Frei Lesen: Der Chancellor

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Jules Verne

Der Chancellor

XXI.

eingestellt: 22.7.2007



Vom 21. bis 23. November. –

In der That ist es nothwendig, dieses beschränkte Bassin, und zwar sobald als möglich, zu verlassen. Das Wetter, welches uns während des ganzen Monats November begünstigt hat, droht umzuschlagen. Seit gestern ist das Barometer gesunken und rings um den Ham-Rock geht die See höher. Das Eiland bietet den Windstößen zu wenig Widerstand; der Chancellor müßte hier ohne Zweifel zertrümmert werden.

Während der Ebbe am heutigen Abend haben wir, Robert Kurtis, Falsten, der Hochbootsmann, der Zimmermann und ich, uns nach der jetzt freiliegenden Basaltbarriere begeben. Ein Passiren derselben ist nur zu erzwingen, wenn die Felskante in einer Breite von etwa zehn und einer Länge von sechs Fuß mit der Spitzhaue bearbeitet wird. Eine Tieferlegung von acht bis neun Zoll muß für den Chancellor schon das nöthige Wasser schaffen, und wenn man diesem kleinen Canale mit der nöthigen Vorsicht folgt, kann der Chancellor ihn ohne Schaden zu nehmen durchfahren und dicht außerhalb desselben in tiefes Fahrwasser gelangen.

»Dieser Basalt ist aber so hart wie Granit, bemerkt der Hochbootsmann, und das wird um so mehr eine lange Zeit beanspruchende Arbeit werden, als sie nur während der Tiefebbe, d. h. während zwei Stunden von vierundzwanzigen, vorgenommen werden kann.

– Ein Grund mehr, Hochbootsmann, um keine Secunde zu verlieren, erwidert ihm Robert Kurtis.

– Ei, Kapitän, sagt Daoulas, einen Monat über werden wir damit zu thun haben! Ging es denn gar nicht an, die Felsen zu sprengen? Pulver ist ja an Bord.

– Zu dem Zwecke zu wenig!« erklärt der Hochbootsmann.

Die Situation wird sehr ernst. Einen Monat lang Arbeit! Vor Verlauf eines Monats wird aber das Schiff durch die Wellen zerstört sein.

»Wir haben ja etwas Vorzüglicheres, als Pulver, sagt da Falsten.

– Und was? fragt Robert Kurtis mit einer Wendung nach dem Ingenieur.

– Das Natron-Pikrat!« antwortet der Ingenieur.

Das Natron-Pikrat, wahrhaftig! Das von dem unglücklichen Ruby herein gepaschte Colli. Die explosive Substanz, welche nahe daran gewesen ist, das Schiff zu zersplittern, soll nun dazu dienen, unser Fahrthinderniß zu beseitigen!

Ein Sprengloch in den Basalt, und die Felskante existirt nicht mehr!

Das Pikratcolli ist wie gesagt auf dem Riff an sicherer Stelle niedergelegt worden. Es darf als ein Glück betrachtet werden, daß man jenes nach seiner Entfernung aus dem Raume nicht ins Meer geworfen hat.

Die Matrosen holen Spitzhauen herbei, und Daoulas beginnt unter Leitung Falstens einen Minengang in derjenigen Richtung, welche den umfassendsten Effect zu erzielen verspricht, auszuarbeiten. Alles berechtigt zu der Hoffnung, daß derselbe während der Nacht vollendet werden wird und daß morgen mit Tagesanbruch nach stattgehabter erfolgreicher Explosion die Durchfahrt frei gelegt sein werde.

Bekanntlich ist die Pikrinsäure ein kristallinischer Körper von bitterem Geschmacke, den man aus Steinkohlentheer gewinnt und welcher mit Natron eine gelbgefärbte Verbindung, eben jenes Natron-Pikrat, bildet. Die explosive Gewalt dieser Substanz erreicht zwar die der Schießbaumwolle noch nicht, übertrifft indessen die des gewöhnlichen Pulvers um ein Bedeutendes. Seine Entzündung erfolgt schon durch einen heftigen, kurzen Stoß, wir werden sie aber auch durch Zündpillen leicht ermöglichen können.

