Frei Lesen: Der Ochsenkrieg

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Ludwig Ganghofer

Der Ochsenkrieg

7

eingestellt: 2.7.2007





In dem großen Zelte, das man am Ufer der Amper mit aller Hast auf dem feuchten Bruchboden der Olchinger Wiesen errichtete, stehen die beiden Münchener Herren und ihre Gefolgsleute mit verbundenen Augen vor Herzog Ludwig. Und hinter ihnen zittern die zwei, dem gütigen Vetter Loys zurückerstatteten Musikanten.



Von draußen rauscht der wirre Lärm des gestauten Heerhaufens in das Zelt herein, dessen Tuchspalten verbrämt sind vom Glanz der Mittagssonne. Das Schreien und Fluchen, das Geklirr und Geknatter, das Stampfen und Keuchen der Gäule, die vielen Trompetenstöße, die von weither Antwort erhalten – das alles klingt zu einer üblen Stimme zusammen. Der flüchtende Schwarm des Wessenacker, mit den Verwundeten und Erschöpften, mit den scheuen, keinem Zaum mehr gehorchenden Gäulen, verwirrte den Aufmarsch des Ingolstädter Haupthaufens, dessen Nachhut und Karrenwurm sich auf der Straße von Geiselbullach noch weit hinauszieht gegen Feldgreding und Dachau hin. Bis die Nachzügler eintreffen, wirds noch eine Stunde dauern; sie können nur langsam, nur in dünner Zeile marschieren; bei jedem Schritt, der hinausgeht über die schmale Straße, tappt der Fuß in den nassen Filzboden, den von der einen Seite das Dachauer Moos, von der anderen das stundenlange, den trägen Lauf der schwarzen Maisach geleitende Haspelmoor heranschiebt.



Immer lauschte Herr Ludwig hinaus in diesen bösen Lärm. Etwas Grauenvolles wühlte in seinem zornroten Gesicht. Im Schimmer seiner französischen Rüstung saß er auf einem Feldsessel. Ein Dutzend von seinen Freunden und Hauptleuten war um ihn her. In einem Winkel des Zeltes nähte des Herzogs Leibarzt dem rotgefärbten Wessenacker die Wunden zu. Und gesondert von den anderen – auf einer kleinen Truhe, die Ludwigs Feldschatz, die Kleinode seiner Herzogswürde und sein Majestätssiegel enthielt – auf dieser Truhe saß mit lang übereinander geschlagenen Beinen eine wunderlich sinnwidrige Gestalt aus Silber, Gold und bunten Farben: Prinz Höckerlein, für den Kampf gerüstet. Er schien die zwei Musikanten nicht zu sehen. Mit ruhigem Lächeln betrachtete er bald die Münchener Herren, bald den Vater. Der schwieg und biß die Zähne übereinander, sah immer den einen der beiden Musikanten an, der die verbeulte Laute hinter dem Rücken trug, und nun plötzlich drehte der Herzog das Gesicht und musterte mit einem funkelnden Zornblick seinen Sohn.



Da sagte einer der Münchener Herren, während er den Kopf mit der Augenbinde unmutig gegen den Nacken legte: »Euer Gnaden lassen uns lang auf Antwort harren. Mit der Tapferkeit und den ritterlichen Sitten, die man Euch nachrühmt, ist das übel zu vereinen.«



»Du!« Herzog Ludwig sprang vom Sessel auf. »Nimm das Maul nicht so voll. Und deinen zwei Fürsten sagt, sie sollen des Fechtens heute noch satt werden. Ich hoffe, sie haben für flinke Gäule gesorgt. Die werden sie brauchen.« Er machte einen Wink mit der Hand. Und als die Münchener Herren aus dem Zelt geführt waren, sagte er in wühlender Erregung zu seinen Hauptleuten: »Wir müssen Zeit gewinnen. Man soll die Münchener Kindlein mit verbundenen Augen im Kreis herumführen, bis sie die Geduld verlieren. Alles andere ist beredet. Dieses München, das meiner vergaß, soll merken, wer ich bin. Ich will rote Hochzeit mit ihm halten.« An seiner kostbar inkrustierten Rüstung zerrte er eine Schnalle auf, als wäre der Stahl für seine Brust zu eng geworden. »Von den Frauen, die ich genommen, hat sich noch keine als sturmfest erwiesen. Sie starben an meinen Umarmungen. So soll München fallen, wenn ich es umklammere. Jeder an seinen Platz! Mit Gott, meine Treuen! Helft mir! Und ich wills euch danken.« Er reichte jedem die Hand; den Prinzen übersah er.



Die Herren verließen das Zelt – nur der Wessenacker blieb und ließ sich den nackten Oberkörper mit den nötigen Pflastern belegen. Auch Prinz Ludwig tat so, als wollte er sich mit den Hauptleuten entfernen.



»Mein Seelenwürmchen?« Herr Ludwig lachte in galligem Hohn. »Willst du nicht bleiben?«



»Gerne, lieber Vater! Wenn du mich duldest in deiner Nähe?« Der Bucklige setzte sich wieder auf die Truhe hin.



