Frei Lesen: Das Dampfhaus - 1.Band

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

Erstes Capitel. | Zweites Capitel. | Drittes Capitel. | Viertes Capitel. | Fünftes Capitel. | Sechstes Capitel. | Siebentes Capitel. | Achtes Capitel. | Neuntes Capitel. | Zehntes Capitel. | Elftes Capitel. | Zwölftes Capitel. | Dreizehntes Capitel. | Vierzehntes Capitel. | Fünfzehntes Capitel. | Sechzehntes Capitel. |

Weitere Werke von Jules Verne

Abenteuer des Kapitän Hatteras | Kein Durcheinander | Fünf Wochen im Ballon | Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts - Erster Band | Meister Zacharius |

Alle Werke von Jules Verne
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Das Dampfhaus - 1.Band) ausdrucken 'Das Dampfhaus - 1.Band' als PDF herunterladen

Jules Verne

Das Dampfhaus - 1.Band

Zwölftes Capitel.

eingestellt: 25.7.2007



Indien theilt mit gewissen Gegenden von Brasilien – unter Anderen der von Rio de Janeiro – das Privileg, von allen Ländern der Erde am häufigsten von Gewittern heimgesucht zu werden. Wenn im mittleren Europa, wie in Deutschland, Frankreich, England, etwa an zwanzig Tagen des Jahres die Stimme des Donners zu hören ist, so ist das auf der indischen Halbinsel mindestens fünfzigmal im Jahre der Fall.

Wie die Umstände heute lagen, hatten wir allen Anzeichen nach ein Gewitter von besonderer Heftigkeit zu erwarten.

Nach unserer Rückkehr in das Steam-House, beobachtete ich das Barometer. Die Quecksilbersäule war in kürzester Zeit um zwei Zoll, von 29 auf 27 (etwa 730 Mm.) gefallen.

Ich theilte das dem Oberst mit.

»Mich beunruhigt die Abwesenheit des Kapitän Hod und seiner Begleiter, erwiderte er. Das Unwetter muß gleich zum Ausbruch kommen, die Nacht rückt heran und die Dunkelheit nimmt schneller zu. Jäger entfernen sich stets weiter, als sie versprechen und selbst, als sie gewollt haben. Wie werden Jene in der tiefen Finsterniß den Rückweg finden?

– Die Tollköpfe! fiel Banks ein. Sie wollten auch keine Vernunft annehmen. Besser, sie wären ganz hiergeblieben.

– Gewiß, Banks, doch sie sind einmal weg, entgegnete Oberst Munro, und an uns ist es, Alles zu thun, um ihnen die Rückkehr zu erleichtern.

– Giebt es kein Mittel, ihnen die Stelle, wo wir liegen, zu bezeichnen? wandte ich mich an den Ingenieur.

– O doch, antwortete Banks, wenn wir unser elektrisches Licht anzünden, das sehr mächtig und weithin zu sehen ist. Ich werde den Strom schließen.

– Eine herrliche Idee, Banks!

– Soll ich mich zur Aufsuchung des Kapitän Hod aufmachen? fragte der Sergeant.

– Nein, mein alter Neil, erklärte Oberst Munro, Du würdest ihn nicht finden und Dich nur noch selbst verirren.«

Banks brachte die Elemente der Säule in Stand, schloß den Strom und bald warfen die beiden Augen des Stahlriesen, gleich zwei elektrischen Leuchttürmen, ihre Strahlenbündel durch die Finsterniß unter den Banianen. Bei der besonders dunklen Nacht mußte die Tragweite des Lichtes gewiß eine weite sein und konnte unseren Jägern als Leitstern dienen.

Da erhob sich plötzlich ein Orkan mit entsetzlicher Gewalt. Er zerriß die Gipfel der Bäume, bog die jungen Banianenstämme zu Boden und pfiff durch dieselben wie durch die Pfeifen einer Orgel.

Alles war das Werk eines Augenblickes.

Ein Hagel von vertrockneten Zweigen und ein Regen von abgerissenen Blättern bedeckte die Straße. Die Bedachung des Steam-Houses hallte wider von fortwährendem Rauschen des Stromes, der sich darüber hinwegwälzte.

Wir mußten uns in den Salon flüchten und alle Fenster dicht verschließen.

