Frei Lesen: Robinson der Jüngere

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Joachim Heinrich Campe

Robinson der Jüngere

26. Abend

eingestellt: 6.6.2007





Vater. Nun, Kinder, diesmahl hab ich euch recht viel zu erzählen!

Alle. O herlich! herlich!

Vater. Wenn ich nur an einem Abend damit fertig werden kan!

Einige. O wir wollen Vater auch gar nicht unterbrechen; da wirds gewiß gehen.

Vater. Nun, ich wils versuchen. Bereitet euch also immer zu einem neuen fürchterlichen Auftritte, von dem man noch nicht wissen kan, wie er ablaufen werde.

(Die Kinder drükten einander ihre Vermuthung durch eine Pantomime aus.)

Wenn ich jezt fortfahren wolte euch alles das zu erzählen, was Robinson und Freitag durch Hülfe ihrer Werkzeuge täglich machten: so würd euch wohl kein sonderlicher Gefalle damit geschehen?

Johannes. O ja; aber das läßt sich ja wohl von selbst denken!

Vater. Ich begnüge mich also, nur zu sagen, daß sie nach und nach fast alle Handwerker - den Bekker, Schmied, Schneider, Schuster, Zimmerman, Tischler, Radmacher, Töpfer, Gärtner, Akkersman, Jäger, Fischer - und noch viel andere so glüklich nachahmten, daß sie hunderterlei Dinge machen lernten, wozu wir andern europäischen Faullenzer der Hülfe eben so vieler Menschen bedürfen. Ihre Kräfte wuchsen in eben dem Grade, in welchem sie dieselben anstrengten; und auch ihr Gemüth wurde unter einer beständigen nüzlichen Geschäftigkeit je länger je heiterer, je länger je besser. Ein Beweis, daß der liebe Gott uns zu einer solchen Geschäftigkeit wohl recht eigentlich geschaffen haben muß, weil wir allemahl gesunder, besser und glüklicher darnach werden.

Mehr als ein halbes Jahr war nun unter solchen angenehmen Verrichtungen dahin geflossen, ohne daß Freitag es gewagt hatte, seinen Herrn an die Reise nach seiner Heimath zu erinnern; ob er gleich oft, nach vollendeter Arbeit, auf den Berge lief, von wannen er nach der Gegend seiner Geburtsinsel hinsehen konte, und dan allemahl, wie ein Träumender, in tiefen Gedanken da stand und das Unglük beseufzte, von seinem Vater vielleicht auf immer getrent zu sein. Robinson hingegen wolte bis dahin mit Fleiß nicht davon reden, weil er den Wunsch seines Freundes doch nicht eher erfüllen konte, bis sie mit den nöthigsten Einrichtungen, welche ihre neue Lebensart erfoderte, würden fertig geworden sein.

Jezt war das Nöthigste gethan; und nun war Robinson der erste, welcher in Vorschlag brachte, daß sie wieder ein Schif bauen wolten, um Freitags Vater abzuhohlen. Die Freude des guten Burschen über diese erfreuliche Nachricht war wieder eben so groß, als neulich und seine Dankbarkeit gegen Robinson äusserte sich gleichfalls auf die nemliche Weise. Die Arbeit wurde also gleich am nächsten Morgen angefangen, und ging nun, wie natürlich, zehnmahl geschwinder und besser von statten, als das erste mahl.

Eines Morgens, da Robinson mit häuslichen Verrichtungen beschäftiget war, schikt er Freitag nach dem Strande, um eine Schildkröte zu suchen, weil sie von diesem angenehmen Gerichte schon in langer Zeit nicht genossen hatten. Dieser war noch nicht lange weg gewesen, als er plözlich wieder zurükflog und vom Laufen und Schrekken so ganz ausser Athem war, daß er nur mit stamlender Zunge die Worte hervorbringen konte: sie sind da! da!

Robinson erschrak und fragte eiligst, wer denn da wäre?

»O Herr! O Herr! antwortete Freitag, ein, zwei, drei, sechs Kanoes!« Er konte in der Angst die Zahl sechs nicht gleich finden.

Robinson kletterte geschwind den Hügel hinauf und erblikte nicht ohne Grausen, was Freitag gesagt hatte, - sechs Kähne vol Wilden, die eben im Begrif waren, zu landen. Er stieg hierauf hurtig wieder hinab, sprach dem zitternden Freitag Muth zu und fragte ihn dan: ob er entschlossen wäre, ihm treulich beizustehen, fals es zwischen ihnen und den Wilden zu einem Gefechte kommen solte?

