Frei Lesen: Robinson der Jüngere

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Joachim Heinrich Campe

Robinson der Jüngere

12. Abend

eingestellt: 6.6.2007




Zwölfter Abend.

»Väterchen, was wilst du uns denn nun erzählen?« fragte Lotte, da sich Alle wieder unter dem Apfelbaume eingefunden hatten, und der Vater Miene machte, als ob er für seine Kleinen abermahls etwas in Bereitschaft habe. (Die ganze Geselschaft hatte unterdeß Unterricht im Korbmachen genommen, womit sie jezt eben beschäftigst war.)

»Von Robinson!« antwortete der Vater, und die Versamlung machte große Augen.

Lotte. I, der ist ja todt!

Johannes. O stille doch, Lotte! Er kan ja wohl wieder aufgelebt sein; weißt du nicht, daß wir schon einmahl geglaubt haben, daß er todt sei, und da lebt er ja doch noch.

Vater. Robinson kriegte, wie wir zulezt gehört haben, Verzukkungen; neigte sein Haupt und hörte auf, sich seiner bewust zu sein. Ob er wirklich todt, oder nur von einer starken Ohnmacht überfallen sei, war noch unentschieden.

Ueber eine gute halbe Stunde lag er in dem Zustande einer gänzlichen Sinlosigkeit. Endlich - wer hätt es wohl gedacht! - kehrte das Bewustsein wieder in seine Sele zurük.

Alle. Ah! das ist gut! das ist schön, daß er noch nicht todt ist!

Vater. Mit einem tiefen Seufzer fing er wieder an, auf die gewöhnliche Weise Athem zu holen. Dan schlug er seine Augen auf und blikte umher, als wenn er sehen wolte, wo er wäre? Denn wirklich war er in diesem Augenblikke selbst noch zweifelhaft, ob er aus seinem Leibe herausgegangen sei, oder nicht? Endlich überzeugte er sich von dem Leztern und zwar zu seiner großen Betrübniß, weil der Tod ihm jezt wünschenswürdiger, als das Leben, schien.

Er fühlte sich sehr mat, aber doch ohne sonderliche Schmerzen. Stat der troknen brennenden Hize, die er vorher empfunden hatte, quol jezt ein starker wohlthätiger Schweiß aus allen seinen Gliedern. Um denselben zu unterhalten, bedekt er sich noch immer mit Fellen, und kaum hatt er eine halbe Stunde in dieser Lage zugebracht, als er anfing große Erleichterung zu spüren.

Aber jezt quälte ihn der Durst auf die allerempfindlichste Weise. Das übrige Wasser war nicht mehr trinkbar; zum Glük erinnerte er sich der Zitronen. Mit vieler Mühe biß er endlich eine derselben an, und genoß ihres Saftes zu seiner merklichen Erquikkung. Dan gerieth er, unter fortdauerndem Schweisse, in einen sanften Schlummer, der sich erst mit dem Aufgange der Sonne endigte.

O wie viel leichter wars ihm jezt ums Herz, als am gestrigen Tage! Die Wuth der Krankheit hatte sich offenbar gelegt und sein ganzes jeziges Uebel bestand nur noch in bloßer Mattigkeit. Er fühlte sogar schon wieder einigen Appetit und speisete eine der gebratenen Kartoffeln, auf die er etwas Zitronensaft treufelte, um den Geschmak derselben erfrischender zu machen.

Die beiden vorigen Tage hatt er sich gar nicht um seine Lamas bekümmert; jezt aber war es ihm ein rührender Anblik, sie zu seinen Füßen liegen zu sehen, indem einige derselben ihn star ansahen, als wenn sie sich erkundigen wolten, obs noch nicht besser mit ihm wäre? Zum Glük können diese Thiere, so wie die Kamele, sich viele Tage ohne Getränk behelfen: sonst würd es jezt schlim um sie ausgesehen haben; weil sie nun schon seit zwei Tagen nicht getrunken hatten, und Robinson auch jezt noch viel zu schwach war, um aufstehen und Wasser für sie holen zu können.

Da das alte Mutterlama ihm so nahe kam, daß er es erreichen konte: so wandte er alle seine Kräfte an, ihm etwas Milch aus dem Eiter zu ziehen, damit sie ihm nicht vergehen mögte. Der Genuß dieser frischen Milch muste seinem kranken Körper auch wohl zuträglich sein, denn es ward ihm recht wohl darnach.

Nachher verfiel er von neuem in einen erquikkenden Schlaf, aus dem er erst bei Sonnenuntergang wieder erwachte. Und da verspürte er schon viel stärkern Hunger. Er aß also wieder einige Kartoffeln mit Zitronensaft und legte sich abermahls schlafen.

