Frei Lesen: Fünf Wochen im Ballon

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Jules Verne

Fünf Wochen im Ballon

Einundvierzigstes Capitel

eingestellt: 15.8.2007



Am 27. Mai gegen neun Uhr Morgens gewährte das Land einen neuen Anblick. Die weitausgedehnten Abhänge verwandelten sich in Hügel, die auf die Nähe von Gebirgen schließen ließen. Doctor Fergusson wußte bereits davon durch die Erzählungen seiner Vorgänger. Dieselben hatten mitten unter den Negern und Barbaren dieser Gegenden tausend Entbehrungen gelitten und entsetzliche Gefahren bestanden; das verhängnißvolle Klima raffte den größten Theil der Begleiter Mungo-Parks dahin. Fergusson war also fest entschlossen, seinen Fuß nicht auf diesen ungastlichen Boden zu setzen.

Aber er hatte keinen Augenblick Ruhe; der Victoria fiel merklich; man mußte noch immer mehr entbehrliche Gegenstände auswerfen, und besonders war dies nothwendig, wenn ein Bergrücken überstiegen werden sollte. Während mehr als hundertundzwanzig Meilen mußte man beständig steigen und fallen, und wurde dessen herzlich müde. Der Ballon, ein zweiter Sisyphusfelsen, fiel beständig wieder; die Form des wenig aufgeblähten Luftschiffes wurde bereits schmaler; es zog sich in die Länge, und der Wind höhlte tiefe Taschen in seine schlaffe Hülle.

Kennedy hatte diese Erscheinungen längere Zeit beobachtet und wandte sich jetzt besorgt an den Doctor:

»Hat der Ballon etwa einen Riß?« fragte er.

»Nein«, antwortete Fergusson, »aber das Guttapercha hat sich augenscheinlich durch die Wärme erweicht oder ist geschmolzen. Das Wasserstoffgas entweicht jetzt durch den Taffet.«

»Läßt sich nichts dagegen thun?«

»Nicht das Geringste; die Gondel zu erleichtern ist das einzige Mittel; werfen wir Alles fort, was sich werfen läßt.«

»Aber was denn?« fragte Kennedy, indem er einen Blick auf den schon sehr geleerten Raum warf.

»Entledigen wir uns des Zeltes; sein Gewicht ist ziemlich beträchtlich.«

Joe, an den dieser Befehl gerichtet war, stieg über den Kreis, der die Stricke des Netzes zusammenhielt; von da aus gelang es ihm leicht, die dichten Vorhänge des Zeltes abzulösen, und nun ließ er sie hinunterfallen.

»Das wird einen ganzen Negerstamm glücklich machen, sagte er; damit können sich ungefähr tausend Eingeborene kleiden; sie gehen mit dem Stoff sehr sparsam um.«

Der Ballon hatte sich etwas gehoben, aber bald sah man deutlich, daß er wieder sank.

»Es wird uns nichts übrig bleiben, als auszusteigen, sprach Kennedy; laß uns doch sehen, ob sich noch etwas mit dieser Hülle machen läßt.«

»Ich wiederhole Dir, Dick, wir können nichts daran ändern.«

»Was sollen wir dann beginnen?«

»Wir opfern Alles, was nicht unumgänglich nothwendig ist; ich will um jeden Preis einen Halt unter diesen Breiten vermeiden; die Wälder, über deren Wipfel wir in diesem Augenblicke hinstreifen, sind nichts weniger als sicher.«

»Wie! Löwen? Hyänen?« rief Joe verächtlich.

