Frei Lesen: Fünf Wochen im Ballon

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Jules Verne

Fünf Wochen im Ballon

Sechsunddreißigstes Capitel

eingestellt: 15.8.2007



Seitdem Kennedy den Beobachtungsposten in der Gondel eingenommen hatte, spähte er unablässig und mit gespanntester Aufmerksamkeit am Horizonte umher.

Nach einiger Zeit wandte er sich zum Doctor:

»Wenn ich mich nicht täusche, sehe ich dort einen Trupp Menschen oder Thiere, der sich vorwärts bewegt; und zwar geschieht dies mit außerordentlicher Kraft, denn es werden enorme Staubmassen dabei aufgewirbelt.«

»Sollte es nicht ein widriger Wind sein, eine Windsbraut, die uns wieder nach Norden verschlagen will?«

Mit diesen Worten stand Fergusson auf, um selber den Horizont zu prüfen.

»Das glaube ich nicht, Samuel,« erwiderte Kennedy; »es ist eine Herde wilder Rinder oder Gazellen.«

»Möglich, Dick; aber vorläufig ist sie noch neun oder zehn Meilen von uns entfernt, und was mich betrifft, so kann ich selbst mit dem Fernglase noch nichts Bestimmtes erkennen.«

»Jedenfalls werde ich den Punkt nicht aus den Augen verlieren; es muß etwas Außerordentliches sein und reizt mich ganz besonders. Zuweilen würde man es für ein Kavalleriemanöver halten können; ich täusche mich auch nicht, es sind Reiter! sieh doch!«

Der Doctor fixirte aufmerksam die erwähnte Gruppe.

»Ich glaube wirklich, Du hast Recht, Dick; es ist eine Abtheilung Araber oder Tibbus. Sie entfliehen in derselben Richtung wie wir, aber wir bewegen uns schneller vorwärts und holen sie bald ein. In einer halben Stunde werden wir im Stande sein, zu sehen und nach der Sachlage zu handeln.«

Kennedy hatte wieder zum Fernglase gegriffen und bemühte sich, Genaueres zu erkennen. Die Reitermasse wurde deutlicher sichtbar, ja man konnte unterscheiden, daß ein kleiner Theil derselben sich absonderte.

»Augenscheinlich ist es ein Manöver oder eine Jagd, versetzte Kennedy. Die Leute scheinen irgend etwas zu verfolgen. Ich möchte wohl über ihr Vorhaben ins Klare kommen.

– Geduld, Dick, in kurzer Zeit werden mir die Reiter einholen und, wenn sie dieselbe Richtung beibehalten, sogar über sie hinauskommen. Wir machen jetzt zwanzig Meilen in der Stunde, und das kann kein Pferd leisten.«

Nach einigen Minuten scharfer Beobachtung hub Kennedy von Neuem an:

»Es sind etwa fünfzig Araber im schnellsten Ritt; ich kann sie jetzt deutlich unterscheiden; ihre Burnusse schwellen im Winde; es ist eine Reiterübung; jetzt ist ihr Anführer etwa hundert Schritte voraus, und Alle stürzen hinter ihm her.

– Mögen sie sein, wer sie wollen. Dick, wir haben sie nicht zu fürchten, und im Nothfall werde ich steigen.

– Warte noch, Samuel, warte!

– Sonderbar! fügte er nach einer Weile hinzu; diese Araber haben mehr das Ansehen, als ob sie auf der Verfolgung wären, wenn ich nämlich nach ihren Anstrengungen und der Unregelmäßigkeit ihrer Linie urtheilen darf.

– Bist Du dessen ganz sicher?

– Es ist offenbar so, ich täusche mich nicht; sie machen Jagd, und zwar Jagd auf einen Menschen. Der Eine, von dem ich sagte, daß er hundert Schritt voraus wäre, ist nicht ihr Führer, sondern ein Flüchtling.

– Ein Flüchtling! sagte Samuel bewegt. Wir wollen ihn nicht aus dem Gesicht verlieren, aber vorläufig noch warten.«

In nicht gar langer Zeit hatte man den Reitern, die mit der äußersten Geschwindigkeit dahinschossen, drei bis vier Meilen abgewonnen.

