Frei Lesen: Der falsche Woldemar

Kostenlose Bücher und freie Werke

Kapitelübersicht

Erstes Buch, Erstes Kapitel. | Zweites Kapitel. | Drittes Kapitel. | Viertes Kapitel. | Fünftes Kapitel. | Sechstes Kapitel. | Siebentes Kapitel. | Achtes Kapitel. | Neuntes Kapitel. | Zehntes Kapitel. | Eilftes Kapitel. | Zwölftes Kapitel. | Dreizehntes Kapitel. | Vierzehntes Kapitel. | Fünfzehntes Kapitel. | Zweites Buch, Erstes Kapitel. | Zweites Kapitel. | Drittes Kapitel. | Viertes Kapitel. | Fünftes Kapitel. | Sechstes Kapitel. | Siebentes Kapitel. | Achtes Kapitel. | Neuntes Kapitel. | Zehntes Kapitel. | Eilftes Kapitel. | Zwölftes Kapitel. | Dreizehntes Kapitel. | Vierzehntes Kapitel. | Fünfzehntes Kapitel. | Sechzehntes Kapitel. | Siebzehntes Kapitel. | Achtzehntes Kapitel. | Neunzehntes Kapitel. | Zwanzigstes Kapitel. | Einundzwanzigstes Kapitel. | Drittes Buch, Erstes Kapitel. | Zweites Kapitel. | Drittes Kapitel. | Viertes Kapitel. | Fünftes Kapitel. | Sechstes Kapitel. | Siebentes Kapitel. | Achtes Kapitel. | Neuntes Kapitel. | Zehntes Kapitel. | Eilftes Kapitel. | Zwölftes Kapitel. | Dreizehntes Kapitel. | Vierzehntes Kapitel. | Fünfzehntes Kapitel. | Sechzehntes Kapitel. | Siebzehntes Kapitel. |

Weitere Werke von Willibald Alexis

Der neue Pitaval - Neue Serie, Band 9 | Isegrimm | Der neue Pitaval - Neue Serie, Band 4 | Der neue Pitaval - Band 15 | Walladmor |

Alle Werke von Willibald Alexis
Diese Seite bookmarken bei ...
del.icio.us Digg Furl Blinklist Technorati Yahoo My Web Google Bookmarks Spurl Mr.Wong Yigg


Dieses Werk (Der falsche Woldemar) ausdrucken 'Der falsche Woldemar' als PDF herunterladen

Willibald Alexis

Der falsche Woldemar

Dreizehntes Kapitel.

eingestellt: 23.7.2007



Besiegte singen keine Lieder. Sie gehen Jeder für sich und schauen zu Boden. Die Sonne ist ihnen als ein Vorwurf, so Schimpf und Schande anleuchtet und sie der Welt zeigt.

Das war ein trauriger Nachtzug gewesen. Mancher wunde Mann blieb liegen, mancher verirrte, den mußten Andere führen, den gar tragen. Hätten die Baiern sie verfolgt, es wäre noch schlimmer worden.

Und nun war es Tag. Ein Morgen als spotte er der Müden und Geschlagenen. Die Sonne zitterte hinter dem Nebelschleier so wonnig und warf ihre Strahlen durch die hohen Wipfel des Eichwaldes. Die Halme, Gräser und Zweige glitzerten im perlenden Thau, und Ruhe war auf der Erde und Ruhe im Himmel. Die Müdigkeit hatte sie überwältigt. Eine traurige Rast; wo Jeder hinfiel, war er eingeschlafen, als in halbtodter Ruh. Und schlug Einer die Augen auf, wenn ihm die Sonne zwischen die Wimpern blitzte, kehrte er sich und schloß sie noch mal wieder.

