Frei Lesen: Robinson der Jüngere

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Joachim Heinrich Campe

Robinson der Jüngere

29. Abend

eingestellt: 6.6.2007





Nikolas. Jezt ist mir immer bange, wenn Vater erzählen wil.

Vater. Wovor denn, lieber Nikolas?

Nikolas. Davor, daß die Geschichte bald aus sei.

Gotlieb. Wenn ich in Vaters Stelle wäre, ich wolte sie so lang machen! o so lang, daß sie bis in Ewigkeit fortdauerte.

Vater. Kinder, alle unsere Freuden hier auf Erden müssen einmahl ein Ende nehmen; also auch diese. Ihr werdet daher wohl thun, wenn ihr euch zum voraus darauf gefaßt macht. An Robinsons Horizonte zieht sich abermahls ein Ungewitter zusammen, vor dessen Ausgang ich euch nicht stehen kan. Seid also immer auf eurer Hut. -

Schon acht Tage waren verstrichen, und die Abgesandten liessen sich noch immer nicht wieder sehen. Man fing an, darüber bekümmert zu werden. Freitag lief des Tages wohl zwanzig mahl nach dem Berge oder an den Strand, und sahe sich die Augen müde, ohne etwas von ihnen entdekken zu können. Eines Morgens aber, da Robinson noch zu Hause beschäftiget war, kam er plözlich singend und springend zurük gerant und schrie seinem Herrn schon von Weitem zu: sie kommen! sie kommen!

Robinson, der über diese angenehme Botschaft nicht weniger erfreut war, ergrif sein Fernglas und eilte damit den Hügel hinauf. Hier sah er wirklich in einer noch ziemlich weiten Entfernung ein ansehnliches Boot auf die Insel zu segeln; aber da er durch sein Fernglas geschaut hatte, schüttelte er den Kopf und sagte: Freitag, Freitag, ich sorge, das ist nicht richtig! Freitag wurde blaß.

Robinson sahe noch einmahl hin, und ward immer bestürzter. Endlich kont er an dem, was er zu sehen glaubte, gar nicht mehr zweifeln und theilte daher sein eigenes Erstaunen dem erschroknen Freitag mit: Freitag, sagt er, das sind nicht unsere Spanier mit deinem Vater; es ist eine englische Schaluppe, (ein großes Boot) und bewafnete Engländer sind es, die ich darin wahrnehme! Freitag zitterte an allen Gliedern. Kom, sagte Robinson, und erstieg eiligst eine andere Anhöhe, von welcher die nördliche Küste besser übersehen werden konte.

Kaum waren sie daselbst angekommen, kaum hatten sie ihre Augen nach dem Meere hingerichtet, als beide, wie versteinert, sprachlos stehen blieben. Sie sahen nemlich in einer Entfernung von einer guten deutschen Meile - ein ansehnliches englisches Schif vor Anker liegen.

Verwunderung, Furcht und Freude hatten in Robinsons Sele wechselsweise die Oberhand; Freude über den Anblik eines Schiffes, welches vielleicht zu seiner Erlösung da war; Verwunderung und Furcht hingegen über die eigentliche Absicht der Ankunft desselben. Vom Sturme kont es nicht hieher verschlagen sein: denn seit vielen Wochen hatte kein Sturm geweht. Der ordentliche Lauf des Schiffes kont es auch nicht hieher geführt haben: denn was könte einen englischen Schiffer bewegen nach einer Weltgegend hinzusegeln, in der die Engländer keine Besizungen, und also auch keinen Verkehr hatten. Es entstand also die Besorgniß, daß es Seeräuber sein mögten.

Frizchen. Was sind das für Leute?

Vater. Es giebt hin und wieder, besonders ausser Europa, noch einige Menschen, die in ihrer Jugend so schlecht unterrichtet worden sind, daß sie nicht einmahl wissen, was der Diebstahl für ein großes Verbrechen sei. Diese elenden Menschen machen sich daher kein Gewissen daraus, andern Leuten heimlich oder mit Gewalt das Ihrige zu nehmen, und es sich zu zueignen. Geschieht dieses nun zu Lande, so nent man solche Leute Diebe oder Räuber; geschieht es aber auf dem Meere: so nent man sie Seeräuber.

Christel. Aber dies waren ja Engländer?