Dieser fortdauernde erquikkende Schlaf und die Güte seiner Natur wirkten so stark zur Wiederherstellung seiner Kräfte, daß er am folgenden Morgen schon wieder aufstehen und - wiewohl mit schwachen zitternden Füßen - einige Schritte versuchen konte.

Er schwankte aus der Höhle bis auf seinen Hofplaz. Hier hob er seine Augen gen Himmel; ein sanfterwärmender Strahl der Morgensonne fiel durch die Bäume auf sein Angesicht, und es ward ihm, als wenn er neu gebohren würde. »O du ewiger Quel des Lebens, rief er aus, indem er sich auf seine Knie warf; Gott! Gott! habe Dank, daß du mich noch einmahl deine schöne Sonne erblikken, und in ihrem Lichte die Wunder deiner Schöpfung sehen läßt! Habe Dank! Dank! Dank! daß du mich nicht verlassen hast in meiner Noth; daß du noch einmahl mich zurük gerufen hast ins Leben, um mir noch mehr Zeit zu meiner Besserung zu schenken! Laß mich doch ja jeden Tag meines noch übrigen Lebens dazu anwenden, damit ich zu jeder Zeit bereit gefunden werde, hinzureisen nach dem Orte unserer ewigen Bestimmung, wo wir den Lohn unserer guten und bösen Thaten empfangen werden!«

Nach diesem kurzen, aber herzlichen Gebete weidete er seine Augen bald an dem grossen blauen Gewölbe des Himmels, bald an den Bäumen und Stauden, die in frisches Grün gekleidet und mit Thau beperlt, so lachend vor ihm da standen, bald an seinen treuen Lamas, die sich freudig und liebkosend um ihn her drengten. Es war ihm, als wär er von einer langen Reise wieder zu den Seinigen gekommen; sein Herz floß über und ergoß sich in süßen Freudentränen.

Der Genuß der frischen Luft, und des frischen Wassers, welches er mit Milch vermischte, und die stille Heiterkeit seines Gemüths trugen nicht wenig dazu bei, ihn völlig wieder herzustellen. In einigen Tagen waren alle seine Kräfte ersezt, und er sahe sich wieder im Stande, zu seinen Arbeiten zurükzukehren.

Das erste, was er vornahm, war eine Untersuchung, was wohl aus seinen Töpfen mögte geworden sein? Er öfnete den Ofen und siehe da! alle seine Gefässe waren so schön glasirt, als wenn sie von einem unserer Töpfer wären gemacht worden. In der Freude darüber vergaß er eine Zeitlang, daß er von dieser seiner wohlgerathnen Arbeit nun keinen Gebrauch werde machen können, weil sein Feuer ausgegangen war. Da ihm dieses endlich einfiel, stand er mit gesenktem Haupte, sahe bald die Töpfe und Tiegel, bald die Feuerstelle in seiner Küche an, und stieß einen tiefen Seufzer aus.

Doch blieb seine Betrübniß diesmahl in den Schranken der Mäßigkeit. Er dachte nemlich: eben die gütige Vorsehung, die dir neulich Feuer verschafte, kan dir ja, entweder auf eben dieselbe, oder auf eine andere Weise, auch zum zweitenmahle dazu verhelfen, wenn es ihr gefällig ist. Ueberdem wust er nun schon, daß er keinen Winter hier zu besorgen habe; und ohngeachtet er von Jugend auf an Fleischspeisen gewöhnt war: so hoft er doch, daß er auch ohne dieselben, blos von Früchten und von der Milch seiner Lamas, werde leben können.






Lotte. I, er konte ja auch geräuchertes Fleisch essen; das braucht ja nicht erst gekocht zu werden!

Vater. Das ist wahr; aber womit solt er denn sein Fleisch räuchern?

Lotte. Ja so! daran hatt ich nicht gedacht.

Vater. Es reuete ihn indeß nicht, die Töpfe gemacht zu haben: denn er konte sie nun wenigstens zu Milchgefäßen brauchen. Den größten davon hatte er zu einem besondern Gebrauche ausersehen.

Johannes. Nu, wozu denn?

Vater. Er bildete sich ein, daß ihm seine Kartoffeln noch besser schmekken würden, wenn er sie mit etwas Butter essen könte.

Gotlieb. Das glaub ich!

Vater. Aber ein hölzernes Butterfaß zu verfertigen, war ihm unmöglich. Er wolte daher versuchen, ob die Butter sich nicht auch in einem großen Topfe machen liesse. Er samlete also so viel Rahm, als er nöthig zu haben glaubte. Dan machte er einen kleinen hölzernen Teller mit einem Loche in der Mitte, in welches er einen Stok stekte. Mit diesem Werkzeuge fuhr er dan in dem mit Rahm angefülten Topfe so lange auf und nieder, bis die Butter von der Buttermilch abgesondert war; worauf er sie mit Wasser wusch und mit etwas Salz vermischte.

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