Frei Lesen: Robinson der Jüngere

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Joachim Heinrich Campe

Robinson der Jüngere

1. Abend

eingestellt: 6.6.2007



Es war einmahl eine zahlreiche Familie, die aus kleinen und großen Leuten bestand. Diese waren theils durch die Bande der Natur, theils durch wechselseitige Liebe vereiniget. Der Hausvater und die Hausmutter liebten Alle, als ihre eigene Kinder, ohngeachtet nur Lotte, die Kleinste von Allen, ihre leibliche Tochter war; und zwei Freunde des Hauses, R** und B**, thaten ein Gleiches. Ihr Aufenthalt war auf dem Lande, nahe vor den Thoren von Hamburg.

Das Wort dieser Familie war: bete und arbeite! und Klein und Groß kanten kein ander Glük des Lebens, als welches die Erfüllung dieser Vorschrift gewährt. Aber während der Arbeit und nach vollendetem Tagewerke, wünschte jeder von ihnen auch etwas zu hören, welches ihn verständiger, weiser und besser machen könte. Da erzählte ihnen dan der Vater, bald von diesem, bald von jenem, und die kleinen Leute alle hörten ihm gern und aufmerksam zu.

Eine von solchen Abenderzählungen ist die folgende Geschichte des jüngern Robinsons. Da man glaubte, daß wohl noch mehr gute Kinder wären, die diese merkwürdige Geschichte zu hören oder zu lesen wünschten: so schrieb sie der Vater auf und der Buchdrukker mußte zwei tausend Abdrükke davon machen.

Das Buch, liebes Kind, das du iezt in Händen hast, ist einer davon. Du kanst also, wenn du wilst, gleich auf der folgenden Seite anfangen.

Aber bald hätte ich vergessen, dir zu sagen, was vorher ging, ehe diese Erzählung ihren Anfang nahm! - »Wilst du uns nicht wieder was erzählen, Vater?« fragte Gotlieb an einem schönen Sommerabend. »Gern!« war die Antwort; »aber es wäre Schade, einem so herlichen Abend nur durch die Fenster zu zusehen. Komt, wir wollen uns im Grünen lagern!«

O das ist schön, das ist schön! riefen Alle; und so gings in vollen Sprüngen zum Hause hinaus.

Erster Abend.



Gotlieb. Hier, Vater?

Vater. Ja, hier unter diesem Apfelbaume.

Nikolas. O prächtig!

Alle. Prächtig! Prächtig! (hüpfen und klatschen mit den Händen.)

Vater. Aber, was denkt ihr denn zu machen unter der Zeit, daß ich euch erzäle? So ganz müssig werdet ihr doch wohl nicht gern da sizzen wollen?

Johannes. Ja, wenn wir nur was zu machen hätten!

Mutter. Hier sind Erbsen auszukrüllen! Hier türksche Bonen abzustreifen; wer hat Lust?

Alle. Ich! ich! ich! ich!

Gotlieb. Ich, und meine Lotte und du, Frizchen, wollen Erbsen auskrüllen: nicht?

Lotte. Nein, mit Erlaubniß, ich muß erst den Kettenstich machen, den Mutter mir gezeigt hat.

Gotlieb. Na, wir beide denn! Kom, Friz, sezze dich.

Freund R. Ich arbeite mit euch. (Sezt sich neben sie ins Gras.)

Freund B. Und ich mit euch andern; ihr wolt mich doch?

Diederich. O gern, gern! Hier ist noch Plaz genung. Das ist exzellent! Nun wollen wir sehen, wer am meisten abstreifen kan!

Vater. Sezt euch so herum, daß ihr die Sonne könt untergehen sehen; es wird heute ein schön Spektakel am Himmel geben. (Alle lagern sich und beginnen ihr Werk.)

Vater. Nun, Kinder, ich wil euch heute eine recht wunderbare Geschichte erzälen. Die Hare werden euch dabei zu Berge stehen, und dan wird euch das Herz wieder im Leibe lachen.

Gotlieb. O, aber machs ja nicht zu traurig!

Lotte. Nein, nicht zu traurig; hörst du, Väterchen? Sonst müssen wir gewiß weinen, und können nicht davor.

Johannes. Nun, so laßt doch! Vater wirds schon wissen.

Vater. Seid unbesorgt, Kinder; ich wils schon so machen, daß es nicht gar zu traurig werde.

Es war einmahl ein Man in der Stadt Hamburg, der hieß Robinson. Dieser hatte drei Söhne. Der Aelteste davon hatte Lust zum Soldatenstande, ließ sich anwerben und wurde erschossen in einer Schlacht mit den Franzosen.

Der zweite, der ein Gelehrter werden wolte, hatte einmahl einen Trunk gethan, da er eben erhizt war; kriegte die Schwindsucht und starb.