»Das ist eine Art Tofan,« sagte Banks.

So bezeichnen die Indier die heftigen und urplötzlichen Stürme, welche vorzüglich die Berggegenden verwüsten und im ganzen Lande gefürchtet sind.

»Storr, rief Banks dem Mechaniker zu, hast Du die Fensteröffnung des Thurmes gut verschlossen?

– Gewiß, Herr Banks, erklärte der Mechaniker, von dieser Seite ist nichts zu fürchten.

– Wo ist Kâlouth?

– Er schichtet eben das letzte Brennmaterial in dem Tender auf.

– Morgen werden wir das Holz nur aufzulesen brauchen, meinte der Ingenieur. Der Wind fällt es selbst und erspart uns die Mühe. Pass auf, daß wir Druck behalten, Storr, und suche unter Dach und Fach zu bleiben.

– Soll geschehen.

– Sind die Bunker voll, Kâlouth? fragte Banks.

– Ja, Herr Banks, antwortete der Heizer. Auch der Wasservorrath ist ergänzt.

– Gut, so komm herein!«

Maschinist und Heizer hatten bald im zweiten Wagen Platz genommen.

Jetzt leuchteten die Blitze häufiger auf und aus den Wolken hörte man ununterbrochen das dumpfe Rollen. Der Tofan hatte die Luft nicht abgekühlt. Es war ein trockener Wind mit heißem Athem, so als käme er selbst aus der Mündung eines Hochofens her.

Sir Edward Munro, Banks, Mac Neil und ich verließen den Salon, um nach der Veranda zu gehen. Das hohe Geäst der Banianen zeichnete sich gleich einer feinen, schwarzen Spitze auf dem feurigen Hintergrunde des Himmels ab. Auf jeden Blitz folgte schon nach wenigen Secunden ein heftiger Donner. Das Echo davon konnte gar nicht verstummen, weil sich stets schon ein neuer Donnerschlag hineinmischte. So rollte unausgesetzt ein tiefer Baß daher und unter diesen mischten sich noch jene trockenen Detonationen, welche Lucretius so passend mit dem scharfen Schrei zerreißenden Papieres verglichen hat.

»Warum sie nur auch wegen des Unwetters nicht zurückkehren? begann Oberst Munro.

– Vielleicht, meinte der Sergeant, hat Kapitän Hod mit seinen Begleitern ein Obdach im Walde, in der Höhlung eines Baumes oder unter einem Stein gefunden, und sie kommen erst morgen zurück. Wir sind ja dann noch immer zur Stelle!«

Banks schüttelte den Kopf. Er schien Mac Neils Ansicht nicht zu theilen.

Jetzt – es mochte gegen neun Uhr sein – begann der Regen in furchtbaren Strömen herabzustürzen. Er war mit großen Hagelkörnern vermischt, welche uns steinigten und auf das klingende Dach des Steam-Houses niederprasselten. Es klang wie ein furchtbarer Trommelwirbel. Einander zu hören, war vollständig unmöglich, auch wenn es nicht unaufhörlich gedonnert hatte. Die von den Schloßen abgeschlagenen Banianenblätter flogen auf allen Seiten umher.

Banks, der sich inmitten dieses betäubenden Lärmens nicht verständlich machen konnte, erhob den Arm und wies uns auf die Schloßen hin, welche die Seiten des Stahlriesen trafen.

Unglaublich! Alles funkelte bei der Berührung mit den harten Eisstücken. Man hätte meinen sollen, daß aus den Wolken wirklich Tropfen geschmolzenen Metalles kämen, die bei Berührung mit dem Stahlpanzer Lichtfunken auswarfen. Diese Erscheinung bewies, wie stark die Atmosphäre mit Elektricität geladen war. Unausgesetzt durchströmte sie die leuchtende Materie, so daß der ganze Himmelsraum ein Feuer zu sein schien.

Banks winkte uns wieder nach dem Salon zurück und schloß die nach der Veranda führende Thür. Gewiß konnte man sich in freier Luft diesen elektrischen Entladungen nicht ungestraft aussetzen.

