Joachim Heinrich Campe
Robinson der Jüngere
24. Abend
eingestellt: 6.6.2007
Am folgenden Abend fuhr der Vater zur großen Freude seiner Kleinen, ohne alle Vorrede, folgendermaßen fort.
Süßer hatte unser Robinson noch nie geschlafen, als in dieser Nacht; denn seit dem ersten Tage seines einsamen Aufenthalts auf dieser Insel war er noch nie so glüklich gewesen, als er sich jezt fühlte. Aber nie empfand auch wohl ein Mensch mehr innige Dankbarkeit und Liebe
gegen den himlischen Wohlthäter, dem er dieses sein Glük zu verdanken hatte, als er. Wie oft lag er, wenn er allein war, auf seinen Knien und dankte dem guten Geber aller Gaben für das, was er ihm verliehen hatte! Auch seinem Freitag sucht er diese frommen Empfindungen der Dankbarkeit einzuflössen. Er lehrte ihn, bevor sie sich schlafen legten, das Loblied: Nun danket alle Gott! und dan stimten beide mit gerührtem Herzen es zum Preise Ihres
gemeinschaftlichen himlischen Vaters an. -
Am andern Morgen machten sie sich früh auf; legten alle ihre Sachen in ein Gebüsch und bedekten sie, im Fal es etwa regnen solte, mit vielen Zweigen. Dan stiessen sie mit Anfang der Ebbe vom Lande, um wieder nach dem Wrak zu fahren.
Frizchen. Was ist das Wrak?
Vater. So nent man ein Schif, welches gestrandet und schon zum Theil zertrümmert ist. - Da sie
gestern, wie ich zu erwähnen vergaß, auch ein Paar gute Ruder mit sich genommen hatten: so ging die Fahrt noch geschwinder, als das erstemahl. Sie kamen abermahls glüklich an; und das erste, was sie vornahmen, war dieses, daß sie alle Bretter, die sie in dem Schiffe fanden, auf ihr Flößholz herab liessen, um einen doppelten Fußboden davon zu machen, damit die Sachen, die sie mitnehmen wolten, trokner, als die gestrigen liegen mögten.
Jezt suchte Robinson wieder Alles durch, um unter den vielen Sachen, die er nicht alle auf einmahl mitnehmen konte, eine kluge Auswahl zu treffen. Diesmahl ward ihm die Wahl schon weniger sauer, weil er das Allernothwendigste nun schon in Sicherheit gebracht hatte. Doch verfuhr er wiederum eben so bedächtig, als das erstemahl.
Unter andern beschloß er, diesmahl eine von den sechs kleinen Kanonen mitzunehmen, die er auf dem Schiffe
fand.
Johannes. Eine Kanone? - O dafür hätt er doch auch wohl etwas nöthigeres nehmen können!
Vater. So scheint es uns, die wir die Sache von fern beurtheilen; Robinson hingegen, der seine ganze Lage in der Nähe übersahe, fand, daß ihm diese Kanone, wenigstens zur Beruhigung seines Gemüths, höchst nöthig sei.
Johannes. Wie so?
Vater. Der Ort am Strande, wo
er die geretteten Sachen vor der Hand hinlegen muste, war unbefestiget, und lag unglüklicher Weise in derjenigen Gegend, wo die Wilden gemeiniglich zu landen pflegten. Nun kont er sich zwar ziemlich auf den Schuz seiner Flinten und Pistolen verlassen, fals er angegriffen werden solte; aber der Gedanke, daß er alsdan wieder in die traurige Nothwendigkeit gerathen würde, einen oder den andern dieser armen Wilden zu tödten, machte ihn schaudern, so oft er ihm einfiel. Nun
dacht er, wenn er eine Kanone am Strande hätte: so könt er, wenn sie sich in ihren Kanoes oder Kähnen der Insel nähern wolten, schon von fern eine Kugel über ihre Köpfe hinschiessen, worauf sie dan vor Schrekken vermuthlich wieder umkehren würden.
Siehst du, Lieber, wie unsicher es ist, wenn wir das Betragen anderer Menschen zu beurtheilen uns anmassen wollen? Höchst selten kennen wir alle die Bewegungsgründe, nach
denen ein Anderer sich in seinem Verhalten richtet: wie dürfen wir uns dan einfallen lassen uns zu Richtern über dasselbe aufzuwerfen? Ein weiser Man ist daher sehr langsam zum Urtheil über Andere; giebt sich überhaupt nicht damit ab, wenn er keinen eigentlichen Beruf dazu hat, weil er genug über sich selbst und über seine eigene Handlungen zu denken und zu urtheilen hat: und so, Kinder! wollen wir es künftig auch machen.