Nun war also nur noch der Kleinste übrig, den man Krusoe nante, ich weiß nicht, warum? Auf den sezten nun der Herr Robinson und die Frau Robinson ihre ganze Hofnung, weil er jezt ihr Einziger war. Sie hatten ihn so lieb, als ihren Augapfel; aber sie liebten ihn mit Unverstand.

Gotlieb. Was heist das, Vater?

Vater. Wirst es gleich hören. Wir lieben euch auch, wie ihr wißt; aber eben deswegen halten wir euch zur Arbeit an, und lehren euch viel angenehme und nüzliche Dinge, weil wir wissen, daß euch das gut und glüklich machen wird. Aber Krusoes Eltern machten es nicht so. Sie liessen ihrem lieben Söhnchen in allem seinen eigenen Willen, und weil nun das liebe Söhnchen lieber spielen, als arbeiten und etwas lernen mogte: so liessen sie es meist den ganzen Tag spielen, und so lernte es denn wenig oder gar nichts. Das nennen wir andern Leute eine unvernünftige Liebe.

Gotlieb. Ha! ha! nu versteh ichs.

Vater. Der junge Robinson wuchs also heran, ohne daß man wuste, was aus ihm werden würde. Sein Vater wünschte, daß er die Handlung lernen mögte; aber dazu hatte er keine Lust. Er sagte, er wolte lieber in die weite Welt reisen, um alle Tage recht viel neues zu sehen und zu hören.

Das war nun aber recht unverständig gesprochen von dem jungen Menschen. Ja, wenn er schon was rechts hätte gelernt gehabt! Aber was wolte ein so unwissender Bursche, als dieser Krusoe war, in der weiten Welt machen? Wenn man in Ländern sein Glük machen wil: so muß man sich erst viel Geschiklichkeit erworben haben. Und daran hatte er bisher noch nicht gedacht.

Er war nun schon siebenzehn Jahr alt, und hatte seine meiste Zeit mit Herumlaufen zugebracht. Täglich quälte er seinen Vater, daß er ihn doch mögte reisen lassen; sein Vater antwortete: er wäre wohl nicht recht gescheit, und wolte nichts davon hören. Söhnchen, Söhnchen! rief ihm dan die Mutter zu, bleibe im Lande und nähre dich redlich!

Eines Tages -

Lotte. Haha! nun wirds kommen!

Nikolas. O stille doch!

Vater. Eines Tages, da er, seiner Gewohnheit nach, bei dem Hafen herum lief, sahe er einen Kammeraden, der eines Schiffers Sohn war und der eben mit seinem Vater nach London abfahren wolte.

Frizchen. In der Kutsche?

Diederich. Nein, Frizchen, nach London muß man zu Schiffe fahren über ein großes Wasser, das die Nordsee heißt. - Nun?

Vater. Der Kammerad fragte ihn: ob er nicht mit reisen wolte? Gern, antwortete Krusoe, aber meine Eltern werden es nicht haben wollen! I, sagte der Andre wieder, mache einmahl den Spaß und reise so mit! In drei Wochen sind wir wieder hier, und deinen Eltern kanst du ja sagen lassen, wo du geblieben seist.

»Aber ich habe kein Geld bei mir!« sagte Krusoe. - »Schadt nichts, antwortete der Andere; ich wil dich schon frei halten unterwegens.«

Der junge Robinson bedachte sich noch ein Paar Augenblikke; dan schlug er dem Andern auf einmahl in die Hand und rief aus: »Top! ich fahre mit, Bruder! Nur gleich zu Schiffe!« - Darauf bestellte er jemand, der nach einigen Stunden zu seinem Vater gehen und ihm sagen solte: er wäre nur ein bischen nach England gefahren und werde bald wieder kommen. Dan giengen die beiden Freunde an Bord.

Johannes. Fi! den Robinson mag ich nicht leiden.

Nikolas. Ich auch nicht.

Freund B. Warum denn nicht?

Johannes. Ja, weil er das thun kan, daß er so von seinen Eltern weg geht, ohne daß sies ihm erlaubt haben!

Freund B. Hast Recht, Johannes, es war wirklich ein dummer Streich von ihm; wir müssen Mitleid mit seiner Dumheit haben. Gut, daß es solcher einfältigen jungen Leute, die nicht wissen, was sie ihren Eltern schuldig sind, nicht viel giebt!

Nikolas. Giebt es mehr solche?

Freund B. Mir ist keiner dergleichen vorgekommen; aber das weiß ich ganz gewiß, daß es solchen jungen Leuten nicht gut gehen kan in der Welt.

Johannes. No, wir wollen hören, wies dem Robinson gegangen ist.

Vater. Die Matrosen - das sind die Schifferknechte - zogen die Anker auf, und spanten die Segel; der Wind fieng an das Schif zu treiben und der Schiffer sagte der Stadt mit sechs Kanonenschüssen Adieu! Der junge Robinson war mit seinem Freunde auf dem Verdekke und war ganz närrisch, vor Freude, daß er nun endlich einmahl reisen solte.

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