Frei Lesen: Bracebridge Hall oder die Charaktere

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Washington Irving

Bracebridge Hall oder die Charaktere

Die Meierei

eingestellt: 28.7.2007



Lieb und Heu    
Sind dick gesät, doch viele Disteln gehn mit auf.
Beaumont und Fletcher.


Ich fand so viel Gefallen an den Anekdoten, welche mir von Hans Baargeld Tibbets erzählt wurden, daß ich Meister Simon vor einem oder zwei Tagen bewog, mich nach seinem Hause zu führen. Es war eine altväterische ländliche Wohnung, von Mauersteinen gebaut mit sonderbar gestalteten Schornsteinen. Es stand in einer kleinen Entfernung von der Landstraße, mit einem Ausgange nach Süden, welcher auf einen sanften, grünen Wiesenabhang ging. Vorn war ein kleiner Garten mit einer Reihe von Bienenkörben, deren Bewohner zwischen Beeten von wohlriechenden Kräutern und Blumen summten. Reingescheuerte Milcheimer, mit glänzenden kupfernen Reifen, hingen auf dem Gartenzaune. An dem Hause waren Fruchtbäume emporgezogen und Blumentöpfe standen in den Fenstern. Ein dicker ausgedienter Bullenbeißer lag im Sonnenschein vor der Thür, und eine glatte Katze, ruhig schlafend, quer über ihm.

Herr Tibbets war zur Zeit unseres Besuches nicht zu Hause, allein wir wurden freundlich und herzlich empfangen von seiner Gattin, einer stattlichen, mütterlich aussehenden Frau, die ein vollkommenes Muster für alle Ehefrauen abgeben konnte, da sie, nach Meister Simons Aussage, dem ehrlichen Hans nie widerspricht, aber dabei doch Alles nach ihrem eigenen Kopfe thut und ihn nichts thun läßt, ohne darum wissen zu wollen. Sie empfing uns in dem Hauptzimmer des Hauses, einer Art Wohnzimmer, mit großen, braunen quer durchlaufenden Balken, auf die Herr Tibbets wohl mit einigem Stolze aufmerksam macht, bemerkend, solche Balken bekomme man heut zu Tage in den Häusern nicht mehr zu sehen. Die Möbel waren altväterisch, tüchtig und glänzend gebohnt, und die Wände mit bunten historischen Kupfern behängt, die Geschichte des verlornen Sohnes darstellend, der in einem rothen Rocke und ledernen Beinkleidern abgebildet war. Ueber dem Kamin hing eine Donnerbüchse, und ein ungestaltes Bildniß von Hans Baargeld, als jungem Mann, von demselben Künstler angefertigt, der das Wirthshausschild gemalt hatte, denn seine Mutter hatte es sich in den Kopf gesetzt, Tibbets habe eben so gut ein Recht, eine Galerie von Familienbildern zu besitzen, wie die Leute in der Halle.

Die gute Frau drang sehr in uns, eine Erfrischung zu nehmen, und versuchte uns mit einer Menge von Leckerbissen, so daß wir am Ende wenigstens einige von ihren selbstgemachten Weinen kosten mußten. Während wir da waren, kam der Sohn und muthmaßliche Erbe nach Hause, ein wohlaussehender junger Bursche, der etwas von einem ländlichen Elegant an sich hatte. Er führte uns in den Wirthschaftsgebäuden herum und zeigte uns das ganze Gehöft. Ueberall zeigte sich einfacher, aber gediegener Wohlstand; Alles war von den besten Stoffen gemacht und in dem besten Zustande. Nichts war am unrechten Ort oder schlecht verarbeitet; und Du sahst überall, daß man hier mit einem Manne zu thun habe, der etwas für sein Geld haben wolle, und vor dem Weggehen bezahle.

Der Meierhof war gut versehen: unter einem Schoppen stand ein zweirädriger Karren in bester Ordnung, auf dem Hans Baargeld seine Frau in der Gegend umherfuhr. Sein wohlgefüttertes Pferd wieherte aus dem Stalle, und, auf den Hof geführt, »glänzte es,« um mit dem jungen Hans zu reden, »wie eine Flasche;« denn, sagte er, der alte Mann hält darauf, daß Alles um ihn her eben so gut daran sei, als er selbst.

Es machte mir Vergnügen, den Stolz zu bemerken, den der junge Bursche auf seinen Vater hatte. Er erzählte uns Mehreres, das seine Gewohnheiten betraf und ziemlich auf das hinauslief, was ich schon oben angeführt habe. Er hätte nie in seinem Leben eine Rechnung stehen lassen, immer für das Geld gesorgt, ehe er etwas gekauft, und wo möglich in Gold und Silber bezahlt. Er hätte ein großes Mißfallen an Papiergeld, und ginge selten aus, ohne eine bedeutende Summe in Gold bei sich zu haben. Auf meine Bemerkung, daß es ein Wunder wäre, daß er nie angefallen und beraubt worden sei, lächelte der junge Mensch bei dem Gedanken, daß irgend Jemand so etwas unternehmen könne, denn ich glaube er hält dafür, der alte Mann sei dem Robin Hood und seiner ganzen Bande gewachsen.

