Frei Lesen: Der Werwolf

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Hake von Stülpe, Erstes Kapitel | Zweites Kapitel | Drittes Kapitel | Viertes Kapitel | Fünftes Kapitel | Sechstes Kapitel | Siebentes Kapitel | Achtes Kapitel | Neuntes Kapitel | Neuntes Kapitel | Die Sündflut und der Tempelhoffsche Berg I., Erstes Kapitel | Zweites Kapitel | Drittes Kapitel | Viertes Kapitel | Fünftes Kapitel | Sechstes Kapitel | Siebentes Kapitel | Die Sündflut und der Tempelhoffsche Berg. II., Erstes Kapitel | Zweites Kapitel | Drittes Kapitel | Viertes Kapitel | Fünftes Kapitel | Die Kurfürstin Elisabeth und die weiße Frau, Der Vertrag in ... | 2. Kapitel: Aufruhr | 3. Kapitel: Mundus vult decipi. | 4. Kapitel: Der Reichstag von Augsburg von einer Seite | 5. Kapitel: Der Reichstag von Augsburg von der andern Seite | 6. Kapitel: Die erste Kommunion | 7. Kapitel: Die Überraschung | 8. Kapitel: Die Flucht aus Berlin | 9. Kapitel: Die Gäste aufgenommen | 10. Kapitel: Die Gäste ausgewiesen | 11. Kapitel: Wunder und Wahrheit | 12. Kapitel: Attila und Konstantin hörten die Stimme Gottes. | 13. Kapitel: Der Kehraus |

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Willibald Alexis

Der Werwolf

Zweites Kapitel

eingestellt: 8.8.2007



Das Gespräch mußte lebhaft gewesen sein, denn der Zeiger zeigte schon auf die elfte Stunde, und noch lag Frau Brigitte nicht im Bette, und noch saß der Knecht Ruprecht auf der Ofenbank.

»Und darum bist Du nicht im rechten,« sagte sie jetzt. »Denn als Gott den Menschen schuf, schuf er ihn nach seinem Ebenbilde, so stehts geschrieben, nicht nach den Tieren. Und wie solls nun kommen, daß man des Menschen Zukunft und was ihn angeht, lesen soll in dem Geschnatter oder Geflatter von wilden Gänsen! Der Vogel weiß nicht mehr, als was er wußte, da der Herr ihn geschaffen hat; noch hat der Fisch was zu gelernt, seit die Welt steht. Sie tun, die Kreaturen, wie ihre Art ist. Aber mit der Menschenkreatur ists ein ander Wesen, Ruprecht; das ist nicht Abrichtung, als wies ein guter Reiter mit nem guten Pferde macht. Der Reiter sitzt in der Kreatur, da sproßts und treibts, denk ich, und schlägt aus, und gar nicht dahin, wohin man denkt. Darum kann niemand voraussagen, wohin er kommt.«

»In die Grube,« erwiderte der Knecht. »Sechs Bretter sind unser aller letztes Haus.«

»Aus dem Haus geht man aber in ein anderes.«

»Ich meine so, wenn der Sargdeckel fällt und die Erde darauf geschaufelt wird, ists mit uns aus, nämlich hier auf der Erde. Was nachher kommt, ist Gottes Gnade, aber wenn durch Gottes Ungnade einer wiederkehrt, nämlich als Geist, der kann nun spuken, wie es ist, aber er hat kein Recht und Fug hier, und schafft und treibt so wenig was, als das Wasser von Silberschaum in den Krippeln die Mühlen treibt.«

»Wenn einer ein schön groß Auge hatte,« erwiderte nach einer Weile freundlich die Burgfrau, »und er sah Dir recht in Dein Auge, ich denke, Du siehst das noch immer, auch wenn er fort, auch wenn er längst Staub ist. Denk an den gottseligen Markgrafen. Wer den Johann Cicero einmal so recht anschaute, der vergißts nicht. Ich meine, solch ein Auge kann auch gar nicht untergehen. Ein Reh hat auch schöne Augen, auch ein Roß kann furchtbar schön blicken, doch wenn sie gefallen sind, bleibt nichts zurück. Aber eines Menschen Blick, Ruprecht, kann wie der Zunder zünden, und die Flamme brennt noch lange fort, wenn der Funke verglommen ist. Und ist auch die Flamme verlöscht, so bleibt wohl wieder ein Funke, der wieder ein Feuer anzündet. So, denk ich mir manches Mal, ists mit dem Geiste des Menschen, daß, wenn sein Körper längst Moder ist und seine Seele im Himmelreich, der noch fortschafft auf dieser Erde. Sieh, des Schreiners Arbeit und gar des Maurers, wie lange lebts nach ihm fort. Und der Orgelbauer, dessen Stimme schallt noch nach hundert Jahren zu den Menschenkindern, die nichts von ihm wissen.«

»Und erst der Glockengießer, Gestrenge!«

»Und wer zuerst die schönen Kirchenlieder sang, davon das Herz sich hebt. Ruprecht s ist nicht mit uns aus, wenn der Sargdeckel fällt. Wer rechtschaffen gelebt und gearbeitet hat, der arbeitet noch fort in Kind und Kindeskind; man merkts nur nicht.«

