Frei Lesen: Robinson der Jüngere

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Joachim Heinrich Campe

Robinson der Jüngere

7. Abend

eingestellt: 6.6.2007



Johannes und Nikolas und Gotlieb zogen am folgenden Abend den Vater am Arm und Schooß zur Hausthür hinaus. Auf ihr Geschrei um Hülfe kamen die übrigen auch herbei gerant und so ward er, ohne weitere Umstände, von Allen fortgeschlept.

Vater. Nun, wohin wolt ihr mich denn ziehen, ihr gewaltigen Leute?

Johannes. I, auf den Grasplaz, unter den Apfelbaum!

Vater. Was sol ich denn da?

Nikolas. O von unserem Robinson! Bitte, bitte!

Gotlieb. O ja! Von unserm Robinson! Solst auch mein liebstes zukkersüßes Väterchen sein!

Vater. Ja, das ist schon gut; aber ich besorge, daß euch mein Robinson kein Vergnügen mehr macht!

Johannes. Kein Vergnügen? Wer hat das gesagt?

Vater. Keiner! Aber, wenn ich nicht irre, so sahe ich gestern Abend Einige unter euch gähnen; und das pflegt sonst ein Zeichen zu sein, daß man lange Weile habe.

Gotlieb. O nein, gewiß nicht! Das kam nur davon her, daß wir so viel gegraben hatten in unserm Garten. Das glaube ich, wenn man den ganzen Nachmittag gegraben hat: so kan man wohl ein bischen schläfrig sein!

Nikolas. Heute haben wir nur Unkraut ausgegätet und die Salatpflanzen begossen; nun sind wir noch recht munter.

Lotte. O ja, nun sind wir noch recht munter; sieh nur, wie ich noch springen kan!

Vater. Wenn ihr denn so wolt, so wil ichs wohl thun; aber ihr müßt mir auch sagen, wenn ihrs müde werdet.

Johannes. O ja! - Na?

Vater. Weil die Hize auf Robinsons Insel bei Tage so unerträglich war: so mußte er vornemlich den frühen Morgen und den Abend nuzen, wenn er irgend eine Arbeit zu Stande bringen wolte. Er stand also noch vor Aufgang der Sonne auf, legte neues Holz an sein Feuer, und nahm eine halbe Kokusnuß zu sich, die ihm von gestern übrig geblieben war. Jezt wolte er einen andern Braten von seinem Lama an den Spies stekken; aber er fand, daß das Fleisch schon stinkend geworden sei, der schwülen Hize wegen. Den Fleischappetit mußte er sich also für heute vergehen lassen.

Da er sich nun auf den Weg nach der Thonerde machen wolte und seine Jagdtasche umhing, fand er noch die Kartoffeln drin, die er ehegestern aufs Gerathewohl mit zu Hause genommen hatte. Es fiel ihm ein, sie bei seinem Feuer in glühende Asche zu legen, um zu sehen, was doch wohl daraus werden mögte, wenn sie gebraten wurden? Dan ging er ab.

Er arbeitete so fleissig, daß er noch vor Mittage so viel Baksteine aus Thon geformt hatte, als er vermuthete, daß er zu der Mauer um seine Küche nöthig haben werde. Alsdan ging er nach dem Strande um einige Austern aufzusuchen. Aber stat der Austern, deren er nur wenige fand, entdekte er hier, zu seiner grossen Freude, ein anderes Nahrungsmittel, welches noch besser, als diese, war.

Johannes. Was war denn das?

Vater. Es war ein Thier, welches er zwar selbst noch niemahls gegessen, aber wovon er doch gehört hatte, daß das Fleisch desselben wohlschmekkend und gesund sei.

Johannes. Nun, was war es denn?

Vater. Eine Schildkröte, und zwar eine so große, als man hier nicht leicht zu sehen kriegt. Sie mogte leicht hundert Pfund wiegen.

Gotlieb. Ah das muß ja eine erschrekliche Schildkröte gewesen sein! Giebt es denn wohl solche?

Johannes. O es giebt noch viel grössere! Weißt du nicht mehr aus unserer Reisebeschreibung, die uns Vater vorgelesen hat? Die die Leute, die um die Welt reiseten, auf dem Südmeere fingen? Die waren ja dreihundert Pfund schwer gewesen.

Gotlieb. Dreihundert Pfund! das ist doch erstaunlich.

Vater. Robinson lud seinen Fund auf seine Schultern und schlepte ihn langsam nach Hause. Hier hieb er mit seinem Beile so lange auf den untern Theil der Schale, bis sie endlich zerplazte. Dan bemächtigte er sich der Schildkröte, schlachtete sie, und schnit eine gute Porzion zum Braten davon ab. Diese stekte er an den Spieß, und wartete, weil er von der Arbeit hungrig geworden war, mit Schmerzen, daß sie gar sein mögte.

