Frei Lesen: Abenteuer des Kapitän Hatteras

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Jules Verne

Abenteuer des Kapitän Hatteras

Achtundzwanzigstes Capitel.

eingestellt: 17.8.2007



Hatteras wollte seine Schiffsmannschaft nicht mit der neuen Situation bekannt machen. Er hatte Recht. Wahrscheinlich hätten diese Leute, wenn sie inne wurden, daß eine unwiderstehliche Gewalt sie weiter nach Norden trieb, aus Verzweiflung irgend welche Thorheiten begangen. Der Doctor verstand den Kapitän und billigte sein Schweigen vollkommen.

Die Empfindungen, welche diese neue Entdeckung in ihm hervorrief, verschloß der Letztere in seinem Innern. Er hatte den ersten glücklichen Augenblick nach den langen gegen die Mißgunst der Elemente durchkämpften Monaten. Er war ja 150 Meilen weiter gen Norden getrieben – kaum noch 8 Breitegrade vom Pol entfernt! Doch verbarg er seine Freude darüber so tief, daß selbst der Doctor keine Ahnung davon hatte; er bemerkte wohl, daß Hatteras Augen in so ungewöhnlichem Glanze strahlten, doch das war auch Alles, und die naheliegende Erklärung dafür kam ihm gar nicht in den Sinn. Mit der Annäherung an den Nordpol hatte sich der Forward nicht wenig von dem durch Sir Edward Belcher entdeckten Kohlenlager entfernt; statt hundert waren jetzt, um dasselbe aufzusuchen, zweihundertfünfzig Meilen bis dahin rückwärts nach dem Süden zurückzulegen. Dennoch wurde nach kurzer Berathung zwischen Hatteras und Clawbonny die Fahrt beschlossen.

Hatte Belcher die Wahrheit gesagt und man hatte ja keinen Grund, es zu bezweifeln, so mußte sich Alles in dem Zustande, wie er es zurückgelassen hatte, wieder finden. Seit 1853 war keine neue Expedition nach jenen nördlichsten Ländern abgegangen; nur selten, ja fast nie traf man noch einen Eskimo in jenen hohen Breitegraden. Der auf der Insel Beechey vorgekommene Unfall konnte sich an der Küste von Neu-Cornwallis nicht wiederholen; die dort zurückgelassenen Gegenstände mußten sich bei der niedern Temperatur dieser Gegend voraussichtlich auf unbestimmte Zeit conserviren. So vereinigten sich alle Umstände zu Gunsten der Excursion über die Eisfelder.

Man veranschlagte die Reise auf eine Dauer von höchstens vierzehn Tagen, und Johnson traf demnach die nöthigen Vorbereitungen.

Seine erste Sorge betraf den Schlitten. Er war von grönländischer Form und hatte bei fünfunddreißig Zoll Breite eine Länge von vierundzwanzig Fuß. Die Eskimos bauen dergleichen öfters über fünfzig Fuß lang. Derselbe bestand aus langen, vorn und hinten aufgebogenen Brettern, die durch zwei starke Seile, ähnlich der Sehne eines Bogens, in dieser Lage erhalten wurden. Diese Construction verlieh ihm eine gewisse natürliche Elasticität, wodurch die Stöße weniger gefährlich wurden. Leicht über das Eis gleitend war er doch für die Benutzung bei frisch gefallenem Schnee, dem noch die nöthige Festigkeit mangelte, an den Seiten mit lothrecht stehenden Rahmen versehen, zwischen denen er höher gestellt werden konnte, um auch unter solchen Verhältnissen leicht beweglich zu sein. Zudem wurde er noch, wie es auch die Eskimos zu thun pflegen, mit einer Mischung von Schwefel und Schnee abgerieben, und glitt so mit der größten Leichtigkeit dahin.

Die Bespannung desselben bildeten sechs Hunde; stark, trotz ihrer Magerkeit, schienen sie von dem rauhen Winter nicht besonders zu leiden; ihr Geschirr von Damhirschleder war in bestem Zustande und man konnte sich auf eine solche, von den Grönländern zu Uppernawik gewissenhaft gelieferte Bespannung verlassen. Sechs Hunde reichen übrigens für eine Last von zweitausend Pfund aus, wobei sie sich nicht übermäßig anzustrengen hatten.