Flüchtlinge singen keine Lieder. Und doch tönte eins aus einer Kehle, wie die Lerche, die ihr Frühling singt, in die heitre Bläue. Die Sängerin stand, wo der Eichwald sich senkte ins Thal, und man überschaute das flache Land, das der Nebel noch überzog, und nur die Baumwipfel und fernen Kirchthurmspitzen tauchten auf. Ihre Wangen waren roth vom Morgenlicht und ihre Augen klar als der Thautropfen am Hagebuttenstrauch. Sie schaute auf eine Taube, die auf ihrer Hand saß. Wars ein Falke gewesen, die tragen wohl edle Frauen im Walde mit sich. Aber ein Täublein, das wollte sie selber befremden. Die Taube hatte einen versengten Flügel und war aus der Stadt geflogen mit den andern und verirrt, und fast nieder gestürzt auf den Arm der Jungfrau. Da hatte sie das Thier gepflegt und gehegt, und es pickte die Krümlein auf ihrem Munde. Nun aber in der Morgenluft, da sie es auf dem Arme schaukelte, schien das Thier gekräftigt, und da sies hob, daß es Luft faßte, spannte es die Flügel und flatterte auf und fort.

Verwundert und ärgerlich fast sah zuerst Adelheid der Treulosen nach, als wie bei einem Abschied. Und sang dann eins von den schönen Liedern, die in alter Zeit gedichtet sind von Lieb und Lust und Scheiden und Meiden. Lieder, die von selber kamen, als wie der Athem aus einer gesunden Brust, und sie fanden solche Weisen dafür, die ewig dauern. Klingen uns noch ins Ohr und wir singen sie, ohne die Worte zu wissen, zu denen die Väter sie erfunden.

Die Gräfin wachte auf. Sie lag, auf ihren Arm gelehrt unter einer alten Eiche. Blaß und überwacht stierte ihr dunkles Auge in die Ferne. Sie hörte nicht das Zwitschern der Vögel, das Rascheln der Eichhörnchen, das Rauschen des Morgenwindes in den braungelben Wipfeln. Die Sonne strahlte ihr nicht als schöner Morgengruß und der weiche saftige Nebel, darin alle Creatur aufathmete, goß sich nicht beruhigend um ihre wogende Brust. Wars, als sähe sie nichts denn das Schreckbild von gestern.

»Glückliche Geschöpfe, deren Gedanken nicht über den Augenblick hinausgehen!« Das schienen ihre Lippen zu sprechen, da ihr Aug die Frauen betrachtete, die regungslos zu ihren Füßen am Hügel lagen. Da traf ihr Ohr die Stimme der Tochter.

Die stieren Züge wurden weich, nachdenklich; sie bedeckte das Gesicht mit den Händen und seufzte. Sie konnte nicht mehr singen. Sie wollte bös hinblicken, die Augen schließen, aber wider Willen schielte sie immer wieder unter den Wimpern hin, und die Lippe ward zur Verrätherin: »O es ist sein Blut. Sie kann singen und lachen.«

Sie war ohne Geräusch zum Fräulein getreten.

»Adelheid!«

Der Ton war streng; aber als mildere ihn die Luft, schmiegte er sich weich ans Ohr der Tochter. Wie ein munteres Reh hüpfte sie und drückte ihre Lippen an die mütterliche Hand, und als wäre sie in ihrem Schloß erwacht, und nichts läge zwischen gestern und heut als eine gute Nacht, wünschte sie einen: Guten Morgen!

»Hast Du die Nacht vergessen!« sprach die Mutter.

»O Mutter, es wird noch Alles gut, gewiß!«

Der Gräfin Auge las tief in der Seele des Kindes. Sie streichelte ihre Stirn. Die Sonne leuchtet auch die Wolke an, die sie verhüllen möchte, und selbst ein grämlich Gesicht glättet seine Falten, wenn das heitere Auge der Unschuld es anlächelt.