Unterdeß, daß er den Braten wendete, gieng ihm der Gedanke im Kopfe herum, was er nun mit dem übrigen Fleische der Schildkröte anfangen solte, um es vor der Fäulung zu verwahren? Um es einzubökeln, fehlte es ihm an einem Zuber und an Salze.

Lotte. Was ist das, einbökeln?

Vater. Das heißt, Fleisch, welches man gern aufbewahren mögte, in ein Gefäß legen und mit vielem Salze bestreuen; hast du nicht gesehen, wie Mutter diesen Winter das Schweinefleisch einbökelte?

Lotte. Ach ja! Aber ich meine, das hiesse einpökeln?

Vater. Man spricht wohl so; aber eigentlich mußte man einbökeln sagen: weißt du noch, Johannes, warum?

Johannes. O ja! Man sagt - ich weiß aber nicht, obs wahr ist - das Wort käme von dem Wilhelm Bökel oder Beukelsen her, der zuerst die Kunst erfand, die Häringe einzusalzen, daß man sie das ganze Jahr hindurch essen kan.

Mutter. Schönen Dank, Johannes, daß du mich das gelehrt hast! Nun weis ich doch auch, wie man sprechen muß.

Vater. Traurig sahe Robinson voraus, daß seine ganze schöne Schildkröte, wovon er vierzehn Tage und länger leben könte, Morgen schon ungenießbar werden wurde, und doch sahe er kein Mittel ein, wie er es einsalzen könte. Plözlich aber fiel ihm etwas ein! Die obere Schale der Schildkröte war wie eine ordentliche Mulde. Diese, dachte er, wil ich stat des Zubers brauchen. Aber woher nun Salz? -

Sieh! was ich für ein Dumkopf bin! sagte er, und schlug sich vor die Stirn. Kan ich das Fleisch nicht mit Meerwasser übergiessen und wird das nicht beinahe so gut sein, als wenns in einer Salzlake läge? O treflich! treflich! rief er aus, und drehete vor Freuden den Bratspieß noch einmahl so geschwind, als vorher, herum.

Jezt war der Braten fertig. Ach! seufzte Robinson, indem er ein recht appetitliches Stükchen davon mit Wohlgefallen gekostet hatte, wer nun ein Stükchen Brod dazu hätte! Was bin ich doch in meiner Jugend für ein dummer Mensch gewesen, daß ich nicht zu schäzen wußte, was für eine grosse Wohlthat Gottes ein Stük trokken Brod sei! Da mußte man mir immer erst Butter dazu geben, auch wohl noch Käse oben drein! O ich Unverständiger! Hätte ich doch jezt nur das schwarze Kleienbrod, das unserm Gartenhunde gebakken wurde! wie wolte ich mich glüklich schäzen!

Indem er so dachte, fielen ihm die Knollen ein, die er diesen Morgen in die glühende Asche gelegt hatte. Ich wil doch sehen, sagt er, was daraus geworden ist; und holte eine derselben hervor.

Welche abermalige Freude! Der harte Knollen war nun so weich geworden, und da er ihn aufbrach, stieg ein so angenehmer Geruch davon in seine Nase, daß er sich keinen Augenblik bedachte, ihn anzubeissen. Und siehe! der Geschmak dieses Gewächses war so lieblich, so lieblich, als - nun wer hilft mir, eine Vergleichung machen?

Freund B. So lieblich, als der Geschmak einer Kartoffel!

Vater. Schön! Das heist Alles mit einmahl sagen! Also der Geschmak dieser gebratenen Kartoffel war so lieblich, als der Geschmak einer Kartoffel; und Robinson merkte sogleich zu seiner grossen Freude, daß ihm dieses Gewächs die Stelle des Brods vertreten könne.

Er that also wieder eine Mahlzeit, die sich gewaschen hatte. Dan legte er sich, der brennenden Sonnenhize wegen, ein wenig nieder auf seine Lagerstäte, um unter der Zeit, daß er nicht arbeiten konte, allerlei Ueberlegungen anzustellen.

»Was sol ich nun wohl zunächst vornehmen?« dachte er. »Die Baksteine müssen erst von der Sonne gehärtet werden, ehe ich mein Mauerwerk anfangen kan. Es wird also wohl am Besten sein, daß ich unterdeß auf die Jagd gehe, um ein Paar Lamas zu erlegen. - Aber, was soll ich mit all dem Fleische machen? - Wie? Wenn ich meine Küche so einrichtete, daß ich etwas darin räuchern könte? - Vortreflich!« rief er aus, sprang hurtig von seinem Lager auf und stelte sich vor den Ort seiner künftigen Küche hin, um zu überlegen, wie er diese Absicht wohl am besten erreichen könte?

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