Im Innern des Hauses standen wir fast im Finstern, wodurch die Beleuchtung der Außenwelt nur um so sichtbarer wurde. Wie erstaunten wir aber, sogar den eigenen Speichel leuchten zu sehen! Auch wir mußten von dem umgebenden Fluidum im höchsten Grade imprägnirt sein.

»Wir spieen Feuer,« um den Ausdruck, zu gebrauchen, mit dem man diese selten beobachtete und immer erschreckende Erscheinung charakterisirt hat. In der That mußte unter diesem fortwährenden Aufleuchten, dem Feuer draußen, unter dem Krachen des Donners bei den gewaltigen Blitzen auch das furchtloseste Herz doch etwas schneller schlagen.

»Und sie! sagte bedauernd Oberst Munro.

– Ja, wo mögen sie sein!« antwortete Banks.

Unsere Lage war entsetzlich. Nicht das Geringste konnten wir thun, um den so sehr bedrohten Kapitän Hod und seinen Begleitern zu Hilfe zu kommen.

Wenn sie Schutz gefunden hatten, so konnte das nur unter den Bäumen selbst sein, und man weiß, mit welchen Gefahren das unter schweren Gewittern verbunden ist. Wie hätten sie sich in dem dichten Walde fünf bis sechs Meter von der die äußersten Zweige eines Baumes schneidenden senkrechten Linie aufhalten können – wie man es Denen empfiehlt, die in der Nähe von Bäumen von einem Gewitter überrascht werden?

Alles das ging mir durch den Kopf, als ein furchtbarer Donnerschlag, noch trockener als die anderen, mein Ohr traf, der mit dem Blitze fast zusammenzufallen schien.

Gleichzeitig machte sich ein scharfer Geruch bemerkbar – der durchdringende Geruch von salpetrigen Dämpfen – und gewiß hätte Regenwasser, das während dieses Wetters aufgefangen wurde, große Mengen derselben Säure erkennen lassen.

«Der Blitz hat eingeschlagen ... meinte Mac Neil. – Storr, Kâlouth, Parazard!« rief Banks.

Alle Drei erschienen im Salon. Zum Glück war Keiner von ihnen getroffen.

Der Ingenieur stieß die Thür zur Veranda auf und begab sich nach dem Balkon.

»Dort ... seht dort! ...« sagte er.

Zehn Schritte von uns an der linken Seite der Straße, war eine große Baniane getroffen worden. Bei dem unausgesetzten elektrischen Scheine sahen wir sie wie am hellen Tage. Der ungeheuere Stamm, den seine Ausläufer nicht mehr zu halten vermochten, lag quer zwischen den anderen Bäumen. In seiner ganzen Länge war die Rinde abgesprengt und frei in der Luft hing ein langer Fetzen derselben, der umhergeworfen wurde wie eine Schlange, die sich von Baumästen herabschlängelt. Die Abschälung mußte von unten nach aufwärts stattgefunden haben, also von einem aufsteigenden Blitz von ungeheuerer Gewalt herrühren.

»Da fehlte nicht viel, daß unser Steam-House getroffen worden wäre! sagte der Ingenieur. Doch bleiben wir hier, es ist immer ein besserer Schutz, als der unter Bäumen!«

Da hörten wir einen lauten Aufschrei. Rührte er vielleicht von unseren heimkehrenden Genossen her?

»Das war Parazards Stimme,« sagte Storr.

Wirklich rief uns der Koch, der sich unter der letzten Veranda befand, zu sich hin.

Wir folgten eifrigst seinem Rufe.

Kaum hundert Meter von unserer Haltestelle und rechts von derselben war der Banianenwald entzündet. Schon verschwanden die höchsten Gipfel der Bäume unter den lodernden Flammen. Das Feuer entwickelte sich unglaublich heftig und schritt schneller, als man hätte glauben sollen, auf das Steam- House zu.

Da entstand eine ernste Gefahr. Die lange Dürre und die hohe Temperatur der drei Monate heißer Jahreszeit hatten Bäume, Gebüsche und Gräser ausgetrocknet. An dem leicht entzündbaren Material fand das Feuer vollauf Nahrung. Wie das in Indien wiederholt vorkommt, war der ganze Wald bedroht, von den Flammen verzehrt zu werden.