Die Mutter sagte ihr, daß ihres Weilens hier nicht länger sein dürfe. Als Fürstin habe sie gedacht, den Kaiser zu empfangen, aber es zieme nicht ihr, nicht ihrer Tochter, als Hülfeflehende vor den Mächtigen zu treten. Eine stolze Seele weilt nicht gern bei der Schmach: »Auf unsre Güter nach dem Harz zurück, mein Kind«, sprach sie kurz. » Das hier ist für uns verloren.«

Da war mit einem Male die heitere Lust verschwunden, die auf Adelheids Gesicht wie tausend Morgenträume spielte. Die Züge wurden lang, das Auge senkte sich:

»Ich dachte mir das anders –«

Ein bittres Lächeln schwebte über der Gräfin Lippen: »Ich hab es mir auch anders gedacht.«

Adelheid richtete das Köpfchen plötzlich auf, und das Auge strahlte wieder hell, und die tändelnde Sprache wurde fest und klangvoll, als sie rief: »Mutter, wir dürfen noch nicht fort. Er ist noch nicht zurück!« – Da waren nicht die Morgenträume zu neuem Gaukelspiele dem muntern Kinde zurückgekehrt; es waren helle Gedanken, die in der erwachten Jungfrau aufblitzten. Es stand die ganze Nacht und das Gestern, und Alles, was geschehen, plötzlich klar vor ihrer Seele, und was sie sah, sprach sie aus, und was sie dachte, wurden Worte.

Als wie ein frischer Quell, den ein Bergsturz verschüttet, rieselte es vor, und übersprudelte sich, und wo mans gar nicht erwarten sollen, da bricht der hellste Strahl vor. Der Ritter, der edle Ritter, dem sie ihr Leben verdanke, sei ja noch nicht da. Er war zurück gesprengt, als er sie bis her gebracht, um seinen Freund zu suchen. Hier, habe er ihnen gesagt, sollten sie ausruhen, sie könntens in Sicherheit, bis er wiederkomme und sie weiter geleite. Und ob ers nicht verdient, daß man ihm gehorche aufs Wort? Denn trotz ihrem Eifer sah sie, wie die Lippen der Mutter sich spitzten, und wie ein schöner Anwalt, weiß Gott woher sies gelernt, begegnete sie den Einwürfen im Voraus. Da malte sie auf, was er Alles für sie gethan und geduldet: wie er dort, als ihr Roß strauchelte, von seinem sprang und es aufriß, und fast selbst im Moor versunken wäre, wie er sie, den Zaum in der Hand, durch den großen Sumpf geführt. Und wie die Sträucher ihm das Gesicht zerrissen hätten. »Ich mußte ihm mit dem Tüchlein das Blut abwischen, er konnte nicht mehr vor sich sehen.« Und wie er die anderen Gesellen, die zu murren und toben angefangen, und häßliche Lieder gesungen, zur Ruhe verwiesen, daß es sich nicht schicke, wo edle Frauen sind. Und wie er Trank und Speise ihnen aus der Köhlerhütte geholt, und selbst keinen Bissen nehmen wollen, ob er doch fast schwach von der Anstrengung worden.

Unmerklich hatten sich die Lippen der Mutter gekräuselt. Wähntest du, daß sie die Sprache des Kindes verstand, und was der stillen, gedankenlosen Sängerin plötzlich die Lippen geschlossen, du hattest recht. Wähntest du, daß der Stolz ihre Stirne kräuselte und sie besorgt, forschend auf ihre Tochter blickte, du irrtest. Warum sollte die Gräfin von Nordheim zürnen, warum fürchten. Kindern gönnt man ein Spielzeug, bis sie sein überdrüssig werden, und wird es gefährlich, zerbricht mans.

Der Marschalk war zur Gräfin getreten und flüsterte ihr etwas zu; seine Blicke flogen aufmerksam durch die Gebüsche, Freudiges war es nicht, was er der Gräfin sagte. Sie hörte gleichgültig und doch suchte auch ihr scharfes Auge, wo er hinwies. Verächtlich sprach sie:

»Die sind nicht schlimmer als die Andern. Das gemeine Volk ist nur dem Glücke treu.«

Der alte Diener schüttelte den Kopf: »Gott gebe, wir wären schon jenseits der Elbe. Hier ist nichts für uns zu suchen unter den aufgelösten Banden.«

»Ihr Obrist ist mein Dienstmann«, sagte die Gräfin.

