Frei Lesen: Die Trutze von Trutzberg

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Ludwig Ganghofer

Die Trutze von Trutzberg

16. Kapitel

eingestellt: 25.7.2007





Es fiel die Nacht, und eine hetzende Arbeit begann. Wer sich auf Maurerei und Zimmermannswerk verstand, mußte mithelfen bei der Heilung der Schußschäden. Um nicht beleuchtetes Ziel zu werden, mußte man alles im Dunkel oder bei abgeblendeten Lichtern machen. Doch überall standen die Holzstöße und Pechpfannen bereit, um aufzuflammen, wenn es nötig wäre. Mit keuchender Mühsal arbeitete man in der Torhalle, um den verbogenen Balkenrost in die Höhe zu bringen und die Sandsäcke zu lupfen, die in die Nuten der halb nach auswärts hängenden Fallbrücke gerutscht waren. Im Sande wurden die eingedrungenen, zwischen den Säcken hängengebliebenen Kugeln gefunden. Mit Eisenhaken an langen Stangen suchte man den aushängenden Brückenteil wieder gegen die Mauer zu ziehen. Das zerschossene Bohlengefüge war wie in Brocken geklopft. Wo man mit einem Haken, anzog, rutschte ein zersplittertes Balkenstück aus dem Beschlag heraus.



Während die Knechte sich abzappelten an dieser aussichtslosen Arbeit, standen zum Schutz des halb erschlossenen Tores die Schwergerüsteten zwischen Hof und Brückenhalle: Herr Melcher, Kassian Ziegenspöck, der Lien, zwölf Trutzbergische und vier Puechsteinische Söldner.



Weil gegen die völlige Zerschlotterung der Fallbrücke und des Hallentores kein Rat mehr zu finden war, befahl Herr Korbin: »Hinter dem Sand die Hall vermauern! Mit einer Legmauer, anderthalb Ellen dick!« Die Knechte begannen herbeizuschleppen, was man an Quadern vorrätig hatte, und rissen die großen Pflastersteine aus dem Hofboden. Da hörte man vom Büchsensöller die schreiende Stimme des Herr Korbin, und ein Schütz kreischte durch ein Mauerloch herunten: »Der Lien? Wo ist der Lien? Der Puechsteiner braucht den Lien!«



»Spring, Bub!« sagte Herr Melcher.



Lien surrte über die steile Turmtreppe hinauf, als trüge er seinen leichten Schäferkittel am Leib, nicht einen halben Zentner Eisen.



Auf dem Söller brannte eine Wachsfackel, deren Licht gegen die Schießscharten abgeblendet war. Die Glutpfanne, die zum Anbrennen der Lunten diente, verbreitete einen roten Schein. Zwischen den Schlangen, neben denen die Schützen mit glimmenden Schnüren standen, saß Herr Korbin. Sein rechtes Bein war geschient, sein linker Schenkel, von dem er den Verband heruntergewickelt hatte, war nackt. Als der Puechsteiner den Lien kommen sah, fragte er unwillig: »Wo sind meine Weibsleut?«



»Soll ich sie holen, Herr?«



»Du Narr du! Nit um des Kaisers Kron! Ich frag, weil ich sicher sein muß vor ihnen. Wo sind sie?«



»Mit dem geistlichen Herrn beten sie in der Burgkapell.«



»Gut! Wenn Weiber beten, das dauert länger, als Mannsleut zum Sterben brauchen. Da bin ich sicher.« Herr Korbin lachte. »Komm her, Bub! Es steht nit gut mit meinem angeläpperten Haxen. Ich halts nit länger aus. Jetzt mußt du brennen, Lien! Hast du Mut?«



»Wohl, Herr! Ich wills fürsichtiger machen, als ichs tat an mir selber.« Lien stellte flink den Zwiehänder fort, nahm den im Glutschein rotfunkelnden Helm herunter und zerrte die geschuppten Fäustlinge von den Händen. Den Wulli, der sich bemerklich machen wollte, schob er mit dem stählernen Knie beiseite. In diesem Augenblick, in dem die Sorge um den Vater des edlen Fräuleins dem Lien das Herz zerdrückte, war ihm sein Hund eine fremde Sache. Wulli zog sich gekränkt unter die Bank zurück, hatte vorwurfsvolle Hungeraugen, ließ zwischen den Zähnen die Zunge lang herunterhängen wie einen roten Haken und begann nach einer Weile, um sich auf andere Gedanken zu bringen, den Riemen zu benagen, mit dem er an die Holzbank gefesselt war.



