Frei Lesen: Robinson der Jüngere

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Joachim Heinrich Campe

Robinson der Jüngere

18. Abend

eingestellt: 6.6.2007



Am folgenden Tage war ein Flüstern und Zischeln und eine Bewegung unter dem kleinen Volke, daß man wohl merken konte, es sei irgend etwas Wichtiges unter ihnen auf dem Tapet. Indeß konte man doch nicht erfahren, was es eigentlich sei, bis die Stunde zur Robinsonserzählung geschlagen hatte. Aber da entstand auch ein Zulaufen und ein Andrängen um den Vater herum, daß dieser sich auf die Grasbank fluchten mußte, um nicht zerdrükt zu werden.

Vater. Nun, was gibts, was gibts denn?

Alle. Eine Bitte! lieber Vater! Eine Bitte!

Vater. Und was denn für eine?

Alle auf einmahl. O ich mögte - o ich wolte gern - o und ich -

Vater. Sch! - ja, da versteh ich kein Wort, wenn ihr alle zugleich sprechen wolt. Rede einer nach dem Andern! Diderich, fange an!

Diderich. Ich und Nikolas und Johannes wolten bitten, daß es uns erlaubt wäre, morgen Mittag nicht zu essen.

Gotlieb. Und ich, und Frizchen und Lotte wolten bitten, daß wir Morgen zum Frühstük nur ein Bischen trokken Brod und den Abend gar nichts essen dürften.

Vater. Und warum das?

Johannes. Ja, wir wollen uns auch gern überwinden lernen.

Nikolas. Und wolten uns üben, ein Bischen Hunger zu ertragen, damit es uns nicht sauer ankomme, wenn wir einmahl hungern müssen.

Gotlieb. Ja, und denn wolten wir Vater auch noch bitten, daß es uns erlaubt sein mögte, Morgen Abend nicht zu Bette zu gehen und die ganze Nacht einmahl zu wachen.

Vater. Und warum denn das?

Gotlieb. I, weil es doch auch wohl einmahl kommen kan, daß wir wachen müssen; damit es uns denn nicht zu schwer werde.

Vater. Ich freue mich, Kinder, daß ihr die Nothwendigkeit einsehet, sich zuweilen etwas Angenehmes mit Fleiß zu entziehen, um den Mangel desselben, wenn es sein muß, ertragen zu lernen. Das macht stark an Leib und Sele. Eure Bitte sei euch also gewährt, doch unter der Bedingung, daß ihr es recht gern thut, daß ihr vergnügt dabei seid, und daß ihr es frei heraus sagt, wenns euch zu schwer fallen solte.

Alle. O es wird uns gewiß nicht zu schwer fallen.

Fr. R. Ich folge eurem Beispiel, ihr Kleinen, und faste Morgen Abend auch.

Fr. B. Und ich dem Eurigen, ihr Grössern; wir fasten zusammen Morgen Mittag, und die Nachtwache halt ich mit euch Allen!

Vater. Bravo! Bravo! - Nun, ich werde doch nicht allein zurükbleiben auf dem Wege zum Guten? - Hört, wozu ich mich entschlossen habe!

Ihr wißt, daß ich in meiner Jugend sehr verwöhnt worden bin. Man hat mir Kaffee und Thee, Bier und Wein zu trinken gegeben. Aus eigener Narheit habe ich als Jüngling mir den Schnupftabak und Rauchtabak angewöhnt. Das Alles schwächt nun den Körper gar sehr und giebt uns so viel Bedürfnisse, daß uns alle Augenblikke etwas fehlt und macht daß wir unzufrieden sind, wenn wir es nicht haben können. Ich habe oft Kopfschmerzen; vermuthlich würd ich sie nicht haben, wenn ich nicht von Jugend auf an warme und erhizende Getränke wäre gewöhnt worden. Dies und das Beispiel unsers Robinsons hat mich dan zu der Entschliessung gebracht, von nun an auf Alles dies Verzicht zu thun. Also von heute an, rauche und schnupfe ich keinen Tabak mehr; von heute an, trinke ich keinen Thee, keinen Kaffe, kein Bier und keinen Wein mehr, ausser an Geburtstagen und andern Freudenfesten, da wir gemeinschaftlich ein wenig Wein trinken wollen, um uns auch über diese Gottesgabe zu freuen und dem Geber derselben dafür zu danken.

