Johanna Spyri
Heimatlos Am Silser- und am Gardasee
Am Silsersee
eingestellt: 25.7.2007
Stineli kam in dieser Woche vor Freude nicht mehr ins Gleichgewicht; aber ihr schien auch, als sei die Woche länger als sonst; denn es wollte gar nicht Sonntag werden.
Als er aber endlich gekommen war und eine goldene Sonne über die Herbsthöhen leuchtete, und sie mit Rico oben unter den Tannen stand, und der glitzernde See vor ihnen lag, da kam eine solche Freude über Stineli, daß sie rings im Moos herumhüpfen und jauchzen mußte. Dann
setzte sie sich auf den äußersten Rand am Abhang, daß sie alles sehen konnte: die sonnigen Höhen und den See und weit hinüber den blauen Himmel.
Nun rief sie: »Komm Rico, nun wollen wir singen, lang, lang!«
Rico setzte sich neben Stineli und machte seine Geige zurecht, die er mitgenommen hatte.
Nun fing er an zu spielen und die Kinder sangen:
ihr Schäflein, hinunter Von sonniger Höh
Und sie sangen alle
Verse durch; aber Stineli hatte noch lange nicht genug. »Wir wollen immer weiter singen«, sagte sie und sang weiter:
»Ihr Schäflein, hinüber auf die lustige Höh.
Die Sonne steht drüber und der Wind geht am See.
»Sing noch weiter!« Stineli war ganz begeister vor Freude und schaute auf und ab, und sang wieder:
»Und die Schäflein, und die Schäflein, Und der Himmel so blau, Und rot und weiße Blumen Auf der
grasgrünen Au!«
Rico geigte und sang mit und sagte: »Sing noch weiter!« Seneli sah Rico lachend an und sang:
»Und ein Bub ist so traurig, Und ein Mädle, das lacht, Und ein See ist wie der andre Von Wasser gemacht.«
Rico lachte auch und sang und sagte: »Sing noch weiter!« Da fing Stineli noch einmal an und sang hintereinander, und Rico geigte immerfort:
Und die Schäflein? und die Schäflein, Die springen
herum, Und sind alleweil fröhlich, Und wissen auch nicht warum.
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