An Lagergeräthschaften wurde ein Zelt mitgenommen, für den Fall, daß es einmal unmöglich wäre, ein »Schneehaus« zu errichten; ferner ein großes Stück sogenannten Makintosh, bestimmt über den Schnee gebreitet zu werden, um beim Daraufliegen das Schmelzen desselben zu verhindern, und endlich eine hinreichende Anzahl Decken von Wolle und Büffelfellen. Auch das Halkett-Boot nahm man mit.

An Provision wurden verpackt: gegen vierhundertundfünfzig Pfund Pemmikan, von denen man als Ration je ein Pfund auf den Mann und auf den Hund rechnete. Letztere waren, Duk mitgezählt, sieben Stück; Menschen sollten nur vier mitgehen. Ferner zwölf Gallonen, d. h. etwa hundertundfünfzig Pfund Weingeist; Thee, Bisquit in hinreichender Menge, eine kleine tragbare Küche; beträchtliche Quantitäten Lunte und Werg; endlich Pulver, Munition und vier Doppelflinten. Die Theilnehmer an der Expedition trugen, nach Kapitän Parrys Angabe, eine Art Gürtel aus Kautschuk, in welchem sich durch die Körperwärme und die Bewegung beim Gehen Kaffee, Thee oder Wasser wenigstens flüssig erhalten sollten.

Der sorgsame Johnson betrieb auch die Anfertigung von Schneeschuhen, bestehend aus breiten Holzsohlen, welche mit Riemen zur Befestigung am Fuße versehen waren und so als Schlittschuhe dienten; für übereistes und festes Terrain wurden sie mit Vortheil durch Mocassins aus Damhirschleder ersetzt; jeder Theilnehmer wurde mit zwei Paaren von jeder Art ausgerüstet.

Diese Vorbereitungen, welche man nicht für unwichtig halten möge, da die geringste übersehene Einzelheit das Fehlschlagen der ganzen Expedition herbeiführen konnte, nahmen vier Tage in Anspruch. Jeden Mittag beobachtete Hatteras sorgfältig die Lage des Fahrzeugs, welche nun keine Abweichung mehr zeigte. Ohne dessen sicher zu sein, hätte man es ja auf dem Rückwege nie wieder auffinden können.

Es galt nur noch, die Auswahl der Begleiter zu treffen, und es war die Entscheidung dabei nicht so leicht. Einige aus der Schiffsmannschaft waren nicht gut mitzunehmen, aber es war auch bedenklich, sie an Bord zurückzulassen. Doch da das Wohlergehen Aller von dem Erfolge der Reise abhing, entschied sich der Kapitän dahin, die sichersten und geprüftesten Begleiter auszuwählen.

Shandon wurde zunächst ausgeschlossen, und schien das auch nicht besonders zu bedauern. James Wall, der vollkommen bettlägerig war, konnte schon aus diesem Grunde nicht teilnehmen.

Der Zustand der Kranken verschlimmerte sich übrigens nicht; da ihre ganze Behandlung in täglichen Abreibungen und der Verabreichung einer tüchtigen Dosis Citronensaft bestand, so war diese, auch in Abwesenheit des Doctors, ja leicht fortzusetzen. Dieser schloß sich also, ohne Reklamation von irgend einer Seite, der Reisegesellschaft an.

Johnson hätte den Kapitän gern bei dem immerhin gefahrvollen Unternehmen begleitet, doch dieser nahm ihn bei Seite und sprach mit liebevoller, fast bewegter Stimme:

»Johnson, mein ganzes Vertrauen setze ich auf Sie, Sie sind der einzige Officier, dem ich mein Schiff überlassen kann, und Sie muß ich an Bord wissen, um Shandon und die Andern zu überwachen. Sie sind zwar für den Winter hierher festgebannt, aber wer weiß, welche Schlechtigkeiten sie auszuführen fähig wären! Ich werde Sie mit klaren Instructionen versehen, welche Ihnen für den Nothfall das Commando über das Schiff in die Hand geben. Sie werden mein zweites Ich sein. Vier bis fünf Wochen dürfte unsere Abwesenheit dauern, und ich werde nur dann ruhig sein, wenn ich Sie hier weiß. Sie brauchen Holz, Johnson; ich weiß es, aber verschonen Sie, so weit es angeht, mein armes Schiff. Sie verstehen mich, Johnson?