»Gefährlicheres als das, mein Junge; Menschen, und zwar die grausamsten, die es in Afrika giebt.«

»Woher weiß man das?«

»Von den Reisenden, die vor uns hier waren; sodann haben die Franzosen, welche die Kolonie des Senegal bewohnen, notgedrungen Beziehungen mit den umgebenden Völkerschaften anknüpfen müssen; unter der Statthalterschaft des Obersten Faidherbe find Recognoscirungen weit in das Land hinein vorgenommen; Offiziere wie die Herren Pascal, Vincent, Lambert haben werthvolle Notizen über ihre Expeditionen heimgebracht; sie durchforschten jene, von der Biegung des Senegal gebildeten Landstriche, in denen Krieg und Plünderung nur noch Ruinen zurückgelassen haben.«

»Was ist denn hier vorgegangen?«

»So hört; im Jahre 1854 rief ein Marabut aus dem Futa des Senegal, Al-Hadschi, der sich wie Mahomed göttlicher Eingebungen rühmte, alle Stämme zum Kriege gegen die Ungläubigen, d. h. die Europäer, auf. Er trug Zerstörung und Verwüstung zwischen den Senegal und seinen Nebenfluß Faleme. Drei von ihm geführte, fanatische Horden durchstreiften das Land sengend und mordend, und schonten weder Dörfer noch Hütten. Er selbst rückte im Nigerthale bis zur Stadt Sego vor, welche lange bedroht wurde. Im Jahre 1857 ging er weiter nach Norden, und belagerte das Fort Medine, das die Franzosen an den Ufern des Flusses erbaut hatten; diese Niederlassung wurde von einem Helden, Paul Holl, vertheidigt, der mehrere Monate hindurch ohne Nahrungsmittel, fast ohne Munition so lange Stand hielt, bis Oberst Faidherbe ihn entsetzte. Al-Hadschi und seine Banden gingen dann wieder über den Senegal und fuhren in Kaarta mit ihren Metzeleien und Raubanfällen fort. Dies gerade sind die Landstriche, in die er sich mit seinen Banditenhorden geflüchtet hat, und ich versichere euch, es wäre kein Vergnügen, ihm in die Hände zu fallen.«

»Das werden wir nicht«, sagte Joe; »und müßten mir unsere Stiefel opfern, um den Victoria zu heben.«

»Wir sind nicht weit von dem Flusse entfernt, begann der Doctor wieder; aber ich sehe vorher, daß der Ballon uns nicht über ihn forttragen wird.

»Wären mir nur erst am Ufer«, meinte der Jäger; »dann würde sich das Weitere schon finden.«

»Wir wollen versuchen, bis dorthin zu kommen; nur ein Umstand beunruhigt mich einigermaßen.«

»Nun?«

»Wir haben noch Berge zu übersteigen, und das wird seine Schwierigkeiten haben, da die emportreibende Kraft des Luftschiffes nicht vermehrt werden kann, auch wenn ich die größtmögliche Wärme erzeuge.«

»Laß uns warten«, erwiderte, Kennedy, »wir werden dann sehen.«

»Der arme Victoria!« klagte Joe; »ich habe ihn lieb gewonnen, wie der Seemann sein Schiff, und es wird mir schwer werden, mich von ihm zu trennen! Er ist freilich nicht mehr so schön wie bei der Abreise, aber man darf ihm nichts Böses nachsagen! Er hat uns vorzügliche Dienste geleistet, und es wird mir sehr nahe gehen, ihn im Stich zu lassen.«

»Sei unbesorgt, Joe; wenn wir ihn aufgeben, thun wir es nothgedrungen; er wird uns noch so lange tragen, bis seine Kraft gänzlich zu Ende ist. Ich verlange seine Dienste nur noch für vierundzwanzig Stunden.«

»Er wird matt«, sagte Joe bedauernd, indem er ihn betrachtete; »er magert ab; sein Leben schwindet; der arme Ballon!«

»Wenn ich mich nicht irre, so zeigen sich jetzt jene Berge, von denen Du sprachst, am Horizont, Samuel.«

Der Doctor sah durch sein Fernglas.

»Sie sind es allerdings«, bestätigte er; »ihre Höhe scheint mir sehr bedeutend, es wird uns schwer werden, sie zu übersteigen.«

»Könnte man sie nicht umsegeln?«

»Ich glaube nicht, Dick; sieh doch, was für einen weiten Raum sie einnehmen; sie füllen fast die Hälfte des Horizonts aus!

– Es hat sogar den Anschein, als ob sie sich um uns verengten, berichtete Joe; sie nähern sich von rechts und links.