»Ich meine,« entgegnete Ruprecht, »der Mensch wills wie die Bäume tun, die möchten auch immer höher hinauf, aber in der Schrift steht geschrieben: es ist dafür gesorgt, daß sie nicht in den Himmel wachsen. Ich meine nun, der Mensch hat nur das voraus, vor dem grünen Gewächs und vor dem Vieh, daß er denkt, er könnts anders und besser machen, als es ist. Und das, mein ich, geradwegs vom Bösen. Das ist der Hochmut, daß wir bauen, denn die höchsten Türme stürzen am ersten ein, wie der von Babylon. Und wenn alle Menschen zusammenblasen mit ihren Lungen, können sie noch nicht fliegen, wie der kleinste Maikäfer. Wir könnten viel lernen noch, sagen sie, wo lernt denn aber einer mir das, was ihm gut ist, und frißt doch kein Hase Kraut, was ihm nicht gut ist. Ja, lernen ist schon gut, aber es sollte eine Kreatur von der anderen lernen, dazu hat sie unser Herrgott so untereinander gewürfelt, die Pflanze von den Steinen, die wollen gar nicht wachsen, die Tiere von den Pflanzen und die Menschen von den Tieren.«

»Von den Tieren, Ruprecht, Gottes Ebenbild?«

»Die Vögel haben Nester gebaut, eh der Mensch sich Wohnungen machte, der Bär kriegte seinen Winterpelz, eh der Mensch sich Kleider webte. Die Schwalbe hat gewiß eher den Frühling gewittert, ehe denn Adam merkte, daß der Winter vorüber wäre, und er wieder raus muhte zum Graben. Darum ist das mein Sinn, dieweil die Tiere sind bei der alten Satzung blieben, so Gott für sie gemacht, ist auch bei ihnen blieben, dieweil wir vom Weib Geborne nicht bei geblieben sind. Wir schlugen aus der Art, der Teufel steht immer uns zur Linken oder zur Rechten, bei allem, was wir tun und denken, weil er weiß, er braucht uns nur was Goldenes oder Rotes hinzuhalten, so laufen wir nach.«

Ein Lächeln schwebte um die Lippen der guten Frau und sie hob etwas den Finger: »Als wie die Drosseln nach den roten Ebereschen. Siehst Du, Deine klugen Vögel gehen auch an die Schlingen!«

Die Burgfrau horchte wie auf ein Geräusch aus der Ferne.

»War nur ein Pferdewiehern, ein Wolf ist dahinter. Von unsern sind keine draußen. Es ist nicht gut auf derlei um Mitternacht achten.«

»Ruprecht, entsinnst Du Dich nach? Christ Jesus, mein Herr und Heiland, steht mirs doch vor Augen wie gestern, als der Lindenberger bei uns einritt. Das stürmte auch, und was kam darauf!«

»Nichts, was nicht kommen mußte.«

»Nein, nein,« sprach Frau Brigitte, wie einen Gedanken abwehrend. »Nichts muß kommen, was nicht der Herr schickt, und was er schickt, ist gut. Wär nicht der Lindenberger bei uns eingeritten, dann hätten sie nicht meinen Gottfried nach Berlin geschleppt in Ketten, der Kurfürst wäre nicht bei uns eingekehrt, er hätte nicht Hans Jürgen gesehen und liebgewonnen, er hätte ihn nicht mit sich genommen an seinen Hof, noch wär er jetzt sein Marschall, und Eva, ja und meine Eva –«

Ein wohlgefällig Lächeln überzog das Antlitz der Alten.

»Und den Junker Hans Jochem hätte nicht der Teufel geholt!« fiel der Knecht ein. Es schickte sich wohl nicht für einen Knecht, so zu sprechen.

»Der Teufel! wie Du sprichst, Ruprecht! Er ist ja auf dem Wege, ein Heiliger zu werden. Es ist noch kein Bredow ein Heiliger geworden!« Die gute Frau sprach es nicht zürnend aus. Etwas von Schalkheit mochte doch in der trüben Miene liegen.

»Es sind viel Heilige gewesen, das ist so meine Meinung,« sprach der Knecht Ruprecht, »und haben viel getan: die Menschenkinder sind aber darum nicht heilig geworden, noch werden sies werden. Also wars wohl eine besondere Gattung, wie die Schwäne andere Tiere sind als die Enten. Und als wie eine Bachstelze nicht sollte fliegen wollen und singen wie die Lerche, so ist das zum Exempel gesetzt, daß wirs den Heiligen nicht nachtun sollen. Tuns ihnen etwa die nach, an denen es doch wäre, die Mönche und die Domherren und die Prälaten? Wird sich der Abt von Lehnin rösten lassen, wie der heilige Laurentius, oder hat die Aebtissin von Spandow Lust, daß sie sie räderten wie die heilige Katharina? Vom untersten Barfüßler bis zum obersten Erzbischof, da läßt sich keiner auch nur einen kleinen Finger abhauen, und der Papst zum wenigsten. Warum wärs denn da an uns«

