Frei Lesen: Reise um die Erde in 80 Tagen

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

Erstes Capitel. | Zweites Capitel. | Drittes Capitel. | Viertes Capitel. | Fünftes Capitel. | Sechstes Capitel. | Siebentes Kapitel. | Achtes Capitel. | Neuntes Capitel. | Zehntes Capitel. | Elftes Capitel. | Zwölftes Capitel. | Dreizehntes Capitel. | Vierzehntes Capitel. | Fünfzehntes Capitel. | Sechzehntes Capitel. | Siebenzehntes Capitel. | Achtzehntes Capitel. | Neunzehntes Capitel. | Zwanzigstes Capitel. | Einundzwanzigstes Capitel. | Zweiundzwanzigstes Capitel. | Dreiundzwanzigstes Kapitel. | Vierundzwanzigstes Capitel. | Fünfundzwanzigstes Capitel. | Sechsundzwanzigstes Capitel. | Siebenundzwanzigstes Capitel. | Achtundzwanzigstes Capitel. | Neunundzwanzigstes Capitel. | Dreißigstes Capitel. | Einunddreißigstes Capitel. | Zweiunddreißigstes Capitel. | Dreiunddreißigstes Capitel. | Vierunddreißigstes Capitel. | Fünfunddreißigstes Capitel. | Sechsunddreißigstes Capitel. | Siebenunddreißigstes Capitel. |

Weitere Werke von Jules Verne

Fünf Wochen im Ballon | Der Archipel in Flammen | Das Dampfhaus - 2.Band | Die fünfhundert Millionen der Begum | Der Chancellor |

Alle Werke von Jules Verne
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Reise um die Erde in 80 Tagen) ausdrucken 'Reise um die Erde in 80 Tagen' als PDF herunterladen

Jules Verne

Reise um die Erde in 80 Tagen

Vierzehntes Capitel.

eingestellt: 5.7.2007



Der kühne Raub war gelungen. Nach einer Stunde noch lachte Passepartout über den glücklichen Erfolg. Sir Francis Cromarty drückte dem unerschrockenen Burschen die Hand, und sein Herr sprach zu ihm: »Brav«, was in dem Munde dieses Gentleman einen hohen Grad von Befriedigung bedeutete. Passepartout erwiderte darauf nur, die ganze Ehre dabei gehöre seinem Herrn. Er habe dabei nur eine »drollige« Idee gehabt, und er lache noch bei dem Gedanken, daß er, Passepartout, vormals Gymnast und Exsergeant der Pompiers, einige Augenblicke der Witwer einer reizenden Frau, ein alter einbalsamirter Rajah gewesen sei!

Die junge Indierin war bei dem Vorfall ohne Bewußtsein. In Reisedecken eingewickelt lag sie auf einem der Tragkörbe.

Inzwischen lief der Elephant, von dem Parsen mit größter Sicherheit geleitet, rasch durch den noch dunkeln Wald. Eine Stunde, nachdem er die Pagode von Pillaji verlassen hatte, rannte er über eine ungeheure Ebene. Um sieben Uhr machte man halt. Die junge Frau lag fortwährend in vollständiger Erschöpfung. Der Führer flößte ihr einige Schluck Wasser mit Branntwein ein; aber der betäubende Einfluß, der sie überwältigte, sollte noch einige Zeit dauern.

Sir Francis Cromarty, dem die durch Einhauchen von Hanfdünsten hervorgebrachte Berauschung in ihren Folgen bekannt war, zeigte ihrethalben keine Unruhe.

Aber flößte auch die Wiederherstellung der jungen Indienn dem Brigadegeneral keine Besorgnis ein, so war er doch in Betreff ihrer Zukunft nicht eben so beruhigt. Er sagte zu Phileas Fogg unumwunden, daß Mrs. Aouda, wenn sie in Indien bliebe, unvermeidlich ihren Henkern wieder in die Hände fallen werde. Diese Besessenen, welche auf der ganzen Halbinsel verbreitet seien, würden trotz der englischen Polizei ihr Opfer sicherlich wieder in ihre Hände zu bringen wissen, seis zu Madras, Bombay oder Calcutta. Und Sir Francis Cromarty führte eine Thatsache gleicher Art, die kürzlich vorgekommen, zum Belege seiner Behauptung an. Seiner Ansicht nach könne die junge Frau nur dann wirklich sicher sein, wenn sie Indien ganz verlasse.