– Wir müssen durchaus über sie hinweg.«

Die gefährlichen Hindernisse näherten sich mit großer Geschwindigkeit, oder, um sich richtiger auszudrücken: der Wind trieb den Victoria mit außerordentlicher Heftigkeit auf spitzige Felsen zu; er mußte sich um jeden Preis darüber erheben, wenn er nicht daran zerschellen wollte.

»Wir wollen unsere Wasserkiste leeren, ordnete Fergusson an, und uns nur Vorrath für einen Tag reserviren.

– Es ist besorgt, meldete Joe.

– Steigt der Ballon? fragte Kennedy.

– Nur um etwa fünfzig Fuß, erklang die wenig tröstliche Antwort des Doctors, der das Barometer nicht aus den Augen ließ; aber das ist nicht genügend.«

Die schroffen Berggipfel kamen jetzt dergestalt auf die Reisenden zu, daß es schien, als wollten sie auf den Ballon losstürzen, dieser hätte sich noch mehr als fünfhundert Fuß erheben müssen, um darüber hinmegschweben zu können.

Der Wasservorrath des Knallgasgebläses wurde nun gleichfalls herausgeworfen; man behielt nur wenige Pinten zurück. Aber auch dies brachte noch keine Hilfe.

»Und doch müssen wir auf jeden Fall hinüber! erklärte der Doctor.

– Laß uns auch die leeren Kisten hinausschleudern, schlug Kennedy vor.

– Werft sie fort!

»Ach«, sagte Joe, »wie traurig ist es, wenn man so Stück für Stück dahingehen sieht.«

»Was Dich betrifft, Joe, so denke nicht wieder daran, Dich wie neulich aufopfern zu wollen; was auch kommen möge, schwöre mir, daß Du uns nicht verlassen willst.«

»Haben Sie keine Sorge, Herr Doctor, wir werden uns nicht trennen.«

Der Victoria hatte jetzt etwa zwanzig Toisen an Höhe gewonnen, aber der Kamm des Berges ragte immer noch weit über ihn hinaus. Ein ziemlich gerader Bergrücken bildete den Abschluß einer zackigen, zerklüfteten Mauer, und dieser stieg noch mehr als zweihundert Fuß über den Reisenden empor.

»In zehn Minuten wird unsere Gondel an den Felsen zerschellt sein, wenn es uns nicht gelingt, sie darüber hinweg zu schaffen«, sprach der Doctor vor sich hin.

»Nun, Herr Samuel?« fragte Joe

»Hebe nur unsern Pemmican-Vorrath auf, und wirf all das schwere Fleisch hinunter.«

Der Ballon wurde abermals um etwa fünfzig Pfund entlastet; er hob sich merklich, aber was half das, wenn er den Kamm der Berge nicht überstieg? Die Situation war schrecklich. Der Victoria eilte mit großer Geschwindigkeit; man merkte, daß er bei einem Zusammenstoß in Stücke fliegen würde.

Der Doctor blickte sich in der Gondel um – sie war fast leer.

»Wenn es sein muß, wirst Du Deine Waffen opfern, Dick.«

»Meine Waffen opfern?« rief der Jäger bewegt.

»Wenn ich Dich darum bitte, so ist es nothwendig.

– Samuel! Samuel!

– Deine Waffen, Deine Blei- und Pulvervorräthe können uns das Leben kosten!

– Wir kommen näher, immer naher!« schrie Joe. Noch um zehn Toisen ging der Berg über den Victoria hinaus! Joe nahm die Decken und warf sie hinab; auch schleuderte er, ohne Kennedy etwas davon zu sagen, mehrere Säcke mit Kugeln und Blei hinunter.

Der Ballon stieg wieder; er überschritt die gefährliche Klippe, und sein oberer Pol wurde von den Strahlen der Sonne beleuchtet. Aber die Gondel befand sich noch unter den Felsblöcken, an denen sie unvermeidlich zerschmettern mußte.

»Kennedy! Kennedy! rief der Doctor; wirf Deine Waffen fort, oder wir sind verloren.