»Der blieb todt«, sprachen Einige, »schwer verwundet ist er gewiß. Wir sind allein unter ihnen.«

»So hat er seine Hauptleute. Einer doch wird vor dem Gesindel die Rechte seiner Herrschaft wahrnehmen.«

»Gewiß, das wird er«, rief das Fräulein. »Sie wagen ihm nicht ins Gesicht zu schauen, wenn er zürnt. Drum laß uns auf ihn warten, Mutter.«

Die Gräfin schwieg einen Augenblick; dann gab sie dem Diener rasch einen Wink. Mit Hoheit sprach sie halb zur Tochter, halb zum Marschalk gewandt: »Es schickt sich nicht, daß man die Gräfin von Nordheim und ihre Tochter auf der Straße in solcher Gesellen Begleitung findet.«

Doch so vorsichtig der Marschalk die wenigen Diener, so ihnen geblieben, weckte, es läßt sich nicht still abziehen, wo Rosse gezäunt werden und das welke Herbstlaub den Verräther spielt. »Um Gott, Frau Gräfin«, sagte leis der treue Mann, »es wär doch gut, so ihr Hauptmann da wäre.« Denn unterm Weißdorn hob sich ein Kopf und stierte sie mit glotzenden Augen an, und wie er sich umdrehte, nach den Saumrossen, die sie gerettet, waren drei von den Gesellen schon darum und lenkten sie in den Wald nein. »Nichts für ungut«, sprach ein häßlich Breitmaul und die blutige Binde machte ihn noch häßlicher. »Nichts für ungut, gestrenge Frau, Eure Knechte wissen hier nicht Bescheid. Dorthin geht der Weg.« Die Gesellen lachten, und der treue Diener ward blaß. Ihre Frauen sahen sich bang an; aber die Gräfin winkte, als sei es nichts. Dann schalt sie mit lauter Stimme die Diener, so die Saumthiere führten, daß sie, ohne die kundigen Männer zu fragen, fortreiten wollen. »Ihr hört ja, in den Wald hinein! Diese guten Männer wissen besser Bescheid als wir.«

»Heilige Mutter Gottes! das wird ein böser Weg«, flüsterte der Marschalk der Herrin zu, da sie durch aufgewühlt Bruchland an ihm vorüber ritt. »Wir sind unser zu wenig.«

»Die Ostsee ist nicht so tief als einer Frauen List«, heißt es in einem alten Lied. Wer sollt es denken, wie die stolze Frau mit den schlechten Gesellen sprach, als wärens ihre lieben Freunde, und ritt zwischen ihnen unter den Vordersten, und rathschlagte mit ihnen, und war in Angst, als gäbs nicht größere für sie, denn auf Baiersche zu stoßen, und sah überall durch das Laub blaue Helmbüsche blitzen, und trieb die Räuber an, tiefer in den Wald zu lenken, bis sie irr wurden, ob sie die Frau führten, oder die Frau sie.

»Bei Sanct Ursula, was wird draus!« sprach ängstlich die Kammerfrau der Gräfin, und sprachs leise zum Marschalk, der bei den Saumthieren blieben, und sie fest am Zaum hielt, rechts und links neben sich; und den Gesellen machte er stets ein so grimmig Gesicht, als seine Herrin ein holdseeliges.

»Futter für die Raben«, antwortete der Marschalk, der nicht fein war gegen die Frauen.