Phileas Fogg sagte, er wolle sich dies merken und Vorsorge treffen.

Gegen zehn Uhr meldete der Führer die Station Allahabad, wo die unterbrochene Eisenbahn wieder anfing. Von hier aus gelangte man in weniger als einem Tag und einer Nacht nach Calcutta.

Phileas Fogg mußte also noch zeitig für das Packetboot ankommen, welches nur am folgenden Tage, den 25. October, um zwölf Uhr, nach Hongkong abfuhr.

Die junge Frau wurde in einem Zimmer des Bahnhofs niedergelegt. Passepartout erhielt Auftrag, einige Toilettengegenstände, Kleid, Shawl, Pelzwerk ec., was er vorräthig fände, für sie zu kaufen, und bekam dafür unbegrenzten Credit.

Derselbe ging augenblicklich aus, und eilte durch die Straßen der Stadt. Allahabad, d. h. die Stadt Gottes, ist eine der am meisten verehrten Orte Indiens, weil sie am Zusammenfluß der beiden heiligen Flüsse, des Ganges und des Dschumna, liegt, zu deren Wasser man aus der ganzen Halbinsel her wallfahrtet. Es ist übrigens bekannt, daß den Legenden des Ramayana zufolge der Ganges aus dem Himmel entspringt, woher er durch Brahmas Gnade auf die Erde herabsteigt.

Passepartout besah sich, während er die Einkäufe besorgte, die Stadt, welche vormals durch ein prachtvolles Fort geschützt war, das nun Staatsgefängnis geworden ist. In der ehemals gewerbereichen Handelsstadt giebts keinen Handel und kein Gewerbe mehr. Passepartout suchte vergebens eine Modenwaarenhandlung, und fand die nothwendigen Gegenstände nur bei einem Trödler, einem alten Juden, mit dem schwer zu handeln war. So mußte er denn für ein Kleid von schottischem Stoff, einen weiten Mantel und einen prächtigen Otterpelz seine fünfundsiebenzig Pfund zahlen. Er zahlte sie gerne und kehrte triumphirend zum Bahnhofe zurück.

Mrs. Aouda kam allmälig wieder zu sich. Nach und nach schwand die von den Priestern zu Pillaji über sie verhängte Nacht, und ihre schönen Augen gewannen wieder all ihre indische Sanftmuth. Die Witwe des Rajah von Bundelkund war eine reizende Frau im vollen europäischen Sinne des Wortes. Sie sprach mit großer Reinheit englisch, und es war keine Übertreibung, was der Führer versichert hatte, daß nämlich die junge Parsin durch die Erziehung umgewandelt worden sei.

Indessen war der Zug im Begriff abzufahren, und Herr Fogg bezahlte dem harrenden Parsen seinen Lohn, und keinen Pfennig weiter. Darüber stutzte Passepartout ein wenig, denn er wußte, was sein Herr der Hingebung des Führers verdankte. Wirklich hatte der Parse ja zu Pillaji sein Leben freiwillig aufs Spiel gesetzt; und wenn die Hindu noch später seiner habhaft wurden, würde er schwerlich ihrer Rache entgehen.

Nun handelte sichs noch um Kiuni? Was war mit einem so theuren Thiere anzufangen?

Aber Phileas Fogg hatte schon seinen Entschluß gefaßt.

»Parse, sprach er zu dem Führer, Du bist mir zu Diensten und ergeben gewesen. Deine Dienstleistung hab ich bezahlt, nicht aber Deine Hingebung. Willst Du den Elephanten, so soll er Dir gehören.«

Wie glänzten des Führers Augen!

»Ew. Gnaden schenken mir ein Vermögen! rief er aus.

– Nimms nur, wackerer Führer, versetzte Herr Fogg, und ich bleibe doch noch Dein Schuldner.

