunst so wären angelegt worden.

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