»Allerbarmherzigste Jungfrau, sie werdens doch nicht wagen! Eine so fürnehme Frau. Das käme ja an den Tag!«

»Wann Sonne und Schnee so ein paar Jahr Deine Gebeine im Tümpel oder im Graben gebleicht, wo sie Dich nun hinwerfen, dann sehen Deine Gebeine, Marthe, just aus als einer Gräfin, oder Fürstin ihre. Und darum kräht kein Hahn!«

»Und mein allergnädigstes Fräulein!«

Der Diener antwortete nicht, sah finster vor sich, aber sah auch um sich in die Wipfel, wo es Merkmale gab.

»Mutter Gottes, Allerbarmherzigste!« machte die Kammerfrau ihrem gepreßten Herzen Luft. Was muß unsre gnädigste Frau nur mit den schrecklichen Menschen reiten und sprechen! Und läßt uns mutterseelen allein. – Sagt doch, Konrad, was züschelte sie Euch zu, da sie in den Elsen vorüberritt?«

»Mir? sagte der Marschalk und schaute sich um, ob es Einer gehört. Wenn sie Euch anfallen, soll ich mit den Saumthieren davon reiten.«

Die Frau sperrte den Mund auf, aber ihr deuchte, der Alte sei rasend worden, da er mit der Gerte gegen die Säcke schlug, und die Silberstücke klimperten hell. Es war der Schatz, den er aus Brietzen seiner Herrin gerettet.

»Alle Heiligen, Ihr verrathet uns.«

»Was ist an Euch gelegen. Das ist, was ich retten muß. Damit komm ich durch, so Ihr recht schreit und Verwirrung macht. Das ist ja der Frauen Art.«

Der heiße Mittag war kommen, Thier und Menschen waren todtmüde und in Schweiß gebadet, daß sie rasten mußten, und schliefen, wo sie hinfielen. Das Aug der Gräfin war wach.

»Wir entkommen ihnen nicht!« sprach sie leis zur Tochter.

Adelheid antwortete: »Als Du sie bis her klug hinhieltest, ich sah es wohl, so wirds Dir ferner gelingen, bis wir auf gute Leute treffen, die uns helfen!«

»Mein liebes Kind«, sprach die Mutter und setzte sich auf einen Stein, die Tochter kniete zu ihren Füßen. »Das Glück ist von uns; wir begegnen ihm nicht mehr. – Schau mich nicht so an, ich kann das Aug nicht ertragen. Als michs gestern auf der brennenden Treppe traf, wars als ein böser Blick, da sank all mein Hoffen hin.«

Adelheid wußte nicht, was das sei. Sie hatte doch die Mutter erst am Stadtthor wieder gesehen.

»Das Glück! Bau nie aufs Glück! Dem Bettelbuben, dem Pilger in Lumpen, der um die Hecken streift, wirft es Fürstenhüte zu, aber für adligen Muth, für königliche Entwürfe hat es nur Spott in seinem Bettelsack. Noch wollte Deine Mutter ausreiten, die Schlüssel dieser Städte dem Kaiser bieten zum Austausch, auf Deiner schönen, adligen Stirne sah ich – o Spott, heller Spott!« unterbrach sie sich. »In Nacht und Noth kaum auf und davon, und die ganze Klugheit, die wir werth hielten um Fürstenkronen zu spielen, was ist jetzt ihre große Aufgabe! Mit Gesindel verkehren, um das nackte, dürftige Leben sich zu retten.«

Adelheid blickte muthig auf. Sie erinnerte die Mutter, wie oft große Fürsten in Räuberhänden waren und durch Klugheit und Entschlossenheit sich retteten.