Daoulas hat zwar, so gut wie seine Leute, tüchtig gearbeitet, bei Tagesanbruch ist das Sprengloch aber noch weit von seiner Vollendung entfernt. Wirklich kann an demselben nur zur Zeit der tiefsten Ebbe, d. h. immer nur eine Stunde lang gearbeitet werden. Vier Gezeiten werden vorübergehen müssen, jenem die gewünschte Tiefe zu geben.

Erst am Morgen des 23. ist die mühsame Arbeit vollbracht. Die Basaltmauer ist mit einem schräg nach unten verlaufenden Sprengloche versehen, hinreichend für gut zehn Pfund des explosiven Salzes, und diese Mine soll sofort geladen werden.

Gerade vor dem Einbringen des Pikrats in das Loch bemerkt Falsten:

»Wir sollten unser Sprengmittel mit gewöhnlichem Pulver vermischen, das erlaubt uns, die Mine durch eine Lunte in Brand zu setzen, was jedenfalls geeigneter erscheint, als die Explosion einer Zündpille durch einen Schlag zu veranlassen. Uebrigens hat man sich überzeugt, daß die gleichzeitige Anwendung von Pulver und Pikrat bei harten Felsarten bessere Resultate erzielt. Das seiner Natur nach sehr plötzlich wirkende Pikrat arbeitet dabei, wie es scheint, dem Pulver vor, welches sich langsamer entzündend den Basalt dann vollends zur Seite wirft.«

Sehr oft spricht der Ingenieur Falsten nicht, aber wenn er es thut, sind es Worte von Gehalt. Sein Rath wird befolgt. Man vermengt die beiden Substanzen und bringt nach vorhergegangener Einführung einer Lunte die Mischung in das Sprengloch, das sorgfältig verschlossen wird.

Der Chancellor liegt weit genug von der Mine entfernt, so daß für ihn von der Explosion Nichts zu fürchten ist; doch haben sich Passagiere und Mannschaften aus Vorsicht bis nach den entfernteren Theilen des Riffs und in die Grotte zurückgezogen, und auch Mr. Kear hat sich bequemen müssen, trotz seiner Einwendungen das Schiff zu verlassen.

Falsten entzündet die Lunte, welche eine Brenndauer von zehn Minuten haben muß, und gesellt sich dann zu uns.

Die Explosion erfolgt. Sie ist dumpf und weniger laut gewesen, als man erwartet hätte, doch soll das bei allen tief angelegten Minen der Fall sein.

Wir eilen hinzu ... Die Operation ist vollkommen geglückt. Die Basaltwand ist buchstäblich zerstäubt, und jetzt durchsetzt ein kleiner Canal, den die Fluth eben anzufüllen beginnt, das Hinderniß und gewährt uns einen unbehinderten Durchgang.

Ein allgemeines Hurrah! Die Kerkerthür ist offen, wir brauchen nur zu entfliehen!

Nach eingetretenem Hochwasser wird der Chancellor mittels seiner Anker angeholt, passirt den Canal und schwimmt im freien Wasser!

Noch einen Tag lang müssen wir uns jedoch bei dem Eilande aufhalten, denn in seinen jetzigen Verhältnissen vermag das Schiff nicht zu segeln und muß erst noch Ballast einnehmen, um seine Stabilität zu sichern. Während der nächsten vierundzwanzig Stunden beschäftigt sich die Mannschaft also mit der Einladung von Steinen und derjenigen Baumwollenballen, welche am wenigsten Havarie erlitten haben.

Heute unternehmen Mr. Letourneur, Miß Herbey und ich noch einen letzten Spaziergang durch die Felsen des Riffs, welches wir nie wiedersehen sollen und auf oder neben dem wir drei Wochen verlebten. Der Name des Chancellor, der des Riffs selbst, das Datum der Strandung werden von André in eine Wand der Grotte kunstgerecht eingemeißelt, und wir rufen ein letztes Lebewohl dem dürren Felsen zu, auf dem wir manche Tage und Zwei von uns vielleicht bis dahin die glücklichsten ihres Lebens verbrachten!

Endlich am 24. November schmückt sich der Chancellor zur Zeit der Morgenfluth mit seinen unteren Segeln, und zwei Stunden später verschwindet die letzte Spitze des Ham-Rock unter dem Horizonte.


 

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