– Das laß ich mir gefallen! rief Passepartout. Nimm nur, mein Freund! Kiuni ist ein braves und muthiges Thier!«

Darauf ging er hin zu dem Thiere und reichte ihm einige Stücke Zucker mit den Worten:

»Da nimm, Kiuni, nimm!«

Der Elephant gab mit einigem Brummen seine Befriedigung zu erkennen. Dann faßte er Passepartout beim Gürtel, umwickelte ihn mit seinem Rüssel und hob ihn zu seinem Kopfe empor. Passepartout erschrak nicht im mindesten, liebkoste das Thier, und wurde von ihm wieder sanft auf den Boden gesetzt. Ein tüchtiger Handschlag des braven Burschen erwiderte den Rüsselschlag des guten Thieres.

Eine kleine Weile nachher befanden sich Phileas Fogg, Sir Francis Cromarty und Passepartout in einem comfortablen Waggon, nebst Mrs. Aouda, die den besten Platz inne hatte; und so fuhren sie in größter Eile Benares zu.

Die achtzig Meilen bis dahin legten sie binnen zwei Stunden zurück.

Während dieser Fahrt kam die junge Frau wieder völlig zu sich; die Wirkung des einschläfernden Hang verschwand.

Wie war sie erstaunt, als sie sich auf der Eisenbahn in diesem Waggon, in europäischer Kleidung mitten unter Reisenden fand, die ihr völlig unbekannt waren!

Anfangs wurde sie von ihren Reisegefährten gepflegt, und mit einigen Tropfen Liqueur zum Leben zurückgeführt; dann erzählte ihr der Brigadegeneral, was vorgefallen war. Er hob die Hingebung Phileas Foggs hervor, der ohne Bedenken sein Leben an ihre Rettung gesetzt hatte, und die kühne Lösung des Abenteuers durch Passepartout.

Herr Fogg sprach kein Wort dazu. Passepartout sagte wiederholt mit Beschämung, »das sei nicht der Mühe werth!«

Mrs. Aouda dankte ihren Rettern mit innigster Rührung; mehr mit Thränen, als mit Worten, sprachen ihre schönen Augen die Dankbarkeit des Herzens aus. Dann, als ihre Gedanken sie zu dem Scheiterhaufen zurückführten, als sie das Hinduland schaute, wo sie noch von so vielen Gefahren bedroht war, überfiel sie ein Schauder des Schreckens.

Phileas Fogg verstand, was ihre Seele durchdrang, und machte ihr zur Beruhigung, obwohl sehr kühl, das Erbieten, sie nach Hongkong zu führen, wo sie bleiben könne, bis die Gefahr vorüber sei.

Mrs. Aouda nahm dankbar das Erbieten an. Es lebte zu Hongkong ein Verwandter von ihr, der auch Parse war, einer der ersten Kaufleute der Stadt, die, wenn schon an der chinesischen Küste, doch völlig englisch ist.

Um halb ein Uhr hielt der Zug auf der Station Benares.

Die brahmanischen Legenden behaupten, diese Stadt stehe an der Stelle des alten Casi, welches ehemals im Weltraume schwebte, zwischen dem Zenith und dem Nadir, wie das Grab Mahomets. Aber in der jetzigen Epoche der Wirklichkeit steht sie ganz prosaisch auf dem Erdboden, und Passepartout konnte einen Augenblick ihre Häuser von Ziegelsteinen, ihre Hütten aus Flechtwerk schauen, welche ihr ein ganz ödes Aussehen geben, ohne alle Localfarbe.

Hier mußte Sir Francis Cromarty aussteigen. Die Truppen, zu welchen er sich begab, lagerten einige Meilen nördlich von der Stadt. Der Brigadegeneral nahm also von Phileas Fogg Abschied, wünschte ihm allen möglichen Erfolg, und daß er ein andermal auf eine nicht so originale, aber nützlichere Art die Reise machen möge. Herr Fogg drückte seinem Gefährten ein wenig die Finger. Mrs. Aouda verabschiedete sich in mehr verbindlicher Weise mit der Versicherung, daß sie ewig gedenken werde, was sie Sir Francis Cromarty verdanke. Passepartout wurde von dem Brigadegeneral mit einem herzlichen Handschlage beehrt, und fragte ganz gerührt, wo und wann er ihm seine Ergebenheit beweisen könne. Hierauf trennte man sich.