»Möglich, daß auch wir entkommen. Entkommen! das ist unser Hoffen! Aber daß der Adler, wenn er schwach und alt wird, sich verkriechen muß in den Spalten der Felsen, zitternd vor dem Tod, mit dem er spielte, zitternd, wenn Flügelschlag durch die Lüfte rauscht, und er flog kühn zur Sonne, das ist das grausame Spiel der Natur. – Für zwei Dinge lebte ich noch. Das eine war, meine Adelheid als Fürstin dieser Länder zu sehen; die höchste Ehre, um die ich viel hingab«, – sie murmelte: »mehr als mein Leben, – die sollte meinem einzgen Kinde werden, und nun haben es die tückischen Geister gefügt, daß ich um ihre Ehre zittern muß, wie die gemeinste Mutter, die eine Tochter erzeugt, damit sie die Spindel dreht, und den Besen führt. – Still Kind! Wer all seine Hoffnung einmal so an das Gemeinste und Gewöhnlichste klammerte, dessen Flügel sind gelähmt zum Höchsten.«

Die Gräfin lag erschöpft, den Kopf im Arme gelehnt, auf dem Steine, und ihre Augen konnten sich nicht schließen, ihre Brust war sonder Ruhe. Adelheid stand daneben, auch ihre Brust pochte, auch ihre Augen waren weit auf und folgten der Lerche. Wars als sauge der Mutter Auge Trost aus der Erde, das Auge der Tochter suchte ihn im klaren Blau der Lüfte. Als wie eine stolze, schöne Ruine jene, von Menschenhänden gebaut, daß sie gen Himmel rage, aber sie ist umgestürzt; und als ein junger Baum diese, der aus den Trümmern aufschießt, grad aufrecht gegen den Himmel, und es ist Platz da für seine Zweige, als Gott es will. In der Brust des Kindes schlug ein seelig Vertrauen, in der Mutter Brust wogte Unruhe, als wache etwas längst Begrabenes wieder auf und wolle heraus.

»Setze Dich zu mir und höre, aber sieh mich nicht an. Seit gestern, liebes Kind, seit dieser Nacht ists – es ist anders mit Deiner Mutter. Vielleicht zum letzten Male, daß ich ohne Zeugen zu Dir spreche. – Wenn wir uns trennen sollten, mein Kind, Dich wird der Himmel nicht verderben, Dich kann er nicht strafen wollen – Du wirst entfliehen –«

»Hilf Gott! Mutter, er ist mit uns Beiden –«

»Die Räuber dürfen uns nicht entkommen lassen – ich belauschte ihre heimlichen Reden. Sie warten nur, bis sie ein sicheres Versteck erreicht. Sie führen uns nach dem Spreewald. Deine Mutter selbst hat Dich, sich verrathen. Ich lenkte sie hierher, weil ich hoffte, auf diesem Wege würden wir auf Kriegsvölker treffen. Umsonst.«

»Die Heiligen sind mit uns, liebe Mutter. Sie lassen es nicht zu. Womit hätten wirs verwirkt!«

»Wir! – Vielleicht wollte Gott nur Gewürm, und verdammte die den Hals aufrichten. Deiner Mutter Herz schlug zu laut, ihr Sinn war zu frei, ihr Arm griff zu kühn aus. Nur deßhalb zerbrach, was ich formte, zerging in Luft und Nebel., was ich zu fassen wähnte.«

»Ach Mutter, es war nicht gut, Du hättest keinen Bund schließen sollen mit diesen –«

»Mit Diesen! Liebes Kind, diese Verworfenen tragens nur an der Stirne, was die Großen hinterm Schilde verbergen. Wäre ein finsterer Wald und Felsen über den Himmel gespannt, daß die Fürsten Länder könnten verschwinden machen, als Diese einen Kaufmann und seinen Karren, sie lägen Alle auf der Lauer. Was glänzt, ist eine Beute, dem Stärksten oder dem Schlausten. Was keine Sünde ist dem Höchsten, was war es Sünde mir! Trete doch Einer vor mich und spreche: er habe reinen Willen; bei allen heiligen Fürbittern, ich hatte den reinen Willen einer guten Mutter. Schließe die Augen, Kind, und höre einer Mutter Beichte. Wenn Du mich überlebst – ach, Du unbefleckte Jungfrau, mir wirds so schwer!« –

»Wonach siehst Du aus!« unterbrach sich die Gräfin. Adelheid stand auf den Zehen und schaute ins Freie.