Unzweifelhaft sah man, wie das Feuer an Umfang gewann und sich nach allen Seiten verbreitete. Erreichte es unsere Haltestelle, so wurden die beiden Wagen sicher binnen wenig Minuten zerstört, denn ihre dünnen Wände konnten nicht den gleichen Widerstand leisten, wie die Stahlblechumhüllung eines feuerfesten Geldschrankes.

Schweigend standen wir der Gefahr gegenüber. Oberst Munro kreuzte die Arme.

»Banks, begann er sehr ruhig, es ist Deine Sache, uns aus dieser Lage zu helfen.

– Ja wohl, Munro, antwortete der Ingenieur, und da wir kein Mittel haben, die Feuersbrunst zu löschen, so werden wir ihr entfliehen müssen.

– Zu Fuße? rief ich erschrocken.

– O nein, mit dem ganzen Zuge.

– Und was wird aus Kapitän Hod und seinen Begleitern? warf Mac Neil ein.

– Wir können nichts für sie thun. Sind sie nicht zurück, bevor wir aufbrechen, so kann ich mir nicht helfen.

– Wir dürfen sie aber nicht im Stiche lassen! erklärte der Oberst.

– Wenn der Train in Sicherheit ist, Munro, erwiderte ihm Banks, wenn ihn die Flammen nicht mehr erreichen können, so kehren wir zurück und durchsuchen den ganzen Wald, bis wir Jene entdeckt haben.

– Thu was Du willst, Banks, sagte Oberst Munro, der sich dem Rathe des Ingenieurs, gewiß dem einzigen, der hier am Platze war, fügen mußte.

– Storr, rief Banks, an Deine Maschine, und Du, Kâlouth, an den Kessel und schüre das Feuer! – Welchen Druck zeigt das Manometer?

– Zwei Atmosphären, meldete der Mechaniker.

– Binnen zehn Minuten müssen wir vier haben. Nun vorwärts, Ihr Leute, ans Werk!«

Der Mechaniker und der Heizer ließen sich nicht antreiben. Bald wirbelten schwarze Rauchwolken aus dem Rüssel des Elephanten und mischten sich mit den Regenströmen, um die sich der Riese gar nicht zu kümmern schien. Auf die Blitze, welche den Himmel in Feuer hüllten, antwortete er mit einem Sprühregen von Funken. Ein Dampfstrahl pfiff durch den Rauchfang und der künstlich vermehrte Zug beschleunigte die Verbrennung des Holzes, das Kâlouth auf dem Roste aufhäufte.

Sir Edward Munro, Banks und ich waren auf der hinteren Veranda zurückgeblieben und beobachteten die Fortschritte der Feuersbrunst im Walde; die großen Bäume sanken in der gewaltigen Lohe zusammen, die Zweige krachten wie Revolverschüsse, die Lianen schwankten von einem Stamme zum anderen und das Feuer pflanzte sich auf neue und immer neue Herde fort. In fünf Minuten war der Brand auf fünfzig Meter vorgeschritten und die vom Sturmwind zerzausten Flammen züngelten zu einer solchen Höhe auf, daß die Blitze sie in allen Richtungen kreuzten.

»Binnen fünf Minuten müssen wir den Platz verlassen haben, erklärte Banks, oder es fängt Alles Feuer!

– Diese Feuersbrunst greift schnell um sich! bemerkte ich.

– Wir werden noch schneller vorwärts kommen!

– Wenn nur Hod und seine Begleiter da wären! klagte Sir Edward Munro.

– Wir wollen pfeifen, ja, ja, pfeifen, rief Banks, vielleicht hören sie das!«

Er eilte nach dem Thürmchen und bald ertönte die Luft von schrillen Pfiffen, die sich von dem rollenden Donner so auffällig unterschieden, daß sie gewiß weithin vernehmbar sein mußten.

Unsere Lage wird sich Jedermann eher denken können, als man sie schildern kann.

Auf einer Seite die Nothwendigkeit, so schnell als möglich zu entfliehen, auf der anderen die Verpflichtung, die noch nicht Zurückgekehrten zu erwarten.

