Frei Lesen: Die fünfhundert Millionen der Begum

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Jules Verne

Die fünfhundert Millionen der Begum

Neunzehntes Capitel.

eingestellt: 4.7.2007



Vielleicht ist im Laufe dieser Erzählung von den persönlichen Angelegenheiten der eigentlichen Helden derselben etwas zu wenig die Rede gewesen. Ein Grund mehr, jetzt um ihrer selbst willen ausführlicher auf dieselben zurückzukommen.

Der gute Doctor ging nicht so sehr im Allgemeinen und in seinem Streben für die Menschheit auf, daß das Individuum für ihn entschwunden wäre, obwohl er hier nur seinen Idealen nachzujagen schien. Er erschrak also etwas über die Blässe, welche Marcels Antlitz bei seinen letzten Worten bedeckte. Seine Augen suchten in denen des jungen Mannes den Sinn dieser plötzlichen Erregung zu lesen. Das Stillschweigen des alten Praktikers hatte etwa die Bedeutung einer Frage an das Schweigen des jungen Ingenieurs, wobei der Erstere zu erwarten schien, das jener dasselbe brechen würde; Marcel aber, der durch eine ungeheure Willensanstrengung seiner Herr geworden war, fand bald sein kaltes Blut wieder. Sein Teint hatte die natürlichen Farben wieder angenommen und seine Haltung war die eines Menschen, der die Fortsetzung einer Unterhaltung erwartet.

Doctor Sarrasin, der jetzt vielleicht selbst etwas über seine Worte an Marcel erschrak, näherte sich seinem jungen Freunde; dann nahm er dessen Arm, wie es ein Arzt zu thun pflegt, wenn er so nebenbei den Puls eines Kranken fühlen will.

Marcel ließ es sich willig gefallen, ohne daran zu denken, was der Doctor that, und da er auch nicht sprach, begann sein alter Freund aufs Neue:

»Mein wackerer Freund, unsere Unterhaltung über die spätere Gestaltung Stahlstadts führen wir wohl gelegentlich weiter. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß wir uns nicht mit der Verbesserung des Looses Aller beschäftigten, und vorzüglich des Schicksals Derjenigen, die man liebt und die unserem Herzen überhaupt am nächsten stehen. So halte ich z.B. den Augenblick für gekommen, Dir von einem jungen Mädchen zu erzählen – deren Namen Du später erfahren sollst – was sie schon seit langer Zeit und seit einem Jahre wenigstens zum zwanzigsten Male ihrem Vater und ihrer Mutter antwortete, wenn die Rede auf das Heiraten kam. Alle diesbezüglichen Fragen waren übrigens so vorsichtig gestellt, daß wohl jede auf deren Erörterung hätte eingehen können, und doch antwortete das junge Mädchen Nein! und immer nur Nein!«

Da entzog Marcel, wie durch eine plötzliche Bewegung getrieben, seine Hand rasch der des Doctors. Sei es nun, daß sich derselbe von der Gesundheit seines Patienten hinreichend überzeugt, oder daß er es gar nicht bemerkt hatte, wie jener ihm seinen Arm und scheinbar sein Vertrauen entzogen, jedenfalls fuhr er in seiner Erzählung fort, ohne auf diesen kleinen Zwischenfall Rücksicht zu nehmen.

»Nun, so sage uns endlich, drang die Mutter in die junge Person, von der ich spreche, die Gründe Deiner fortwährenden Ablehnung. Erziehung, Vermögen, glückliche Verhältnisse, körperliche Vorzüge – Du hast ja Alles! Warum dies bestimmte, entschlossene rasche Nein! auf alle jene Fragen, welche Du nicht einmal der Prüfung für werth zu halten scheinst? Du bist doch sonst nicht so peremtorisch!

– Gegenüber diesem Vorwurf ihrer Mutter sah sich das junge Mädchen gezwungen, zu reden, und einmal entschlossen, das peinliche Schweigen zu brechen, sagte sie Folgendes:

»Ich antworte Dir, liebe Mutter, mit voller Offenherzigkeit »Nein«, wie ich Dir »Ja« antworten würde, wenn dieses Ja aus meinem Herzen kommen könnte. Ich stimme darin mit Euch vollkommen überein, daß eine große Anzahl der Partien, welche Ihr vorschlagt, nach vielen Seiten annehmbar erscheint; aber außer der Befürchtung, daß sich alle diese Anfragen vielmehr an die beste, d. h. die reichste Partie der Stadt wenden, als an meine Person, und daß dieser Gedanke mir nicht Lust macht, Ja zusagen, wage ich, da Ihr es wünscht, auszusprechen, daß darunter der Antrag sich nicht befindet, den ich erwartete, noch erwarte und der leider wohl sehr lange auf sich warten lassen wird, oder auch niemals kommt.