Ausser der
Kanone, brachten Robinson und Freitag diesmahl noch folgende Sachen auf ihre Flöße: 1) Einen kleinen Sak vol Rokken, einen andern vol Gerste und noch einen dritten vol Erbsen; 2) Eine Kiste vol Nägel und Schrauben; 3) Ein Duzend Beile; 4) Ein Fäßchen vol Schießpulver, nebst Kugeln und Schroot; 5) Ein Segel, und 6) einen Schleifstein.
Gotlieb. Wozu denn den?
Vater. Um Beile, Messer und andere Werkzeuge wieder scharf zu machen, wenn sie stumpf sein würden.
Gotlieb. Hatt er denn auf seiner Insel keine Steine?
Vater. Steine in Menge; nur keine Schleifsteine! Hast du nicht bemerkt, daß diese von einer besondere Beschaffenheit, nemlich viel weicher sein müssen, als die andern Steine sind?
Gotlieb. Ja!
Vater.
Nun, solcher weichen Sandsteine, hatt er auf seiner Insel keine bemerkt; und doch ist ein Schleifstein für Alle, welche mit scharfen Werkzeugen umgehen müssen, ein ungemein nüzliches und nothwendiges Ding. Er zog ihn also ohne Bedenken, den Goldkörnern und Diamanten vor, die er abermahls zurük ließ.
Ehe sie abfuhren, untersuchte Robinson den dermahligen Zustand des Schiffes und fand, daß das Wasser noch etwas höher
eingedrungen sei, und daß die Wellen und das Reiben an den Felsen schon viele Planken an beiden Seiten des Schiffes losgerissen hätten. Er sahe voraus, daß der erste sich ereignende Sturm das ganze Wrak zertrümmern würde. Um destomehr beschloß er zu eilen, um von dem noch übrigen Schifsgute, so viel er nur immer könte, zu retten.
Da der Wind jezt landwärts bließ, so konten sie mit Hülfe des Segels und der
Ruder abfahren, ohngeachtet die Ebbezeit erst kaum halb vorbei war. Unterweges machte Robinson sich einen Vorwurf, der ein Beweis seiner Rechtschaffenheit war.
Diderich. Worüber denn?
Vater. Darüber, daß er das Gold und die Diamanten nicht mitgenommen habe.
Diderich. Was wolt er denn damit?
Vater. Er selbst wolte nichts damit; aber er dachte so: es ist doch nicht ganz unmöglich,
daß der Herr des Schiffes noch lebt, und wieder herkommen kan, um zu sehen, ob er nicht noch etwas retten könne. Wenn nun plözlich ein Sturm entstünde und der zerschmetterte das Schif, ehe du noch einmahl wieder zurükfahren kanst, und Gold und Edelgesteine gingen verloren: wie wolltest du es dan gegen den Besizer derselben, wie wolltest du es vor Gott, und vor deinem eigenen Gewissen verantworten, daß du nur lauter solche Sachen gerettet hast, die dir
nüzlich werden können und nicht auch dasjenige, woran dem eigentlichen Herrn aller dieser Sachen am meisten gelegen sein muß? Wovon vielleicht sein und vieler andern Menschen ganzer Glükszustand abhängen mag? Robinson! Robinson! sezt er hinzu, indem er sich unwillig vor die Stirn schlug, wie viel fehlt noch daran, daß du schon so gut bist, als du sein soltest?
Er konte kaum die Zeit abwarten, da sie anlanden und wieder abstoßen
würden, um von neuem hinzufahren; so groß war die Unruhe seines Gewissens über die Versäumung einer Pflicht, die ihm mit Recht heilig schien!
Endlich kamen sie an; aber in dem Augenblikke, da sie ans Land stoßen wolten, liefen sie große Gefahr, ihre ganze Ladung ins Meer versinken zu sehen. Weil nemlich die Ebbezeit noch dauerte, so war das Wasser am Strande so seicht, daß das Vordertheil des Flößholzes auf einmahl
auf den Sand rante und daher viel höher zu stehen kam, als das Hintertheil, welches noch vom Wasser getragen wurde. Zum Glük standen Robinson und Freitag beide hinten und konten also die abgleitende Ladung zurükhalten, daß sie nicht ins Wasser fiel.