– Ich verstehe Sie, Kapitän, erwiderte der alte Seemann, und ich werde zurückbleiben, da es Ihnen so paßt.

– Ich danke Ihnen! sagte Hatteras, indem er seinem Schiffer die Hand drückte, und hinzufügte:

»Wenn wir nicht zurückkehrten, Johnson, so warten Sie bis zum nächsten Eisgang, und suchen zur Nachforschung gegen den Pol zu aufzubrechen. Lehnen sich die Andern dagegen auf, so nehmen Sie nicht weiter auf uns Rücksicht, und führen den Forward nach England zurück.

– Das ist Ihr Wille, Kapitän?

– Mein unabänderlicher Wille, erwiderte Hatteras.

– Ihre Befehle sollen ausgeführt werden«, war die einfache Antwort Johnsons.

Der Doctor bedauerte die Entscheidung bezüglich seines würdigen Freundes, aber er mußte die Berechtigung von Hatteras Handlungsweise anerkennen.

Die beiden andern Reisegenossen waren der Zimmermann Bell und Simpson. Der Erstere, ein kerngesunder braver und anhänglicher Mensch, sollte zum Behuf der Lagerung auf dem Schnee wichtige Dienste leisten; der Zweite, obgleich weniger entschlossen zu dem Wagniß, nahm doch an der Expedition Theil, da er als geübter Jäger und Fischer gewiß nützlich sein konnte.

Die kleine Gesellschaft bestand also aus Hatteras, Clawbonny, Bell, Simpson und dem stets fröhlichen Duk; es waren demnach vier Menschen und sieben Hunde zu ernähren, und auf Grund dessen waren die Proviantvorräthe berechnet.

Wahrend der ersten Tage des Januar hielt sich die Temperatur im Mittel stets auf dreiunddreißig Grad unter Null (– 37° hundertteilig). Hatteras wartete voll Ungeduld auf einen Umschlag der Witterung; häufig beobachtete er das Barometer, aber dessen Angaben erwiesen sich als nicht verläßlich; er scheint in diesen hohen Breiten an der gewöhnlichen Treue seiner Anzeigen einzubüßen; in diesen Klimaten vollziehen sich merkliche Ausnahmen der sonst allgemein giltigen Witterungsgesetze: so ist die Reinheit des Himmels keineswegs immer von besonderer Kälte begleitet, und Schneefall veranlaßte ebensowenig immer ein Steigen der Temperatur; das Barometer blieb eben unzuverlässig, wie es auch schon viele Polarmeerfahrer beobachtet hatten: es stieg nicht selten bei Nord- oder Ostwinden; bei niedrigem Stande war oft schönes, heiteres Wetter, bei hohem, Schnee oder seiner Regen, kurz, man konnte eben aus seinen Angaben keine Schlußfolgerungen ziehen.

Am 5. Januar endlich trat eine Wendung ein; die Quecksilbersäule stieg bis auf achtzehn Grad unter Null (– 27° hunderttheilig), und Hatteras entschloß sich für den nächsten Morgen zur Abreise. Er ertrug es nicht mehr, sein Schiff mit eignen Augen zerstückeln zu sehen, und schon war das ganze Oberdeck in den Ofen gewandert.

Am 6. Januar wurde also trotz Schneestürmen der Befehl zur Abreise gegeben, der Doctor hinterließ den Kranken seine letzten Verordnungen; Bell und Simpson wechselten noch schweigend einen Händedruck mit ihren Genossen. Hatteras wollte noch mit einigen Worten Abschied nehmen, aber er traf rings nur auf böse Blicke. Um die Lippen Shandons glaubte er ein ironisches Lächeln spielen zu sehen. Er schwieg also. Einen Augenblick schien er auch, als er seine Blicke auf den Forward richtete, unentschlossen zur Abreise.

Doch – die Entscheidung war gefallen; beladen und bespannt wartete der Schlitten auf dem Eisfelde. Bell schritt voran; die Andern folgten. Johnson begleitete die Reisenden noch eine Viertelmeile; dann bat ihn Hatteras, an Bord zurückzukehren, was der alte Seemann erst nach langem Abschiedwinken that.

Eben wandte sich Hatteras noch einmal um nach seiner Brigg und sah die Mastspitzen in dem Schneegewölke verschwinden.

< Siebenundzwanzigstes Capitel.
Neunundzwanzigstes Capitel. >



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