»Ruprecht, warum wären wir denn auf der Welt?«

»Habs auch manchmal so gedacht. Warum muß der Bauer schwitzen im Sonnenstrahl bei der Ernte, daß er umfällt, warum muß der Soldat die Glieder sich zerhacken lassen im Kriege, warum muß man frieren, hungern, dursten, hinten, am Zipperlein sich schleppen, und der Vogel friert nicht, schwitzt nicht und arbeitet nicht«

»Das ist Adams Fluch.«

»Schon gut. Es ist ein Pack auf uns geladen, das müssen wir hier mit schleppen, und jeder trägt seines, der Fürst wie der Bauer, das weiß ich recht gut, und wer seines abschmeißen will, dem wird wohl noch eins, das schwerer ist, aufgepackt. Das weiß ich auch. Und murren hilft so wenig als besser machen wollen. Darum müssen wirs geduldig tragen und im Himmelreich wird es uns abgenommen.«

»Ich denke, es wird uns schon eher ein bißchen leichter gemacht.«

»Je älter man wird, so schwerer trägt man.«

»Nicht alle!« die Edelfrau schüttelte den Kopf. »Nur wer Böses hinter sich hat, meine ich. Wer auf guten Wegen ging, dem wird die Last immer leichter, ob der Fuß auch schwerer wird und die Kniee wanken. Nicht wahr, Ruprecht?« – und sie faßte ihn am Arm und sah ihn so herzensgut an – »gutes Tun ist schon gut, wenn einer auch keines Lohnes wird. Der Lohn sitzt in ihm, wie ein Funke, der heraus will, der allimmer noch, wenns Lämpchen erlöschen möchte, knistert und aufflackt. Trägst Du denn so schwer, Ruprecht; sieh mich an, tragen wir beide so schwer? Und wie wir, so wirds viele geben. Die können getrost der Grube zugehen, der Sargdeckel wird nicht so schwer auf sie niederfallen. Nein, nein, es bleibt schon eine Luftspalt, draus weht es und flüsterts, und sie sehen auch wohl, als selige Geister, wie das fortblüht und wächst was sie säeten. Der hochselige Markgraf, der ruht gewißlich sanft, und wenn der Herrgott ihm erlaubt, die Augen aufzuschlagen, lächelt er wohl bisweilen, wenn er die sichern Straßen sieht und die Räuber verschwunden, und der Friede und die Sicherheit, sind das nicht seine Werke? s ist der Funke, den er zurückließ und sein Sohn hats nur ausgeführt. Das sind die guten Werke guter Leute, die habens besser gemacht als es war, und wenn die Leute gut bleiben, geht das so weiter, und walte Gott, daß, wenn unser Herr sich niederlegt, früh oder spat, daß er aus seinem Sargdeckel auch so hinausschauen kann und sieht, daß alles noch besser ist, als ers gekannt.«

»Wers nur wüßte, wer einem sagte, wies ist,« sprach der Knecht Ruprecht, den Kopf im Arm. »Als sie die Universität gemacht haben, dazu glaubte ich doch, wäre das: »Was die Pfaffen nicht wissen, müßten die Professoren wissen.«

»O ja, da sind berühmte Gelehrte, die griechisch wissen, wie unser Herrgott denkt, und was weiß ich, aber für unsereins, klopft da einer an, sie rufen lateinisch herein und setzen uns hebräisch einen Stuhl an die Schwelle, und sonst bleibts schmutzig und stückig und hoffärtig. Das müßte doch sein, daß mal ein Mönch oder ein Pfaff, oder ein Prälat recht fromm wäre und alles wüßte, und ein christlich Leben führte, an den unsereiner sich halten könnte, und was man ihn fragte über die Seligkeit und das gottgefällige Leben, darauf gäbe er Antwort, und den Armen umsonst. So ein Mann, ja, Ruprecht, der fehlt uns, der wäre besser als alle Deine Vögel und Deine Witterung, und als die Sterne auch, in die der Kurfürst guckt. Gott steh mir bei. Nein, der Mann müßte nur in die Schrift sehen und in Gottes Wort, und wenn zwei sich zankten oder uneins wären, wie Du und ich heute, wir gingen zu ihm hin, und dann thäte ers entscheiden, und was er sagte, das wäre recht. Und der Mann müßte Papst werden.«

»Und dann?«

»Was dann, Ruprecht?«

»Ists die alte Geschichte. Er wäre Papst, und dann –«

Sie wurden durch ein heftiges, lang anhaltendes Pochen am äußern Tor unterbrochen. Während des Pochens riefen mehrere Männerstimmen heftig, gebieterisch und ängstlich nach Oeffnung.

Knecht Ruprecht ward nicht leicht blaß, jetzt war er es.

»Das sind nicht Räuber!« sprach die Burgfrau und war aufgestanden.

»Aber s ist Mittwoch vor Invokavit!«

»Sie schreien um Hilfe.«

Der Knecht Ruprecht stand noch im warmen Zimmer, als die Burgfrau schon, die Kerze in der Hand, hinaus war und draußen an der Glocke riß, die das Gesinde zusammenrief.