»Samuel! Samuel! rief Kennedy mit bebender Stimme.

– Was hast Du, Dick?

– Ist es eine Sinnestäuschung? wäre es möglich?

– Nun?

– Er ists, Samuel, er ists!

– Er!« rief nun auch Fergusson.

Er! Das sagte Alles; man brauchte keinen Namen zu nennen!

»Er ist zu Pferde, kaum hundert Schritt vor seinen Verfolgern voraus! er flieht!

– Wirklich, es ist Joe! sagte der Doctor erbleichend.

– Er kann uns auf seiner Flucht nicht bemerken!

– Bald wird er uns sehen, versetzte Fergusson und mäßigte die Flamme in seinem Knallgasgebläse.

– Wodurch willst Du das erreichen?

– In fünf Minuten sind mir fünfzig Fuß vom Boden, und in fünfzehn Minuten dicht über ihm.

– Wir wollen ihn durch einen Flintenschuß aufmerksam machen.

– Nein, das geht nicht, denn er kann nicht umkehren. Er ist abgeschnitten.

– Was sollen mir thun?

– Warten.

– Warten, wenn diese Araber ihm auf den Fersen sind?

– Wir holen sie ein und gehen über sie hinaus!

Jetzt sind wir nicht mehr zwei Meilen von ihm entfernt, und wenn nur Joes Pferd noch aushält ...

– Großer Gott! schrie Kennedy.

– Was giebts?«

Kennedy hatte einen Schrei des Schreckens ausgestoßen, als er sah, wie Joe zur Erde stürzte; sein Pferd, das augenscheinlich ermattet und vollkommen erschöpft war, lag auf dem Boden.

»Er hat uns gesehen! rief der Doctor frohlockend; als er soeben wiederaufstand, gab er uns ein Zeichen!

– Aber die Araber werden ihn einholen! weshalb wartet er? Ach, der muthige Bursche! Hurrah!« jubelte der Jäger, der seine Freude nicht mehr beherrschen konnte.

Joe war sofort nach seinem Sturze wieder aufgesprungen, und als gleich darauf der schnellste von den Reitern ihn erreicht hatte, ging er ihm durch einen Seitensprung aus dem Wege, fuhr dann wie ein Panther auf den Araber los, packte ihn an der Gurgel, erwürgte ihn mit eigener Hand, und setzte, nachdem er den Leichnam auf den Sand niedergestoßen, seine Flucht fort.

Ein Wuthgeschrei der Araber drang durch die Lüfte.

Aber da sie ganz und gar mit ihrer Verfolgung beschäftigt waren, hatten sie den Victoria noch nicht bemerkt, obgleich derselbe nur fünfhundert Schritt hinter ihnen und kaum dreißig Fuß vom Boden entfernt war. Sie selber waren jetzt dem Flüchtling bis auf etwa zwanzig Pferdelängen nachgekommen.

Einer der Verfolger näherte sich Joe immer mehr und wollte ihn gerade mit einer Lanze durchbohren, als Kennedy Jenem sichern Auges und mit fester Hand ein schnelles Halt durch eine Kugel gebot, welche ihn todt zu Boden streckte.

Joe wandte sich bei dem Knall nicht einmal um. Ein Theil der Truppe zögerte in ihrem Lauf, und Einige fielen beim Anblick des Victoria mit dem Gesicht in den Staub, aber die Andern setzten ihre Verfolgung fort.

»Was in aller Welt macht denn Joe? rief Kennedy. Er bleibt nicht stehen!

– Joe benimmt sich ganz vorzüglich, Dick, ich habe ihn errathen; er hält sich in der Richtung des Luftschiffes und rechnet auf unser Verständniß. Ah, der wackere Junge! wir werden ihn diesen Arabern vor der Nase entführen! Jetzt ist er nur noch zweihundert Schritte von uns entfernt.

– Was soll ich thun? fragte Kennedy.

– Vor allen Dingen Deine Flinte bei Seite lassen.

