Frei Lesen: Bracebridge Hall oder die Charaktere

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

Der Verfasser an den Leser | Die Halle | Der geschäftige Mann | Haus-Diener | Die Wittwe | Die Liebenden | Familien-Reliquien | Der alte Soldat | Der Wittwe Gefolge | Hans Baargeld | Hagestolze | Weiber | Geschichten-Erzählen | Der dicke Herr | Wald-Bäume | Ein literarischer Alterthumsforscher | Die Meierei | Reitkunst | Liebesanzeichen | Falknerei | Die Falkenjagd | St. Markus-Abend | Sitten-Feinheit | Wahrsagen | Liebes-Zauber | Bibliothek | Der Student von Salamanca | Englische Land-Edelleute | Eines Hagestolzen Bekenntnisse | Englischer Ernst | Zigeuner | Maitags-Gebränche | Die Würdigen des Dorfes | Der Schulmeister | Die Schule | Ein Dorfpolitiker | Der Rabenhorst | Der Maitag | Die Handschrift | Annette Delarbre | Das Reisen | Volksaberglauben | Der Verbrecher | Familien-Unglück | Liebes-Kummer | Der Geschichtschreiber | Das Spuk-Haus | Dolph Heyliger | Das Sturmschiff | Die Hochzeit | Des Verfassers Abschied |

Weitere Werke von Washington Irving

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch |

Alle Werke von Washington Irving
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Bracebridge Hall oder die Charaktere) ausdrucken 'Bracebridge Hall oder die Charaktere' als PDF herunterladen

Washington Irving

Bracebridge Hall oder die Charaktere

Die Schule

eingestellt: 28.7.2007





Ich habe dem Leser so eben eine leichte Skizze von dem Dorfschulmeister gegeben, und er wird nun neugierig sein, etwas von der Schule zu erfahren. Da der Squire vielen Antheil an der Erziehung der Kinder in der Umgegend nimmt, gab er dem Lehrer, als er ihn zuerst in sein Amt einführte, ein Exemplar von Roger Aschams Schulmeister, und rieth ihm den Theil des alten Peacham durchzulesen, welcher von den Pflichten der Lehrer handelt, und das Lieblingssystem verwirft, Knaben durch Schläge klug zu machen.

Er ermahnte Slingsby, den freien Geist der Knaben nicht durch Rauhheit und sclavische Furcht zu vernichten oder zu unterdrücken, sondern sie frei und fröhlich auf den Pfad des Wissens hinzuleiten, und diesen in ihren Augen angenehm und anziehend zu machen. Er wünschte die Jugend in den Sitten und Gewohnheiten der Landleute aus der guten alten Zeit auferzogen zu sehen, um so einen Grund zur Ausführung seines Lieblingsplanes, die Erneuerung der alten englischen Gebräuche und des alten englischen Charakters, zu legen. Er empfahl, daß alle die alten Festtage beobachtet und die Spiele der Knaben, in ihren Freistunden, nach den vorzüglichen Anweisungen, die im Strutt niedergelegt sind, geregelt werden sollten, weßwegen auch ein Exemplar von dessen unschätzbarem Werke, mit Kupfern verziert, in dem Schulhause aufbewahrt wurde. Vor Allem aber schärfte er dem Pädagogen ein, sich des Gebrauchs der Birkenruthe zu enthalten, eines Werkzeuges des Unterrichts, welches der gute Squire mit Abscheu und als ein solches Ding betrachtet, das sich nur für die Bewältigung thierischer Naturen schicke, mit denen man nicht vernünftig reden könne.

Herr Slingsby hat des Squires Anweisung nach seinem besten Wissen und Willen befolgt. Er schlägt die Knaben nie, weil er ein zu gefälliges gutmüthiges Wesen ist, als daß er selbst einem Wurm Schmerzen verursachen sollte. Er ist leicht geneigt, Feiertage zu geben, weil er selbst die Feiertage liebt, und eine ähnliche Abneigung, wie die Knaben, gegen alle Einsperrung fühlt, da er selbst zu verschiedenen Malen auf seiner Wanderung durch die Welt deren Unannehmlichkeit erfahren hat. Was Spiele und Vergnügungen betrifft, so werden die Knaben treulich in allen denen unterrichtet, deren noch gedacht wird, Wurfsteine werfen, Wettlaufen, Feind spielen, Fangball, Sauball, Ringen, Springen und dergleichen mehr. Das einzige Unglück ist, daß der ehrliche Slingsby, der die Ruthe verbannte, Roger Ascham nicht hinlänglich studirt hat, um einen Ersatz für dieselbe zu finden, oder vielmehr, daß er die Art und Weise nicht versteht, dergleichen anzuwenden; seine Schule ist deßwegen, wenn gleich eine der glücklichsten, doch auch eine der ungezogensten im Lande; und nie wurde wohl ein Erzieher von seinen Zöglingen mehr geliebt und weniger gefürchtet, als Slingsby.