Als das Gitter aufgezogen war und die Torflügel aufsprangen, was gewiß nur geschehen, nachdem die drinnen sich versichert, wer die draußen waren, sprengten vier Reiter von verschiedenem Ansehen, alle sichtlich verwildert, in den Hof. Ihre Rosse waren voll Schweiß und zitterten. Die Reiter schienen noch der Sprache kaum mächtig; dem einen saß die Kappe zur Seite, dem andern war der Hut entfallen. Die Harnisch und Panzerhemd umhatten, schnauften darunter nach Luft, bis der eine von diesen an den ältesten und vornehmsten heranritt, der in seinen weiten Mantel fest verwickelt war und mit gläsernem Aug umherschaute.

»Hochwürdigster!« sprach der Ritter. »Das ist Burg Hohenziatz, wir sind unter guten Leuten und in Sicherheit.«

Der, an den es gerichtet, schaute sich aber noch immer wie der Sprache unmächtig und ungewiß um. Erst als das Gitter wieder hinter ihm fiel, und der Ritter, der ihn angeredet, selbst vom Sattel gesprungen war und sein Pferd hielt, stieg er mit Hilfe desselben vom Steigbügel.

Wir sahen schon ehedem den Burghof von Hohenziatz, auch nächtlich bei Fackelschein, und Reiter ein- und ausreiten, aber es hatte sich manches geändert. Flüchtlinge kamen nicht mehr, und Abenteurer ritten nicht mehr aus; es war in der Zauche sicher geworden. Seit langen Jahren hatte keine Fehde gewütet. Der Kurfürst war nicht mehr von der Jagd abgetreten, und wenn Ritter Hans Jürgen und sein Eheweib aus Berlin die Mutter besuchten, kamen sie bei gutem Tage und schieden, wie es ehrbar ist, ehe denn die Sonne zur Rüste ging. Drum war es selten, daß das Burgtor zu später Stunde sich öffnete; aber darin hatten die Jahre nichts verändert, daß Frau von Bredow nicht gewußt, was einer guten Hausfrau ziemte, auch wenn sie um Mitternacht überfallen ward.

Was brauche ichs zu schildern, als die gute Frau ihre vornehmen Gäste erkannte, wie sie mit dem nächsten Knix, die Hände ehrerbietig auf der Brust, sich vor dem Bischof und seinem Begleiter verneigte, was sie sprach von der außerordentlichen Ehre, solche Gäste in ihren Mauern zu sehen, von ihrem Bedauern, nicht darauf vorbereitet zu sein, von dem schlechten Wetter, wo man keinen Hund ausjagen möchte, und Diener der Kirche müßten wie Räuber und Spitzbuben durch Wind und Wald reiten; wie sie dem Bischof, als er abgestiegen, den Rock küssen wollte, er aber freundlich ihr die Hand drückte und sie mit etwas heiserer Stimme bat, ihn in ein warmes Zimmer zu führen, da er sich wohl etwas verkühlt habe; wie sie ihn darauf bis zur Halle führte, aber dann fortstürzte, Jahre, Schlaf und Kälte vergessend, um – ganz wieder Frau von Bredow zu sein!

Es war der Bischof Hieronymus von Brandenburg selbst, und Valentin, der Abt von Lehnin, nebst zwei Rittern, die, von Wittenberg zurückgekehrt, in der Heide sich versprengt hatten. Wie dies zugegangen und was ihnen zugestoßen, wußte jeder früher als Frau Brigitte, denn wenn sie auch nicht alle Hände und noch mehr ihre Gedanken voll gehabt, so hätte ihr Gefühl für altes Gastrecht ihr doch nicht erlaubt, nach dem Grunde zu fragen, wo die Ehre ihr genügen mußte. Noch schienen die verdrießlichen und verstörten Gesichter der Herren selbst geneigt, es einem jeden zu sagen, was sie zu so ungewohnter Stunde in dieses abgelegene Haus geführt. Aber das Gesinde wußte, noch ehe die Pferde im Stalle an der Krippe standen, daß eine Rotte hungriger Wölfe den Reitern auf den Fersen, daß es ein schreckliches Jagen und Treiben gewesen, daß die Herren endlich im Schneegestöber den Weg verloren, und statt auf Kloster Lehnin, waren sie auf Burg Hohenziatz zugeritten.

Nun aber, da sie am prasselnden Kamin einen guten Trunk getan, der nach guter Sitte für Reisende dem Abendimbiß vorangeht, schien die Verstarrung ihrer Glieder sich zu lösen, und der Bischof, den Humpen wegsetzend, sagte, wenn ers nicht eben erlebt, hätte er es für nen Traum gehalten. Und der Abt von Lehnin setzte hinzu, es sei ihm noch nicht fürkommen, daß sie in Rudeln durch die Zauche streiften; noch könne es der Winter sein, der sie aus Polen rübertrieb, da er erst so spät anfange rauh zu werden.

