Frei Lesen: Fünf Wochen im Ballon

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Jules Verne

Fünf Wochen im Ballon

Elftes Capitel

eingestellt: 15.8.2007



Ein günstiger Wind hatte die Reise des Resolute nach seinem Bestimmungsorte beschleunigt. Die Fahrt durch den Canal von Mozambique war besonders glücklich von Statten gegangen, und so konnte die Seefahrt als eine gute Vorbedeutung für die Luftreise gelten. Jeder sehnte sich nach dem Augenblick der Ankunft, und wollte an die Vorbereitungen des Doctors Fergusson mit Hand anlegen helfen.

Endlich kam die Stadt Zanzibar, auf der Insel gleichen Namens gelegen, in Sicht, und am 15. April, 11 Uhr Morgens, legte sich das Schiff im Hafen vor Anker.

Die Insel Zanzibar, von der afrikanischen Küste nur durch einen Canal getrennt, dessen größte Breite nicht dreißig Meilen übersteigt, gehört dem Imam von Maskat, dem Verbündeten Englands und Frankreichs, und ist jedenfalls seine beste Colonie. Der Hafen nimmt eine große Zahl Schiffe der benachbarten Gegenden auf, und die Insel treibt einen, ansehnlichen Handel mit Gummi, Elfenbein und ganz besonders mit Ebenholz, denn Zanzibar ist ein großer Sclavenmarkt. Es concentrirt sich dort all die Beute der Schlachten, welche die Häuptlinge des Binnenlandes nicht müde werden, einander zu liefern; und dieser Handel erstreckt sich auch auf die ganze Ostküste und bis in die Nilgegenden. Herr Guillaume le Jean hat daselbst offen unter französischer Flagge Sclavenhandel treiben sehen.

Gleich nach der Ankunft des Resolute kam der englische Consul van Zanzibar an Bord, um dem Doctor seine Dienste anzubieten, denn schon seit einem Monat war er durch europäische Zeitungen von den Plänen desselben in Kenntniß gesetzt worden. Aber bis jetzt gehörte er zu der zahlreichen Phalanx der Ungläubigen.

»Ich zweifelte, sagte er, indem er Samuel die Hand entgegenstreckte, aber jetzt zweifle ich nicht mehr.«

Er bot dem Doctor, Dick Kennedy, und natürlicher Weise auch dem wackern Joe sein eigenes Haus an, und durch ihn gewann Fergusson Kenntniß von verschiedenen Briefen, die er von dem Kapitän Speke erhalten hatte. Dieser, so wie seine Begleiter hatten furchtbar vom Hunger, wie von der Ungunst des Wetters zu leiden gehabt, ehe sie das Land Ugogo erreichten; sie waren nur mit großen Schwierigkeiten vorgerückt, und zweifelten, ob sie in nächster Zeit wieder von ihrem Ergehen würden Nachricht geben können.

»Das sind Gefahren und Entbehrungen, die wir zu vermeiden wissen werden,« sagte Doctor Fergusson.

Das Gepäck der drei Reisenden wurde in das Haus des Consuls gebracht, und man schickte sich nun an, den Ballon auszuladen; es befand sich bei dem Signalthurm, einem mächtigen Gebäude, das ihn vor den Ostwinden geschützt haben würde, eine geeignete Stelle hierzu. Der dicke Thurm, welcher einer aufgerichteten Tonne nicht unähnlich sah, (im Vergleich zu welcher freilich das Heidelberger Faß ein kleines Fäßchen gewesen wäre) sollte als Fort dienen, und auf seinem Söller hielten mit Lanzen bewaffnete Belutschen, eine Art lungernder, großmäuliger Polizeidiener, Wache.

Aber als man an das Ausladen des Luftschiffes gehen wollte, wurde der Consul benachrichtigt, daß die Bevölkerung der Insel sich dem mit Gewalt widersetzen würde. Nichts ist blinder als durch Fanatismus angefachte Leidenschaften. Die Nachricht von der Ankunft eines Christen, der sich in die Lüfte erheben wollte, hatte eine gereizte Stimmung hervorgerufen; denn die Neger, noch leichter erregbar als die Araber, vermutheten in diesem Vorhaben feindliche Absichten gegen ihre Religion, und bildeten sich ein, daß er gegen die Sonne und den Mond in den Kampf ziehen wolle; diese beiden Gestirne aber sind für die afrikanischen Völkerschaften Gegenstand größter Verehrung. So hatte man denn beschlossen, sich diesem gotteslästerlichen Unternehmen zu widersetzen. Der Consul, welcher, wie gesagt, von solcher Stimmung Kunde erhalten hatte, nahm mit Fergusson und dem Commandanten Pennet hierüber Rücksprache. Letzterer wollte vor den Drohungen nicht zurückweichen, aber der Doctor vermochte ihn, einen andern Weg einzuschlagen.