»Ich sehe Staub.«

Die Frauen waren auf einem Hügel, um den die Räuber lagerten, als wie Wächter um ihre Gefangenen. Von dem Hügel konnte man über den Kieferwald unten weit ins Feld schauen, und auf dem Felde wirbelte eine Staubwolke auf. Die Gräfin sah es, ihr Gesicht glänzte nicht von der Erwartung, die Adelheids Stirne röthete. Sie sah aber Anderes, was ihre Wangen blaß machte: wie die Rädelsführer im Schatten die Köpfe zusammen steckten, wie sie zu ihr hinaufschielten mit grinsenden Mäulern, und an die Messer griffen.

»Allerheiligste, unbefleckte Jungfrau! Nur dies eine Mal erbarme dich, und leihe einer Mutter Kraft!« beteten stammelnd ihre Lippen. Die Jungfrau gab ihr Kraft. Einen verstohlenen Wink gab die Gräfin dem Marschalk, dann winkte sie den Anführern, schnell näher zu kommen, und der kleine häßliche Mann mit der Binde um die Stirn erschreckte fast, da sie den Finger am Mund, seinen Arm faßte, ihn auf die Höhe riß, und in die Ferne wies. »Feinde! – Staub! – Zu Roß! Ein Feindes Heer, schnell oder wir sind verloren!«

Mochte sie erwarten, daß die Wunde des Räubers Augen trübte; daß er den Staub, den ein einsamer Reiter, über trockne Stoppelfelder sprengend, verursachte, für Staub halten würde, den ein Königsheer mit Wagen, Roß und Mann aufwühlt? Der Räuber hielt die Hand vors Gesicht und sahe lange, doch schwang er sich dann am niederhangenden Aste einer Kiefer in die Höhe, und hing als eine wilde Katz am Baum, die auch ihre Beute stier anschaut.

»Rette Dich, mein Kind!« flüsterte die Gräfin, Adelheid an die Brust drückend. »Versprich mirs; diesen Kuß zum Lebewohl!«

Der Räuber auf dem Baume sah immer schärfer: »Still!« rief er plötzlich den Seinen zu, die achtsam an seinen Blicken hingen. »Was ist das! Sattelt! Sattelt!« und mit einem Satz war er herunter und stürzte auf sein Roß; »Sitzt auf! Der Teufel ist los, das dampft und stäubt nach Zehntausenden. In die Haide, eh sie uns wittern.«

Zu Füßen der Anhöhe, die sie mit verhängten Zügeln hinunter ritten, lag ein fließend Wasser; über das mußten sie, um drüben in den Wald zu kommen. Es war breit aber nicht tief, und floß über hellen Kiesgrund. Der Marschalk griff das Roß des Fräuleins, riß es in den Fluß und die Pferde arbeiteten schon ans Land, als Adelheid sich umschaute: »Heilige Jungfrau, was ist das!«

»Schaut Euch nicht um«, sprach der Diener.

»Zurück!« rief sie.

»Darf nicht«, erwiderte er, und riß das Pferd vollends auf das Ufer.

»Sie rufen zurück! Sie drohen, Konrad, guter lieber Konrad, zurück! Die Mutter wendet das Pferd.«

»Sie weiß, was sie thun muß. Ich weiß es auch, Fräulein.«

»Konrad, schau, da spannen zwei ihre Armbrust.«

»Darfs nicht schauen.«

»Auf uns legen sie an.«

»Werden uns nicht treffen«, entgegnete der Marschalk.

»Aber die Mutter.«

»Gott und seine Heiligen seien bei ihr!« sprach der Diener, und hatte die Rosse um die Waldecke gerissen.

< Zwölftes Kapitel.
Vierzehntes Kapitel. >



Die Inhalte dieser Seite sind Eigentum der Öffentlichkeit.
Sollten trotzdem Urheberrechte entgegen unserem Wissen verletzt worden sein, bitten wir Sie mit uns Kontakt aufzunehmen.