Von Benares aus läuft die Eisenbahn noch eine Zeit lang im Gangesthal. Durch die Fenster des Waggon bei ziemlich hellem Wetter erblickte man die bunte Landschaft Behar, grün belaubte Berge, Gerste-, Mais- und Weizenfelder, Bäche und Sümpfe voll grünlicher Alligatoren, stattliche Dörfer, noch grünende Waldung.

Einige Elephanten und dickbuckelige Bison badeten sich in den Gewässern des heiligen Stromes, und auch trotz der schon vorgerückten Jahreszeit und bereits kalter Witterung Schaaren von Hindu beiderlei Geschlechts, welche frommer Weise heilige Waschungen vornahmen. Diese Gläubigen, erbitterte Feinde des Buddhismus, sind eifrige Anhänger der Brahmanen-Religion, welche sich in drei Personen verkörpert: Der Sonnengottheit Wishnu; der göttlichen Personification der Naturkräfte, Shiwa; und Brahma, dem obersten Herrn der Priester und Gesetzgeber. Aber mit welchem Auge sollten Brahma, Shiwa und Wishnu dieses nunmehr »britannisirte« Indien anschauen, wenn rauschend ein Dampfboot vorüber fuhr und die heiligen Gewässer des Ganges trübte, die Meerschwalben verscheuchend, welche über dem Spiegel des Stromes hinflogen, die an seinem Uferrand wimmelnden Schildkröten, und die längs seiner Gestade lagernden frommen Gläubigen!

Dieses ganze Panorama flog blitzschnell vorüber, und oft hinderten weiße Dampfwolken seine Details zu sehen. Die Reisenden vermochten kaum flüchtig in Augenschein zu nehmen das Fort Chunar, zwanzig Meilen südöstlich von Benares, vormals Festung der Rajahs von Behar, Ghazepur mit seinen bedeutenden Rosenwasserfabriken, das am linken Gangesufer errichtete Grabmal des Lord Cornwallis, die feste Stadt Buxar, die große Gewerbe- und Handelsstadt Patna, wo der Hauptmarkt des indischen Opiums sich befindet, Monghir, eine Stadt so englisch wie Manchester und Birmingham, berühmt durch seine Eisengießereien, Zeugschmiede- und Gewehrfabriken, deren Rauchfänge Brahmas Himmel mit schwarzem Rauch beschmutzten.

Hierauf trat Nacht ein, und der Zug flog mitten durch das Geheul der Tiger, Bären und Löwen, die vor der Locomotive flüchteten, mit größter Eile dahin, so daß man nicht mehr die Wunder Bengalens sehen konnte, Golkonda, Gour in Ruinen, die vormalige Hauptstadt Murshedabad, Burdwan, Hougly, Chandernagor, der einzige Punkt auf indischem Gebiete, welcher den Franzosen gehört, wo Passepartout gern mit Stolz das Banner seiner Heimat hatte wehen gesehen.

Endlich, um sieben Uhr früh, kam man zu Calcutta an. Das nach Hongkong fahrende Packetboot ging erst um zwölf Uhr ab, so daß Phileas Fogg noch fünf Stunden Zeit vor sich hatte.

Seinem Büchlein zufolge mußte der Gentleman dreiundzwanzig Tage nach der Abfahrt von London, am 25. October, in der Hauptstadt Indiens eintreffen, und er langte am bestimmten Tage an. Leider waren die zwischen London und Bombay gewonnenen zwei Tage bei der Fahrt durch die indische Halbinsel wieder verloren worden, wir wissen wie, – aber man darf annehmen, daß Phileas Fogg es nicht zu bedauern hatte.

< Dreizehntes Capitel.
Fünfzehntes Capitel. >



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.