– Warten Sie, Herr Dick, warten Sie!« sagte Joe. Und Kennedy, der sich nach ihm umwandte, sah ihn außerhalb der Gondel verschwinden.

»Joe! Joe! schrie er.

– Der Unglückliche!« sprach der Doctor.

Der Kamm des Berges mochte an dieser Stelle etwa zwanzig Fuß breit sein, und auf der andern Seite zeigte der Abhang eine geringere Abschüssigkeit. Die Gondel kam gerade auf das Niveau dieses ziemlich gleichmäßigen Plateaus zu, und glitt über einen, mit spitzigen Kieseln besäeten Boden hinweg.

»Wir segeln darüber hin! wir sind glücklich hinüber!« rief jetzt eine Stimme, bei der Fergussons Herz frohlockte.

Der kühne Bursche hielt sich mit den Händen am untern Rande der Gondel fest; er lief zu Fuß auf dem Gebirgskamme hin, indem er so den Ballon um die Gesammtsumme seines Gewichts erleichterte: er mußte diesen sogar mit aller Kraft festhalten, denn derselbe strebte danach, ihm zu entweichen.

Als das Luftschiff am entgegengesetzten Abhang angekommen war, und ein tiefer Abgrund sich vor Joe öffnete, schwang sich dieser mit einer gewandten Bewegung empor, kletterte an den Stricken weiter und stieg wieder in die Gondel ein.

»Nichts leichter als das«, warf er hin.

»Mein braver Joe, mein Freund!« sprach der Doctor weich.

»O, was ich eben gethan habe, geschah nicht für Sie, Herr Doctor, sondern nur für Herrn Dicks Carabiner! Seit der Geschichte mit dem Araber war ich ihm das schuldig, und ich pflege meine Schulden zu bezahlen; jetzt sind wir quitt.« Mit diesen Worten reichte er dem Jäger seine Lieblingswaffe hin. »Es hätte mir zu weh gethan, mit anzusehen, wie Sie sich davon trennten.«

Kennedy drückte ihm warm die Hand, ohne ein Wort hervorbringen zu können.

Der Victoria brauchte jetzt nur immer zu fallen; das machte ihm keine Schwierigkeit; er war bald bis auf zweihundert Fuß vom Erdboden gesunken, und schwebte nun im Gleichgewicht. Das zerrissene Terrain bot zahlreiche Unebenheiten, denen man in der Nacht nicht gut aus dem Wege gehen konnte. Der Abend kam schnell heran, und trotz seines Widerstrebens mußte der Doctor sich entschließen, bis zum andern Tage Halt zu machen.

»Wir wollen eine günstige Stelle als Obdach für die Nacht suchen«, hub er an.

»Ah!« versetzte Kennedy, »Du willst also endlich?«

»Ja, ich habe lange über einen Plan nachgesonnen, den ich jetzt zur Ausführung bringen werde Es ist eben erst sechs Uhr, wir haben also noch genügend Zeit. Joe, wirf die Anker aus.

Joe gehorchte, und bald hingen die beiden Anker unter der Gondel.

»Ich bemerke große Wälder«, fügte der Doctor hinzu; »wir werden über die Wipfel hinsegeln und den Ballon an irgend einen Baum haken. Um Alles in der Welt möchte ich die Nacht nicht auf dem Boden zubringen.«

»Werden wir aussteigen können?« fragte Kennedy.

»Wozu sollte das nützen? ich wiederhole Euch, daß es gefährlich sein würde, wenn wir uns trennten. Außerdem beanspruche ich Eure Hilfe für eine schwierige Arbeit.«

Der Victoria, der über unendlichen Wäldern dahinstreifte, hielt mit einem plötzlichen Ruck an; die Anker hatten gefaßt. Mit Anbruch der Dunkelheit legte sich der Wind, und der Ballon schwebte fast unbeweglich über dem großen grünen Felde, das von den Wipfeln eines Sykomorenwaldes gebildet wurde.

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Zweiundvierzigstes Capitel >



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