Es wird mir sauer werden, dies Gelübde zu erfüllen, weil ich schon so lange verwöhnt gewesen und nun schon so alt bin. Aber mags! desto grösser wird auch nachher meine Freude sein, wenn ichs doch werde erfült haben. Auch die Leute werden viel dawider einzuwenden haben; der Eine wird sagen: »der wil den Sonderbaren machen, wil dem Diogenes* nachäffen!« Der Andere: »der Man ist hipochondrisch, findet ein Vergnügen daran sich selbst zu quälen!« So werden die guten Leute sprechen; aber, lieben Kinder, wenn man etwas thun wil, was vor Gott und vor unserm eigenen Gewissen recht und gut ist, so muß man niemahls fragen: was werden die Leute dazu sagen? man muß vielmehr die Leute sagen lassen, was sie wollen, und selbst thun, was man als recht erkant hat. Auch die Aerzte werden den Kopf über mich schütteln, werden mir, ich weiß nicht was für Krankheiten profezeihn, weil ich aufhören wil krank an Leib und Seele zugleich zu sein: aber, lieben Kinder, wenn man Herz genug hat, auf den Weg der Natur zurük kehren zu wollen, so muß man nicht die Aerzte um Rath fragen, welche selbst davon abgewichen sind.

Ich habe geglaubt, daß es gut wäre, euch dies Alles vorher zu sagen, damit ihr aus meinem Beispiele lernen mögtet, daß man viel kan, wenn man viel wil, und daß keine böse Gewohnheit so stark sei, daß wir sie mit Gottes Hülfe nicht solten überwinden können, wenn es nur ein rechter Ernst damit ist. -

Nun, Kinder, zum Anfang werden diese Uebungen in der Enthaltsamkeit und Selbstbekämpfung, die wir jezt beschlossen haben, schon hinreichend sein. Haben wir diese glüklich überstanden, so wird uns jede folgende Uebung leichter werden. Also - es bleibt dabei, jeder thut, wozu er sich freiwillig entschlossen hat; und nun wieder zu unserm Robinson!

Der Zustand desselben, war jezt glüklicher, als er, seit seiner Ankunft auf dieser Insel, jemahls gewesen war. Die einzige große Sorge, die ihn jezt nur noch beunruhigte, war die, daß die Wilden vielleicht bald zurük kommen wurden, um ihre zurükgebliebenen Gefährten aufzusuchen, und daß es dan leicht zwischen ihm und ihnen wieder zu blutigen Händeln kommen dürfte. Er zitterte vor dem Gedanken, abermahls in die Nothwendigkeit versezt zu werden, Menschenblut vergiessen zu müssen, und sein eigenes zweifelhaftes Schiksal machte ihn nicht weniger bekümmert.

Bei diesen Umständen erfoderte die Pflicht der Selbsterhaltung, auf seine eigene Sicherheit, so viel möglich, bedacht zu sein. Schon längst hatt er den Wunsch gehegt, seine Burg zu einer ordentlichen kleinen Festung machen zu können: aber so lange er noch allein war, schien ihm die Ausführung dieses Anschlages unmöglich zu sein. Jezt aber, da er zwei Arme mehr hatte, kont er so was schon unternehmen. Er stelte sich also auf den Gipfel des Berges, von wannen er den ganzen Plaz übersehen konte, um den Plan dazu zu machen. Dieser war auch bald entworfen. Er durfte nur ausserhalb der Baumwand rund um seine Burg herum einen etwas breiten und tiefen Graben aufwerfen, und den inwendigen Rand desselben mit Pallisaden bepflanzen?

Frizchen. Was sind das Pallisaden?

Johannes. O du kannst auch leicht wieder was vergessen! Weißt du nicht mehr, die spizigen Pfäle, die Vater um das eine Ravelin an unserer kleinen Festung so dicht neben einander gepflanzt hat, - na! das sind Pallisaden.

Frizchen. Ach ja! - Nu nur weiter!

Vater. In diesen Graben beschloß er die kleine Quelle zu leiten, die ohnweit seiner Wohnung entsprang, und zwar so, daß ein Theil des Bachs mitten durch seinen Hofraum flösse, damit es ihm, in Fall einer ordentlichen Belagerung, nicht an Wasser fehlen mögte.

Es hielt schwer, alles dies seinem Freitag durch Zeichen verständlich zu machen. Indeß glükt es ihm endlich damit; und Freitag lief darauf nach dem Gestade, um allerlei Werkzeuge zum Graben und Schaufeln, nemlich grosse Muscheln und platte scharfe Steine zu suchen. Dan sezten beide sich in Arbeit.

Ihr könt denken, daß dies abermahls kein leichtes Geschäft gewesen sei. Der Graben muste, wenn er etwas helfen solte, wenigstens drei Ellen tief und zum mindesten vier Ellen breit sein. Die Länge desselben mogte sich leicht auf 80 bis 100 Schritte belaufen. Und dazu kein eisernes Werkzeug, keine Hakke, keinen Spaten, keine Schaufel zu haben! Denkt einmahl nach, was das sagen wolle! Der Pallisaden bedurfte man beinahe 400 Stük; und diese blos mit einem einzigen steinernen Beile behauen und zuspizen zu wollen: in der That kein leichtes Unternehmen! Und dan, so muste auch noch von der Quelle bis zu diesem Graben ein beinahe eben so tiefer Kanal gegraben werden, um das Wasser herzuleiten; und zwischen diesem Quel und der Wohnung war noch oben drein eine Anhöhe, welche durchgestochen werden muste!

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