»Mit Leib und Leben!« antwortete dieser, der sich unterdeß schon wieder erhohlt hatte, und seine kriegerische Tapferkeit zurük rief. »Wohl denn, sagte Robinson, so wollen wir versuchen, ob wir die Unmenschen verhindern können, ihr abscheuliches Vorhaben auszuführen. Meine Absicht wil ich dir unterweges sagen; jezt ist keine Zeit zum Reden, sondern zum Thun.«

Hiermit zog er eine der kleinen Kanonen vom Walle herunter, die auf Rädern ruhete; hohlte sechs scharf geladene Flinten, vier Pistolen und zwei Säbel hervor. Jeder von ihnen stekte zwei Pistolen und deinen Säbel in den Gurt, nahm drei Flinten auf die Schulter, und spante sich vor die Kanone, nachdem sie mit Kugeln, Schroot und Pulver sich hinlänglich versorgt hatten. So ging der kriegerische Zug in stiller, furchtbarer Feierlichkeit zum Thor hinaus.

Nachdem sie über die Zugbrükke gegangen waren, machten sie Halt. Dan muste Freitag wieder umkehren, um die Zugbrükke aufzuziehen, das Thor zu verschliessen und durch Hülfe der Strikleiter, die noch immer den Fels herab hing, sich mit dem Heerführer wieder zu vereinigen. Diese Vorsichtigkeit wandte Robinson auf den Fal an, daß ihr Unternehmen einen unglücklichen Ausgang hätte; damit die Feinde sich alsdan ihrer Burg nicht bemächtigen mögten.

Und nun eröfnete Robinson seinen wohlüberdachten Plan. »Wir wollen, sagt er, um den Berg herum durch den Wald, wo er am dichtesten ist, marschiren, damit der Feind keine Kundschaft von uns bekomme. Dan wollen wir uns ihnen in dem dikken Gebüsche, welches sich beinahe bis an den Strand erstrekt, so sehr nähern, als wir, ohne gesehen zu werden, nur immer können, und wenn wir bis dahin gekommen sind, wollen wir plözlich eine Kanonenkugel über ihre Köpfe hinschiessen. (Er hatte in dieser Absicht eine brennende Lunte mitgenommen.) Vermuthlich werden die Barbaren dadurch so sehr erschrekt werden, daß sie ihre Beute im Stiche lassen und sogleich in ihren Böten die Flucht ergreifen.«

Freitag fand dies sehr wahrscheinlich.

»Dan, fuhr Robinson fort, werden wir die Freude geniessen, die Unglüklichen, die sie braten wolten, gerettet zu haben, ohne daß ein einziger Tropfen Menschenbluts dabei vergossen worden ist. Solte aber, wider Vermuthen, unsere Hofnung fehlschlagen; solten die Kanibalen auf ihre Menge trozen und sich nicht zur Flucht verstehen wollen: dan, lieber Freitag, müssen wir zeigen, daß wir Männer sind, und der Gefahr, der wir uns in der besten Absicht ausgesezt haben, muthig entgegen gehen. Der, welcher alles sieht, weiß, warum wir unser Leben wagen, und wird es uns gewiß erhalten, wenns uns nüzlich ist. Sein Wille geschehe!«

Er reichte hierauf seinem Mitstreiter die Hand, und beide gelobten sich einen gegenseitigen treuen Beistand bis auf den lezten Blutstropfen.

Mitlerweile waren sie mit leisen Schritten beinahe bis ans Ende des Gebüsches gekommen, und machten Halt. Hier flüsterte Robinson seinem Gefährten ins Ohr, er solte so vorsichtig, als möglich, sich hinter einen großen Baum schleichen, den er ihm zeigte, und ihm Bescheid bringen, ob man von da aus den Feind übersehen könte. Freitag kam mit der Nachricht zurük, daß man sie alda volkomen gut beobachten könte; sie säßen alle ums Feuer herum und nagten an den gebratenen Gebeinen des Einen der Gefangenen der schon geschlachtet wäre; ein Zweiter liege in einiger Entfernung gebunden auf der Erde, und den würden sie nun auch bald abschlachten; dieser schiene aber keiner von seiner Nazion, sondern ein weisser bärtiger Man zu sein.

Robinson glühete, besonders da er von dem weissen Manne hörte. Er hatte ein von dem Schiffe gerettetes Fernglas zu sich gestekt; mit diesem schlich er selbst nach dem Baume und fand was Freitag ihm berichtet hatte. Vierzig bis funfzig Kanibalen saßen um das Feuer herum und den noch übrigen Gefangenen erkant er ganz deutlich für einen Europäer.

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