Herr Korbin hatte die blutfleckige Leinwand seiner kurzen Leibhose bis zur Bauchschale des Panzers herausgezerrt. »So, Jetzt brenn! Meinen Dolch, der so sauber ist wie die Seel meines Mädels, hab ich schon in die Glut gelegt.«



Während Lien den mit Lappen umwickelten Griff des Dolches faßte, aber den Stahl noch in den Kohlen ließ, beugte er das Gesicht über das kranke Bein des Puechsteiners. Seine heißen Wangen verfärbten sich, und in seinen Augen war ein Entsetzen, das eine stumm schreiende Sprache hatte. Er richtete sich auf. Ganz steif wurde sein Körper. Seine Stimme blieb ruhig, aber sie klang, als wärs die Stimme eines anderen Menschen: »Guter Herr! Ich sorg, es ist mit dem Brennen zu spät.«



Der Puechsteiner sah ihn verdrießlich an. »Du dummer Bub! Die Wahrheit ist ein köstliches Ding. Aber man muß sie nit allweil sagen.« Er beschaute aufmerksam die Wunde; sie glich einem wulstigen Mund, der schwarze Kirschen gegessen hat. »Zu spät oder nit. Man tut seine Schuldigkeit.« Den Lien beiseiteschiebend, faßte Herr Korbin den Griff des Dolches und drückte den glühenden Stahl in den Wundschnitt. Ein kleines Wölklein pfurrte in die Höhe, der Puechsteiner keuchte einen dumpfen Laut durch die Zähne und sagte: »Ich kann mir viel denken, was süßer schmeckt.« Unter einem irrenden Lächeln reichte er dem Lien den Dolch und die Scheide. »Den schenk ich dir, Bub! Blut härtet gut. Da drüben steht ein Hafen mit Öl. Da stoß den Stahl noch ein lützel hinein!«



Stumm gehorchte Lien. Das Öl zischte und rauchte.



Herr Korbin legte vorsichtig den Pflasterstreif auf die Wunde und begann die lange Leinwandbinde um den Schenkel zu wickeln. Plötzlich hielt er inne und schloß die Augen.



»Lieber Lien! Gib mir einen Trunk! Mir übelt.«



Lien hob den Krug an den Mund des Dürstenden. Der sog, wie es außer ihm nur der Kassian Ziegenspöck fertigbrachte.



Nun ließ sich Lien auf die eisernen Knienmuscheln fallen. Seine Hände zitterten ein bißchen, während er dem Puechsteiner die letzten Leinwandschlingen um den Schenkel herumlegte und achtsam den Strumpfschlauch hinaufzog. Dabei nestelte Herr Korbin mit den Fingern immer am Panzer des Lien. »Gute Augsburger Arbeit!« Er lachte sonderbar. »Der Herzog, wenn er kommt, wird Augen machen.« Wieder lachte er. »Jeder Deckel findet sein richtiges Häflein. Das ist von aller verdrehten Weisheit des Lebens die feinste.«



Lien hob die Augen, weil er den Sinn und Zusammenhang dieser Worte nicht verstand, und weil er fürchtete, daß der Puechsteiner im Fieber irr spräche.



Langsam faßte Herr Korbin das blasse Gesicht des Lien zwischen seine Hände, sah ihm in die Augen und sagte ernst. »Kann sein, daß du wieder der Gescheitere gewesen bist und saubere Händ behalten hast, du weißt nit, wie, und weißt nit, warum.« Er atmete tief, und sein Ernst wurde ein spöttisches Schmunzeln. »Wär ich du, ich wüßt, was ich tät.« Nun lachte er lustig. »Schad! Als Vater muß ich dir meinen kostbaren Rat verschweigen.«



Lien betrachtete den Puechsteiner in wachsender Sorge. »Herr, ich versteh kein Wörtl.«



Zärtlich packte ihn Herr Korbin an seiner Halsberge und zog ihn hin und her, wie ein Alter seinen Jungen rüttelt. »Drum bist du die beste Augsburger Arbeit wert! Weil du so dumm bist, Lien!«



Bei den Schießscharten rief eine Schildwach: »Herr! Allweil hör ich ein Kreisten in der Nacht da draußen und kanns nit deuten. Sehen tut man nichts.«



Mit drei rasselnden Sprüngen war Lien bei der Scharte, Herr Korbin erhob sich und humpelte: »Guck! Es geht ja! Und gar nit schlecht!« Bei der Scharte hängte er sich an die Schulter des Lien. »Bub? Siehst du was?«



»Wohl, Herr! Auf dem Aschenfeld, da schlupfen Leut umeinander. Jeder hat ein Ding wie eine ausgehobene Tür.«



»Sind Pavesenschilde, hinter denen die Schützen sich decken. Was siehst du noch?«



»Weit draußen seh ich eine große schwarze Sach. Die ist wie ein Haus. Das kreistet und wackelt mühsam auf uns her.«

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