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Wilhelm Raabe

Alte Nester

Zehntes Kapitel

eingestellt: 12.7.2007



Das Wetter, nach dem sich der irländische Freund soeben zu meiner zweifelnden Überraschung erkundigt hatte, ließ wirklich nichts zu wünschen übrig auf unserem Wege nach dem »verzauberten« Schloß und während unseres Aufenthalts daselbst an diesem bewegten Morgen. Still, blau und wolkenlos spannte sich der Äther, soweit er zu erblicken war, über die unruhige Welt. Es war eben schon ziemlich heiß; mir aber kam es wunderbar treu von neuem in die Seele auf dem Wege, wie und unter welchen Umständen und bei welcher Temperatur ich zum erstenmal das einst so stattliche feste Haus des alten Geschlechtes derer von Everstein erblickt hatte.

Jetzt betraten wir den Hof wieder durch das Haupttor, durch welches am Todestage des Vaters der Wagen, der den guten Kameraden, die Mutter und mich trug, eingefahren war. Zu dieser Tür hatte der jetzige Besitzer und Herr keinen Schlüssel nötig; sie stand weit genug offen. Die eisernen Gitter waren ausgehoben, die Wappen mit dem Eberkopfe abgemeißelt, und was die letzteren anbetraf, so hatte der vorletzte Eigentümer sicherlich nicht gewußt, »warum er sich auf seinem Grundstücke durch die fremde Firma ärgern lassen sollte«. – Über wohlerhaltene Pflasterung war vordem unsere Kutsche gerasselt, die Steine waren nunmehr meistens verschwunden und machten wahrscheinlich im Dorfe jetzt allerlei bedenkliche Pfade den Bauern bei Regen und Tauwetter gangbarer. Aber schöne Brennesseln wuchsen überall, auch Kletten und Disteln hatten nicht eingesehen, weshalb gerade sie draußen bleiben sollten, da doch alles übrige, was Lust hatte, frei kommen durfte.

Noch führte die breite Treppe zu der Rampe empor, die sich, wie ich zu Eingange dieser Geschichten von den alten Nestern beschrieben habe, an dem Gebäude entlangzog. Wir traten da auch heute noch in den kühlen Schatten, den das graue Steinhaus auf den sonst so sonnigen Hof warf.

Da war die hohe, gewölbte Tür, die in das Schloß führte, und Ewald Sixtus hatte nicht bloß seinen Schlüssel darin stecken lassen, sondern die beiden Flügel weit aufgeworfen; und da sie gleichfalls nicht mehr ganz fest in den Angeln hingen, so hatten sie ihrerseits jetzt die günstige Gelegenheit benutzt, die Verbindung mit denselben so ziemlich zu lösen.

Haus Werden stand weit offen, und sein jetziger Herr lud mich mit einem Achselzucken, einer höflichen Handbewegung, einem neuen tiefen Seufzer und mit etwas gezwungenem Lächeln zum Eintritt ein, indem er brummte:

»Du bist gelehrt, sprich du mit ihm, Horatio.«

Um doch etwas zu sprechen, meinte ich:

»Wie mir scheint, mein Bester, wird es wohl weniger auf die Gelehrtheit als auf das Kapital ankommen, um hier von neuem Ordnung zu stiften, die Eulen, Fledermäuse und sonstigen Nachtgespenster zu verjagen und gebildet menschlich Behagen wieder möglich zu machen.«

