Frei Lesen: Abenteuer des Kapitän Hatteras

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Jules Verne

Abenteuer des Kapitän Hatteras

Dreizehntes Capitel.

eingestellt: 17.8.2007



Die Erscheinung dieses kühnen Mannes machte auf die Mannschaft einen verschiedenen Eindruck; die Einen schlossen sich enge an ihn an, seis aus Kühnheit oder Geldliebe; Andere ergaben sich drein, und behielten sich vor, später zu protestiren. Uebrigens schien es im Augenblick doch schwierig,, einem solchen Manne Widerstand zu leisten. Also begab sich Jeder wieder an seinen Posten. Der 20. Mai war Sonntag, für die Mannschaft ein Ruhetag.

Beim Kapitän fand eine Berathung der Officiere statt: Hatteras, Shandon, Wall, Johnson und der Doctor bildeten die Versammlung.

»Meine Herren, sagte der Kapitän in dem zugleich sanften und gebieterischen Ton, welcher ihm eigen war, mein Vorhaben, bis zum Pol zu dringen, ist Ihnen bekannt; ich wünschte Ihre Ansicht über diese Unternehmung zu hören. Was halten Sie davon, Shandon?

– Es kommt mir nicht zu, Kapitän, erwiderte Shandon kalt, darüber zu denken, sondern zu gehorchen.«

Hatteras wunderte sich nicht über die Antwort.

»Richard Shandon, versetzte er ebenso kalt, ich bitte, sich über unsere Aussichten auf Erfolg auszusprechen.

– Nun, Kapitän, erwiderte Shandon, die Thatsachen sprechen an meiner Statt; bis jetzt sind alle Versuche der Art gescheitert; ich wünsche, wir möchten besseren Erfolg haben.

– Wir werden ihn haben. Und Sie, mein Herr, was halten Sie davon?

– Ich meinestheils, sagte der Doctor, halte Ihren Plan für ausführbar, Kapitän; und da es klar am Tage liegt, daß die Seefahrer früher oder später einmal zum Nordpol gelangen werden, so sehe ich nicht ein, warum wir nicht so glücklich sein sollten.

– Und es sind Gründe vorhanden zu glauben, daß eben uns dies Glück zu Theil wird, erwiderte Hatteras, denn wir haben demnach unsere Maßregeln ergriffen und werden die Erfahrungen unserer Vorgänger benutzen. Und in dieser Hinsicht sage ich Ihnen, Shandon, meinen Dank für die Sorgfalt, womit Sie die Ausrüstung betrieben haben; es sind zwar unter der Mannschaft einige schlimme Gesellen, ich werde sie aber zur Vernunft zu bringen wissen; aber im Ganzen hab ich Sie nur dafür zu beloben.«

Shandon machte eine kühle Verbeugung. Er war in eine falsche Stellung gekommen, da er an Bord des Forward das Commando zu führen meinte. Hatteras verstand ihn, und setzte ihm nicht weiter zu. »Und Sie, meine Herren, sprach er darauf zu Wall und Johnson, ich hätte keine Officiere zur Mitwirkung finden können, die mehr, wie Sie, sich durch Muth und Erfahrung auszeichnen.

– Wahrhaftig! Kapitän, ich bin Ihnen mit Leib und Seele ergeben, erwiderte Johnson, und obwohl mir Ihre Unternehmung etwas kühn vorkommt, können Sie doch bis aufs Aeußerste auf mich bauen.

– Und auf mich ebenfalls, sagte James Wall.

– Ihren Werth, Herr Doctor, weiß ich zu schätzen.

– So, da wissen Sie mehr, wie ich, erwiderte der Doctor lebhaft.

– Jetzt, meine Herren, fuhr Hatteras fort, sollen Sie erfahren, auf welche unbestreitbare Thatsachen sich meine Behauptung stützt, daß wir am Pol anlangen werden. Im Jahre 1817 kam der Neptun aus Aberdeen im Norden von Spitzbergen bis zum zweiundachtzigsten Grade. Im Jahre 1826 fuhr der berühmte Parry nach seiner dritten Reise in die Polar-Meere, ebenfalls vom Ende Spitzbergens aus mit Schlittenbarken bis hundertundfünfzig Meilen nordwärts. Im Jahre 1852 drang der Kapitän Inglefield, im Smith-Sund bis zu 78° 35 Breite. Alle diese Schiffe waren englische und von Engländern commandirt.«

Nach einer Pause fuhr er fort.