»Gewiß würden wir schließlich den Sieg davontragen«, sagte er; »selbst die Soldaten des Imam würden uns im Nothfall ihre Hilfe nicht versagen; aber, mein lieber Herr Pennet, wie schnell kann sich ein Unfall ereignen! ein einziger Hieb würde genügen, um dem Ballon einen enormen Schaden zuzufügen, und die Luftreife könnte durch solche Verletzung in Frage gestellt, ja unmöglich gemacht werden. Wir müssen also mit großer Vorsicht zu Werke gehen.«

»Aber was sollen mir beginnen? Bei einem Versuch, an der afrikanischen Küste zu landen, würden wir auf dieselben Schwierigkeiten stoßen.«

»Nichts einfacher als das«, erwiderte der Consul; »sehen Sie die jenseit des Hafens gelegenen Inseln? Lassen Sie Ihr Luftschiff auf eine derselben transportiren, umgeben Sie sich mit einer Wache von Matrosen, und Sie haben keine Gefahr zu befürchten.«

»Ausgezeichnet«, sagte der Doctor, »auf diese Weise können wir in aller Ruhe unsere Vorbereitungen vollenden.«

Der Commandant fügte sich diesem Rathe, und der Resolute erhielt Befehl, sich der Insel Kumbeni zu nähern. Am Vormittage des 16. April wurde der Ballon inmitten einer Lichtung der großen Wälder in Sicherheit gebracht.

Man pflanzte zwei achtzig Fuß hohe Masten auf, welche in derselben Entfernung von einander aufgestellt wurden; Rollen, die an ihren obern Enden spielten, gestatteten, das Luftschiff mittelst eines transversalen Taues zu heben; es war zur Zeit noch nicht aufgebläht, und der innere Ballon dergestalt oben an dem äußeren befestigt, daß dieser wie jener emporgehoben werden konnte. An den untern Theil jedes Ballons wurden die beiden, für den Wasserstoff bestimmten Leitungsröhren angelegt.

Der 17. April ging damit hin, den Gaserzeugungsapparat zu ordnen; er bestand aus dreißig Tonnen, in welchen die Zersetzung des Wassers dadurch bewirkt wurde, daß man altes Eisen und Schwefelsäure mit einer großen Menge Wasser in Verbindung brachte. Nachdem der Wasserstoff auf seinem Durchgange gewaschen worden war, trat er in ein ungeheures Centralbehältniß ein, und gelangte von dort durch die Leitungsröhren in jedes der Luftschiffe. Auf diese Weise wurden beide Ballons mit einer genau bestimmten Menge Gas angefüllt.

Man mußte zu dieser Operation achtzehnhundert und siebzig Gallonen Schwefelsäure, sechzehntausend und fünfzig Pfund Eisen, und neunhundertsechsundsechzig Gallonen Wasser verwenden.

Diese Operation begann in der folgenden Nacht gegen drei Uhr Morgens, und sie nahm beinahe acht Stunden in Anspruch. Am folgenden Morgen schwebte das Luftschiff, mit seinem Netz bedeckt, anmuthig über der, durch eine große Zahl von Erdsäcken zurückgehaltenen Gondel. Der Aufblähungsapparat wurde mit äußerster Sorgfalt in Thätigteit gesetzt, und die von dem Luftschiff ausgehenden Röhren genau an dem cylindrischen Kasten befestigt.

Anker, Stricke, Instrumente, Reisedecken, Zelte, Lebensmittel und Waffen mußten den ihnen angewiesenen Platz in der Gondel einnehmen; der Wasservorrath wurde aus Zanzibar herbeigeschafft, und die zweihundert Pfund Ballast, in fünfzig Säcke vertheilt, im untern Raum der Gondel, jedoch so, daß man sie leicht erreichen konnte, aufgestaut.

Diese Vorbereitungen hatten gegen fünf Uhr Abends ihr Ende erreicht, Posten hielten fortwährend um die Insel herum Wache, und die Boote des Resolute durchfurchten den Canal nach allen Seiten.

Die Neger fuhren indessen fort, ihren Zorn durch Geschrei, Grimassen und wunderliche Körperverdrehungen an den,Tag zu legen; Zauberer eilten unter den gereizten Gruppen bin und her, ihre Wuth zu hellen Flammen anschürend, und einige Fanatiker versuchten, die Insel schwimmend zu erreichen, wurden jedoch zurückgeworfen.

Alsdann begannen die Zaubersprüche und Beschwörungsformeln; die Regenmacher, welche vermeinen, den Wolken gebieten zu können, riefen die Orkane und ›Platzregen von Steinen‹ zu ihrer Hilfe herbei. Dazu pflückten sie Blätter von allen verschiedenen Bäumen des Landes ab, und ließen sie bei gelindem Feuer aufkochen, während man einen Hammel schlachtete, indem man ihm eine lange Nadel ins Herz bohrte. Aber trotz ihrer Ceremonien blieb der Himmel klar, und sie hatten ihren Hammel, umsonst geschlachtet und ihre Faxen vergebens gemacht.