»Für deutsche Verhältnisse bin ich ein reicher Mann«, sagte der Freund kläglich. »Meine Meinung aber ist, daß Maurer, Zimmerleute, Maler und Tapezierer es nicht in diesem Falle tun werden. In der Hinsicht weiß ich freilich schon selber, was ich zu tun habe, und brauche deinen Rat nicht, um den Bann und Zauber vermittelst eines vernünftigen Kostenüberschlags und mit Hammer, Säge und Mauerkelle zurechtzurücken. Wir hatten aber voreinst unsere Nester in das grüne Gezweig und den Sonnenschein gehängt, und du hast, als wir gestern nach Hause kamen, gesehen, wie die Racker ihren nichtswürdigen Kommunalweg über die Stätte hingelegt haben; – Fritz, Fritz, wir sind eben als alte Leute nach Hause gekommen, und die Landstraße geht auch über Schloß Werden weg. Fritz, ich richte es nicht wieder auf für uns und – Irene Everstein. Ich kann nur etwas anderes an die Stelle setzen, und sie wird höchstens kommen und sagen: ›Ich danke, es war wohlgemeint, aber das Rechte ist es leider nicht!‹ – Und wenn sie wirklich sagt ›leider‹, so muß ich das Wort schon für etwas nehmen, worauf ich kaum einen Anspruch habe. Nun, der Glücklichste hat am Ende nichts weiter als die Illusionen, die er sich bei seiner Arbeit und auf dem Wege macht. Sieh dich um, Langreuter! Du bist aus Bequemlichkeit zu Hause nicht mein Schwager geworden, und ich war ein Tor, als ich mir einbildete, durch Hartnäckigkeit, grimmiges Zugreifen und Maulhalten in der Fremde meinen Willen durchzusetzen. Faix – och arrah, in die Kölnische Zeitung werde ich demnächst Schloß Werden setzen, und es wird sich hoffentlich ja wohl wieder ein Liebhaber dazu finden. An der gehörigen Reklame solls nicht fehlen.«

Ich sah mich um. Es war nicht nötig, daß der Freund mich noch dazu einlud; wir hatten die große Halle durchschritten und standen in dem Gartensaale, in welchem mein Vater gestorben war und wo ich so kindlich-betroffen, verwirrt-verwundert, so müde, durstig und betäubt von der langen Fahrt durch den heißen Sommermorgen meine Mutter sich über die Leiche hinwerfen sah. Mit voller Deutlichkeit stand alles, wie es damals war, von neuem vor meiner Seele; aber es war kühl, kellerartig kühl in dem lange verschlossen gewesenen Raume, und die Bilder der Vergangenheit konnten mir das Frösteln nicht verjagen. Das Sonnenlicht fiel nur durch die Spalten der Läden in den Saal; Haufen Gerümpel aller Art füllten die Winkel. Die Tür, die in den Park führte, war gleichfalls mit Brettern vernagelt; ich aber hatte selbst den Vogel Pfau nicht vergessen, der damals so vornehm auf die Schwelle trat und mir seine Schönheit zeigte. Es war der Herr Graf, der meine heiße Hand mit seiner kalten ergriff und mich näher an das Sterbelager meines Vaters heranführte. Er berührte leise die Schulter meiner Mutter, sie aber zuckte nur zusammen, aber richtete sich nicht empor, sah sich nicht um. Der Spuk, der den Stadtrat Bösenberg beim Antritt seiner Erbschaft in dem Hause seines Herrn Onkels in Finkenrode bewillkommnete, war nur – anerkennenswert literarisch verwendet und nichts weiter!...

»Meine Tochter, Komtesse Irene!«... Die Stimme kam herüber wie aus einem fernen Jahrhundert, und dann fühlte ich eine andere Hand in der meinigen, doch diesmal eine Kinderhand. Auf der sonnigen Gartenschwelle stand Irene Everstein – es flimmerte mir vor den Augen wie von einem hellen Mädchenkleide und einer Fülle blonder Locken. Der Wundervogel stieß einen gellenden, krächzenden Schrei aus und schlug sein Rad herrlicher. Sie aber verscheuchte ihn mit einer Handbewegung und stand plötzlich neben mir; – wir waren zum erstenmal zusammen unter den vielen Erwachsenen um uns her.

