Washington Irving
Bracebridge Hall oder die Charaktere
Liebes-Zauber
eingestellt: 28.7.2007
Das Herannahen einer Heirath ist in einer Familie immer ein Begebniß von großer Wichtigkeit, ganz besonders aber in einer Haushaltung, wie diese, und in einem entferntern Theile des Landes. Meister Simon, der Alles ausspürt, und durch den Haushofmeister und die Haushälterin Alles erfährt, was vorgeht, sagt mir, die Dienstmädchen stellten unablässig ihr Glück auf die Probe,
und die Bedienten-Stube sei in der letzteren Zeit zu einer wahren Zauberwerkstatt geworden.
Es ist ergötzlich, zu sehen, wie die Sonderbarkeiten des Haupts einer Familie sich allen Zweigen derselben mittheilen. Während der Tafel hat der Squire, bei seiner Liebe für Alles, was nach den alten Zeiten schmeckt, so viele ernste Unterredungen mit dem Geistlichen über Volksaberglauben und alte Gebräuche gehabt, daß diese von den zuhörenden
Bedienten aus dem Eßzimmer in die Küche hinterbracht wurden; und, von so hohem Orte her beglaubigt, ist jetzt das ganze Haus angesteckt.
Die Dienstboten sind alle in den gewöhnlichen Arten, ihr Glück zu versuchen, und den Mitteln, sich die Beständigkeit des Geliebten zu sichern, sehr bewandert. Sie erforschen ihr Schicksal durch Striche, die sie in die Asche ziehen, oder durch Hersagung eines Spruchs, während sie dabei in einen Eimer Wasser
blicken. Der Sankt-Markus-Abend war, wie ich gehört habe, für sie eine sehr geschäftige Zeit; da er ein bestimmter Abend für gewisse geheimnißvolle Gebräuche ist. Mehrere von ihnen säeten Hanfsamen, zur Ernte für ihre treuen Liebhaber; und sie unternehmen sogar die feierlichen, furchtbaren Vorbereitungen zum stummen Kuchen. Dieser muß, ohne daß man etwas genossen hat, und in tiefem Stillschweigen, gebacken werden. Die Bestandtheile
desselben gibt eine alte Ueberlieferung. »Eine Eierschale voll Salz, eine Eierschale voll Malz, und eine Eierschale voll Gerstenmehl.« Wenn der Kuchen fertig ist, wird er in einer Pfanne über das Feuer gethan, und dann erscheint der künftige Gatte, dreht den Kuchen um, und entfernt sich; wird aber während dieser furchtbaren Feierlichkeit Ein Wort gesprochen oder das Fasten gebrochen, so ist nicht vorauszusehen, welche schreckliche Folgen daraus entstehen
können.
Die Versuche kamen aber, in dem gegenwärtigen Falle, zu keinem Resultate; die den Hanfsamen gesäet, hatten den Zauberspruch vergessen, den sie dabei herzusagen hatten; der treue Liebhaber erschien also nicht; und bei dem stummen Kuchen verließ sie, bei dem furchtbaren Schweigen, das sie beobachten mußten und dem Schrecken der Mitternachtsstunde, der Muth, als sie den Kuchen in die Pfanne gelegt; so daß, als die große Hausuhr in
der Bedientenstube schlug, ein plötzlicher Schauder sie ergriff, und sie Alle aus dem Zimmer liefen, das sie auch nicht eher wieder betraten, als am folgenden Morgen, wo sie den geheimnißvollen Kuchen zu Asche gebrannt fanden.
Die Beharrlichste bei diesen Zaubermitteln ist Phöbe Wilkins, die Nichte der Haushälterin. Da sie eine Art Standesperson ist, und nicht viel zu thun hat, so hat sie um so mehr Zeit, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Sie
hat immer ihren Kopf voll von Liebe und Heirathen gehabt. Sie weiß das Traumbuch auswendig, und gilt, bei den kleinen Mädchen in der Familie, die jeden Morgen zu ihr kommen, ihr ihre Träume zu erzählen, für ein wahres Orakel.
Bei dem Frohsinn, der jetzt im Hause herrscht, geht indessen das arme Mädchen mit einem traurigen Gesicht umher, und ist, mit der Haushälterin zu reden, »in neuerer Zeit in einem schlimmen hysterischen
Zustande.« Sie scheint in dem Dorfe, wo ihr Vater Kirchenschreiber war, geboren und erzogen worden zu sein, und war schon früh die Spielgenossin und Geliebte des jungen Hans Tibbets. Seit sie aber in der Halle lebt, ist ihr der Kopf etwas verdreht worden. Da sie sehr hübsch und von Natur angenehm ist, so hat man sich sehr viel mit ihr beschäftigt, und ihr vieles nachgesehn; und als Nichte der Haushälterin hat sie eine unbestimmte Stelle zwischen Dienstboten und
Gesellschafterin gehabt. Sie hat bei dieser Gelegenheit etwas von den Moden und Ansichten junger Damen kennen gelernt, wodurch eine gänzliche Veränderung bei ihr hervorgebracht wurde; so daß ihr Sonntagsstaat ihren vorigen Bekannten aus dem Dorfe ein tödtliches Aergerniß gegeben hat. Dieß hat nun auch zu den falschen Gerüchten Anlaß gegeben, welche den unbesiegbaren Familienstolz der Dame Tibbets erweckt haben. Was aber schlimmer ist, so hat
Phöbe, aus einem Anfluge von Koketterie in ihrem Charakter, diese auch, bei einer oder zwei Gelegenheiten, gegen ihren Liebhaber gezeigt, welches zu einem förmlichen Zank Anlaß gegeben; und Hans, der sehr stolz und heftig ist, hat, mehrere Sonntage hintereinander, ihr durchaus den Rücken gezeigt.