– Was, Kind, rief die Mutter erstaunt, Du bist ... Sie vollendete den Satz nicht, da sie kein rechtes Ende desselben zu finden wußte, sondern warf nur einen zärtlichen Blick auf ihren Gatten, als ob sie auf dieser Seite einen Ausweg und Hilfe suchte.

Ob dieser nun auf die Sache nicht eingehen wollte, oder wünschte er vielleicht, daß darüber erst Mutter und Tochter etwas klarer werden möchten, jedenfalls schien er den Blick nicht zu verstehen, obwohl das arme Kind tief erröthend und jetzt scheinbar auch etwas erregt, nun plötzlich noch weiter ging,

– Ich sagte Dir, meine Herzensmutter, fuhr sie fort, daß die Anfrage, welche ich erwartete, noch sehr lange auf sich warten lassen könnte, oder auch niemals erfolgt. Ich gestehe Dir, daß diese Verzögerung mich weder verwundern noch kränken wird. Ich habe, sagt man, das Unglück, reich zu sein; Der, welcher jene Frage stellen sollte, ist dagegen sehr arm; deshalb hat er bis jetzt geschwiegen und sehr recht gethan. Ich muß vielmehr abwarten ob ...

– Warum sollen wir ihm aber nichts andeuten, fiel ihr die Mutter ins Wort, welche die Worte, die sie von der Tochter zu hören fürchtete, von deren Lippen nehmen wollte.«

Da mischte sich der Vater des Mädchens ein.

»Meine beste Freundin, sagte er, die beiden Hände seiner Gattin liebevoll fassend, eine um ihre Tochter so zärtlich besorgte Mutter wie Du, rühmt vor dieser, wenn sie in die Welt eintritt oder doch nahe daran ist, nicht ungestraft die Vorzüge eines jungen wackern Mannes, der fast zu unserer Familie gehört, macht nicht ungehört auf die Achtbarkeit seines Charakters aufmerksam oder stimmt ihrem Gatten mit Eifer zu, wenn dieser Gelegenheit nimmt, dessen Fähigkeiten hervorzuheben, wenn er mit Wärme von den tausend Beweisen rührender Anhänglichkeit spricht, die er von demselben empfangen hat. Wenn Diejenige, die diesen jungen Mann vor Augen hat, der von Vater und Mutter allen Anderen vorgezogen wird, ihn selbst nicht bemerkt hätte, so hätte sie eben vollkommen gegen Recht und Pflicht gehandelt.

– Ach, mein Vater, rief das junge Mädchen, während sie sich ihrer Mutter in die Arme warf, um ihre Erregung zu verbergen, wenn Du mich durchschaust, warum zwingt Ihr mich, selbst zu sprechen?

– Warum? Ei, um die Freude zu haben, Dich zu hören, mein Töchterchen, um mich zu überzeugen, daß ich mich nicht täuschte, um Dir sagen zu können, und von Deiner Mutter sagen zu lassen, daß wir den Weg billigen, den Dein Herz betreten, daß Deine Wahl uns entzückt; und was den armen und stolzen Mann betrifft, der den Antrag machen sollte, dem seine zarte Zurückhaltung widerstrebt, so werde ich diese Frage an ihn stellen ... Ja, ja, ich werde es thun, da ich in seinem Herzen gelesen habe wie in dem Deinigen! Beruhige Dich also! Bei der ersten sich darbietenden Gelegenheit werde ich Marcel fragen, ob es ihm recht ist, mein Schwiegersohn zu werden! ...«

Diese unerwartete Anrede, welche ihm plötzlich die Augen öffnete, schnellte Marcel wie eine Feder empor, Octave hatte schweigend seine Hand gedrückt, während Doctor Sarrasin ihn in seine Arme preßte. Der junge Elsäßer war bleich wie der Tod. Ist das aber nicht die Farbe, die das Glück stets auf die Wangen treibt, selbst bei den stärksten Seelen, wenn es in das Herz einzieht, ohne: Vorsehen! gerufen zu haben? ...


 

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