Nachdem sie Alles wieder befestiget hatten, musten sie sich entschliessen bis an die Knie durch Wasser und Schlam zu waten, um die Sachen so ans Land zu bringen. Sie thaten dies so
hurtig und so vorsichtig, daß nichts verloren ging, und daß sie noch vor der zurükkehrenden Fluthzeit wieder abfahren konten.
Kaum war Robinson abermahls bei dem Wrakke angekommen, als er nichts eiligeres hatte, als das Tönchen mit den Goldkörnern und das Schächtelchen mit den Diamanten auf sein Flößholz zu bringen. Damit fiel ihm, wie man sagt, ein Stein von Herzen; und nun, nachdem er sich dieser Pflicht entlediget hatte, glaubt er berechtiget zu sein, wieder für sich selbst zu sorgen.
Diesmahl nahm er unter andern ein Paar
Schubkarren, die, ich weiß nicht zu welchem Behufe, auf dem Schiffe waren, viel vorräthige Kleidungsstükke und Wäsche, viel Werkzeuge und Geräthschaft, eine Laterne, nebst allen beschriebenen Papieren mit, die er in des Kapitains Kajüte fand; und da unterdeß die Fluthzeit zurük gekehrt war, so segelten sie wieder ab, und erreichten, von Wind und Wasser fortgetrieben, in kurzer Zeit den Strand.
Den noch übrigen Theil des Tages widmete Robinson einem Geschäfte, welches ihm jezt das dringendste zu sein schien. Er zitterte nemlich vor dem Gedanken, daß ein starker Regen einfallen, und seinen größten Schaz, das Schießpulver, unbrauchbar machen könte. Um diese Gefahr abzuwenden, beschloß er, noch an eben diesem Tage, aus einem großen mitgebrachten Segeltuche ein ordentliches Zelt zu machen,
worunter sein ganzer Reichthum vor dem Regen sicher läge.
Da er Scheere, Nadeln und Zwirn hatte, so ging ihm diese Arbeit geschwind von Händen, und Freitag lernte ihm bald so viel davon ab, daß er ihm dabei helfen konte. Dieser konte die unschäzbare Erfindung einer Nadel und einer Scheere nicht genug bewundern und gestand zu wiederhohlten mahlen, daß er und seine Landesleute, mit den künstlichen Europäern verglichen, doch
nur recht arme Schelme wären.
Sie wurden noch vor Abend mit dieser Arbeit fertig; und da machte Robinson sich noch die Freude, seinem Freitag die erstaunliche Wirkung einer Kanone zu zeigen. Er lud sie mit einer Kugel, stelte sie darauf so, daß der Schuß die Oberfläche des Wassers streifen muste, damit Freitag recht deutlich sehen könte, wie weit die Kugel fortgeschnelt werden würde. Jezt brant er sie ab, und
ohngeachtet Freitag schon durch die beiden Flintenschüsse auf dieses Schauspiel vorbereitet war: so erschrak er doch von neuem über den noch weit heftigern Knal der Kanone so sehr, daß ihm alle Glieder zitterten. Die Kugel tanzte auf der Oberfläche des Meeres hin und verlohr sich in einer unabsehlichen Entfernung. Freitag versicherte darauf, daß es nur eines einzigen solchen Schusses bedürfen würde, um alle seine Landsleute, wenn sie auch
bei Tausenden herbei kämen, plözlich in die Flucht zu jagen, weil sie den, der diesen Donner machte, gewiß für den Toupan halten würden.
Da es finster geworden war, stekte Robinson seine Laterne an, um die am Schiffe mitgebrachten Schriften durchzusehen, ob er vielleicht daraus erfahren mögte, wem das Schif zugehört habe, und welches die Bestimmung desselben gewesen sei? Aber zum Unglük waren diese Schriften, so
wie die Bücher, die er mitgenommen hatte, in einer Sprache abgefaßt, die er nicht verstand. Wie sehr bedauerte er hierbei abermahls, daß er in seiner Jugend nicht mehr Fleiß auf Erlernung der Sprachen gewandt habe! Aber diese Reue kam jezt zu spät.
Indeß gab ihm ein doppelter Umstand, den er bemerkte, einiges Licht über den Lauf des Schiffes und über die Absicht desselben. Er fand nemlich unter andern ein Paar Briefe, die
nach Barbados gerichtet waren, einer Insel bei Amerika, auf welcher ein starker Sklavenhandel getrieben wird.
Frizchen. Sklavenhandel?
Vater. Ich wil dir sagen, was das ist. In Afrika - du weißt doch noch, wo das liegt?