Banks war nach der hinteren Veranda zurückgekommen. Der Rand des Feuers lag jetzt kaum noch fünfzig Fuß vom Steam-House entfernt. Ringsum verbreitete sich eine unerträgliche Hitze und die glühende Luft wurde nahezu unathembar. Schon fielen eine Menge glühender Holzstücke auf unseren Train nieder. Zum Glück schützte ihn der noch fortdauernde Platzregen, der ihn jedoch gegen das eigentliche Feuer selbst gewiß nicht sichern konnte.

Noch immer dauerte das scharfe Pfeifen der Maschine fort, doch weder Hod, noch Fox oder Goûmi ließen sich sehen.

Da trat der Mechaniker zu Banks heran.

»Wir haben den verlangten Druck, sagte er.

– Nun dann, vorwärts, Storr, erwiderte dieser, doch nicht zu schnell! ... Es gilt nur außer dem Bereiche des Waldbrandes zu bleiben.

– Warte noch, Banks, warte noch, bat Oberst Munro, der sich nicht entschließen konnte, den Halteplatz zu verlassen.

– Noch drei Minuten, Munro, antwortete Banks sehr kühl, doch auf keinen Fall länger. In drei Minuten schon kann der Hintertheil des Zuges Feuer fangen!«

Zwei Minuten verstrichen. Das Verweilen auf der Veranda wurde jetzt zur Unmöglichkeit. Man konnte die Hand schon nicht mehr auf das erhitzte Blech legen, welches sich zu krümmen begann. Jetzt noch länger zu warten, wäre die schwerste Thorheit gewesen.

»Vorwärts, Storr! befahl Banks.

– Ach, da! ... rief der Sergeant.

– Sie sind es!«

Kapitän Hod und Fox erschienen an der rechten Seite der Straße. In ihren Armen trugen sie Goûmis scheinbar leblosen Körper, und gelangten eben an den Auftritt zum zweiten Wagen.

»Todt? fragte Banks.

– Nein, aber vom Blitz getroffen, der ihm das Gewehr in der Hand zertrümmerte, erklärte Kapitän Hod, und auf dem linken Beine gelähmt.

– Gott sei gelobt! brach Oberst Munro aus.

– Meinen Dank auch, Banks, setzte der Kapitän hinzu. Ohne Ihr Pfeifensignal hätten wir die Haltestelle schwerlich wiedergefunden!

– Nun schnell hier weg, drängte Banks, nun vorwärts!«

Hod und Fox waren in den Wagen gesprungen, und Goûmi, der den Gebrauch der Sinne nicht ganz verloren hatte, wurde in seiner Cabine niedergelegt.

»Wie viel Druck haben wir? fragte dieser den Mechaniker.

– Ziemlich fünf Atmosphären, lautete Storrs Antwort.

– Nun dann fort!« wiederholte Banks.

Es war jetzt halb elf Uhr. Banks und Storr nahmen in dem Thürmchen Platz. Der Regulator ward geöffnet, der Dampf strömte in die Cylinder, das erste Schnaufen ließ sich vernehmen und der Zug setzte sich langsam in Bewegung, inmitten der dreifachen Beleuchtung, durch den Brand der Banianen, durch die elektrischen Lampen des Elephanten und die flammenden Blitze des Himmels.

Kapitän Hod erzählte uns mit kurzen Worten die Vorgänge während seines Ausfluges, bei dem die Jäger keine Spur eines Thieres angetroffen hatten. Mit dem Aufsteigen des Gewitters kam die Dunkelheit schneller und tiefer, als sie gedacht hatten. Sie wurden von dem ersten Donnerschlage überrascht, als sie etwa drei Meilen weit entfernt waren. Natürlich wollten sie nun sofort umkehren, doch trotz aller Mühe, sich zurecht zu finden, verirrten sie sich unter den großen Banianengruppen, die einander gar zu sehr ähnelten, da ihnen kein Steg die Richtung angab.

Inzwischen brach das Unwetter mit aller Wuth los. Das elektrische Licht konnte bis zu der Stelle, wo sie sich befanden, nicht dringen, so daß sie gewiß nicht in gerader Linie auf das Steam-House zuschritten. Hagel und Regen fiel in Strömen. Ein Obdach gab es nicht, außer dem unzulänglichen des Blätterdaches, das bald genug durchlöchert wurde.