Vielleicht hatte der Freund doch nicht so ganz Unrecht mit seinem seltsamen Zitat: ich war gelehrt und ich konnte vielleicht auch sprechen mit dem Schloß Werden! Jedenfalls verstand ich recht wohl, was es selber von sich erzählte. Wir hatten lange genug dazu auf einem vertrauten Fuße gelebt, und Gründe, uns gegenseitig die Wahrheit vorzuenthalten, waren auch nicht vorhanden; und gelassener als der Freund, der irländische Ingenieur, konnte ich von Rechts wegen die Gestalten und Bilder der Vergangenheit an den Wänden hinhuschen sehen. Ich hatte mir in der Fremde nicht vorgenommen, diese ruinierten Wände mit neuen Tapeten zu bekleben und neue Bilder daran aufzuhängen. Er, der Freund, der so weit von Hause und so lange Jahre hindurch still und hartnäckig seinen Schweiß und sein Herzblut darangesetzt hatte, den Bann, der auf dieser Stätte lag, zu lösen, hatte jetzt freilich große Angst und viel Unruhe, und zwar mit vollem Rechte: ich saß nur in melancholischem Nachdenken auf der Stelle nieder, wo wir vordem unsere jugendlichen Spiele getrieben hatten, und sah die Schatten an den Wänden bald heiter, bald traurig vorbeigleiten.

Kopfschüttelnd sagte Ewald:

»Es ist ein gar nicht angenehmes Gefühl, und einen rechten Ausdruck weiß ich eigentlich nicht dafür. Ich komme mir mit einem Male alt – alt – merkwürdig alt vor. Ich habe keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken, wie die Jahre hingehen; aber in diesem Augenblicke ist es mir zum ersten Male klar, daß sie hingegangen sind und uns mitgenommen haben. O, den ganzen Kauf für einen Spiegel in Schloß Werden!... Es ist unbehaglich kalt hier nach dem Gange durch die heiße Sonne. Was meinst du, Fritz; sollen wir weitersteigen, da wir einmal drin sind, und die Spinnen, Fledermäuse und Ratten in Erstaunen setzen? Grau, grau! Och honey, es ist manch ein schwarzer Schatten in meinem Leben auf mich gefallen, aber dieser hier, den Schloß Werden wirft, ist grau und macht grau. Weißt du noch – der große Spiegel im Zimmer der seligen Gräfin –, es ist doch ein wahrer Segen, daß wir den nicht mehr an seinem Platze finden werden! Das könnte freilich dem Gespenstertum die Krone aufsetzen. Und wie glücklich waren die beiden Mädchen vor ihm! Und wie glücklich waren wir, wenn wir sie dabei in ihrem Spaß an sich stören konnten. Und dann – Mademoiselle Martin, und – deine Mutter! Fritz, sollen wir umkehren? Wenn wir weitergehen, müssen wir durch alle Räume, und es sieht überall aus wie hier! Du gehst unbedingt voran, du hast studiert, und ich fasse deinen Rockschoß. Das hätte mir aber vor acht Tagen noch jemand sagen sollen, daß ich je einen anderen auf einem Wege mir voranschieben würde! O Fritz, hinter einer Tür sitzt sie noch in ihrer ganzen jungen Lieblichkeit, und – ich – ich störe die Fledermäuse und die Spinnen um sie auf. Verdammt! So komm endlich! Hier haben wir doch wohl jetzt den Moder und Wurmfraß lange genug angegafft! So grimmig feige und schwachmütig habe ich mich noch nie gefühlt. Wahrhaftig, die Schlacht, die durch pure Heldenhaftigkeit gewonnen ist, sollt ihr Historiker noch ausfindig machen.«

»Aber es ist doch manche Schlacht gewonnen worden!« meinte ich, und dann – durchwanderten wir Haus Werden, und ich hatte studiert und war ungemein gelehrt geworden im Laufe der Jahre; daß ich aber das Leblose sprechen hörte, das hatte doch seine anderen Gründe. Die lagen tiefer als die Bücher; und die allergrößesten und bekanntesten Geschichtsschreiber haben dahin zurückfühlen und -tasten müssen, um sich selber und den Leuten erträglich wahr vorzukommen.