Er hat kürzlich einen Hülfslehrer angenommen, seiner würdig, da er auch ein verirrtes Schaf ist, das sich wieder in den Dorfpferch zurückgefunden hat. Dieß ist Niemand anders, als der Sohn des musikalischen Schneiders, welcher einiges Geld an dessen Erziehung gewandt hat, in der Hoffnung, ihn eines Tages die Würde eines Accisebeamten oder wenigstens eines Kirchenschreibers erlangen zu sehen. Der Bursche wuchs aber so träg und musikalisch auf wie sein Vater; er ließ sich von dem Ton der Trommel und Pfeife eines Werbekommandos berücken, und folgte diesem zum Heere. Vor kurzer Zeit war er, ohne Geld und ohne ganze Elbogen am Rocke, zurückgekehrt, der verlorene Sohn des Dorfes. Er schlenderte eine Zeitlang in dem halbzerrissenen Soldatenrocke im Orte herum, die Feldmütze auf die eine Seite seines Kopfes gesetzt, Steine über den Bach schnellend, oder sich vor der Schenkenthüre umhertreibend, eine Last für seinen Vater, und von allen guten Hausvätern mit großer Kälte angesehen.

Den ehrlichen Slingsby zog indessen ein Etwas zu dem jungen Menschen hin. Vielleicht war es die Liebe zu seinem Vater, der einer von des Schulmeisters Lieblings-Spießgesellen ist; vielleicht die geheime Sympathie, welche Leute von unruhigen Neigungen an einander fesselt; denn es gibt etwas wahrhaft Magnetisches in der landstreicherischen Neigung; oder es war vielleicht das Andenken an die Zeit, wo er selbst, wie dieser junger Mensch, als ein Wrack an seinen heimathlichen Strand zurück kam. Was nun auch der Beweggrund gewesen sein mag, so näherte sich Slingsby dem Jünglinge. Sie hatten in der Schenkstube des Dorfes viele Unterredungen über fremde Länder und die verschiedenen Gegenden und Orte, welche sie auf ihrer Wanderung durch die Welt besucht hatten. Je länger Slingsby mit ihm sprach, desto mehr fand er ihn nach seinem Geschmacke; und da er ihn beinahe so gelehrt befand, als er selbst war, so nahm er ihn sogleich als Gehülfen oder Unterlehrer in der Schule auf.

Unter solcher bewundernswürdiger Leitung hebt sich, wie man denken kann, die Schule allgemach; und wenn die Schüler nicht in allen Festtagsspielen der guten alten Zeit, zu des Squires Herzenszufriedenheit, hinlängliche Fertigkeit erlangen, so liegt die Schuld nicht an ihren Lehrern. Der verlorne Sohn hat sich bei den Knaben beinahe eben so beliebt zu machen gewußt, als der Pädagog selbst. Sein Unterricht beschränkt sich nicht auf die Schulstunden; und da er den musikalischen Geschmack und die Talente seines Vaters erbte, hat er auch die ganze Schule mit dieser Sucht angesteckt. Er versteht es sehr gut, die Trommel zu schlagen, die man oft hinten aus dem Schulhause wirbeln hört. Er lehrt auch die Hälfte der Knaben des Dorfes die Quer- und Papageno-Pfeife spielen; und sie setzen die ganze Nachbarschaft mit ihrer Musik in Unruhe, wenn sie auf den Hecken sitzen, oder Abends um die Scheunenthore schlendern. Unter andern Uebungen hat er auch die alte Kunst des Bogenschießens, eines der Lieblingsgegenstände des Squire, mit so großem Erfolge eingeführt, daß die Springinsfelde in der Nachbarschaft umherziehen, und ihre Bogen an den Vögeln in der Luft und den Thieren auf dem Felde versuchen, ja zuweilen auch wohl, zum großen Verdruß der Wildhüter, einen Streifzug auf das Gebiet des Squire machen. Kurz, so vollständig werden die alten englischen Sitten und Gebräuche in dieser Schule eingeführt, daß es mich gar nicht wundern sollte, wenn der Squire es noch erlebt, eines seiner poetischen Gesichte verwirklicht, und ein Geschlecht entstehn zu sehn, das würdige Nachfolger Robin Hoods und seiner lustigen Bande von Geächteten zu liefern verspricht.

< Der Schulmeister
Ein Dorfpolitiker >



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.