Plötzlich krachte ein furchtbarer Donnerschlag zugleich mit einem blendenden Blitze. Neben dem Kapitän sank Goûmi vor Fox Füßen zur Erde. Von dem Gewehre in seiner Hand hielt er nur noch den Schaft. Lauf, Schloß, Drückerbügel, kurz Alles, was von Metall daran war, hatte die elektrische Entladung zerstreut.

Seine Genossen hielten ihn für todt, was sich glücklicherweise nicht bestätigte; obwohl er aber von dem Fluidum nicht selbst getroffen schien, war doch sein linkes Bein gelähmt, so daß der arme Goûmi keinen Schritt gehen konnte. Er mußte also getragen werden. Vergeblich bat er, ihn vorläufig zurückzulassen und erst später abzuholen. Seine Begleiter gaben nicht nach; der Eine erfaßte ihn an den Schultern, der Andere an den Beinen, und so zogen sie auf gut Glück durch das Dunkel des Waldes weiter.

Zwei volle Stunden lang irrten Hod und Fox auf diese Weise umher, zögerten, hielten einmal an und setzten dann den Weg weiter fort, ohne irgend einen Anhalt, der ihnen die Lage des Halteplatzes hätte andeuten können.

Endlich hörten sie mitten unter dem Wüthen der Elemente und dem Sausen des Sturmes den scharfen Ton der Dampfpfeife, der vernehmlicher war, als es sogar Flintenschüsse gewesen wären. Sie erkannten die Stimme des Stahlriesen.

Eine Viertelstunde später gelangten alle Drei nach der Stelle, die eben verlassen werden sollte. Es war die höchste Zeit!

Während der Zug nun auf der breiten und ebenen Straße im Walde dahinrollte, machte der Brand doch noch schnellere Fortschritte. Daneben wuchs die Gefahr noch mehr, als der Wind umsprang, wie es bei solchen Gewitterstürmen häufig vorkommt. Statt von der Seite zu wehen, blies er jetzt von rückwärts und belebte durch seine Heftigkeit das Feuer wie ein Ventilator, der einem Herde Sauerstoff zuführt. Der Waldbrand nahm rasch weiter zu. Brennende Zweige und glimmende Holzstücke wirbelten in einer Wolke von glühender Asche umher, die sich von der Erde erhob, als ob ein Krater seine vulkanischen Massen gen Himmel schleuderte. Wirklich ließ sich die Feuersbrunst mit nichts besser vergleichen, als mit einem Lavastrome, der sich über das Land wälzt und Alles auf seinem Wege vernichtet.

Banks bemerkte das wohl. Hätte ers auch nicht gesehen, so mußte es ihm der glühend heiße Luftstrom sagen, der über uns dahinstrich.

Die Fahrt wurde also beschleunigt, obgleich das auf dem unbekannten Wege nicht ohne Gefahr war. Die von Regen überfluthete Straße hatte aber so tiefe Furchen, daß die Maschine nicht so viel leistete, als der Ingenieur gern wollte.

Gegen halb zwölf Uhr erfolgte ein neuer Donnerschlag mit einem furchtbaren Blitze. Unwillkürlich entrang sich unser ein lauter Schrei, Wir glaubten nicht anders, als daß Banks und Storr im Thürmchen, von wo aus sie die Fahrt leiteten, erschlagen worden wären.

Dieses Unglück sollte uns jedoch erspart bleiben. Nur unser Elephant war an der Spitze eines seiner langen, hängenden Ohren von der elektrischen Entladung getroffen worden. Die Maschine hatte dabei zum Glück keinen Schaden erlitten, und der Stahlriese schien dem Wüthen des Unwetters nur durch vermehrtes Brausen und Sausen antworten zu wollen.

»Hurrah! rief Kapitän Hod, Hurrah! Ein Elephant aus Fleisch und Bein wäre auf der Stelle zusammengesunken. Du, Du trotzest dem Blitze, Dich vermag nichts aufzuhalten. Hurrah, Stahlriese! Hurrah!«

Während einer halben Stunde hielt sich unser Zug immer in geeigneter Entfernung. Da er fürchten mußte, zu heftig gegen irgend ein Hinderniß zu stoßen, wollte Banks die Geschwindigkeit nicht weiter steigern, als nothwendig war, um vor dem Feuer geschützt zu bleiben.