»Hinzufügen muß ich, daß im Jahre 1854 der Amerikaner Kane, Commandant der Brigg Advance, noch höher hinaufkam, und sein Lieutenant Morton, durch die Eisfelder vordringend, die Flagge der Vereinigten Staaten noch über den zweiundachtzigsten Grad flattern ließ. Auf dies werd ich nicht mehr zurückkommen. Das aber ist wohl zu merken, daß die Kapitäne des Neptun, der Entreprise, der Isabelle, des Advance übereinstimmend berichtet haben, daß von diesen hohen Breitegraden an ein ganz eisfreies Becken des Polar-Meeres existire.

– Eisfrei! rief Shandon unterbrechend. Unmöglich!

– Merken Sie wohl, Shandon, fuhr Hatteras ruhig fort, daß ich Ihnen Thatsachen anführe, gestützt auf Namen. Ich füge weiter bei, daß, während der Commandant Parry im Jahre 1851 am Ufer des Wellington-Canals sich aufhielt, sein Lieutenant Stewart ebenfalls ein freies Meer antraf, und daß dieser besondere Umstand im Jahre 1853, während des Winteraufenthalts Sir Edward Belchers, in der Northumberland-Bai unter 76° 52 Breite und 99° 20 Länge bestätigt wurde. Das sind unbestreitbare Thatsachen, die man gelten lassen muß, will man nicht unredlich sein.

– Doch, Kapitän, fuhr Shandon fort, sind diese Thatsachen so sehr in Widerspruch ...

– Irrthum, Shandon, Irrthum! rief der Doctor Clawbonny; diese Thatsachen widersprechen keinem Satz der Wissenschaft; der Kapitän wird mir gestatten, es Ihnen auseinanderzusetzen.

– Thun Sie das, Doctor! erwiderte Hatteras.

– Nun, so hören Sie, Shandon. Es ergiebt sich sehr klar aus den geographischen Thatsachen und dem Studium der isothermen Linien,, daß der kälteste Punkt der Erde nicht am Pol selbst sich befindet; gleich dem magnetischen Punkt liegt er einige Grad vom Pol ab. So zeigen die Berechnungen Brewsters, Berghams und einiger Physiker, daß auf unserer Hemisphäre zwei Kältepole existiren: der eine läge in Asien unter 79° 30 nördlicher Breite und 120° Länge; der andere in Amerika unter 78° nördlicher Breite und 97° westlicher Länge. Dieser letztere geht uns an, und Sie sehen, Shandon, daß er mehr wie zwölf Grad unterhalb des Pols liegt. Nun frage ich Sie, warum sollte nicht am Pol das Meer ebenso eisfrei sein, als es im Sommer, unter 66° Breite sein kann, d. h. südlich der Baffins-Bai?

– Das hieß vortrefflich auseinander gesetzt, erwiderte Johnson; Herr Clawbonny redet von diesen Dingen als Mann vom Fach.

– Das scheint möglich, versetzte James Wall.

– Hirngespinnste und Vermuthungen! Bloß Hypothesen! erwiderte Shandon hartnäckig.

– Nein, Shandon, fuhr Hatteras fort, nehmen wir die beiden Fälle in Betracht: entweder das Meer ist eisfrei, oder nicht, und mögen wir das eine annehmen, oder das andere, so kann uns nichts hindern, zum Pol zu gelangen. Ist es frei, so wird uns der Forward leicht hinbringen; ist er von Eis umgeben, so führen wir es auf unsern Schlitten aus. Sie werden mir zugeben, daß dies nicht unausführbar ist; sind wir einmal mit unserer Brigg bis zum dreiundachtzigsten Grad gedrungen, so haben wir nur noch sechshundert Meilen bis zum Pol zu machen.

– Und was wollen sechshundert Meilen bedeuten, sagte der Doctor lebhaft, wenn es man weiß, daß ein Kosacke, Alexis Markoff, auf dem Eismeer längs der Nordküste Rußlands mit Schlitten von Hunden gezogen eine Strecke von achthundert Meilen binnen vierundzwanzig Tagen zurückgelegt hat.