Der eine Ritter, ein hagerer Mann, dem das an Länge zu gut kam, was die Prälaten an Breite über Not hatten, und mit einem Gesicht, das fast wie ein Totenkopf aussah, wenn das des Bischofs wie ein Vollmond glänzte, der schüttelte den Kopf:

»Halten die Herren Prälaten zu Gnaden, bei uns am hohen Flemming wissen wirs anders. In den Schluchten, die von den dicken Buchenwäldern überhangen sind, haben sie ihre Nester, oder ihre Zucht; das wimmelt und kribbelt da zu Zeiten von Dingen wie Ratten.«

»Was haltet Ihr nicht Wolfsjagden, was reutet Ihr sie nicht aus?« sagte der Bischof, »s ist mir kein Getier so in der Seele zuwider.«

»Heilige Jungfrau, das grausliche Geheul summt mir noch in den Ohren,« sagte der Abt.

»Hochwürdigster, darüber denkt man bei uns besonders,« fuhr der lange Ritter fort. »Als ich noch ein Knab war, ritt ich mit Dero Permiß in einer kalten Winternacht nach Haus. Die Sterne funkelten und die Luft knisterte, da wir durch einen Hohlweg kamen; aber mitten drinnen hörten wirs von den Bergen heulen, und das war Geheul, über das sich keiner täuschen mochte. Und bald stürzt es uns entgegen, schwarz über den Schnee, es mochten ihrer mehr als ein Dutzend sein, und gerad auf den Hohlweg zu, so wir passierten. Mir ward, wie Ihr denken könnt, nicht gut zu Mut, und ich sprach zum Knecht: »Laßt uns kehrt machen, Christian!« Er schüttelte: »Junker, das hilf uns nichts, die sind schneller als der Wind.« Nun sah ich nach den Höhen rechts und links; aber wie sollten wir mit unsern schweren Gäulen rauf, sie waren steil und glatt vom Frost. In solchen Fällen, meine hochwürdigen Herren, schlägt die Gottesfurcht auch bei uns durch; denn wir armen Laien haben nicht immer Zeit, wie die geistlichen Herren an unser Seelenheil zu denken. Also, wie ich die Arme vor mir Kreuzschlagen will, und ein Paternoster stammle, stößt mich der Christian an: »Junker tuts bei Leibe nicht, sonst denken sie, wir sind Pfaffen. Seid ganz ruhig, uns tun sie nichts, wenn sie wittern, daß Ihr der Junker aus Stülpe seid.« – »Wie das?« fragte ich, aber nun war nicht mehr Zeit zum antworten; er flüsterte: »Machts wie ich,« und da waren sie schon heran. Ich saß wie angefroren und mein Roß unter mir wie Stein. Da sprang der vorderste, ein entsetzlich Tier, mit einem Satz, daß er mich beim Schopf hätte langen können, aber der alte Knecht hatte schon seine Mütze abgezogen und sprach: »Glück auf die Reise!« Ich also in meiner Todesangst, zieh auch den Hut tief und sage: »Glück auf die Reise!« Da guckt mich das Untier mit ein Paar Feueraugen an, ich habs nicht wieder gesehen, als heute, und tut den Rachen auf, daß mir das Blut erstarrte. Nun weiß ich nicht, hatte ich was im Kopfe, oder wars ein Fieber, mir wars, als grinste es mich freundlich an und sprach: »Guten Abend, Junker von Stülpe!« und hob die Vorderpfote, wie man grüßen tut, und dann vorbei, und hinter ihm die andern, und alle nickten: »Guten Abend, Junker von Stülpe!« Ihr Herren, wenn Ihr die funkelnden Augen gesehen, unter Euch wimmelnd und himmelnd, wie zehntausend Irrlichter; oben die Sterne blinkten nur schwach. Und als alle vorbei waren, das Geheul! Es war wie Landsknechte, wenn ihr Obrist vorüberfliegt, ihm nachjubeln. Es dauerte eine Weile, ehe das Blut mir wieder in den Adern floß. »Nun mögt Ihr schon beten,« sagte der Knecht, »sie haben nicht mehr unsere Witterung.« – »Wie das?« fragte ich, und da hat er mirs vertraut. Die Wölfe haben mehr Verstand, als mancher Mensch denkt, und wissen, wo Bartel Most holt. Wo Schmalhans Küchenmeister ist, brechen sie nimmer ein, sondern wos die fetteste Zinshühner hat. Darum, hat mir der Knecht gesagt, der ist nun freilich tot, und er mags verantworten, wenns nicht wahr ist, darum haben die Ritterhöfe bei uns nichts zu fürchten, denn was ist da noch zu suchen, wos kahl ist!«

»Es geht itzo alles, was gut ist, zu den geistlichen Herren.«

»Unterm Krummstab ist gut wohnen,« sagt der dumme Bauer. »Das weiß ich nun nicht,« sagte der Knecht, »aber das weiß ich: wo polterts lustiger, wo legen die Hennen mehr Eier, wo kommen die Kälber gemästet zur Welt, und wo wimmelts von Gänsen, Enten, Truthühnern, Kapaunen, als in den Pfarrhöfen, in den Abteien und Stiften. Das wissen nun die Füchse und die Wölfe. Das Vieh ist schlau; wissen tun sie, wo nichts zu holen ist; da wird kein Huhn gestohlen, keinem Kinde ein Finger gekrümmt, und warum soll man sie fortjagen, wo sie uns nichts tun.« Das ist nun der Grund, hab ich gehört, daß sie bei uns am Flemming keine Wolfsjagden anstellen; denn nur wens juckt, der kraut sich.«

»Ihr wart wohl dazumal noch sehr jung, Herr von Hake?« sagte der Abt.