Vater. Das schienen sie zwar zu sein, aber Robinson dachte: wer weiß ob die Bösewichter nicht vielleicht das englische Schif erobert und sich darauf selbst so gekleidet haben, als ob sie Engländer wären. - In den ersten hilflosen Jahren seines einsamen Aufenthalts auf dieser Insel würd er es für ein Glük gehalten haben, von Seeräubern entdekt und von ihnen als ein Sklav mit fortgeschlept zu werden, um nur wieder unter Menschen zu sein. Jezt aber, da sein Zustand unweit glüklicher war, schauderte ihn vor der Gefahr, einem solchen Gesindel in die Hände zu fallen. Er theilte also Freitag seine Besorgniß mit und ging mit ihm ab, um von fern das Vorhaben derer zu beobachten, welche sich in dem Boote näherten.

Sie stellten sich auf eine mit Bäumen und Gebüsch bewachsene Anhöhe, von der sie alles, was vorging, bemerken konten, ohne selbst bemerkt zu werden. Hier sahen sie denn, daß die Schaluppe, in welcher sich eilf Man befanden, etwa eine Viertelmeile von ihnen, an einem flachen Ufer landete. Die Manschaft stieg aus. Acht von ihnen waren bewafnet, drei hingegen nicht. Diesen leztern, welche gefesselt waren, wurden die Bande abgenommen, sobald sie am Strande waren. An den kläglichen Gebehrden des Einen unter ihnen konte man sehr deutlich sehen, daß er die Bewafneten anflehete, indem er sich in einer bittenden Stellung vor ihnen auf die Knie warf. Die beiden andern huben von Zeit zu Zeit die Hände empor, als wenn sie den Himmel um Hülfe und Errettung anfleheten.

Robinson ward bei diesem Anblikke ganz verwirt und wuste nicht, was er davon denken solte. Freitag hingegen näherte sich ihm mit einer triumphirenden Miene und sagte: siehst du, Herr, daß deine Landsleute ihre Gefangenen auch auffressen? Geh, antwortete Robinson etwas unwillig; das werden sie nicht! und so fuhr er fort durch sein Fernglas zu sehen.

Mit Grausen sah er, daß einige der Bewafneten zu verschiedenen mahlen das Schwerdt gegen den einen Gefangenen aufhoben, der in der flehenden Stellung vor ihnen lag. Endlich bemerkt er, daß die drei Gefangenen zurükgelassen wurden, indem die Andern sich in den Wald zerstreuten.

Alle drei sezten sich kummervoll an derselben Stelle nieder und schienen ganz in Verzweiflung zu sein. Dies erinnerte Robinson an seinen eigenen elenden Zustand an dem Tage, da er auf dieses Eiland geworfen ward, und er beschloß, sich der Unglüklichen, fals sie es verdienen solten, anzunehmen, es koste auch, was es wolle.

Freitag wurde also beordert, so viel Flinten, Pistolen, Säbel und Munizion - herbei zu hohlen, als er nur tragen könte.

Lotte. Was ist das Munizion?

Vater. Schießpulver und Kugeln. - Robinson selbst fand für nöthig zurük zu bleiben, um zu sehen, was es ferner geben würde. Nachdem alles Nöthige herbei geschaft und die Gewehre geladen waren, bemerkte man mit Vergnügen, daß die herumschweifenden Matrosen, der eine hier der andere dort, sich in den Schatten legten, um die brennende Mittagshize zu verschlafen. Robinson wartete noch eine gute Viertelstunde; dan ging er beherzt auf die drei Unglüklichen zu, die noch immer an eben der Stelle saßen. Sie hatten ihm den Rükken zu gekehrt, und fuhren, wie vom Donner gerührt, zusammen, da ihnen Robinson plözlich zurief: wer seid ihr?

Sie sprangen auf, als wenn sie fliehen wolten; aber Robinson rief ihnen auf Englisch zu: sie solten sich nicht fürchten; er sei zu ihrer Rettung da! »Dan müsten sie vom Himmel herab gesandt sein!« sagte der Eine, indem er ehrerbietig den Hut abzog und ihn anstaunte. Alle Hülfe komt von Gott, sagte Robinson; aber geschwind, guten Leute, sagt mir, worin eure Noth besteht und wie ich euch helfen kan? »Ich bin der Kapitain des Schiffes, antwortete jener; dieser hier war mein Steuerman und der da ein Reisender;« auf seine Gefährten zeigend. »Meine Matrosen haben sich wieder mich empört, um sich meines Schiffes zu bemächtigen. Mich selbst und diese beiden ehrlichen Männer, die ihr Verfahren misbilligten, wolten sie anfänglich ermorden; endlich aber haben sie sich bewegen lassen, uns das Leben zu schenken. Aber die Barmherzigkeit, die sie uns erzeigen, ist fast noch schreklicher, als der Tod. Denn nun haben sie uns auf diese wüste Insel ausgesezt um hier in Mangel und Elend umzukommen.«

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