Frei Lesen: Der Ochsenkrieg

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Ludwig Ganghofer

Der Ochsenkrieg

11

eingestellt: 2.7.2007





Unter den peitschenden Regengüssen und prasselnden Hagelschlägen des Gewitters, das über die bayrischen Lande niederging, jagte Lampert Someiner in klebenden Kleidern auf seinem erschöpften, triefenden Rappen der vieltürmigen Stadt entgegen, die wie ein grauer Schemen hinter den Schleiern des vom Himmel fallenden Wassers lag.



Irgendwo in diesem Grau, ganz nahe und dennoch unsichtbar, rauschte die hochgeschwollene Donau so stark, daß auch der rollende Donner dieses Rauschen nicht völlig übertönen konnte. So oft das blaue oder weißgrelle Leuchten eines Blitzes durch die Lüfte ging, verstärkte sich der in großen Tropfen niederklatschende Regen, oder es prasselte ein neuer Hagelschauer aus den Wolken herunter. Auf der Straße versanken die Hagelkörner in Morast und Pfützen, doch auf den Wiesen und über den zerschlagenen Getreidefeldern neben der Straße lagen sie wie dicker Schnee. Und über diesem Schnee war tischhoch der weißliche Dunst, zu dem die auffallenden Regentropfen auf den harten Eiskörnern zerstäubten.



Moorle jagte mit gesenktem Schädel, keuchend, die Augen vorgequollen, daß man rings um die angstvollen Lichter das blutunterlaufene Weiße sah. Lampert, um sich leicht zu machen und den Winddruck zu verkleinern, lag mit Brust und Gesicht auf der Mähne des Pferdes. Nur sein Schwert hatte er behalten – alles andre, die Packung des Pferdes, den Mantel, die Arm- und Beinschienen, den Plattenküraß und die Stahlhaube, hatte er bei dieser hetzenden Verfolgung fortgeworfen, um die Last für den Gaul zu mindern und diesen sechs rätselhaften Heckenreitern zu entrinnen, die er seit dem Morgen hinter den Fersen hatte. Zwei von den Stiftsgäulen waren niedergebrochen. Nun mußte Moorle seinen letzten Atem hergeben und aushalten bis zum Ingolstädter Tor.



Während Lampert den erschöpften Rappen mit Spornstößen hetzte, wandte er immer wieder das Gesicht. Von seinem Knecht und den sechs Reitern war seit einer Weile nichts mehr zu sehen.



Diese Reiter? Die immer verschwunden waren, um immer wieder aufzutauchen? Lampert wußte nicht, was er von ihnen denken sollte. Manchmal hatte diese Verfolgung sich angesehen wie ein boshafter Narrenstreich, wie ein Blindekuhscherz. Erst waren es nur zwei gewesen, dann viere, dann sechse. Auf offenem Geländ und in der Nähe von Dörfern hatten sie gespielt mit ihm wie Katzen mit der Maus, die nimmer entrinnen kann. Doch so oft sich die Straße in dichtem Wald verlor, wars Ernst geworden, bei keuchendem Jagen. Und im letzten Wald vor Ingolstadt, bei Ausbruch des Gewitters, hatten sie den Knecht eingeholt und aus dem Sattel gerissen.



Strauchdiebe? Die sich mit einem abgeschundenen Pferd, mit Kittel und Hemd eines Knechtes begnügten?



Ein Blitz fuhr nieder, daß Straße und Wiesen wie in Feuer schwammen. Dann ein Gerassel in den Lüften. Moorle scheute, und seine Hufe hämmerten über die Bohlen der Donaubrücke. Aus den grauen Wassergüssen des Gewitters tauchten die schweren Türme heraus, schwarz vor Nässe.



Lampert mußte auf dem zitternden Gaul eine Weile harren, bis im Tor das schwere Balkengatter aufging.



In der Mauthalle drängte sich ein Schwarm von bunten Söldnern um den triefenden Reiter her.



»Botschaft an Herzog Ludwig! Geleit vom heiligen Peter zu Berchtesgaden!«



Lamperts Stimme klang so heiser, daß die Mautknechte über diese krächzenden Laute zu lachen begannen. Man gab ihm zwei Söldner, die ihn zur Burg des Herzogs führen sollten, und versprach ihm, zehn Reiter auf die Suche nach seinem verschwundenen Knecht zu schicken. Er stieg aus dem Sattel, um den zitternden Gaul zu entlasten. Nach diesem mehr als vierzigstündigen Ritte wurde das Gehen für Lampert eine harte Mühe. Den linken Arm, der heftig schmerzte, konnte er kaum bewegen. Auch Moorle war fertig und kroch wie ein zerprügelter Ackergaul über das grobe Pflaster hin. Die enge Straße war leer, doch unter den Torhallen standen buntgekleidete Menschen dichtgedrängt beisammen, um das Ende des in grauen Schnüren fallenden Regens abzuwarten; sie machten Späße, als die zwei Söldner mit dem gewaschenen Fremden zwischen den plätschernden Dachtraufen und unter den Güssen der Wasserspeier vorübertappten.