Frizchen. O ja; dorthin, über die grüne Brükke und die Gänseweide! - Nu nur zu!
Vater. In Afrika also, wo die Mohren wohnen, sind die meisten Menschen noch so roh
und ungesittet, wie das liebe Vieh. Ihre Anführer oder Könige, die selbst nicht viel klüger sind, gehen dan auch mit ihnen um, als wenn sie wirkliches Vieh wären. Wenn nun die Europäer dahin kommen, so bietet man ihnen ganze Heerden solcher schwarzen Menschen zum Verkauf an, recht so wie man hier die Ochsen zu Markte bringt. Viele Väter führen auch wohl ihre eigene Kinder herbei, um sie für eine Kleinigkeit los zu werden; und da kaufen denn die
Europäer alle Jahr eine Menge derselben und führen sie nach Amerika, wo sie die härteste Arbeit verrichten müssen und dabei recht jämmerlich gehalten werden. Ein solcher Sklav (so nent man sie) ist dan recht schlim daran, und wünschte oft lieber zu sterben, als so zu leben.
Gotlieb. Das ist doch aber auch gar nicht recht, daß man so mit Menschen umgeht!
Vater. Freilich ist es unrecht; auch steht zu hoffen,
daß dieser abscheuliche Sklavenhandel mit der Zeit ganz werde abgeschaft werden. -
Ferner fand Robinson eine Rechnung, aus der er ungefähr so viel abnehmen konte, daß auf dem Schiffe hundert solcher Sklaven gewesen sein müsten, die man nach Barbados habe bringen wollen. Er machte von allem diesem seinem Freitag eine Beschreibung, und sezte hinzu: wer weiß, ob nicht diese Unglüklichen dem Sturme, der das
Schif auf die Felsen trieb, vielleicht ihre Erlösung zu verdanken haben? Ob sie nicht vielleicht durch Hülfe der Böte sich gerettet und irgend eine Insel erreicht haben, auf der ihre Tirannen ihnen nun nicht mehr befehlen dürfen, und wo sie, nach ihrer Art, ein recht glükliches und zufriedenes Leben führen?
Freitag fand dies gar nicht unwahrscheinlich.
Wohl dan, lieber Freitag! sezte Robinson
hinzu, indem sein Gesicht zu glühen anfing; hättest du also nun noch wohl das Herz, deine neuliche Frage zu wiederhohlen?
Freitag. Welche?
Robinson. Die: was der Sturm, der uns unsern Kahn entführte, wohl für Nuzen gehabt haben könne?
Freitag ward beschämt und schlug reuevoll die Augen nieder.
»O Freitag! rief hierauf Robinson mit frommem Eifer aus;
erkenne die Hand des almächtigen und alweisen Gottes, die hier abermahls so sichtbarlich im Spiel gewesen ist! Siehe wie viel der Sturm uns wiedergeben muste, für das Wenige, was er uns zu nehmen Befehl hatte! Sieh ihn an, diesen ganzen Vorrath von Hülfsmitteln zu einem bequemen und glüklichen Leben - würden wir ihn haben, wenn der Sturm nicht gekommen wäre? Zwar ist es traurig, sein Glük dem Unglükke anderer Menschen verdanken zu müssen: aber
wie? wenn nun auch die Meisten von denen, die auf dem gestrandeten Schiffe waren, jezt viel glüklicher lebten, als vormahls? Und daß dies wirklich der Fal sei, ist doch gar nicht unwahrscheinlich! Was dünket dich nun von der götlichen Weltregierung?«
»Daß sie unbeschreiblich weise und gut sei, und daß ich ein Nar war!« erwiederte Freitag, indem er die Hände faltete und zum Himmel blikte, um Gott die
Sünde abzubitten, die er aus Unverstand begangen hatte.
Robinson verwahrte alle die durchgesuchten Papiere eben so sorgfältig, als das Gold und die Edelgesteine; um, fals er jemahls wieder nach Europa kommen solte, durch Hülfe derselben, zu erfahren, an wen er diese geretteten Schäze zurük geben müsse.