Die Neger ergingen sich nun in rasenden Orgien, indem sie sich in ›Tembo‹, einem dem Kokosnußbaum extiahirten Liqueur, und in einem außerordentlich zu Kopfe steigenden Bier, ›Togwa‹ genannt, berauschten. Ihre Gesänge ohne eigentliche Melodie, aber in sehr genauem Tact vorgetragen, folgten einander bis tief in die Nacht hinein.

Gegen sechs Uhr Abends vereinigte ein letztes Mahl die Reisenden am Tische des Commandanten und seiner Officiere. Kennedy, den Niemand mehr befragte, flüsterte ganz leise unverständliche Worte vor sich hin; er ließ den Doctor Fergusson nicht aus den Augen.

Bei dieser Mahlzeit ging es übrigens recht traurig her. Das Herannahen des erhabenen Augenblicks flößte Allen quälende Erwägungen und beunruhigende Gedanken ein. Was behielt das Geschick den kühnen Reisenden noch vor? Würden sie sich je inmitten ihrer Freunde am häuslichen Heerde wiederfinden? Wenn die Beförderungsmittel sie im Stiche ließen, was sollte unter den wilden Völkerstämmen, in jenen unerforschten Gegenden, vielleicht tief in unermeßlichen Wüsten aus ihnen werden?

Diese, bis dahin nur zeitweilig auftretenden Gedanken, die man immer bald wieder zurückgedrängt hatte, ließen sich jetzt aus der so heiß erregten Phantasie nicht mehr verscheuchen. Doctor Fergusson, immer kühl und ruhig, sprach von Diesem und Jenem; aber er versuchte vergebens, die Traurigkeit, welche sich Aller bemächtigt hatte, zu zerstreuen.

Da man ein feindliches Auftreten gegen die Person des Doctors und seiner Begleiter besorgte, schliefen sie alle drei an Bord des Resolute; um sechs Uhr Morgens aber verließen sie ihre Kajüte und begaben sich nach der Insel Kumbeni.

Der Ballon wiegte sich leicht im Hauch des Ostwindes. Die Erdsäcke, welche ihn hielten, waren durch zwanzig Matrosen ersetzt worden. Der Commandant Pennet und seine Officiere wohnten dieser feierlichen Abfahrt bei. In diesem Augenblick ging Kennedy plötzlich auf den Doctor zu, faßte ihn bei der Hand und sagte:

»Es ist also entschieden, Samuel, daß Du abfährst?«

»Ganz entschieden, mein lieber Dick.«

»Ich habe doch Alles, was in meinen Kräften stand, gethan, um diese Reise zu hindern?«

»Das bezeuge ich Dir.«

»Dann kann ich mein Gewissen in Bezug auf diesen Punkt beruhigen, und – ich begleite Dich.«

»Ich habe mich darauf verlassen,« antwortete der Doctor, und man konnte in seinen Gesichtszügen eine gewisse Rührung lesen.

Der Augenblick des Abschieds kam heran. Der Commandant und seine Officiere umarmten tief bewegt ihre unerschrockenen Freunde, ohne den würdigen, stolzen, hocherfreuten Joe auszuschließen; und Jeder der Anwesenden wollte dem Doctor noch seinerseits kräftig die Hand drücken.

Um neun Uhr nahmen die drei Reisegefährten in der Gondel Platz; der Doctor zündete sein Knallgasgebläse an und belebte die Flamme, um eine rasche Hitze hervorzubringen, worauf der Ballon, welcher sich auf der Erde in vollkommenem Gleichgewicht gehalten hatte, nach Verlauf einiger Minuten anfing, sich zu heben. Die Matrosen mußten etwas von den ihn zurückhaltenden Stricken ablassen, und die Gondel erhob sich um etwa zwanzig Fuß. Der Doctor stand zwischen seinen beiden Begleitern, nahm den Hut ab und rief:

»Meine Freunde, geben wir unserm luftigen Schiff einen Namen, der ihm Glück bringe! es heiße › der Victoria‹!«

Ein lautschallendes Hurrah erklang:

»Es lebe die Königin! es lebe England!«

In diesem Augenblick wuchs die emportreibende Kraft des Ballons außerordentlich. Fergusson, Kennedy und Joe winkten ihren Freunden ein letztes Lebewohl zu.

»Laßt Alles los!« rief der Doctor. Und der der Victoria erhob sich rasch in die Lüfte, während ihm zu Ehren die vier Karronaden des Resolutegelöst wurden.

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