Frei Lesen: Robinson der Jüngere

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Joachim Heinrich Campe

Robinson der Jüngere

19. Abend

eingestellt: 6.6.2007



Da die Geselschaft am folgenden Abend wieder zusammen kam, waren die beschlossenen Uebungen der Enthaltsamkeit zum Theil schon angestellt worden. Alle waren froh und guter Dinge; und der Vater fing die Unterredung mit folgenden Worten an:

Nun, Kinder, wie thut das Fasten?

Alle. O recht gut, recht gut!

Vater. Ihr seht, ich selbst lebe auch noch, ohngeachtet ich heute nur Wasser und Milch getrunken habe.

Nikolas. Wenns darauf ankäme, so wolt ich wohl noch länger fasten!

Alle. O ich auch! Ich auch! Das ist ja gar nichts!

Vater. Länger zu fasten ist nicht nöthig; könte auch eurer Gesundheit schädlich werden: aber wenn ihr es wünscht, so wil ich euch wohl andere Uebungen vorschlagen, die euch eben so nüzlich sein werden.

Alle. O ja! O ja, lieber Vater!

Vater. Für heute hat jeder von uns genug gethan, besonders da diese Nacht noch gewacht werden sol. Aber, wenn ihr wirklich Lust habt, recht trefliche Menschen zu werden, die da gesund und stark an Leib und Sele, und also fähig sind, zum Glük ihrer Nebenmenschen viel, recht viel beizutragen: so hört, was wir thun wollen!

Ich wil für euch die Schriften der alten Weisen lesen, welche die Lehrer der großen und liebenswürdigen Männer waren, die euch, da ich die alte Geschichte erzählte, so sehr gefallen haben. Darin stehen die Vorschriften, welche jene weisen Männer ihren Schülern gaben, und durch deren Erfüllung diese ihre Schüler so groß und so gut geworden sind. Wöchentlich wil ich eine dieser Vorschriften auf eine mit Papier überzogene Tafel schreiben und sie euch erklären. Dan wil ich jedesmahl euch dabei sagen, was für Uebungen ihr die Woche hindurch anstellen könt, um euch die Erfüllung einer solchen Vorschrift zu einer leichten und angenehmen Gewohnheit zu machen. Aber freilich wird das ohne Aufopferungen nicht abgehen; ihr werdet euch oft freiwillig entschliessen müssen, auf ein sehr liebes Vergnügen Verzicht zu thun, und zuweilen etwas sehr Unangenehmes zu erdulden, um euch dadurch nach und nach diejenige Stärke der Sele zu erwerben, welche uns in den Stand sezt, jede unerlaubte Begierde in uns zu bekämpfen und jeden Verlust, jeden Mangel mit weiser Gleichmüthigkeit zu ertragen. Es versteht sich, daß wir Erwachsene euch in allen diesen Uebungen vorgehen und nichts von euch fodern werden, als was wir selbst zu leisten Herz genug haben. Wolt ihr diesen Vorschlag eingehen?

Alle gaben ihre Einstimmung durch ein lautes Ja! und durch freudiges Händeklatschen zu erkennen. Es wurde also von diesem Augenblikke an eine Schule der Weisheit unter ihnen errichtet, welche von andern Schulen sich vornehmlich dadurch auszeichnete, daß wöchentlich nur eine halbe Stunde gelehrt, und das Gelehrte wenigstens acht Tage hinter einander recht eigentlich zur Uebung gemacht ward. Vielleicht theilen wir unsern jungen Lesern einmahl eine Nachricht von diesen Uebungen und von ihren erfreulichen Folgen mit, um auch sie die Mittel zu lehren, wodurch man ein vorzüglich guter, gemeinnüziger und glüklicher Mensch werden kan.

Jezt wieder zu unserm Robinson! - Nachdem die gemeldete Verabredung genommen war, fuhr der Vater folgendermaßen fort.

Kinder, das, wovon ich gestern Abend beim Schluß meiner Erzählung sagte, daß es möglich sei, hat sich nun wirklich zugetragen.

Alle. Was denn? Was denn?

Vater. Ich sagte, daß im menschlichen Leben unsere gewissesten Hofnungen oft plözlich vereitelt werden; und daß daher auch Robinson, so wahrscheinlich und so nahe seine Erlösung auch zu sein schiene, doch leicht ein unvorhergesehenes Hinderniß antreffen dürfte, welches ihn nöthigte, noch länger da zu bleiben. Dieses Hinderniß nun fand sich schon am folgenden Tage ein.