»Zum Scherzen wars doch nicht angetan?« sprach aber der Bischof, und zog die Brauen zusammen.

»Ich scherzen!« rief der Ritter, und wer ihn jetzt sah, konnte wirklich nicht an Scherzen denken. Lang und hager wie er war, richtete er sich am Tische auf um drei Köpfe über die andern, und nahm die Kappe vom Haupt, das kahl war. Das Gesicht glich nicht mehr, vielmehr wars ein leibhaftiger Totenkopf, nur um so schreckhafter, da ein Paar stiere Augen groß und geisterhaft aus den tiefen Höhlungen schauten. Und zu dem blassen Gesicht paßte das vertragene Lederkoller, das sich an den magern Oberleib wie ein Gerippe schmiegte.

»Ich scherzen! meine hochwürdigen Herren. Scherze mit dem Satan, wer Lust hat zu brennen, aber mit Priestern verscherz ich nicht meine Seligkeit. Es war ja in dem Winter 97, die Elbe und Oder standen wie Mauern; die Wölfe aus Polen kamen bis nach Erfurt. Entsinnen meine Herren sich nicht des Priors drüben von den Benediktinern, der von einem Kindtaufen aus Magdeburg zurückkehrte, er lenkte selbst den Schlitten. In der Nacht ists gewesen, und die Wölfe warens, die im Hohlweg an mir vorübersausten. Ein Schäfer hats mehrmals in Magdeburg erzählt; der Schäfer stand am Wege und sahs, wie der Prior seine Rosse peitschte, aber einer hing schon mit den Zähnen hinten am Schlitten, ein zweiter sprang dem Pferde rechts nach dem Genick. Dann verschwanden sie im Wald. Der Schäfer hat nur noch den grauslichen Schrei des Priesters gehört. Das eine Pferd kam mit dem Schlitten andern Tags abgetrieben und wie sinnlos nach Möckern, vom andern und vom Prior fand man nicht mal mehr die Knochen. Nur einen Stiefel fanden sie bei uns im Frühjahr oben auf einer höchsten Kiefer im Krähennest. Wie er dahin kam, darüber stritten noch die gelehrtesten Männer. Die Tiere sind noch schlauer als wild; wir könnens an ihren Fährten jedesmal sehen, ob sie ins Bistum nach Meißen oder nach Magdeburg ziehen.«

Es war still geworden; der Bischof wischte mit dem Schweißtuch über seine Stirn.

»Ist Euer Rappe wund, Herr von Jagow?«

»Meiner, Hochwürdigster?« fragte der zweite Ritter, ein Mann von mittleren Jahren und Statur, ein Gesicht, das auch ernst schaute, aber man sah ihm lieber in die Augen als dem Junker von Stülpe.

»Das Tier quer aus dem Dickicht schoß ja auch auf Euch, ich glaubte, Ihr wart verloren.«

»Ich, hochwürdigster Herr! hinter Euch wars ja.«

»Hinter mir?«

»Euer Falbe zitterte und schnaubt« wie rasend; hörte ich Euch nicht um Hilfe schreien?«

»Der Junker von Stülpe rief für Euch da an den alten Weiden, wenn mir recht ist, oder wars für Euch, Herr Bruder von Lehnin?«

»Ich sah, menschliche Hilfe tat nichts,« sprach der Abt; »ich betete mein Ave, und befahl meine Seele Gott.«

»Ihr rittet mich beinahe um,« fiel der von Hake ein, »so wühltet Ihr kopfüber mit beiden Sporen in den Weichen.«

»Euch?«

»Ihr schriet so furchtbar, Herr von Hake« – sagte der Ritter Jagow.

»Weil ich Euch schreien hörte.«

»Und ließt Euer Roß bäumen dicht vor mir: Euer Degenknopf stieß gegen meinen Küraß: ich meinte, es springe schon auf Euch.«

»Dann hat mich der Angstruf des hochwürdigen Herrn wirr gemacht. Ich schrie, wie wir alle, aus Leibeskräften; Getös allein erschreckt die Bestien. Nachher schlug ich um mich, weiß nicht, wos traf. Als wir mit heiler Haut das Freie gewannen –«

»Solch ein Ritt!« atmete der Abt. »Ich sah wahrhaftig nicht, wer vor, wer neben mir war.«

»Und das Geheul hinter uns! Wie viel waren ihrer?«

»Wer sah da hinter sich!«

»Ihr, Hake, bliebt zurück.«

»Blieb ich zurück? – Weiß es wahrhaftig nicht. Hatte nur einen Gedanken. Als Lehnsmann meines gnädigsten Herrn von Sachsen, hatte ich meinen Herrn Bischof heil und gesund bis Ziesar zu geleiten. Zwar nur vor Räubern und Gesindel, wär aber auf mein Lebtag eine Schmach für mich blieben, so ich ihn nicht vor Wölfen hüten können.«

Der Bischof machte ein Zeichen, daß ihm das Gespräch nicht behagte, der Abt setzte den geleerten Humpen vor sich nieder.