Nach langem Weg durch winklige, von gelben Bächen überschwemmte Gassen erreichte Lampert das mit reichgekleideten Wachen besetzte Tor der herzoglichen Burg. Er wurde mit höfischer Umständlichkeit salutiert, und viele Diener stellten sich zu seinem Dienst. Lamperts erste Sorge gehörte dem übel zugerichteten Moorle. Als man den Gaul zu gutem Stall geführt hatte, lief einer von den rotgekleideten Leibtrabanten, die man ,Einrösser nannte, flink davon, um dem Herzog die Ankunft des Berchtesgadnischen Herrn zu melden.



Die langen Hallen, die der Trabant durchschreiten mußte, um dem in die Höfe niederprasselnden Regen zu entgehen, wimmelten von rotgewandeten Söldnern, von grün und braun gekleideten Jägern und Falknern, von Herren in Scharlach und Silbergrau, mit der goldenen Edelmannsschnur um die Hüte. In Herzog Ludwigs zahlreichem Hofgesinde diente neben den Soldknechten und Troßleuten ein halbes Tausend von Grafen und Rittern, von beutesüchtigen Abenteurern aus allen Ländern. Neben der heimatlichen Sprache hörte man Italienisch, Flämisch und Ungarisch, das Platt und den schwäbischen Dialekt, die rauhen Laute der Schweizer und am häufigsten das hurtig gleitende Französisch. Zwischen den Herren und Knechten ein Gewimmel von Jagdhunden. Man schwatzte, schrie und scherzte, daß es den Lärm des Regens übertönte; man zechte an langen Tischen bei Saitengeklimper, bei Brettspiel, Karten und Knöchelbecher. Herr Ludwig, der diesen Schwarm von Hofleuten nährte, ließ das viele Gold, das er aus Frankreich nach Ingolstadt verfrachtet hatte und das er im eignen, reichen Lande gewann, durch lockere Finger ins Leere laufen.



In einem kleinen, von hohem Kreuzgang umzogenen Hofe, der mit schönen Steinmetzarbeiten geziert war, standen trotz Regen und Traufe viele Herren, Söldner und Jäger mit Lachen und Schwatzen um große Holzkäfige und Körbe her, in denen Fasanen und ungarische Hirsche gekommen waren, um die Bestände des herzoglichen Tiergartens aufzufrischen. Die Jagdhunde kläfften das Hochwild an und schnupperten gierig den Duft der schönen Vögel.



Der Einrösser eilte durch lichtarme Korridore und über unbequeme Treppen hinauf. Das alte Schloß war düster und winklig in seiner Bauart. Doch die bedrückten Räume waren verschwenderisch ausgestattet, und in allen Gängen standen rotgekleidete Leibtrabanten mit vergoldeten Spießklingen.



Vor der Tagstube des Herzogs lag der einzige große Saal des Schlosses wie eine glitzernde Schatzkammer. Kunstvoll gewebte Bilderteppiche bedeckten die Wände. In verglasten Schränken schimmerte eine Fülle von Kostbarkeiten: Diademe, Gürtel und Kronen aus Smaragden und Saphiren; Heiligenschreine standen umher mit Schnitzereien aus Elfenbein; goldene und silberne Statuen glänzten, Hausaltäre mit Gemälden auf Goldgrund, verschwenderisch umkrustet von Perlen und Edelsteinen; und überall funkelten kristallene Gefäße und emaillierte Geräte, Werke der Schmelzkünstler von Limoges.



Die Heimat dieser Kostbarkeiten war Frankreich. Sein halbes Leben hatte Herr Ludwig in Paris und in französischen Königsschlössern zugebracht, wo die prunkvolle Tobsucht des Königs auf alle lebenden und toten Dinge seiner Umgebung abfärbte und aller höfische Brauch eine verrückte Schamlosigkeit atmete, für welche die Königin, Ludwigs Schwester Isabeau, das Vorbild stellte. Und als Herr Ludwig vor Jahren aus Frankreich flüchten mußte, hatte er diese >Pfandstücke<, für die er dem König und der Königin bayrisches Geld geliehen, nach Ingolstadt entführt – nicht alle mit gutem Recht. Seine Freunde nannten ihn drum einen >klugen Kaufmann< – sein Vetter Heinrich zu Burghausen sagte: »Der Ingolstädter Dieb!«

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