Es fing nemlich mit diesem Tage abermahls die gewöhnliche Regenzeit an, von welcher Robinson nun schon aus vieljähriger Erfahrung wuste, daß sie jährlich zweimahl, und zwar immer um diejenige Zeit einzutreffen pflege, da Tag und Nacht einander gleich sind. Während dieser Regenzeit, die gemeiniglich einen oder zwei Monate anhielt, war es unmöglich, ausser Hause etwas zu verrichten; so stark und unaufhörlich strömte alsdan der Regen herab! Auch hatte Robinson bemerkt, daß in jener Weltgegend das Ausgehen und Naßwerden in dieser Jahrszeit der Gesundheit äusserst nachtheilig sei. Was war also nun zu thun? Der Schifbau muste aufgehoben und die Zeit mit häuslichen Verrichtungen hingebracht werden.

Wohl bekam es nun unserm Robinson an den regnigten Tagen und in den langen finstern Abendstunden, daß er wieder Feuer, noch mehr, daß er einen Geselschafter, einen Freund, hatte, mit dem er unter gemeinschaftlichen Hausarbeiten die Zeit mit vertraulichen Gesprächen vertreiben konte! Vormahls hatt er diese traurigen Abende allein, unbeschäftiget und im Finstern hinbringen müssen: jezt saß er mit Freitag bei einer Lampe oder ohnweit dem Küchenfeuer, arbeitete und plauderte und fühlte nie die Beschwerlichkeit der langen Weile, die so drükkend ist.

Freitag lehrte ihn allerlei kleine Künste, wodurch die Wilden ihren Zustand zu verbessern wissen; und dan lehrte Robinson ihn wieder andere Sachen, wovon die Wilden nichts verstehen. So nahmen beide zu an Kentnissen und Geschiklichkeiten und brachten durch gemeinschaftlichen Fleiß eine Menge kleiner Kunstwerke zu Stande, deren Verfertigung jedem von ihnen, wenn er sich ganz allein befunden hätte, würde unmöglich gewesen sein. Da fühlte dan auch jeder von ihnen recht innig, wie gut es sei, daß die Menschen durch Geselligkeit und Freundschaft zusammen gehalten werden, und nicht, wie die wilden Thiere, einzeln auf dem Erdboden herumschwärmen!

Freitag verstand sich unter andern auf die Verfertigung von Matten aus Baumbast, die er so fein und so dicht zu flechten wuste, daß sie füglich zu Kleidungsstükken gebraucht werden konten. Robinson lernte ihm diese Kunst ab; und da verfertigten beide einen solchen Vorrath davon, als hinreichend war, um für jeden einen ganzen Anzug daraus zu machen. O wie freute sich Robinson, daß ihm die beschwerliche Kleidung aus steifen ungegärbten Fellen nun endlich einmahl entbehrlich geworden war!

Ferner verstand Freitag die Kunst, aus den Fasern, worin die Kokusnüsse eingewikkelt sind, und aus verschiedenen flachsartigen Kräutern Garn und Strikke zu drehen, welche diejenigen, die Robinson bisher gemacht hatte, bei weitem übertrafen. Aus dem Garn wust er Fischneze zu knüpfen, eine Arbeit, die beiden manchen langen Abend auf die angenehmste Weise verkürzte.

Während dieser häuslichen Geschäftigkeit war Robinson vornemlich darauf bedacht, den Verstand seines armen wilden Freundes ein wenig aufzuklären, und ihm nach und nach einige wahre und würdige Begriffe von Gott beizubringen. Wie schwach und irrig Freitags Religionserkentniß war, möget ihr aus folgendem Gespräche zwischen ihm und seinem Herrn ersehen.

Robinson. Sage mir doch, Freund Freitag, weißt du denn wohl, wer das Meer, die Erde, die Thiere und dich selbst erschaffen hat?

Freitag. O ja! Das hat der Toupan gethan.

Robinson. Wer ist denn Toupan?

Freitag. I, der Donnerer!

Robinson. Aber wer ist denn der Donnerer?

Freitag. Ein alter, alter Man, der länger, als alle Dinge, lebt, und der den Donner macht. Er ist viel älter, als Sonne, Mond und Sterne; und alle Dinge sagen O zu ihm. (Das solte so viel heissen, als: Alle beten ihn an.)

Robinson. Kommen denn die Leute in deinem Vaterlande irgendwo hin, wenn sie sterben?

Freitag. Freilich thun sie das; sie kommen zum Toupan.

Robinson. Wo ist denn der?

Freitag. Er wohnt auf hohen Gebirgen.

Robinson. Hat denn jemand ihn da gesehn?

Freitag. Es komt keiner zu ihm hinauf, als die Owokakees; (dieser Nahme solte so viel, als Priester bedeuten.) Diese sagen O zu ihm und erzählen uns denn wieder, was er gesprochen hat.

Robinson. Haben denn die Leute, wenn sie nach dem Tode zu ihm kommen, es gut bei ihm?

Freitag. O ja, wenn sie hier recht viel Feinde geschlachtet und aufgegessen haben!

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