– Hören Sie das, Shandon, erwiderte Hatteras, und sagen Sie mir, ob die Engländer weniger zu Stande bringen, als ein Kosack?

– Nein, gewiß nicht! rief hitzig der Doctor aus.

– Nein, gewiß nicht! stimmte der Rüstmeister ein.

– Nun, Shandon? fragte der Kapitän.

– Kapitän, erwiderte Shandon kalt, ich kann nur wiederholen, was ich vorhin gesagt habe: ich werde Gehorsam leisten.

– Gut. Jetzt, fuhr Hatteras fort, denken wir an unsere gegenwärtige Lage; wir stecken im Eise fest, und es scheint mir unmöglich, daß wir noch dieses Jahr bis zum Smith-Sund dringen können. Sehen Sie nun, was am besten zu thun ist.«

Hatteras breitete auf dem Tische eine der trefflichen Karten aus, welche im Jahre 1859 auf Befehl der Admiralität herausgegeben wurden.

»Wollen Sie mir gefällig folgen. Wenn uns der Smith-Sund versperrt ist, so ist es an der Westseite des Baffins-Meeres mit dem Lancaster-Sund nicht ebenso; meiner Ansicht nach müssen wir diesen bis zur Barrow-Straße hinauffahren, und von da bis zur Insel Beechey; Segelschiffe haben diesen Weg hundertmal gemacht; mit einer Schraubenbrigg werden wir keine Schwierigkeiten haben. Sind wir einmal bei der Beechey-Insel, so fahren wir den Wellington-Canal so weit als möglich hinauf nordwärts bis zum Ausfluß des Fahrwassers, welches die Verbindung des Wellington-Canals mit dem Canal der Königin bildet, an eben der Stelle, wo man das freie Meer gewahrte. Nun sind wir jetzt erst am 20. Mai; in einem Monat, wenn es gut geht, werden wir diesen Punkt erreicht haben, und von da aus dringen wir weiter nach dem Pol zu. Was halten Sie davon, meine Herren?

– Offenbar, erwiderte Johnson, ist dies der einzige Weg, den wir zu nehmen haben.

– Nun, so wollen wir ihn einschlagen, und gleich morgen. Dieser Sonntag sei der Ruhe gewidmet; Sie werden dafür sorgen, Shandon, daß der Gottesdienst regelmäßig stattfindet; die Religion wirkt wohlthätig auf den Geist, ein Seemann darf das Vertrauen auf Gott nicht verlieren.

– Sie haben Recht, Kapitän, erwiderte Shandon, und ging mit dem Lieutenant und dem Rüstmeister hinaus.

– Doctor, sagte John Hatteras, und wies auf Shandon, das ist ein gedrückter Mann, den der Hochmuth verdorben hat; ich kann nicht mehr auf ihn rechnen.«

Am folgenden Morgen ließ der Kapitän in aller Frühe das Boot ins Meer bringen, und untersuchte die Eisberge des Beckens, welche nicht über zweihundert Yard dick waren. Er nahm sogar wahr, daß in Folge eines allmäligen Druckes der Eisblöcke das Becken enger zu werden drohte; es wurde daher dringend nöthig, eine Bresche zu schaffen, damit das Schiff nicht zwischen diesen Bergen, wie in einem Schraubstock zertrümmert werde. Aus den von John Hatteras angewendeten Mitteln sah man wohl, daß es ein energischer Mann war.

Er ließ fürs Erste Stufen in die Eiswand hauen, und erstieg auf denselben den Gipfel eines Eisbergs; von da aus erkannte er, daß nach Südwesten leicht ein Ausgang zu bahnen sein würde. Auf seinen Befehl wurde fast in der Mitte des Berges eine Sprenggrube gemacht, eine Arbeit, die rasch vorgenommen, im Verlauf des Montags fertig wurde.