Das arme Mädchen ist voll Sorge und Reue, und möchte sich gern mit ihrem Liebhaber aussöhnen; allein er fühlt sich sicher, und hält sich
entfernt. Hierbei wird er, ohne Zweifel, von seiner Mutter unterstützt, die ihn unaufhörlich an das erinnert, was er seiner Familie schuldig sei; denn dieser Familienstolz scheint bestimmt zu sein, die ewige Plage der Liebenden zu werden.
Da ich ungern ein hübsches Gesicht traurig sehe, so hat mich die unglückliche Phöbe, seitdem ich ihre Geschichte gehört habe, sehr gedauert. Es ist eine betrübte Sache, in der Liebe zu irgend einer Zeit mit
Widerwärtigkeiten kämpfen zu müssen; aber ganz besonders in dieser zärtlichen Jahreszeit, wo jedes lebende Geschöpf, bis zu dem Schmetterling, mit seinem Gefährten scherzt, und die grünen Felder, die knospenden Gebüsche, der Gesang der Vögel und der angenehme Duft der Blumen schon hinreichen, einem liebesiechen Mädchen den Kopf zu verdrehen. Ich höre, des jungen Baargelds Kälte laste sehr schwer auf dem Herzen der armen Phöbe.
Statt, wie sonst, im Hause umher zu singen, geht sie bleich und seufzend dahin, und bricht sogar in Thränen aus, wenn ihre Gefährtinnen voller Lust und Vergnügen sind.
Mrs. Hannah, die vestalische Edeldame der Lady Lillycraft, hat mit Phöbe des Abends lange Gänge und Gespräche die Allee auf und ab, bei welcher Gelegenheit sie dann einige Tropfen ihres eigenen Wermuths in das honiggleiche Wesen der Andern zu träufeln sucht. Sie spricht mit
Verachtung und Abscheu von dem ganzen Geschlecht, und hat Phöbe den Rath gegeben, die Männer eben so herzlich zu verachten, als sie. Phöbes liebevolles Wesen kann aber nicht so leicht umgewandelt werden; Haß oder Verachtung gegen das Menschengeschlecht liegen durchaus nicht in ihr. Sie besitzt ganz die einfache Herzensgüte eines armen, schwachen, liebenden Weibes; und ihre einzigen Gedanken sind jetzt wie sie ihren verirrten Schäfer wieder zu sich
zurückbringen will.
Die Zaubersprüche und Zaubermittel, welche für die übrigen Dienstboten nur Belustigungen sind, wurden für das arme liebesbefangene Mädchen ein Gegenstand ernster Wichtigkeit. Sie stellt fortdauernd ihr Schicksal auf mannichfaltige Proben. Ich habe gehört, daß sie sechs Mittwoche und drei Freitage hintereinander gefastet habe, da sie erfahren, dieß sei ein unfehlbares Mittel, innerhalb eines Jahres nach Neigung
verheirathet zu werden. So trägt sie auch eine Locke von dem Haar ihres Geliebten, und ein Band, das er ihr einst gegeben, da dieß ein Mittel sein soll, einen Liebhaber beständig zu erhalten. Ja, sie hat sogar den Mond, der immer in den Träumen und Einbildungen der Liebenden eine große Rolle spielte, zu ihrem Orakel gemacht. Zu diesem Ende ging sie eines Abends beim Vollmond hinaus, kniete auf einen Stein auf der Wiese nieder, und sagte dabei den alten Spruch her:
Ich grüß dich, Mond, in deinem Schein, Ich bitte, guter Mond, nun zeig mir fein Den Jüngling, der mein künftger Mann soll sein. |
Als sie nach dem Hause zurückkam, war sie erschöpft und bleich, und ging sogleich zu Bette. Am nächsten Morgen erzählte sie der Frau des Portiers, daß sie Jemand dicht an der Hecke auf der Wiese gesehen habe, und überzeugt sei, es sei der junge Tibbets gewesen; auf jeden Fall habe sie die ganze Nacht von ihm geträumt; worauf die alte Dame sie versicherte, daß dieß beides sehr glückliche Zeichen wären. Es hat sich seitdem ergeben, daß der Mann auf der Wiese der alte Christy, der Jäger, gewesen war, der mit seinem großen Hühnerhunde seine nächtliche Runde machte; so daß nun Phöbes Glauben an den Zauber völlig erschüttert ist.
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