»Wärs länger gedauert, nicht die Wölfe, der Ritt hätts uns angetan.«

»Wers anders gewohnt ist, kann ein Wind umwerfen,« entgegnete der von Stülpe. »Meine jedennoch, daß wir dem Schnee und Wind unsere Salvierung allein verdanken: wärs klarer Sternenhimmel gewesen, weiß Sankt Johannes, in welchem Nest man morgen unsere Gebeine aufgelesen hätte.«

»Ihr Herren,« unterbrach sie der Bischof, »das war eine Sache, die besser wäre, daß wir sie vergäßen, und ginge es, daß wir sie auch bei andern vergessen machten. Des unnützen Geredes ist schon genug über unseren Ritt nach Wittenberg.«

»s ist schier unglaublich, daß um eines Mönches willen ein Bischof ausgeschickt wird,« sagte Hake von Stülpe. »Und im Winter! Denkt der Kurfürst von Brandenburg, man friert nicht.«

»Wir gehorchten nui dem Wunsche unseres Durchlauchtigsten Herrn, und damit es sonder großes Aufsehen geschehe, machten wir uns ohne standesmäßiges Gefolge auf den Weg nach Sachsen. Aber es scheint, daß das Volk mit den Augen des fabelhaften Argus auf alles acht hat. Dies ist sehr übel, meine Herren, aber man muß Uebel nicht ärger machen.«

»Was mußten wir nicht in Wittenberg hören!« fiel der Abt ein. –

»Um deswillen, Ihr Herren, wiederhole ich, muß dies tolle Nachtabenteuer nicht ins Gerede kommen; sie sagten am Ende, wir hätten uns von Gespenstern erschrecken lassen.«

Hake von Stülpe legte seine große dürre Hand auf den Tisch, und wie er den Mund groß öffnete, sah er selbst wie eines aus: »Das will ich beschwören, daß das keine Gespenster waren.«

»Gespenster, lieber Ritter, gibt es unterschiedlicher Art,« fiel der Bischof ein. »Das Volk legt die Dinge aus, wie es Lust hat; und wie sie in Sachsen anfangen in dem dreisten Mönch einen großen Mann zu sehen, möchten sie in dem kleinen Nachtspuk ein gewaltiges Omen finden. Sie möchten fagen: Wir hätten Furcht gehabt, uns von dem Augustiner ins Bockshorn jagen lassen, wir wären unverrichteter Sache heimgekehrt, und aus Aerger darüber sähen wir überall Spuk und Unholde; ich kenne das. Oder, die es besser meinen, fabeln von bösen Geistern, einer wilden Jagd, auf uns losgelassen, daß sie uns in unserem löblichen Bemühen störe. Beides muß uns gleich ungelegen sein, weil es einer unbedeutenden Sache einen großen Anstrich gibt. Man hätte den Mönch sollen zanken und auf einer kleinen Kanzel sich wundreden lassen; man achtete darauf, man tat ihm die Ehre an, ihn zu verketzern. Bei seiner verstockten Bauernnatur ward er nur dreister, weil große Herren sich dreinmischten, was darauf kam, davon spricht man nun schon über Deutschland hinaus, und zum Ueberfluß des Uebels mußten wir hin, um mit ihm zu disputieren. Das ist nun geschehen, und damit, Ihr Herren, laßt es geschehen sein, was uns anlangt. Nächste Woche spreche ich mit unserem gnädigen Herrn in Berlin, und hoffe ihn zu überzeugen, daß er dem Manne und der Sache zu viel Ehre erwies. Aber bei allen heiligen Fürbittern laßt die heulenden Wölfe in Nacht und Vergessen verschwunden sein, sonst werden die Dutzend Rachen zehntausend Schock Lästermäuler, die schlimmer sind als alle Tiere des Waldes. Nun, meine Herren, kein Wort mehr davon, unsere Wirtin kommt, unsere zerschlagenen Leiber mit besserer Kost als Schreck und Wind zu laben.«

Die späte Nachtmahlzeit ging eher vorüber als man bei hungrigen Gästen und beim guten Willen der Wirtin hätte vermuten sollen. Selbst der Malvasir und der feurige ungarische Wein, mit dem ihr Sohn, der Marschall, den Keller der Mutter für ihren schwachen Magen oder festliche Ereignisse aus Berlin versorgt, hatte die Zungen nicht belebt. War es der Schreck, der nachwirkte, daß jedes Gespräch, das munter anfing, ins Stocken geriet, gleichwie als stoße man an eine Erinnerung, die man nicht berühren wollte?