Noch sechs Tage hinter einander fuhren sie fort, des Tages zwei bis dreimahl nach dem Wrak zu fahren und
Alles, was sie bewegen konten, ans Land zu bringen. Tausend Kleinigkeiten waren ihnen wichtig und wurden als solche von ihnen mitgenommen, die uns kaum des Aufhebens werth scheinen würden, weil wir den Mangel derselben noch nie empfunden haben. Ein Theil der Schifsladung bestand aus Elefantenzähnen; diese liessen sie liegen, weil sie keinen Gebrauch davon machen konten. Ein Gleiches thaten sie mit einigen Tonnen vol Kaffebohnen, welche Robinson gleichfalls verschmähte,
weil er nicht gesonnen war, sich jemahls wieder zu überflüßigen und schädlichen Lekkereien zu verwöhnen. Dafür aber suchten sie so viel Bretter loszubrechen und mitzunehmen, als sie nur immer konten, weil ihnen diese einen grössern Nuzen und also auch einen grössern innern Werth zu haben schienen. Sogar die noch übrigen fünf Kanonen brachten sie ans Land, so wie alles Eisenwerk, welches sie nur finden oder vom Schiffe losmachen konten.
Nachdem sie nun schon achtzehn mahl hin und her gefahren und mit ihrer jedesmahligen Ladung immer glüklich an Ort und Stelle angekommen waren; bemerkten sie, da sie sich abermahls an Bord des Wraks befanden, daß ein Ungewitter heran nahe. Sie eilten daher, so sehr sie konten, das Aufladen zu beschleunigen und fuhren in der Hofnung ab, daß sie, noch vor dem Ausbruche des Gewitters den Strand erreichen würden. Aber ihre Bemühung war umsonst. Noch ehe sie die Hälfte der Fahrt zurükgelegt hatten, erhob sich ein so gewaltiger Sturm mit Donner, Bliz und Regen begleitet, daß die Wellen über das Flößholz wegrolten und die darauf befindlichen Sachen in den Abgrund warfen. Sie selbst klammerten sich eine Zeitlang so fest an, daß die schäumenden Wogen sie nicht wegspülen konten, ohngeachtet sie ihnen von Zeit zu Zeit fast einer Elle hoch über dem Kopfe weggingen.
Aber endlich konte das schwache Gebäude des Flößholzes der Wuth der Wellen nicht länger widerstehen. Die Bande, wodurch die Balken zusammen gehalten, löseten sich auf; die ganze Flöße fiel aus einander.
Lotte. O weh der arme Robinson!
Alle. O stille! stille!
Vater. Freitag versuchte sich durch Schwimmen zu retten, Robinson hingegen ergrif einen Balken, mit dem er bald in den Abgrund hinabgeworfen, bald wieder hoch empor gehoben wurde. Er war dabei öfter unter, als über dem Wasser, war ganz betäubt, und konte weder hören noch sehen. Jezt verliessen ihn seine Kräfte, und mit ihnen seine Besonnenheit. Er that noch einen lauten Schrei, und verschwand darauf in einer ungeheuern Welle, die von dem Balken ihn losriß.
Zum Glük war sein treuer Freitag ihm immer zur Seite geblieben, ohngeachtet er, wenn er gewolt hätte, sich weit geschwinder hätte retten können. Da dieser nun seinen Herrn vor seinen Augen versinken sahe, besan er sich keinen Augenblik, sondern tauchte unter, ergrif ihn mit der linken Hand, und arbeitete mit der rechten sich wieder empor. Und nun verdoppelte er seine Bemühung mit so unerhörter Anstrengung, daß er in einigen Minuten zusamt dem Leichname seines lieben Herrn am Strande war.
Alle. (Ganz erschrokken) Ach! - ach! dem Leichnam?
Vater. So nenne ich ihn, weil in der That kein Fünkchen von Leben mehr in ihm zu sein schien.
Freitag trug den Erblaßten völlig ans Land, warf sich verzweiflungsvol über ihn hin, rief ihm zu, rüttelte, rieb ihn am ganzen Leibe, und drükte zehnmahl die Lippen auf seinen Mund um ihm Athem einzublasen. Endlich hatt er die unaussprechliche Freude, wieder einige Merkmahle des Lebens wahrzunehmen; er fuhr in seinen Bemühungen fort und Robinson fing an, sich seiner wieder bewust zu sein.
»Wo bin ich?« fragt er mit schwacher zitternder Stimme, indem er die Augen wieder aufschlug. »In meinen Armen, lieber Herr!« antwortete Freitag, dem die Tränen aus den Augen stürzten. - Und nun gab es eine rührende Scene, indem Robinson seinem Erretter dankte, und dieser nicht wuste, was er vor Freuden über die Wiederkehr seines geliebten Herrn ins Leben alles vornehmen solte.
Und, Kinder, mit etwas Besserem können wir die Erzählung dieses Tages wohl nicht endigen; also genug für heute!