Der Herzog riß abermals eine Schnalle seiner Rüstung auf. Und schrie: »Wo ist der Wolfl?«



Aus der Zeltkammer, in der man zwei Hunde winseln hörte, huschte der Kämmerer Graumann heraus. Er sah, daß dem Herzog etwas an seiner Rüstung nicht taugte, und wollte zugreifen.



Mißtrauisch, mit groben Fäusten, packte Herr Ludwig den Greis an den Handgelenken. »Wolfl? Bist du auch schon falsch? Hab ich von denen, die in meinem Hause waren, nur meine zwei Hunde noch?«



»Herr!« Dem Alten wurden die Augen naß.



Da sagte der Herzog rasch: »Verzeih mir!« Er küßte ihn auf die Wange. Nun war er ruhig. »Mein guter Wolfl, heut muß ich mich wehren um mein Leben. Schnalle mir diesen glitzrigen Pariser Dreck herunter! Und gib mir die blaue deutsche Rüstung, die mir meine Ingolstädter schenkten! Und gib mir das schwerste von meinen deutschen Schwertern!«



Im Winkel des Zeltes brummte der Wessenacker: »Gott sei Dank!«



Das hörte Herr Ludwig nicht. Während Wolfl die Arbeit begann, sah der Herzog immer die zwei Musikanten an, die, grau von Staub, mit ihren verprügelten Köpfen und den blutig zerkratzten Gesichtern zitternd neben dem Spalt des Zeltes standen. »Du!« Er meinte den kleinen Dicken mit der zerfetzten Blatterpfeife. »Dich kenn ich nicht. Was gehst du mich an? Auf Erden gibts viele Menschen, die keine Ursach haben, mir treu zu sein. Spring zu den Dunklen, die dich bezahlen für dein leuchtendes Feuerwerk von gestern. Mach, daß du weiterkommst!« Wie eine Ratte, die der Falle entronnen, surrte der Dicke durch den Spalt des Zeltes hinaus. »Aber du?« Herr Ludwig nickte gegen den Lautner. »Warum bleibst du heute so fern? Sonst warst du doch immer sehr nahe bei mir. Komm her! Oder hast du Angst? Vor mir? Hab ich dir nicht tausendmal bewiesen, wie gütig ich sein kann?«



Zitternd machte der Lautner ein paar taumelige Schritte, während das Gesicht des Prinzen, der lächelnd in seiner Mißgestalt auf der Truhe saß, eine gelbliche Färbung bekam.



Der Herzog sah den hinkenden Musikanten an. »Wahrhaftig! Das Gehen wird dir sauer. Warum bist du mit dem rätselhaften Dorn in deinem Fußballen nicht daheimgeblieben? Um mir den Verläßlichsten meiner Verläßlichen wieder gesund zu machen? Warum nicht, mein treuer Nachtigall?«



In einem Schreck, der zum Verwechseln einer Wahrheit ähnelte, sprang Prinz Höckerlein von der Truhe auf. »Vater! Um Christi Barmherzigkeit! Der da? Dein Peter Nachtigall? Jetzt erkenn ich ihn erst! Gott, Gott, ich sorge, er hat was Böses getan. Laß ihn in Ketten legen! Laß ihn verwahren –«



»Schweige!« schrie Herr Ludwig. »Gestern hat dir mein treuer Peter keinen Sperber vergiftet. Gestern hat er nur mir einen Tropfen Gift ins Leben geschüttet. Wem zuliebe?«



Da sagte der Bucklige sanft: »Mein treuer Vater ist seiner Sinne nicht mächtig und redet, er weiß nicht was.« Während er sich gegen die Truhe hindrehte, warf er einen beruhigenden Augenwink zu dem zitternden Musikanten hinüber.



Der atmete auf und fing von seiner Ehrlichkeit zu reden an. Ein Dorn, den man sich in den Fußballen trat, kann ausschwären. Freilich, das Gehen bleibt eine schmerzhafte Sache. Aber reiten kann man. Und da reitet man mit einem guten Gesellen durch Tag und Nacht zu seinem Herrn, auf dem kürzesten Wege. Und da sieht man bei München die Dörfer brennen. Und da muß man glauben: Wo die Flammen aufsteigen, ist unser Herr, unser siegreicher Fürst! Man reitet auf diese weisenden Feuer zu. Aber die dummen Bauern! In ihrem Grimm und Wahnsinn fassen sie zwei Unschuldige.



»Wessenacker?« Herr Ludwig, dem der Kämmerer die blauen Stahlplatten der deutschen Rüstung um den hohen, kraftvollen Körper schnallte, stieß einen lachenden Laut vor sich hin. »Klingt das nicht so bieder, als war es auf Münchener Malzboden gewachsen? Und darf ich diesem Menschen zürnen? Hundertmal befahl ich ihm, als Meister für mich zu lügen. Jetzt lügt er als Meister wider mich. Sancta justizia!«

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