Da der Bischof den Becher ausbrachte auf den trefflichen Ritter, in dessen Burg sie nächteten, hielt Frau Brigitte die Schürze ans Aug – ihr Gottfried war ja tot. Der Prälat hatte an ihren Schwiegersohn gedacht, aber nicht bedacht, daß zur Erbschaft der Weg noch über eine Gruft ging. Der Bischof war ein gewandter Redner, ob er von Wein oder ohne Wein, wir hörten es schon, also wußte er das ungelegene Wort in ein gelegenes zu verwandeln. Aber heute schien es, als ob ein neckisch böser Geist seine Worte verdrehe, daß sie anders herauskamen, als er wollte. Auch der feinste Mann, der mit den Worten spielt, mag damit straucheln, wenn die Gedanken von anderen Dingen erfüllt sind, da fragte er, wie es der Matrone zweiter Tochter erginge, und ob ihre Kinder der Mutter glichen? und hatte es im Augenblick vergessen, daß die Agnes Bredow im Kloster zu Spandow war, und viel Redens doch davon war, wenn die Aebtissin stürbe, sie zu wählen. Und kaum, daß er über die Stirne streichend, sich ausgeredet, wie gut es eben ging, daß er an seines Freundes Redern Agnes gedacht, die ihr so ähnlich schaue, mußte ers auch da wieder ersehen, als er nun nicht Rühmens genug wußte über des Ritter Hans Jürgen Glück und Ansehen bei Hofe, und wie Seine Gnaden, der Kurfürst, nimmer einen treueren Rat gehabt, auch es vor männiglich laut bekenne. Darum könne sie noch auf viel mehr hoffen, und sei ihr Haus das glücklichste in den Marken zu preisen.

»Glück und Glas bricht leicht,« sagte die Burgfrau mit halblauter Stimme und nachdenklicher Miene, »und ist nicht alles Gold, was gleißt. In jedem Haus, wie schön s auch ausschaut, ist immer was, was nicht gut ist, als wie in der festesten Mauer ein Loch, wo der Feind durchschlüpfen kann. Drum soll man Wache stehen und den Tag nicht vor dem Abend loben; und Gottes Gnade tut uns allen not.«

Da ward der Bischof still; der Abt von Lehnin sprach gar wenig; der von Jagow redete manches gute Wort, aber wie ein ernster Mann, auf dem schwere Gedanken lasten, und den Speisen sprach nur der von Stülpe zu.

So kam nichts recht heraus, alle waren verstimmt und froh, als der Bischof sich erhob.

Noch einmal war die Burgfrau, das Schlüsselbund in der Hand, durch die Gänge der stillen Burg gegangen; sie und Ruprecht die letzten wachen Augen. Alles war, wie es sein sollte, aber sie wollte noch nicht die Treppe zu ihrer Kammer hinauf, wo der Knecht vorleuchtete, sie winkte nach der Kapelle.

»Gott erst danken, lieber Ruprecht,« antwortete sie dem Knecht, der mit mißbilligender Miene den Kopf schüttelte, – »daß er die schreckliche Gefahr abwandte.«

»Die Prälaten haben nicht gebetet.«

»So tun sies in ihrem Kämmerlein.«

»Sie schnarchen wie die Ratten.«

Aber Frau Brigitte blieb an der Schwelle stehen und wies, den Finger am Munde, in die kleine dunkle Zelle, wo eine Gestalt – es war der Ritter Jagow – vor dem Kruzifix auf den Knieen lag. Dann wandte sie sich um und schlich auf ihren Zehen fort, daß sie ihn nicht störe.

»Siehst Du, einer betet doch. Der liebe Gott wirds wohl für sie alle hören.«

Auf den Lippen des Knechtes schwebte noch etwas, als er ihre Tür öffnete. Die Burgfrau kannte ihn: »Nur heraus damit, sonst kannst Du nicht ruhig schlafen.«

»Es waren gar keine Wölfe.«

»Was denn? Was sahen sie?«

»Einen Werwolf.«

»Ruprecht! es sind Herren, die mehr gesehen haben als Du.«

»Der Lindenberger war auch ein kluger Herr.«

Der Name des Lindenbergers erweckte in Frau von Bredow jedesmal ein Entsetzen, das die Jahre nicht mildern wollten. Sie zitterte.

»Rann ihm nicht auch der Todesschweiß von der Stirn, als er ans Tor klopfte, und hatte nur einen Spuck gesehen.«

»Es war nur ein toter Schneider.«

»Das hatte da was zu bedeuten.«

»Ruprecht, was bedeutets jetzt?«

»Weiß nicht alles. Gestrenge. Aber es ist was vor, als wie dazumal. Es schlägt was um, nicht im kleinen, im großen. Das Große gibt sich kund durch kleine Zeichen; aber die Menschen wollen nicht drauf achten. Dazumal galts dem Adel, wems heute gilt –«

»Weiß Gott, und tut wies ihm gefällt,« fiel Frau von Bredow ein, und stieg in ihre Kammer.

< Hake von Stülpe, Erstes Kapitel
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