Von der Veranda aus, wo Oberst Munro, Hod und ich Platz genommen hatten, sahen wir gewaltige Schatten vor uns her eilen, welche im Lichte des Brandes und der Blitze dahinflogen. Das waren endlich Raubthiere! ^

Aus Vorsicht ergriff Hod seine Büchse, denn es war ja möglich, daß die entsetzten Bestien sich auf den Train stürzen konnten, um dort Schutz oder ein Obdach zu suchen.

Ein ungeheuerer Tiger machte wirklich diesen Versuch; als er sich aber mit gewaltigem Sprunge erhob, fingen ihn die Ausläufer einer Baniane am Halse. Der Hauptstamm, der sich unter der Wucht des Sturmes bog, zog dieselben an wie zwei lange Stricke, welche das Thier erwürgten.

»Armer Kerl! sagte Fox bedauernd.

– Diese Thiere, fuhr Kapitän Hod entrüstet fort, sind dazu geschaffen, von einer ehrlichen Büchsenkugel erlegt zu werden. Ja, Du armer Teufel!«

Wahrlich, Kapitän Hod hatte Pech! Als er Tiger suchte, fand er keinen, und als er sie sah, stürmten sie im Fluge vorbei, ohne daß er auf sie schießen konnte, oder erwürgten sich wie eine Maus im Drahte der Falle!

Um ein Uhr Morgens verdoppelte sich die Gefahr noch, so groß sie auch schon gewesen war.

Unter dem unbeständigen Winde, der von allen Richtungen her wehte, hatte sich der Waldbrand sogar schon vor uns ausgebreitet, und wir waren jetzt vollständig eingeschlossen.

Das Gewitter hatte indessen an Heftigkeit abgenommen, wie das stets geschieht, wenn solche Wetter über einen großen Wald ziehen, wo die Bäume die Elektricität anziehen und nach und nach erschöpfen. Doch, wenn auch die Blitze seltener wurden und der Donner nur in Zwischenräumen ertönte, auch der Regen schwächer fiel, so sauste doch der Sturm noch mit gleicher Gewalt über die Erde hin.

Jetzt mußte die Fahrt unseres Zuges unbedingt, selbst auf die Gefahr, gegen ein Hinderniß anzustoßen oder in einen Abgrund zu stürzen, so viel als möglich beschleunigt werden.

Banks that das auch, und zwar mit erstaunlich kaltem Blute, die Augen an den Linsen des Thürmchens und die Hand am Regulator, den er nie losließ.

Zwischen zwei Feuerspalieren lag unsere Straße offen. Es gab keine Wahl, wir mußten dazwischen hindurch.

Banks drang mit einer Geschwindigkeit von sechs bis sieben Meilen in der Stunde hinein.

Ich glaubte schon unser Ende nahe, als wir auf die Strecke von fünfzig Metern eine sehr enge Stelle zwischen den Flammen passiren mußten. Die Räder des Zuges knirschten auf glühenden Kohlen, welche die Straße bedeckten, und eine glühende Atmosphäre umhüllte uns ganz und gar! ...

Wir kamen glücklich hindurch!

Endlich, um zwei Uhr Morgens, erschien der entgegengesetzte Waldessaum unter dem Scheine der schon sehr seltenen Blitze. Hinter uns breitete sich ein grenzenloses Flammenmeer aus. Das Feuer erlosch gewiß nicht eher, als es den ausgedehnten Wald bis zur letzten Baniane verzehrt hatte.

Mit Tagesanbruch machte unser Zug Halt; das Gewitter hatte sich vollständig verzogen und wir richteten uns zu einer vorläufigen Rast ein. Unser Elephant, der nun sorgfältig untersucht wurde, zeigte an der Spitze des rechten Ohres einige Löcher, deren Ränder nach innen umgebogen waren.

Gewiß wäre einem solchen Blitzschlage jedes andere Thier als ein Elephant aus Stahl unterlegen, um sich nicht wieder zu erheben, und der Waldbrand würde den ganzen Zug in kurzer Zeit vernichtet haben!

Um sechs Uhr Morgens ging die Fahrt nach kurzer Rast weiter und gegen Mittag langten wir in der Nachbarschaft von Rewah an.

< Elftes Capitel.
Dreizehntes Capitel. >



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.