»Ich bin vorhin nur bis hierher in den Gartensaal gekommen«, sagte Ewald. »Wie ein Kind hatte ich nicht die geringste Lust, mich in die Öde und Dunkelheit allein weiter hineinzuwagen. Nun vorwärts zu zweien, ich habe die Schlüssel zu jeder Tür, und hier – sind wir in – den Gemächern des alten Herrn! Puh, was für eine Luft!«

Wir standen in dem Zimmer des Herrn Grafen und warfen einen Blick in sein Schlafgemach. Das waren voreinst ziemlich unnahbare, unbetretbare Räume für uns gewesen, aber wir hatten doch als Knaben dann und wann hineingeguckt; heute guckte mir der jetzige Herr des Schlosses scheu über die Schulter, und wir fühlten uns beide nicht sicherer in unserem Fürwitz als vor Jahren.

»Wir hätten jedenfalls besser getan, zuerst in den oberen Stock hinaufzusteigen, Ewald. Dort haben wir wenigstens die Sonne der Gegenwart für uns und nicht diese unheimlichen Laden vor den Fenstern!« flüsterte ich.

»Nicht wahr, es spukt? Es geht um?«

»Ja, es geht um! Die Witwe Warneke hatte recht.«

Die kahlen Räume, die Dämmerung, der Staub und der Schimmel sprachen zu deutlich, als daß ein tröstlicheres Wort mir möglich gewesen wäre. Es war kein Wunder, wenn die Leute aus dem Dorfe dann und wann den letzten Grafen Everstein im Zwielicht oder in der Mitternacht um sein verlorenes, verwildertes Schloß wandern sahen. Daß seine Tochter auf dem Steinhofe bei dem Vetter Just eine Unterkunft in ihrer Not gefunden hatte, machte den Spuk nur noch glaubwürdiger; aber – es war in der Tat so: das war auch mir in diesem Augenblicke das Gespenstischste, daß der lebendige, starke, tapfere Freund diese Mauern wieder beleben, diese Räume wieder zu einem Sitz der Ruhe und des Glückes für das letzte Kind des Hauses zu machen sich vorgenommen hatte.

Wo war das Geräte, das dazu gehörte? Das hatte er nicht mitbringen können aus Irland. Verstoben in alle vier Winde wars während seiner Abwesenheit im Lebenskampfe. Neu konnte er das Schloß Werden bauen; aber das alte wieder aufzurichten, das war unmöglich, und der Vetter Just auf seinem Steinhofe war kein Beispiel dafür, daß es doch wohl anginge. Der hatte etwas Lebendiges wiedergefunden, als er von seinen Weltfahrten nach Hause und auf den Steinhof zurückkehrte; aber Schloß Werden war tot! Die Fliesen und das Getäfel unter den Füßen, die zerbröckelnden Plafonds über unseren Köpfen, alle Mauern rundum erzählten davon, wie man von und in einem Märchen erzählt: Es war einmal!

Ohne noch weiter miteinander zu reden, stiegen wir jetzt die breite steinerne Treppe mit dem stattlichen Geländer aus künstlich geschnitztem Eichenholz empor zu dem oberen Stockwerk des Hauses. Die Dämmerung, die Dunkelheit, den feuchten Moder ließen wir zwar hinter uns, das Licht, die Sonne fanden wir hier in den Gemächern; aber geirrt hatten wir uns doch, wenn wir geglaubt hatten, daß das uns zu einem leichteren Atemholen verhelfen könne.