Hatteras konnte von seinen Sprengcylindern zu acht und zehn Pfund Pulver keinen Gebrauch machen, weil bei solchen Massen ihre Wirkung unbedeutend gewesen wäre; sie waren nur zum Zersprengen der Eisfelder tauglich. Er ließ daher tausend Pfund Pulver in die Grube schaffen, und die Richtung der Explosion sorgfältig berechnen. Eine lange, mit Guttapercha umgebene Lunte führte aus dieser Mine nach außen. Der zu der Grube führende Gang wurde mit Schnee und Eisstücken ausgefüllt, welche in der folgenden Nacht so hart wie Granit zusammenfroren. In der That sank die Temperatur unter Einwirkung des Ostwinds auf zwölf Grad (- 11° hunderttheilig).

Am folgenden Morgen um sieben Uhr hielt sich der Forward mit geheizter Maschine bereit, den geringsten Ausweg zu benutzen. Johnson erhielt Auftrag, die Mine anzuzünden; die Lunte war so berechnet, daß sie eine halbe Stunde zu brennen, hatte, bevor das Feuer zum Pulver gelangte. Johnson hatte daher hinreichend Zeit, wieder an Bord zu kommen, und er war auch schon zehn Minuten nach Ausführung seines Auftrags wieder an seinem Posten.

Die Mannschaft befand sich auf dem Verdeck; das Wetter war, nachdem es aufgehört hatte zu schneien, trocken und ziemlich hell; Hatteras stand mit Shandon auf der Campanie, und der Doctor zählte die Minuten auf seinem Chronometer.

Um acht Uhr fünfunddreißig Minuten hörte man eine dumpfe Explosion, die weit weniger laut war, als man vorausgesetzt hatte. Die äußere Gestalt der Berge änderte sich, wie bei einem Erdbeben, plötzlich; dicker, weißer Rauch drang in beträchtlicher Höhe in die Lüfte; die Seiten des Eisbergs zerspalteten sich in langen Rissen, und sein oberer Theil wurde weit fortgeschleudert, so daß seine Trümmer um den Forward umher niederfielen.

Aber der Weg war noch nicht frei; ungeheure Eisstücke blieben auf die benachbarten Berge gelagert in der Luft schweben, und ließen befürchten, sie möchten herabfallend die Oeffnung wieder schließen.

Hatteras erkannte mit einem Blick, was noth that.

»Wolsten!« rief er.

Der Waffenschmied erschien.

»Kapitän!

– Laden Sie das Geschütz auf dem Vordertheil dreifach, sagte Hatteras, und stoßen Sie die Ladung möglichst stark.

– Also wollen wir das Gebirge mit Kanonenkugeln angreifen, fragte der Doctor.

– Nein, erwiderte Hatteras, das ist unnöthig. Keine Kugel, Wolsten, sondern dreifache Ladung Pulver. Aber rasch!«

Nach einigen Minuten war die Ladung vollzogen.

»Was will er ohne Kugeln ausrichten? brummte Shandon.

– Das wird sich zeigen, erwiderte der Doctor.

– Wir sind fertig, Kapitän, rief Wolsten.

– Gut, erwiderte Hatteras. Brunton! rief er dem Maschinisten zu, Achtung! Einige Schritte voran.«

Brunton öffnete die Schieber, und die Schraube setzte sich in Bewegung; der Forward fuhr nahe zu dem gesprengten Berg heran.

»Richten Sie wohl auf den Fahrpaß!« rief der Kapitän zum Waffenschmied.

Derselbe gehorchte; als die Brigg nur noch eine halbe Kabellänge entfernt war, rief Hatteras:

»Feuer!«

Es erfolgte ein furchtbarer Knall, und durch die Luftbewegung erschüttert, wurden die Blöcke mit einem Mal ins Meer gestürzt. Die lebhafte Erregung der Luftschichten war schon hinreichend gewesen.

»Jetzt mit vollem Dampf, Brunton! rief Hatteras Gerade in den Fahrpaß hinein, Johnson!«

Johnson hielt das Steuer; die Brigg, vom Dampf getrieben drang mitten durch die nun offene Bahn. Es war hohe Zeit. Kaum war der Forward hindurchgefahren, so schloß sich die Oeffnung wieder.

Es war ein ängstlicher Moment, und es befand sich an Bord nur ein einziges ruhiges und festes Herz, – der Kapitän. Darum brach auch die Mannschaft, in freudigem Staunen über das Gelingen, in den einstimmigen Ruf aus:

»Hurrah für John Hatteras!«

< Zwölftes Capitel.
Vierzehntes Capitel. >



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