Ich habe angeführt, daß Meister Simon nie in ein Haus tritt, ohne eine Menge von Dingen mit einem oder dem andern aus der Familie zu reden zu haben, da er eine Art allgemeiner Rathgeber und Vertrauter ist. Wir waren noch nicht lange hier, als die Hausfrau ihn in eine Ecke der Stube nahm, wo sie eine lange flüsternde Unterhaltung mit einander hatten; an seinem Achselzucken bemerkte ich, daß einige bedenkliche Sachen zur Sprache kamen, und aus seinem Kopfnicken konnte ich schließen, daß er Allem was sie sagte, beistimmte.

Nachdem wir hinausgegangen waren, begleitete uns der junge Mann eine kleine Strecke weit, und zog dann Meister Simon auf die Seite in einen grünen Heckengang, wo Beide fast eine halbe Stunde lang gingen und sprachen. Meister Simon, der die gewöhnliche Neigung aller Vertrauten besitzt, dem nächsten Freunde, der ihnen begegnet, Alles wieder zu erzählen, was sie erfahren haben, eröffnete mir, daß von einem Liebeshandel die Rede sei; der junge Bursche habe sich nämlich von den Reizen der Phöbe Wilkins, der hübschen Nichte der Haushälterin in der Halle, fesseln lassen. Wie die meisten andern Liebeshändel, hatte auch dieser seinen Kummer und seine Noth mit sich gebracht. Frau Tibbets war lange auf einem vertrauten geschwätzigen Fuße mit der Haushälterin gewesen, die oft in das Pachterhaus zum Besuche kam; als aber die Nachbarn von der Wahrscheinlichkeit einer Heirath zwischen ihrem Sohn und Phöbe Wilkins zu sprechen anfingen – »warum nicht gar!« – sie fand schon den Gedanken lächerlich. Das Mädchen habe eine Art Kammerjungfer vorgestellt, und es sei unter der Würde des Bluts der Tibbets, die seit undenklichen Zeiten ihr eigenes Besitzthum gehabt hätten, Niemand Unterwürfigkeit und Dank schuldig wären, daß sich der offenkundige Erbe mit einem Dienstmädchen verheirathen sollte!!

Diese stolzen Redensarten waren durch eine der, mit beiden Frauen wohlbekannten, zwischentragenden Freundinnen der Haushälterin treulich hinterbracht worden. Der alten Haushälterin Blut war, wenn auch nicht so alt, als das der Frau Tibbets, doch eben so hitzig.

Sie war gewohnt gewesen, in der Halle und unter den Dorfbewohnern die Nase sehr hoch zu tragen; ihr verschossener Brokat rauschte vor Unwillen über die schnöde Art, mit der sich die Frau eines kleinen Landwirths über eine Verbindung mit ihr ausgelassen hatte. Sie behauptete, ihre Nichte sei eher die Gesellschafterin als das Kammermädchen der jungen Damen gewesen. »Sie habe es, dem Himmel sei Dank, nicht nöthig, für Geld zu arbeiten, und könne so müßig gehen, wie nur irgend eine junge Dame im Lande; und wenn eine Gewisse stürbe, so bekäme sie ein Gewisses, das gewisse Leute mit all ihrem baaren Gelde der Beachtung werth finden würden.«

Zwischen den beiden ehrenwerthen Frauen hat sich auf diese Weise eine bittere Fehde entsponnen, und den jungen Leuten ist verboten worden, aneinander zu denken. Was den jungen Hans betrifft, war er zu verliebt, um auf vernünftige Gründe zu hören; und da er etwas hitzköpfig ist und sich vor seiner Mutter eben nicht sehr fürchtet, war er entschlossen, die ganze Würde der Tibbets seiner Leidenschaft aufzuopfern. Er hatte indessen kürzlich einen heftigen Streit mit seiner Geliebten gehabt, den eine kleine Koketterie von ihrer Seite veranlaßte, weßhalb er sich nun fern von ihr hielt. Die kluge Mutter bot all ihren Scharfsinn auf, die zufällige Spaltung noch größer zu machen; allein, wie es gewöhnlich zu geschehen pflegt, je mehr sie sich mit dieser verkehrten Neigung ihres Sohnes zu schaffen machte, desto stärker ward sie. Der alte Baargeld wurde über den ganzen Handel völlig im Dunkel gelassen; beide Theile schwebten in Furcht und Ungewißheit, wie er die Sache nehmen möchte, und hüteten sich wohl, den schlafenden Löwen zu wecken. So war also die ehrenwerthe Frau Tibbets zwischen Vater und Sohn in voller Thätigkeit, und wußte nicht, was sie anfangen sollte. Es ist wahr, die Gefahr war nicht sehr groß, daß der ehrliche Baargeld hinter die Sache kommen werde, wenn man ihn sich selbst überließ; denn er war durchaus nicht argwöhnischer Gemüthsart und nichts weniger als schlau; allein man mußte täglich fürchten, daß die Spinnweben, die seine unermüdliche Frau ihm beständig um die Nase zog, endlich einmal seine Aufmerksamkeit erregen würden.

Dieß ist der zerrüttete politische Zustand des häuslichen Reiches Hans Baargelds, woraus man die Intriguen und inneren Gefahren in den bestgeleiteten Regierungen kennen lernen kann. In dieser verwickelten Lage der Dinge haben Mutter und Sohn den Meister Simon zu Rath gezogen; und bei aller seiner Erfahrung in der Leitung von anderer Leute Angelegenheiten, findet er es sehr schwer, es so einzurichten, daß er mit beiden Parteien fertig wird, da er sieht, daß beider Ansichten und Wünsche sich schnurstracks widersprechen.

< Ein literarischer Alterthumsforscher
Reitkunst >



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