Sie kann sehr grausam sein, die Sonne, viel grausamer als die Nacht! Und daß sie lacht, ist nur allzu häufig nicht das Liebenswürdigste an ihr. Daß Hoffnungen getäuscht, Täuschungen zunichte gemacht werden, daß die Vergänglichkeit alles Irdischen dem Menschen klargemacht werden muß, ist zwar eine recht löbliche und vernunftgemäße Aufgabe; aber ist es denn unbedingt notwendig, daß dabei gelacht wird?

Die Dämmerung, die Nacht tun das auch nicht; aber die Sonne tut es, und dem armen, hülflosen Erdbewohner kommt es vielleicht nicht ohne Grund dann und wann in den Sinn, daß sie sich doch wohl auch einmal zu sehr in ihrem Rechte seinen Schmerzen, Hoffnungen und Täuschungen gegenüber fühlen könne.

Wenn die Sonne, der helle Tag sagt: Es war einmal! so ist das ein ganz ander Ding, als wenn die Nacht, die gute alte Mutter, mit tonloser, aber doch mitleidiger Stimme das melancholische Wort ausspricht. Sie, die Nacht, stemmt nie die Arme in die Seite und kreischt und kräht und wills nie von allen Ecken und Enden her hören, daß sie recht hat; aber der Tag tut das und will das nur zu gern. Ach, und der Mensch könnte recht häufig etwas Besseres tun, als sich darauf zu berufen und von einem Rechte zu sprechen, das so klar sei wie der helle Tag!

In dem Erdgeschoß von Schloß Werden hatten die unberufenen Gäste und Besucher aus der Umgegend hier und da auch wohl eine Fensterscheibe und einige Male hinter den Läden auch einen ganzen Fensterflügel des Mitnehmens wert gehalten, und so vermochte doch noch immer ein frischerer Hauch von außen in die verriegelten, verschlossenen Räume zu dringen: in dem Oberstock fanden wir nicht nur alle Türen verschlossen und unerbrochen, sondern auch alle Scheiben ganz. Das Licht teilte sich da mit dem Staube allein in die Herrschaft. Der Staub wirbelte uns unter den Füßen auf; die Luft wurde durch unser Eindringen seit Jahren zum erstenmal wieder bewegt, und die Sonne, die durch die schmutzigen, trüben, mit Spinnweb verhängten hohen Bogenfenster drang, kreischte auch hier und lachte gell: Macht euch keine Illusionen! – Und hier – hier war das Reich der Frauen des Hauses Werden gewesen, und hier war das Kind aufgewachsen, das jetzt als kummervolle Frau, für welche der tapfere Mann an meiner Seite das Alte neu machen wollte, auf dem Steinhofe saß!... Ach, für wie ehrlich hielten wir die Sonne, als wir selber in unserer Kindheit und Jugend in diesen Räumen lachten oder unser junges Leben zuweilen so drollig ernsthaft nahmen!

»Ich hätte schon im vorigen Winter den Handel abschließen und nach Hause kommen können«, seufzte der Freund. »Fritz, ich wollte, ich hätte es getan. Wie ein Maikäfer habe ich aber in meiner Dummheit gezählt, eh ich aufflog. Uh, wenn der Mensch nur nicht immerfort ebenso schlau sein wollte, als er dumm ist! Langreuter, ich habe mich noch nie nach Landregen, Schneegestöber und dem erbärmlichsten Hundewetter so sehr gesehnt als an diesem verruchten, nichtswürdigen Sonnentage. Übrigens wollen wir wenigstens doch die Fenster aufmachen oder einstoßen – schon deinetwegen, armer Kerl. Was mich anbetrifft, so kommt es ja wohl auf ein bißchen mehr oder weniger Erstickungsgefühl weiter nicht an! Ich habe mein frei Atmen schon drüben jenseits des Kanals diskontiert; – geh du wieder voran, Fritz, – dies hier war ihr Mädchenstübchen, und ich habe mir – drüben in Irland eingebildet – daß sie und es und ich und wir alle geblieben wären, was wir waren!«

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