– Gut! ... Kennedy legte seine Waffe ab.

– Kannst Du hundertundfünfzig Pfund Ballast in Deinen Armen halten?

– Noch mehr.

– Nein, das wird genügen.«

Und der Doctor thürmte auf Kennedys Armen Sandsacke auf.

»Halte Dich im Hintergründe der Gondel und sei bereit, diesen Ballast mit einem einzigen Wurf hinauszuschleudern. Aber bei Deinen Leben! thu es nicht vor meinem Befehl.

– Sei ruhig.

– Im andern Fall würden mir Joe missen, und er wäre verloren!

– Verlaß Dich auf mich!«

Der Victoria schwebte nun beinahe über der Reitertruppe, die mit verhängtem Zügel hinter Joe herflog. Der Doctor stand am vordern Gondelrand und hielt die aufgewickelte Leiter in seiner Hand, um sie im geeigneten Augenblick herabzulassen. Joe hatte sich vor seinen Feinden noch einen Vorsprung von fünfzig Fuß bewahrt. Der Victoria flog über diesen Raum hinweg.

»Achtung, Kennedy!

– Ich bin bereit!

– Joe, paß auf!« schrie der Doctor mit lautschallender Stimme, indem er ihm die Leiter zuwarf, deren erste Sprossen den Staub des Bodens berührten.

Bei dem Ruf des Doctors hatte sich Joe, ohne sein Pferd anzuhalten, umgewandt, die Leiter kam in seine Nähe, er umklammerte sie, und in demselben Augenblick rief der Doctor Kennedy zu:

»Jetzt!

– Es ist geschehen!«

Und der Victoria, um eine Last, die schwerer als Joe wog, erleichtert, stieg hundertundfünfzig Fuß hoch in die Lüfte.

Joe hielt sich, während die Leiter in großen Schwingungen umherschwebte, krampfhaft an derselben fest, dann machte er den Arabern eine unbeschreibliche Geberde und kletterte mit der Behendigkeit eines Clown zu seinen Gefährten hinauf, die ihn mit offenen Armen empfingen.

Die Araber hatten einen Schrei der Überraschung und der Wuth ausgestoßen, als ihnen der Flüchtling so im Fluge entführt worden war, und der Victoria sich so schnell entfernt hatte.

Als Joe in der Gondel anlangte, stieß er nur die Worte:

»Herr Doctor! Herr Dick!« hervor und fiel dann, der ungeheuren Anstrengung und Ermüdung erliegend, in eine tiefe Ohnmacht, während Kennedy, fast wahnsinnig vor Freude, ausrief:

»Gerettet! gerettet!

– Wir haben ihn wieder!« sprach der Doctor, der seine gleichmäßig ruhige Stimmung zurückgewonnen hatte.

Joe war fast völlig nackt, und dies, wie seine blutenden Arme und sein überall verletzter Körper, erzählten genugsam von den Leiden, die er ertragen. Der Doctor verband die Wunden und bettete ihn sorgsam unter dem Zelte.

Bald jedoch hatte sich Joe von seiner Ohnmacht erholt und verlangte ein Glas Branntwein, das ihm Fergusson gern zugestand, da er glaubte, daß man Joe nicht wie andere Leute zu behandeln brauche. Nachdem der brave Bursche getrunken hatte, drückte er dem Doctor und Kennedy die Hand und erklärte sich bereit, seine Erlebnisse zu erzählen.

Aber Fergusson gestattete ihm noch nicht, zu sprechen, und so fiel er bald abermals zurück, um in einen tiefen Schlaf zu versinken, dessen er sehr zu bedürfen schien.

Der Victoria schlug nun eine schräge Richtung nach Westen ein. Unter dem Wehen eines starken Windes sah er nochmals den Saum der dornigen Wüste, über Palmen hinweg, die vom Winde gebeugt oder entwurzelt wurden; und nachdem man seit Joes Entführung eine Reise von beinahe zweihundert Meilen zurückgelegt hatte, überschritt der Victoria gegen Abend den zehnten Längegrad.

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